56.

Huhu, es gab leider Verzögerungen, mit denen ich nicht gerechnet habe, deshalb musstet ihr so lange warten... Es tut mir echt leid. Ich werde es nicht mehr schaffen, alle zwei Tage was hochzuladen. Ein- bis zweimal pro Woche wird jetzt etwas kommen. Ich hoffe, das ist okay? <3

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# Zlatan #

„Wenn Sie mir nicht augenblicklich sagen, was mit ihr ist, werde ich ungemütlich!", schreie ich die Schwester am Empfang ungehalten an, die ängstlich den Kopf einzieht und vermutlich mehr als froh ist, dass die Glasscheibe noch zwischen uns ist. „Herr Ibrahimovic, es tut mir wirklich leid, aber ich darf ihnen keine Auskunft geben. Sie sind kein Familien..." „Jaja, ich bin kein Familienangehöriger, aber sie hat keine Familie mehr! Was soll dieser Schwachsinn also? Ich will Ihren Chef sprechen! Sofort!", keife ich sie böse an. Endlich scheint sie etwas gefunden zu haben, was sie umsetzen kann. Sie greift hektisch zum Telefon und wählt eine Nummer. Dann wendet sie sich von mir ab und scheint mit jemandem zu sprechen.

Es ist eine Sache Audrey ohnmächtig auf meiner Terrasse zu finden, einen Krankenwagen zu rufen und nicht mitfahren zu dürfen, weil ich nicht mit ihr verwandt bin oder verheiratet. Aber das hier ist zu viel des Guten. Irgendjemand wird mir doch wohl eine Auskunft über Audreys Zustand geben können oder? Mehr will ich doch gar nicht! Allerdings weigert sich die junge Schwester am Empfang seit über zwei Stunden auch nur eine klitzekleine Information herauszurücken und jetzt ist mir der Kragen geplatzt. Ich mache mir unfassbare Sorgen um Audrey, das interessiert hier aber scheinbar niemanden. Es zerriss mir fast das Herz, als ich sie dort auf dem kalten Steinboden liegen sah, sie blutete an der Stirn und reagierte nicht. Ich wusste sofort, was geschehen war. Bereits vor Antritt unserer Fahrt nach Étretat war Audrey so angespannt gewesen, fürchtete sich beinah vor diesem kleinen Örtchen in der Normandie. Doch bisher hatte ich sie immer wieder zurückholen können, oder konnte sie meist sogar vor der eben dieser Ohnmacht bewahren. Das war mir heute nicht gelungen.

Endlich dreht die Krankenschwester sich wieder zu mir um, setzt an etwas zu sagen. Im gleichen Moment wird meine Aufmerksamkeit auf die sich öffnende große Glastür gelenkt, die zu einer Station führt. Hinter den großen Flügeln taucht die zarte Gestalt von Audrey auf, die in einen dieser unschönen Krankenhauskittel gehüllt ist. Sie krallt sich an dem Geländer fest und sieht wirklich erschreckend aus. Leichenblass, ihr Arm blutet und auf der Stirn hat sie ein großes, weißes Pflaster. Was macht sie denn hier? Sie sollte doch sicher im Bett liegen!

Ohne nachzudenken, mache ich ein paar große Schritte auf sie zu, umfasse sie an der Taille und verhindere somit, dass sie stürzt. „Zlatan", ächzt sie schwach, ihre Finger bohren sich in meinen Unterarm und ich erschrecke, wie viel Furcht in ihren Augen steht. „Kleines, was machst du denn? Wieso bist du nicht im Bett?" Anstatt mir das zu beantworten, lehnt sie sich erschöpft an mich und vergräbt ihr blasses Gesicht in meinem Pullover. „Frau Waiser! So geht das nicht!", schimpft eine ältere Schwester, die hinter mir aufgetaucht ist und nun versucht Audrey aus meinen Armen zu ziehen und vermutlich wieder ins Bett zu schaffen. „Nein!", brüllt Audrey da entfesselt, klammert sich an mich und schreit wie am Spieß. Selbst ich erschrecke über die Lautstärke und die Vehemenz, die dabei mitschwingt. In ihr Gebrüll mischen sich heiße Tränen, die auf meinen Unterarm tropfen. Da die Schwester und ein weiterer Pfleger nicht von Audrey ablassen, beginnt diese wie wild um sich zu schlagen, ist völlig außer sich. Endlich erhole ich mich von meinem Schreck und überwinde den Schmerz, der sich bei diesem Anblick durch mein Herz bohrt. „Schluss damit! Lassen Sie sie sofort los!", wettere ich streng, schiebe die beiden beiseite und helfe Audrey hoch, die inzwischen zu Boden gesunken war, nachdem der Pfleger sie aus meinem Arm gezerrt hatte. Verzweifelt greift diese nach meiner Hand, sieht mir in die Augen und ich halte den Atem an, da ihr Blick mir so wehtut. „Lass mich nicht hier, bitte!", jammert sie heiser, lässt mich nicht los und fixiert mich unentwegt, „Bitte, Zlatan!"

Ein dritter weißer Schatten nähert sich, wie ich aus dem Augenwinkel erkennen kann.

„Frau Waiser, bitte beruhigen Sie sich!", mischt sich nun eben dieser Schatten ein. Sein Namensschild weist ihn als ‚Dr. Bisson' aus. „Sie müssen wieder ins Bett und dann sprechen wir morgen ganz in Ruhe", schlägt er vor, versucht Audreys Hand zu fassen zu bekommen, doch diese ähnelt in keinster Weise mehr der Frau, die mir den Kopf verdreht hat. Sie kreischt laut, reißt sich von mir los, stolpert nach vorn, zum Glück kann ich sie abfangen, damit sie nicht fällt. „Ich will nicht reden und ich will auch keine Pillen! Ich brauche keine Hilfe!", weint sie brüchig, wirkt vollkommen kraftlos und zerstört. Meine Hoffnung, dass es ihr an meiner Seite besser gehen würde, zerbricht mit einem Mal in etliche Teile. Ich helfe ihr damit nicht. Wenn ich sie immer wieder davor beschütze, sich ihren Ängsten zu stellen und endlich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wird sie es niemals schaffen. Diese Gewissheit löst ein widerliches Ziehen in meiner Magengegend aus und ich kann sie nicht weiter ansehen, sondern schiebe sie in die Arme des Pflegers, der sie mitnehmen will.

„Nein! Zlatan! Lass mich nicht hier! Bitte! Zlatan!" Ihre Worte hallen durch den Warteraum, reißen an meinem Herzen und tun unfassbar weh. „Wieso hast du mich nicht da liegen lassen, wenn du mich jetzt hier abschiebst?!" Audrey spuckt die Worte förmlich aus, klingt verächtlich und respektlos – aber vor allem eins: verletzt.

Mit hängenden Schultern schaue ich zu, wie die Schwester und der Pfleger sich bemühen Audrey wieder in ihr Zimmer zu bugsieren. Doch diese entwickelt trotz ihres schlechten Zustands scheinbar massive Kräfte, befreit sich erneut, baut sich vor den beiden auf und schnaubt: „Es heißt DR. Waiser! Kapiert? Und ich werde jetzt gehen! Gegen ärztlichen Rat meinetwegen! Mir scheißegal! Ich bleibe keine Sekunde länger hier!" Dabei stemmt sie die Hände in die Hüfte, rauscht in ihr Zimmer und kommt wenige Minuten wieder durch die große Glastür heraus, geht wortlos an mir vorbei. Bei der Schwester am Empfang knallt sie einen unterschriebenen Zettel auf den Tresen. „Bitteschön und danke für gar nichts!" Mit diesen Worten verlässt sie die Klinik. Mit erhobenem Kopf und nassen Wangen, denn sie hat in der ganzen Zeit nicht aufgehört zu weinen.

Planlos folge ich ihr nach draußen, ein wenig fürchte ich mich vor Audreys Reaktion, wenn wir gleich wieder aufeinandertreffen. Als sich sehe, wie sie gerade die Wagentür einer Taxe öffnen will, bin ich wirklich fassungslos. Schnell schließe ich zu ihr auf und packe sie an der Schulter. Erschrocken wirbelt sie herum. „Was wird das?", knurre ich sie bitterböse an. In ihren Augen funkelt es gefährlich und ich weiß, wie wütend sie auf mich ist, auf alles, auf ihr Schicksal, auf ihr Leben. Aber sie wird sich nicht einfach verpissen. Das kann sie vergessen! Da sie mir nicht antwortet, schlage ich die Tür wieder zu, gebe dem Fahrer ein Zeichen, dass er ohne sie fahren kann und meine dann zu Audrey: „Du wirst jetzt mitkommen und mir mal erklären, was das Theater gerade sollte!" Sofort will sie sich rechtfertigen, plustert sich auf, aber ich habe genug davon und warne sie, bevor sie überhaupt loslegen kann: „Audrey, ich sage dir das jetzt genau ein einziges Mal; reiß dich gefälligst zusammen. Du hast dich aufgeführt wie eine Irre, wie ein Junkie, der Angst hat vorm Entzug. Das warst nicht mehr du, also komm runter. Du wirst jetzt nicht einfach irgendwohin fahren und dich verstecken. Hast du das verstanden? Es wird nicht mehr gebrüllt und wag es nicht, mich zu schlagen. Benimm dich wieder wie eine Erwachsene, sonst werde ich echt sauer."

Sprachlos steht sie vor mir, zittert leicht, scheint Probleme zu haben gleichmäßig zu atmen. „Reiß dich zusammen! Konzentrier dich!", wiederhole ich streng. In ihren Augen kann ich sehen, dass sie es nicht alleine schafft. Sanft lege ich meine Hand auf ihren Bauch, nehme mit meiner freien Hand ihre in meine. „Beruhige dich bitte endlich. Audrey, komm schon." Dankbar drückt sie meine Hand, zieht mich an meinem Anorak zu sich, lehnt ihre Stirn gegen meine Brust. „Warum hast du mich nicht einfach dort liegen lassen?", seufzt sie traurig und ich muss tief durchatmen, da ich es nicht glauben kann oder will, dass sie ihre Aussage von eben sogar noch wiederholt. „Wie meinst du das?", frage ich deshalb, denn ich will nicht wahrhaben, dass sie tatsächlich das von mir wissen will. „Dann wäre es jetzt vielleicht endlich vorbei", flüstert sie und ihre Schultern beginnen zu zucken. Kurz darauf ertönt ein herzzerreißendes Schluchzen, welches durch den Stoff meines Mantels gedämpft wird.

Zu hören, dass sich diese wunderbare, eigentlich so starke Frau danach sehnt nicht mehr auf dieser Welt zu sein, ist mir unverständlich und macht mich für einen Augenblick regelrecht taub. Mein ganzer Körper scheint nichts mehr empfinden zu können. Nur dieser Wunsch, den sie ausgesprochen hat, dröhnt in meinem Kopf und macht mich handlungsunfähig. „Das kannst du nicht ernst meinen", stammle ich entsetzt, streichle ihr monoton über den Rücken, halte sie. Sie nestelt am Reißverschluss meiner Jacke, dann wandern ihre Hände unter meinen Pullover, bleiben auf der nackten Haut meines Bauches liegen. „Doch, ich kann nicht mehr", wispert sie, starrt dabei auf meine Brust, traut sich vermutlich nicht mir in die Augen zu sehen. „Audrey, weißt du überhaupt, was du da sagst?", entgegne ich harsch. Sie hat keinen blassen Schimmer, was sie mir damit antut, wie heftig sich ihre Worte in mein Herz bohren und es fast zerfetzen. „Es tut mir leid", murmelt sie, „Du solltest deine Zeit nicht mehr mit mir verschwenden, das wäre besser für dich." Ich weiß nicht, ob sie das so meint, wie sie es sagt. Es ist wieder dieses typische Verhalten, welches ich schon von ihr kenne. Sie hat Angst und will alles mit sich alleine ausmachen. Egal wie aussichtslos es auch ist. Sie glaubt noch immer nicht daran, dass sie sich auf jemanden verlassen kann, dass sie sich auf mich verlassen kann. Die Enttäuschungen, die die Menschen vor mir in ihrem Herzen als Narben hinterlassen haben, sind einfach zu tief.

