Abschiede und Insider

Chiron verabschiedete die Gruppe – alle drei mit orangefarbenen T-Shirts und gepackten Reiserucksäcken ausgestattet – noch am Hügel und da fanden sich ebenfalls noch Leute, die gekommen waren, um die Gruppe ein letztes Mal (hoffentlich nicht) zu sehen.

Phillis wurde regelrecht von ihren Geschwistern erdrückt und sogar Hana umarmte sie fest und hatte Tränen in den Augen – Daphne hatte ihr wohl erzählt, dass Aufträge nicht direkt ungefährlich waren, besonders nicht für ein Kind des Apollo. Amadeus drückte ihr mit Tränen in den Augen ein selbstgeknüpftes Band in die Hand und wollte wohl etwas sagen, schniefte dann aber nur und rannte weinend zur Hütte. Daphne versprach, sich um ihn zu kümmern.

Für Houdini war Ruben gekommen, der kontrollierte, ob Houdini wirklich alles dabei hatte, das ein normaler zwölfjähriger eventuell vergessen hätte (Wechselunterwäsche, Zahnbürste, Zahnseide (Phillis ließ sich kaum anmerken, dass sie auch keine Zahnseide dabei hatte, während Houdini sie genervt Ruben ins Gesicht hielt) und natürlich ein starkes Deo, denn nach Wochen in der Wildnis ohne Dusche half zwar ein Deo auch nicht mehr viel, aber man konnte wenigstens zusammen mit dem Gestank von Schweiß, Blut, Angst, Erde, Dreck, Müll, Verzweiflung und Tränen auch noch (in Phillis' Fall) einen wundervollen Kirschduft genießen). Houdini hatte (selbst zu Phillis' Überraschung alles dabei).

Nur für Pirro war niemand gekommen. Ein Sohn der Eris war etwas seltsam Neues – das kam nicht so oft vor – und dementsprechend war Pirro seinen letzten Tag im Camp auch behandelt worden.

Eden war – mehr aus Höflichkeit – vorbeigekommen, aber nach einem kurzen Abschied gleich wieder gegangen.

Dann war Pirro neben seinen beiden Gefährten gewesen, die von ihren Geschwistern verabschiedet wurden und hatte sich sichtlich unwohl gefühlt – Phillis hatte sogar Mitleid mit ihm gehabt.

Irgendwann war auch Birget vorbei gestapft – in ihrer vollen Rüstung und ihren Speeren auf den Rücken geschnallt – sie hatte wohl diese Nacht Wachdienst gehabt oder sie war so nervös, dass sie ihre Rüstung nicht mehr auszog, was hin und wieder vorkam.

„Gut, dass ich euch noch erwische", brummte sie und schien sich ähnlich unwohl zu fühlen, wie Pirro, als sie vor Phillis stand, „Du nimmst gar nicht die Gitarre mit?"

„Ich bin nicht Ruth", brachte Phillis heraus und lächelte traurig, bevor sie ihren neuen Bogen hochhielt, „Ich habe meinen Bogen."

„Pfeile?"

Bronze und Silber", bestätigte Phillis, „Keine Sorge – wir sind vorbereitet."

Birget nickte steif. „An diesem Tag habe ich eines gelernt: Sei auf alles vorbereitet."

„Ich bin vorbereitet", versprach Phillis – vermutlich mehr, um sich selbst zu beruhigen, „Wir schaffen das."

Birget lächelte kurz und gequält. „Das hoffe ich doch für dich – wenn du zurückkommst, habe ich deinen Rekord beim Parcours wieder gebrochen, also musst du wohl oder übel zurückkommen, um ihn wieder zu überbieten."

„Idiot", schnaubte Phillis.

Birget klopfte ihr noch einmal auf die Schulter und das war dann auch der Abschied.

Argus – der hundertäugige Sicherheitschef vom Camp – führte sie in einem Campwagen in die Stadt und zum Flughafen.

Phillis erwartete (aus Gewohnheit), dass sie angegriffen werden würden, aber tatsächlich war alles ungewöhnlich ruhig.

Das einzige Problem stellten ein paar Sterbliche da, die Pirro mehr als einmal ganz genau durchleuchteten und abtasteten, als wäre er allein wegen seiner Abstammung schon automatisch ein Krimineller.

Pirro wirkte genervt und wütend und irgendwann schien das wohl auch eine andere Mitarbeiterin zu finden, denn als einer ihrer Kollegen noch einmal seinen Rucksack durchsuchen wollte (in dem sich tatsächlich Waffen befanden, die aber vom Nebel vor den Augen der Sterblichen versteckt wurden), flippte sie aus, schrie ihn an, dass er nicht so rassistisch sein sollte und winkte die Jugendlichen (und Houdini) weiter.

Sie hatten noch ein paar Stunden, bis ihr Flieger fliegen würde und für Demigötter wie sie bedeutete das mehr oder weniger, dass sie sich für eine halbe (oder doch eher ganze) Ewigkeit langweilen mussten.

Es war Pirro, der vorschlug, dass sie „Mörder" spielten, wobei sie nicht wirklich Leute ermordeten, sich aber überlegten, wie sie Passanten am effizientesten umbringen könnten und das schien sogar Houdini zu gefallen, der sich nach der dritten Runde die außergewöhnlichsten (und beunruhigend detaillierten) Mordmethoden überlegte und nachdem er vorschlug, eine ältere Frau mit den Turbinen eines Flugzeugs zu zerstückeln und die einzelnen Teile dann in den Flüssen des Landes zu verteilen („Den Ehemann müssen wir dann natürlich auch loswerden, aber wir bestechen ihn einfach damit, dass wir allen verraten, dass er eine Affäre mit seiner Sekretärin hat." „Woher willst du wissen, dass er eine Affäre hat?" „Weiß ich natürlich nicht, aber er hat eine Sekretärin und ist in einem Alter, in dem man das sofort glaubt, ohne es zu hinterfragen. Notfalls platzieren wir einfach ein paar Beweise."), schlug Phillis vor, dass sie doch lieber „Wörterschreien" spielen sollten und nachdem sie die Nicht-Regeln erklärt hatte, stiegen Pirro und Houdini mit derselben Begeisterung ein, wie Phillis damals, als Ruth und Laertes ihr dieses Spiel beigebracht hatten.

Nach geschlagenen drei Stunden Wartezeit konnten sie endlich auch auf das Flugzeug nach Edinburgh und Pirro war begeistert, nachdem er noch nie geflogen war.

Houdini war auch noch nie geflogen, aber er war weniger begeistert und eher skeptisch.

Phillis, die jedes Jahr mindestens zweimal flog, war das alles schon gewohnt und kannte sich auf Flughäfen, Flugzeugen und allem, das dazwischen lag aus.

Houdini und Pirro waren also noch ziemlich aufgeregt (man sah es eigentlich nur Pirro wirklich an, der scheinbar über jede Kleinigkeit begeistert war (inklusive dem Kaugummi, den ein früherer Fluggast unter einem Tisch geklebt hatte) während Houdini wie immer eine ernste Miene zog, aber Phillis wusste trotzdem, dass er sehr begeistert von dem Flugzeug war und sie konnte regelrecht hören, wie er in seinem Kopf vermutlich ganz viele Fakten über Flugzeuge aus seinem Speicher packte und nachdem er Phillis immer wieder herausfordernd ansah, wartete er wohl nur darauf, dass sie ihn danach fragte, aber damit wollte Phillis noch warten, bis sie in der Luft waren (immerhin wusste sie, dass der Flug mehr als zwölf Stunden dauern würde und für einen Demigott waren das dreizehn Stunden zu viel)), als sie mit ihren Rucksäcken durch die Sesselreihen gingen.

„Ich fühle mich wie so ein reicher Fuzzi, der mit dem Flugzeug auf Geschäftsreise fliegt", grinste Pirro und redete mit einem schlechten englischen Akzent (er hatte noch immer einen spanischen Akzent, also klang es sehr befremdlich) weiter, „Ein Flug in der ersten Klasse, Madam!"

„Das hier ist die Dritte Klasse", bemerkte Houdini, „Eigentlich ist es die Dritte Klasse von einem drittklassigen Flieger, was letztendlich bedeutet, dass es die dritte-hoch-drei Klasse ist, und wenn es mehr als nur drei Klassen gäbe, wäre es vermutlich die fünfte-hoch-vier Klasse."

Nun schien Pirro doch nicht mehr so begeistert. „Denkt ihr, wir stürzen ab?"

