55.

Huhu meine Lieben, leider musstet ihr so ewig warten, mein neuer Job nimmt mich sehr in Beschlag. Aber auch wenn es mal dauert, ich habe euch nicht vergessen ; ) Hoffe das Kapitel gefällt euch <3

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# Audrey #

„Eigentlich schade, dass ich in spätestens drei Tagen wieder beim Training sein muss. