Abschiede

Der Abschied von Ruth, Birget und Laertes fühlte sich seltsam an.

Phillis hatte sich schon oft von ihnen verabschiedet, nachdem sie sie jedes Jahr im Camp zurückließ, aber dieses Mal war es irgendwie anders. Die drei erwachsenen Demigötter würden ihren gefährlichen Auftrag fortsetzen und obwohl in Irland und teilweise auch in England und Schottland nicht so viele Monster waren, wie in der westlichen Zivilisation Amerika, so würde es trotzdem riskant werden, so wie jeder Auftrag von einem Demigott und Phillis konnte nicht anders, als daran zu denken, dass zu fünfzig Prozent Ruth der Tod erwartete, aber etwas sagte Phillis, dass die drei das schlimmste ihrer Reise schon hinter sich hatten, immerhin hatten sie den Ozean überquert und in Amerika lebten die wirklich gefährlichen Monster, die sie überlebt hatten. Was sollte also noch passieren?

Phillis war sich sicher, dass es einer dieser seltenen Momente war, in denen sie tatsächlich prophetische Fähigkeiten besaß. Jedes Kind des Apollo hatte eine Veranlagung dafür, immerhin war er der Gott der Prophezeiungen, aber nur wenige konnten sie wirklich benutzen.

Am Morgen am Tag der Abreise beugten sie sich noch zusammen über einige Karten der Inseln und studierten genau, wo die Gefahren liegen könnten und Phillis wünschte sich, sie hätte besser in Geschichte der Zauberei aufgepasst, dann wüsste sie jetzt vielleicht besser, wo genau die Stämme der Riesen und rebellische Kobolde lebten.

„Habt ihr alles?", fragte Sara sie noch einmal besorgt, obwohl Laertes schon zum dritten Mal ihre Rucksäcke kontrollierte, aber es war wohl ein natürlicher mütterlicher Instinkt, immer davon auszugehen, dass die Kinder alles vergaßen.

„Ja, Mrs Dolohow", versicherte Birget ihr, „Wir haben alles."

„Phillis vergisst immer alles!", erzählte Sara, „Ich schicke ihr die Hälfte immer in die Schule nach!"

„Das Vergessen ist nicht das Problem", lächelte Ruth und legte einen Arm um Phillis' Schultern, „man braucht nur jemanden, der einen immer wieder an alles erinnert."

„Wer erinnert in unserer Beziehung?", fragte Birget Ruth mit erhobener Augenbraue und Ruth öffnete den Mund, um zu antworten, aber offenbar fiel ihr nichts darauf ein und sie stammelte und stotterte vor sich hin, bevor sie endlich herausbrachte: „Das... zählt nicht! Aber sieh dir Marty und Laertes an! Ohne Marty bekommt Laertes absolut gar nichts auf die Reihe, ich weiß nicht, warum wir nicht Marty mitgenommen haben!"

„Also... ein goldenes Schwert hätte er schon", grinste Laertes vielsagend und Birget warf ihm einen ihrer Speere (mit der stumpfen Seite) gegen den Kopf, aber er lachte trotzdem noch dreckig, ohne rot zu werden, „aber er ist Pazifist und hätte nicht für euch diese Dracaena umgebracht."

„Er hat irgendwie Recht", stimmte Birget ihm zu, klang aber so, als würde sie das nur ungern tun, „ein bisschen nützlich ist er schon."

„Wie sieht es bei dir aus, Phillis?", fragte Sara auch ihre Tochter, „Hast du wieder alles zusammengepackt?"

Auch für Phillis würde es wieder zurück nach Hogwarts gehen und noch nie hatte sie sich so sehr gewünscht, der Tag würde niemals kommen, aber natürlich konnte sie nicht die Zeit anhalten und der Tag, an dem sich ihre Wege wieder trennen würden, kam schneller, als gedacht.

Sara würde sie, sobald die Demigötter gegangen waren, nach Hogsmeade apparieren, nachdem sie dort sowieso noch etwas zu erledigen hatte und so konnte Phillis auch noch etwas Zeit mit ihren Freunden verbringen.

„Klar", versicherte Phillis ihr, aber Sara sah seufzend zu Ruth und meinte zu ihr: „Ich werde ihr wieder alles nachschicken müssen, ich sehe es schon vor mir!"

„Wäre sie Phillis, wenn es nicht so wäre?", erwiderte Ruth darauf und zwinkerte Phillis amüsiert zu.

Das Auto, mit dem sie weiterfahren würden war schon gestohlen und stand bereit. Birget packte ihre Rucksäcke und das neue Zelt von Sara schon hinein und es fehlten eigentlich nur noch die Passagiere, die sich aber noch verabschieden mussten.

Nachdem sie alle noch einmal Sara kräftig umarmt hatten, mit dem Versprechen, vielleicht in der Zukunft öfter über Weihnachten zu Besuch zu kommen (Sara war begeistert von der Idee gewesen – ganz ohne Sarkasmus! Wirklich!), ließ Sara die Demigötter alleine, damit sie sich untereinander noch voneinander verabschieden konnten.