„Ja."

Neeeein!", widersprach Phillis Houdini schnell und sah diesen warnend an, der selbst nur verwirrt aussah, warum Phillis so reagierte, „Natürlich nicht, Dummerchen! Wir stürzen doch nicht ab!"

„Dummerchen?", wiederholte Houdini empört, „Dummerchen? Hast du mich gerade Dummerchen genannt?"

„Halt die Klappe", zischte Phillis ihm zu und sah ihn vielsagend an, aber sie hätte wissen sollten, dass Houdini einen vielsagenden Blick nicht verstand... oder eher einfach ignorierte, denn Phillis war sich sicher, dass er in der Lage war, Gefühle zu erkennen, es aber nicht wollte.

„Nenn mich nie wieder ein Dummerchen! Wenn meine Lehrer nicht solche primitiven Idioten wären, hätte ich schon lange meinen Abschluss und könnte mit einem Stipendium aufs College, also nenn mich nicht Dummerchen! Das ist doch unerhört! Ich erwarte mir eine Entschuldigung."

Phillis seufzte müde. „Sorry."

„Okay", sagte Houdini, „Jetzt bin ich zufrieden."

Er quetschte sich an Pirro vorbei und setzte sich in ihre Reihe (sie hatten tatsächlich drei Plätze nebeneinander bekommen und Phillis war sich sicher, dass sie da Hilfe von oben bekommen hatten, oder einer der Götter (oder das Schicksal) wollte, dass sie während des Fluges Pirro oder Houdini ermordete (das würde sich wohl noch klären) an den Fensterplatz, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte schmollend aus dem Fenster, aber als direkt neben ihnen ein anderes Flugzeug landete, hellten sich seine Augen auf und Phillis wusste, dass er nur moderat beleidigt war.

„Er ist irgendwie niedlich", grinste Pirro, „Wie ein kleiner Hundewelpe."

„Shh!", warnte Phillis ihn, konnte sich selbst aber ein Grinsen nicht verkneifen.

Sie setzte sich neben Houdini – Pirro und Houdini sollte man wohl trennen oder auch nicht... da war Phillis sich noch nicht ganz sicher, aber sie würde es genauso beobachten, wie andere Leute eine Seifenoper verfolgten.

Die anderen Gäste setzen sich ebenfalls und eine Stewardesse stellte ihnen die Sicherheitsvorkehrungen vor. Phillis hörte kaum zu, sondern zappelte ungeduldig mit den Beinen und konnte kaum darauf warten, dass sie in der Luft waren und sie wenigstens aufstehen konnte. Sie hatte diesen Vortrag sowieso schon gefühlt hundert Mal gehört und schon beim ersten Mal hatte sie nicht aufgepasst.

Pirro flog das erste Mal, aber er schien trotzdem nicht aufzupassen. Viel interessanter fand er es, einen vertrockneten Kaugummi unter seinem Sessel heraus zu kratzen und diesen auf das (eindeutige) Toupet eines Mannes vor ihnen zu werfen. Mit der Treffsicherheit eines Kindes des Apollos traf er genau den Hinterkopf, ohne dass der Mann etwas bemerkte (zu fasziniert von der gutaussehenden Stewardess) und Phillis und er konnten sich ein leises, unterdrückten Kichern nicht verkneifen, bis Houdini sie anzischte, nachdem er tatsächlich zuhören wollte.

Houdini lauschte jedem Wort und schien bereit zu sein, Mitschrift dazu zu führen, aber er hatte sein Notizbuch und Stift noch in seinem Rucksack, die sie oben hatten verstauen müssen.

Endlich waren sie startbereit und es dauerte noch etwas, bis das Flugzeug sich endlich in Bewegung setzte und Phillis bemerkte, dass Pirro sich an seine Armlehnen festklammerte, aber sie hatte kaum Angst vorm Fliegen, obwohl Zeus sie erst dieses Jahr vom Himmel geholt hatte, aber auf dem Flug nach Amerika mit Hana war nichts passiert, also machte sie sich keine Sorgen.

Houdini wirkte entspannter und blickte fasziniert aus dem Fenster, als sie an Geschwindigkeit zulegten und dann – Pirro schnappte erschrocken nach Luft – tatsächlich abhoben.