„Audrey, möchtest du zurück nach Paris? Sollen wir zurückfahren?" Ich schaffe es einfach nicht auf ihre Aussage weiter einzugehen. Es ist mir nicht möglich. „Lass mich nur nicht hier oder in irgendeinem anderen Krankenhaus verrotten, alles andere ist mir egal", schnieft sie, presst ihren schmalen Körper an mich und scheint jedes Wort so zu meinen. Wenigstens hoffe ich das. „Willst du nur nicht alleine bleiben oder im Krankenhaus oder was?" Was rede ich da bloß? Langsam hebt sie den Blick, in ihren Wimpern hängen noch Tränen, sie schüttelt den Kopf und erklärt: „Ich würde es nicht ertragen, wenn du mich zurücklässt, egal wo. Alleine bin ich dann eh." Ich weiß nicht, wieso das Schicksal uns beide immer wieder zueinander gebracht hat, weshalb ich Audrey seit unserer ersten Begegnung nicht vergessen konnte. Vielleicht sind es ihre aufregenden grünblauen Augen, die wie ein Spiegel ihrer Seele wirken und dennoch die tiefen, schwarzen Abgründe meist erfolgreich vor der Außenwelt verbergen. Doch mich fesseln sie jedes Mal aufs Neue, eröffnen mir eine neue Seite von ihr, zeigen mir die Wahrheit – oder zumindest einen Teil davon. Wer Audrey tief in die Augen sieht, kommt nicht umhin zu entdecken, wie zerrissen diese wunderschöne Frau ist, wie gebrochen und wie sehr sie sich bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Manchmal hebt sich dieser graue, schwere Schleier und ihr wahres Ich kommt zum Vorschein, ihre Augen strahlen vor Glück und Lebensfreude und spätestens da weiß ich dann wieder, warum ich so an ihr hänge. Mein Herz kann sich nicht von diesen Momenten trennen, von diesen Augenblicken, in denen Audrey es schafft und sie nur sie selbst ist. Dann scheint ihre Aura regelrecht zu leuchten und zieht mich unaufhaltsam in ihren Bann.

„Du bist nicht allein, hörst du? Du bist nicht allein", raune ich ihr zu, gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und schlinge meine Arme um sie. Sie ist nicht allein und ich werde nicht zulassen, dass sie sich weiter wünscht zu sterben. Denn dann wäre ich allein, ohne sie. Das würde ich nicht ertragen.

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Audrey geht es schlecht - bleibt aber noch immer stur und will sich nicht helfen lassen. Was soll Zlatan tun? Denn Audrey braucht vermutlich doch einen Arzt, der sich um sie kümmert, auch wenn Zlatans Nähe ihr guttut.

Allerdings - sowohl sie, als auch er wollen nicht mehr ohne den anderen sein - wer hätte das am Anfang gedacht? <3

Glaubt ihr, dass Audrey noch zu helfen ist? Oder manövriert sie sich mit ihrem Verhalten immer mehr in den Abgrund?

Ich hoffe, euch hat das Pitel gefallen, auch wenn es so "heftig" ist...

Alles Liebe,

eure Floraly <3

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