Jeder von ihnen wusste, dass es genauso gut ein Abschied für immer sein könnte, aber das war bei Demigöttern immer der Fall.

„Ja dann, Leprechaun", Laertes klopfte ihr auf die Schulter, wie es Väter taten, aber er durfte das – er hatte sich dieses Recht verdient, „Pass auf dich auf und mach eine Menge Unfug in der Schule für mich!"

„Geht nicht! Die werfen mich aus dem Team, wenn ich etwas anstelle", bemerkte Phillis.

„Wenn sie dich nicht erwischen, können sie dich nicht bestrafen", Laertes zwinkerte ihr amüsiert zu und tätschelte mit der flachen Hand das gestohlene Auto, „So habe ich mir dieses Baby hier verdient!"

„Du hast es gestohlen", erinnerte Birget ihn.

„Verdient!"

Ruth rollte mit den Augen und zog Phillis in eine Umarmung. „Lass dich nicht umbringen, Leprechaun! Wir treffen uns im Sommer wieder und dann grillen wir eine Tonne Marshmallows und Laertes."

„Hey!", beschwerte dieser sich.

Phillis grinste nur und nickte begeistert. „Das klingt toll! Machen wir das!... Passt auf euch auf, Leute." Nun war Phillis doch wieder besorgt, aber wenn jemand wie Birget dabei war, konnte man nicht unsicher sein.

„Keine Sorge, Kleine", winkte sie selbstsicher wie eine echte Tochter des Ares ab, „Ich passe auf die beiden Idioten hier auf! Versprochen!"

„Die einzige, auf die man aufpassen musst, bist du!", erinnerte Laertes sie, aber Birget überhörte das wohl einfach oder ignorierte ihn gekonnt.

Sie waren schon eine seltsame Bande.

„Oh, vergiss deine Gitarre nicht!", erinnerte Phillis Ruth noch und deutete auf die Gitarre, die noch neben dem Auto lag.

„Yikes!", rief Ruth aus und hob sie auf, „Die sollte ich wirklich nicht vergessen! Sie hat mir allein bei diesem Auftrag schon zweimal das Leben gerettet!"

„Davon hast du mir gar nichts erzählt!", beschwerte Phillis sich und sah ihre große Schwester streng an, „Davon musst du mir das nächste Mal erzählen!"

„Versprochen!", bestimmte Ruth, „Es ist schon eine tolle Gitarre, oder nicht?", Ruth strich beinahe schon liebevoll über die Saiten und so, wie Birget das Instrument neidisch ansah, war das wohl keine einmalige Begebenheit, aber Birget hatte gegen diese besondere Gitarre keine Chance, das wusste jeder (auch Birget selbst), „Nach diesem Auftrag kannst du sie haben, Phillis. Du hast doch erzählt, dass du keine eigene hast!"

„Das geht nicht!", keuchte Phillis überrascht, „Es ist doch deine Kampfgitarre!"

„Ich kämpfe doch nicht so gern", erinnerte Ruth sie, „Ich glaube, ich schließe mich nach diesem Auftrag lieber Martys Sichtweise an und werde zum Hippie."

Birget sah ihre Freundin wieder so an, als hätte sie gerade vor ihren Augen einen unschuldigen Welpen ersäuft, aber vermutlich würde Birget nicht einmal dann so erschrocken aussehen.

Aber zum Glück schnaubte Ruth amüsiert und begann zu lachen. „Nein! So weit wird es nicht kommen! Aber ich werde sicher nie wieder auf einen Auftrag gehen! Das ist mir zu viel Aufregung! Das überlasse ich lieber meiner heißen Freundin." Ruth schickte einen Luftkuss in Birgets Richtung und die Tochter des Ares wurde etwas rot.

„Wir sollten wohl los", erinnerte Laertes sie alle und schien sich sehr unwohl dabei zu fühlen, so verantwortungsvoll zu sein und sie an die Zeit zu erinnern, „Wenn wir jetzt losfahren, dann sind wir eine sehr unhöfliche Stunde hinter unserem Zeitplan!"

„Also genau richtig – eher zu früh für unsere Verhältnisse", bemerkte Birget.

„Passt auf euch auf!", bat Phillis sie noch einmal und zog sie drei noch in eine Umarmung, sodass Ruths und Laertes' Gesichter aneinandergepresst waren und Birget wohl dem von Phillis etwas zu nahe war, aber zum Glück ließ die jüngste Demigöttin die drei schnell wieder los.

„Klar doch – niemals!", versprach Birget.

„Wir sehen uns im Sommer", versprach Phillis.

„Wir machen auch eine Menge Ärger für dich und sagen dir Bescheid, wenn der Auftrag erledigt ist", versprach Laertes.

Und als sie in dem gestohlenen Wagen davonfuhren, winkte Phillis ihnen noch nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren und sie fragte sich, ob sich so ihre Mutter jedes Jahr fühlte, wenn sie ihrer Tochter dabei zusah, wie sie im Hogwarts Express davonfuhr.

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