Es war ein gewohntes Gefühl für Phillis – ein Kribbeln in ihrer Bauchgegend, das sie immer wieder verspürte, wenn sie zum Beispiel auch im Sturzflug mit dem Besen nach unten sauste.

Pirro wurde etwas bleich, als sie abhoben und Phillis befürchtete schon, er würde sich übergeben, aber zum Glück passierte das nicht und als sie ihre Flughöhe erreichten, beruhigte sich alles und auch Pirros Gesicht wurde wieder typisch gebräunt.

Dann begann die eigentliche Hölle.

Houdini konnte sich für ungefähr zehn Minuten beschäftigen, indem er aus dem Fenster sah, aber dann wurde selbst ihm langweilig – bei Phillis und Pirro dauerte es kaum zwei Minuten.

Pirro zappelte herum und nachdem er sich abgeschnallt hatte, spazierte er auch erst einmal eine Runde durch das Flugzeug, bis eine Stewardess ihn höflich bat, auf seinen Platz zurück zu kehren.

Houdini versuchte zu lesen, aber er konnte sich kaum konzentrieren, während Phillis und Pirro Daumenkämpfe veranstalteten und dabei manchmal etwas laut wurden, sodass auch andere Fluggäste entnervt in ihre Richtung blickten.

Nach ungefähr zwei Stunden war die Langeweile kaum noch ertragbar und Pirro saß in seinem Sessel, als läge er im Sterben.

„Ich wünschte, da wäre jetzt eine Einblendung mit der Aufschrift Einige Stunden später, dann müssten wir nicht länger einfach nur herumsitzen! Ich hasse herumsitzen!", jammerte Pirro.

„Nicht so sehr, wie ich herumstehen hasse", bestimmte Phillis, „Herumstehen ist schlimmer."

„Nicht so sehr, wie ich die Millennium-Probleme hasse", bestimmte Houdini und beide Phillis und Pirro sahen ihn verwirrt an, „Was ist? Noch nie davon gehört? Was habt ihr die letzten paar Jahre in Mathe gelernt?"

„Gar nichts – ich bin seit zwei Jahren nicht mehr in der Schule gewesen", grinste Pirro.

Houdini seufzte und murmelte etwas wie: „Ich bin von Idioten umzingelt... ungebildete Idioten..."

Eine weitere Stunde verging.

Pirro starrte auf einen Punkt vor sich und schien kaum noch ansprechbar zu sein. Er schlief nicht aber wirklich wach war er auch nicht.

Phillis trommelte eine Melodie auf ihrem Oberschenkel.

Houdini versuchte wohl etwas zu schlafen, aber eigentlich starrte er seit Stunden wie im Wachkoma nach draußen – vielleicht schlief er mit offenen Augen? Er blinzelte nicht einmal mehr.

Einmal kontrollierte Phillis, ob er noch atmete – positiv.

Plötzlich aber kam wieder Leben in Houdini – sehr ruckartig, als er erschrocken vom Fenster zurückwich und beinahe auf Phillis fiel, die wiederum Pirro aus seiner Trance holte.

„Was ist das?", fragte Houdini und seine Stimme war etwas höher, als sonst.

„Jetzt schon ein Monster?", jammerte Pirro, „Wer hat dieses Drehbuch geschrieben? Gönnt uns doch eine Pause!"

„Du hast dich doch darüber beschwert, wie langweilig es ist", erinnerte Phillis ihn mit hochgezogener Augenbraue.

„Ja, aber ich habe gehofft, dass das Flugzeug schneller fliegt, nicht schneller fällt! Ich will nicht abstürzen! So will ich nicht sterben!"

„Wir werden nicht sterben", bestimmte Houdini, „Ich habe noch nicht alle Werke von Einstein gelesen!"

„Oh, das ist ein ausgezeichneter Grund, nicht zu sterben!", bemerkte Pirro sarkastisch.

Am Fenster krallte sich etwas fest – eine Frau mit bräunlich-roten Federn (wie getrocknetes Blut), einem breiten, etwas gruseligen Grinsen im Gesicht und wahnsinnigen Augen.

„Eine Harpyie", diagnostizierte Phillis sachlich.

„Stellt die ein Problem dar? Sie ist ja draußen", bemerkte Houdini nachdenklich.

