Das Kind meiner Cousine ist mein Schulleiter

Professor McGonagall hatte Phillis zu Dumbledores Büro geführt und sie mit dem Passwort hineingelassen.

Sie stand schon vor der Tür des Schulleiters mit ihrer Reisetasche und Ruths Gitarre und sie atmete noch einmal tief durch, bevor sie klopfte.

„Komm herein!", lud Dumbledore sie sofort ein. Er hatte sie natürlich schon erwartet und Phillis betrat sein Büro.

Es gab unendlich viele Sachen zu sehen und Phillis' Blick husche von einem seltsamen, fremden Gegenstand zum nächsten. Bücher und Schriftrollen waren verteilt und neben bekannten Geräten standen auch welche herum, die Phillis noch nie gesehen hatte.

Auf jeden Fall war Dumbledores Büro ein Paradies oder die Hölle für Demigötter, denn es gab hunderte Möglichkeiten, sich abzulenken.

Dumbledore saß an seinem Schreibtisch und sah Phillis über seine Halbmondbrille hinweg an und lächelte freundlich. „Hallo, Phillis", begrüßte er sie, „Setz dich doch."

„Sollte ich nicht lieber gleich weiter?", fragte Phillis, die nichts lieber wollte, als gleich nach Hause zu gehen und dann in das nächste Flugzeug zu steigen.

„Bald", versprach Dumbledore und wies sie mit einer Handbewegung an, sich ihm gegenüber auf den Stuhl am Schreibtisch zu setzen, „Ich habe heute in der Früh mit deiner Mutter gesprochen und erfahren, dass deine Reise nicht endet, wenn du zu Hause bist – es ist ein langer Weg nach Amerika."

„Ein Grund mehr, sofort loszugehen", bemerkte Phillis noch unwillig sich zu setzen.

„Ich habe mit Leute im Ministerium gesprochen und einen Portschlüssel organisiert, der dich direkt nach New York bringen kann", erzählte Dumbledore und legte eine zertretene Blechdose auf seinen Schreibtisch, „Er wird dich in genau achtzehn Minuten nach Amerika bringen, aber das gibt uns noch einen Moment lang Zeit zu sprechen."

Phillis konnte nicht dagegen argumentieren, also legte sie ihre Reisetasche ab und legte die Gitarre darauf, bevor sie sich zu Dumbledore setzte. Sie fühlte sich ein bisschen unwohl und wollte lieber nicht jetzt mit dem Schulleiter reden, sondern lieber in ihr sichere und bekannte Gebiete wechseln, aber der Portschlüssel würde wirklich erst dann teleportieren, wenn es Zeit war.

„Geht es dir besser?", fragte Dumbledore sie als erstes, „Ich habe von Madam Pomfrey erfahren, dass sie dir gestern noch einen Beruhigungstrank geben musste."

Phillis biss die Zähne zusammen und schaute finster. Sie verfluchte sich selbst dafür, dass sie so die Fassung verloren hatte – und auch noch vor so vielen Leuten. Sie konnte sich wage daran erinnern, dass sie mehrere Schüler ihres Hauses mit ihrem Geschrei geweckt hatte.

„Es ist wohl alles zu viel geworden", gestand Phillis, „Ruths Tod ist nicht unerwartet gewesen... eher... unerhofft und unerwünscht..."

„Sie ist Amerikanerin gewesen?", erriet Dumbledore.

Phillis nickte.

„War sie wirklich deine Schwester oder war es mehr ein Titel, den du ihr zugeschrieben hast?", fragte Dumbledore.

„Meine Halbschwester", gestand Phillis, „Derselbe Vater – verschiedene Mütter. Mein Dad neigt nicht wirklich dazu, sesshaft zu sein."

„Du stammst also von den Göttern ab?", fragte Dumbledore und Phillis wich instinktiv zurück, als hätte Dumbledore sie direkt angegriffen, obwohl er nur eine sehr direkte und unerwartete Frage gestellt hatte.

„Wie– Wie kommen Sie darauf?", stammelte Phillis erschrocken, „Ich... ich weiß nicht, wovon Sie sprechen."

„Ich denke, das weißt du schon", meinte Dumbledore und musterte sie beinahe belustigt über seine Halbmondbrille hinweg, „Ich bin mit diesen Geschichten aufgewachsen und dank dir fange ich an, diese Geschichten zu glauben."

„Behaupten Sie auch, dass Sie von Apollo abstammen, wie Professor Mopsos?", schnaubte Phillis spöttisch, obwohl sie wusste, dass es tatsächlich sehr wahrscheinlich war, dass Mopsos tatsächlich mit ihr verwandt war, obwohl sie sich nicht sicher war, was sie davon halten sollte.

„Nein, nicht Apollo", gestand Dumbledore und schüttelte den Kopf, „Nein, aber meine Mutter hat uns immer erzählt, ihre Mutter wäre Athene."

Prompt verschluckte Phillis sich an ihrer eigenen Spucke und hustete. Ihr Kopf war hochrot, als sie sich wieder beruhigt hatte. „Bitte?", fragte sie noch leicht keuchend und Dumbledore lächelte nur ruhig.

„Athene, die Göttin der Weisheit", wiederholte er, „Offenbar ist sie meine Großmutter. Ich habe es immer für Geschichten für Kinder gehalten, die meine Mutter uns erzählt hat, aber seit heute ändert sich meine Meinung und ich wollte dich bitten, mir die Wahrheit zu sagen."

„Es gibt keine Wahrheit", log Phillis und bemühte sich, gleichgültig auszusehen, „Sie haben keine Beweise und was Sie sagen ist lächerlich." Niemand anderer hätte sich getraut, so mit Dumbledore zu sprechen, aber da ging es gerade um ihre Familie – Phillis würde alles tun, um das Geheimnis ihrer Familie zu wahren und sie dachte daran, wie Zeus jetzt schon glaubte, sie wäre eine Verräterin. Natürlich hatte Mr D gesagt, dass es für Hexen und Zauberer genau genommen nicht wirklich ein Geheimnis war, aber Phillis war trotzdem nicht bereit, alle ihre Geheimnisse auszuplaudern, weil irgend so ein alter Mann auf die Idee kam, dass Athene eventuell unter Umständen die Mutter seiner Mutter sein könnte.

„Ah", machte Dumbledore, obwohl er nicht wirklich enttäuscht wirkte, sondern eher so aussah, als würde er es Phillis nicht abkaufen, „Das finde ich schade. Als Junge bin ich immer fasziniert von der Vorstellung gewesen, dass Götter unter uns weilen. Erzählungen von abwesenden Göttern, schrecklichen Monstern und glorreichen Helden – alle von ihnen ausgebildet von dem legendären Chiron, von dem meine Mutter Kendra immer wie von einem alten Freund gesprochen hat."

Phillis erstarrte. Das war eine Information, die man sich nicht ausdenken konnte – Chiron, der sie im Camp trainierte. Andererseits hätte es nur Zufall sein können und Chiron war auch in den Legenden der Sterblichen der Trainer von Helden gewesen, nicht nur von Achilles.

„Mein Großvater hat erzählt, wie meine Mutter zu ihm gekommen ist", erinnerte sich Dumbledore mit einem sehnsüchtigen Lächeln an seine Vergangenheit, „Offenbar hat der Westwind –"

„Zephyros", informierte Phillis ihn und Dumbledore sah sie einen Moment lang überrascht an.

„Jaah, Zephyros der Westwind hat sie in einer goldenen Wiege vom Olymp hinunter zu ihrem Vater getragen und ihr sind viele Heldentaten vorherbestimmt worden. Ich habe es immer belustigend gefunden, besonders da meine Mutter erzählt hat, sie wäre aus Athenes Kopf entsprungen, anstatt geboren zu werden."

Das stimmte wieder – die Kinder der jungfräulichen Göttin Athene wurden nicht geboren, sondern entsprangen (wie ihre Mutter Jahrtausende vor ihnen) ihrem Kopf. Einen Bauchnabel hatten sie trotzdem.

„Und trotz all dieser Wunder, all dieser Geheimnisse und all dieser Taten", seufzte Dumbledore beinahe enttäuscht, „hat sie kein einziges positives Wort über die Götter verlauten lassen... natürlich auch nichts Negatives, davor hatte sie wohl viel zu viel Respekt, aber... sie war den Göttern wohl nie wohlgesonnen..."

„Oh, Sie haben ja wirklich die Wahrheit gesagt", bemerkte Phillis überrascht. Man konnte über alles lügen, aber das Gefühl, das Halbblute ihren göttlichen Elternteilen gegenüber hegten, das konnte sich niemand ausdenken.