Als hätte die Harpyie ihn gehört, kreischte sie (man hörte es nicht, aber sie riss ihr Maul auf und zeigte ihre angespitzten Zähne) und kratzte am Fenster und obwohl es nicht wirklich so aussah, als würde sie bedenklichen Schaden anrichten, so hinterließ sie doch beunruhigend tiefe Kratzspuren, wobei an Glas jede Kratzspur bedenklich war.

Die Harpyie schien überrasch darüber, dass sie mit ihren Krallen nicht direkt ins Flugzeug kam und beinahe rutschte sie ab und wäre beinahe in eine der Turbinen gefallen, aber sie krallte sich noch am Fenster fest und zog sich wieder nach vorne.

Irgendwie sah es auf eine groteske Art und Weise lustig aus und Phillis gönnte sich sogar ein amüsiertes Schnauben – mehr wollte sie bei ihrem Glück nicht riskieren und das Schicksal forderte man lieber nicht heraus.

„Ich befürchte, wir müssen sie loswerden", bemerkte Phillis, „Ich denke nicht, dass wir das Glück haben werden, dass sie von allein vom Flugzeug fällt und wenn sie so weiter macht, schafft sie es vielleicht doch durchs Fenster und dann haben wir ein Problem."

Houdini seufzte, als wäre eine Harpyie kaum mehr als ein kleines, nerviges Ärgernis. „Gut... ich habe eine Idee – folgt mir."

Houdini kletterte einfach über Phillis und Pirro (die sich beide beschwerten, aber Houdini ignorierte das natürlich) und kam zum Gang, wo er nicht einmal auf seine beiden Begleiter wartete, sondern schon in Richtung Cockpit ging.

Die anderen Fluggäste sahen ihnen neugierig hinterher – sie waren wahrscheinlich schon als die nervigen Drei Musketiere bekannt (es war aber auch möglich, dass das nur eine kleine Wunschvorstellung von Phillis war) – aber sie kümmerten sich nicht um die Sterblichen und Pirro und Phillis beeilten sich, Houdini hinterher zu kommen.

„Was hast du vor?", zischte Phillis ihm zu, aber Houdini beachtete sie nicht, sondern ging nur durch die Sitzreihen, als gehöre er hierhin, aber egal, was sein Plan gewesen war, Phillis bezweifelte, dass er funktionierte.

Jedenfalls schien es nicht zu Houdinis Plan zu gehören, dass eine Stewardess sie aufhielt.

„Kinder!", flötete sie mit einem überfreundlichen Lächeln, wie man es von eigentlich genervten, aber immer höflich bleibenden Stewardessen kannte, „Was macht ihr hier? Ich habe euch doch schon gesagt, dass ihr am besten auf euren Plätzen bleibt. Ich weiß, dass ein so langer Flug alleine aufregend ist, aber die anderen Fluggäste werden –"

Houdini wartete nicht einmal, bis sie ausgeredet hatte, sondern schnippte einfach direkt vor ihrem Gesicht und sagte: „Aber wir dürfen doch herumgehen."

Der Nebel. Phillis hatte schon einmal gesehen, wie Marty so einen Trick angewandt hatte. Sie selbst hatte es noch nicht gelernt und Ruth hatte es auch nie können, aber mit etwas Übung konnte man den Nebel beeinflussen, was einem Demigott bei der Arbeit mit Sterblichen enorm helfen konnte. Houdini war genial – sie hatte sie gewusst, dass er das konnte.

Die Stewardess blinzelte verwirrt.

„Junger Mann!", tadelte sie Houdini (also doch nicht so genial, Houdini...), „Ich weiß nicht, was du dir erlaubst, aber ich kann nicht dulden, dass du –"

Wieder konnte sie nicht ausreden, aber dieses Mal war es Pirro, der sie unterbrach.

„Miss, eine andere Stewardess schickt uns zu Ihnen", log er ohne mit der Wimper zu zucken, „Sie hat irgendetwas davon gesagt, dass sie ganz dringend Hilfe hinten bei den Toiletten braucht."

Plötzlich wurde die Stewardess ganz rot im Gesicht und Phillis befürchtete schon, sie würde sie anschreien, aber stattdessen fluchte sie und zischte: „Amanda! Ich habe ihr doch schon dreimal gesagt, dass ich nicht ihr persönliches Dienstmädchen ist und ich werde nicht jede der Arbeiten übernehmen, die zu ekelhaft für sie sind! Die kann etwas erleben!" Die Stewardess fluchte und schimpfte noch, als sie an den drei Demigöttern vorbeiging und nach hinten zu den Toiletten.

„Krass", bemerkte Phillis beeindruckt, „Das war nicht schlecht – gut mitgedacht, Pirro."

Pirro grinste nur. „Leute aufeinander aufzubringen ist meine Spezialität! Was war noch einmal dein Plan, Houdini?"

„Nach vorn zum Piloten", verkündete Houdini und übernahm wieder die Führung und ohne Probleme schafften sie es tatsächlich nach vorne zum Cockpit.

Als die Tür geöffnet wurde, drehten sich Pilot und Co-Pilot überrascht zu ihnen um und der Co-Pilot begann sich sofort zu beschweren: „Kinder, wie seid ihr –"

„Sir, können Sie das Flugzeug leicht nach links fliegen, da ist eine Harpyie", sagte Houdini schlicht und sowohl Pilot als auch Co-Pilot sahen ihn perplex an, bevor der Pilot mit den Schultern zuckte und antwortete: „Klar – gute Idee."

Er flog das Flugzeug leicht zur Seite und die Demigötter konnten durch das Fenster beobachten, wie die Harpyie doch noch an Halt verlor und abrutschte, direkt in die Turbinen des Flugzeugs. Sie löste sich zu aller Überraschung nicht sofort in goldenen Staub auf, sondern verpuffte zuerst in eine Blutwolke, bevor sie golden wurde – ein eher ekelhafter Anblick.

Senatus Popolusque Romanus, meine Freunde – noch viel Glück auf eurer Reise", sagte der Pilot heiter zu ihnen.

Phillis war verwirrt – sie verstand noch nicht ganz, was passiert war und ihr Kopf schmerzte, aber sie zog Houdini und Pirro mit sich nach draußen.

„Woah!", staunte Pirro grinsend, „Habt ihr das Blut gesehen? XD, das wird bestimmt für die Endfassung zensiert, so viel Blut zeigen sie nie in Filmen!"

„Waren wir nicht gerade noch Teil von einem Buch?", fragte Phillis leicht amüsiert.

„Ich hoffe nicht – so viel Blut kann man mit Worten nicht beschreiben! Das war unglaublich!", grinste Pirro.

„Wie auch immer – darum geht es gerade nicht", bestimmte Phillis, „Houdini – was hast du gemacht und wie hat das funktioniert?"

„Ich habe ausnahmsweise einmal keine Ahnung", gestand Houdini ratlos, „Ich wollte dem Piloten nur selbst die Chance geben, meinen Plan auszuführen. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, dass er auf mich hören würde und ich habe geplant, selbst das Steuer zu übernehmen, aber dann hat er auf mich gehört. Ich bin ebenso überrascht davon."

„Vielleicht hat der Nebel doch funktioniert", überlegte Phillis, „nur... verspätet?"

Houdini sah sie unbeeindruckt an. „Phillis, ich habe noch nie eine so dämliche Theorie gehört und ich habe ungewöhnlich viel Zeit mit Pirro verbracht."

„Ha!", rief Pirro triumphierend, „Jetzt bist du der Idiot der Gruppe!"

„Halt die Klappe!", grinste Phillis und stieß ihm in die Seite.

„Bestimmt wird diese Szene herausgeschnitten oder gekürzt", schlug Pirro vor, „Oder sie verändert sie, damit sie besser ins Konzept passt. Ich bezweifle, dass sich diese Verwirrung im Laufe der Geschichte erklären wird. Vielleicht ist es auch nur eine Anspielung für die Zuschauer und die verstehen es besser, als wir es tun."

„Phillis", bestimmte Houdini, „Du hast doch nicht mehr die dämlichste Theorie aufgestellt – Pirro hat die Führung gerade eben wieder übernommen."

„Ha, ha", lachte Phillis.

Pirro stieß ihr dieses Mal in die Seite.

„Sind wir einfach froh, dass es funktioniert hat", schlug Phillis vor, „Wir wissen nicht genau, wie, aber solange wir überlebt haben, muss nicht alles in meinem Leben Sinn ergeben."

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