Dumbledore blinzelte vielleicht leicht überrascht. „Es tut mir leid, dass du es dadurch erkannt hast..."

„Jaah, das tut mir auch leid", stimmte Phillis ihm zu, lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, „Aber wissen Sie, wem es nicht leidtut?", Phillis deutete mit dem Zeigefinger auf die Decke, „Den Göttern."

„Es ist also die Wahrheit?", fragte Dumbledore, „Götter, Monster... Helden."

„Helden gibt es nur in Geschichten", schnaubte Phillis verbittert, „Die Realität ist der Tod und Schmerz. Sie schicken uns hinaus, um glorreiche Heldentaten zu vollrichten, aber... nicht alle kommen zurück."

„Wie deine Schwester", bemerkte Dumbledore.

„Wie meine Geschwister", verbesserte Phillis ihn, „meine Freunde, meine Familie... aber Ruth stand ich immer am nächsten..."

Phillis starrte nachdenklich in die Leere und ihre Hand fand das Lederband mit den Tonperlen aus dem Camp – Erinnerungen und nicht nur gute.

„Wir leben nie lange", gestand Phillis und lachte trocken auf, „Ruth ist eigentlich schon eine Seniorin gewesen... eine der ältesten im Camp... ich bin jetzt wohl die Hüttenälteste..."

„Dein Verlust tut mir leid", sagte Dumbledore ehrlich und Phillis wusste nicht, was sie darauf antworten sollte und nickte nur steif.

Einen Moment lang wurde es wieder still.

„Haben Sie Geschwister?", fragte Phillis und Dumbledore blinzelte überrascht von der Frage.

„Einen Bruder – Aberforth", gestand er.

„Vertrauen Sie ihm?"

Dumbledore dachte über seine Antwort nach. „Ich vertraue ihm, aber er mir nicht."

„Würde er Sie verraten?", fragte Phillis.

„Ich denke nicht", sagte Dumbledore ehrlich, „Ich vertraue ihm mit meinem Leben."

„Ihre Mutter ist die letzte Demigöttin gewesen, die auch eine Hexe war – vor mir, jedenfalls", erzählte Phillis, „es hat nach ihr und vor mir niemanden mehr gegeben – es gibt also kaum jemanden, der über beide Welten Bescheid weiß."

„Ein Verräter in euren Reihen?", fragte Dumbledore besorgt.

„Und in Ihren, Professor", warnte Phillis, „Ich weiß nicht, wie viel ich Ihnen sagen darf, aber die Götter wissen, dass jemand von unsere Geheimnisse an... Voldemort weitergibt. Der Donnergroller hat mich in Verdacht, aber ich bin unschuldig. Es muss jemand anderer sein, der aber über Zauberer Bescheid weiß."

„Scheint so, als hätten wir einen gemeinsamen Feind", bemerkte Dumbledore ernst.

Phillis schüttelte den Kopf. „Den Göttern sind Sterbliche egal", gestand sie, „und der Krieg gegen Voldemort betrifft nur das Vereinigte Königreich... nicht Amerika... es interessiert sie kaum, also haben Sie einfach nur einen übermächtigen Feind, der Ihnen noch fremd ist."

„Dann brauche ich wohl jemanden, der mein Wissen auffrischt, damit das Fremde bekannt wird", schlug Dumbledore vor und sah Phillis erwartungsvoll an.

Sie seufzte. „Bitte nicht...", jammerte sie, „Ich habe jetzt schon keine Zeit für alles, das mir Spaß macht."

Dumbledore lächelte verständnisvoll. „Ich kann dich nicht zwingen, erwachsen zu werden und das richtige zu tun – und noch weniger will ich auch nur vorschlagen, dass du viel zu schnell erwachsen werden musst, Phillis."

Phillis nickte und seufzte wieder. „Ich werde mit Chiron darüber sprechen", versprach sie.

„Mehr verlange ich nicht von dir", sagte Dumbledore und schob die Blechdose in ihre Richtung, „Du solltest dich auf deine Abreise vorbereiten – es müssten jeden Moment soweit sein."

Phillis hob wieder ihre Tasche und ihre Gitarre auf, nahm die Dose in die Hand und nickte Dumbledore noch einmal zu, bevor sie vom Portschlüssel weggerissen wurde und Hogwarts verschwand vor ihren Augen.

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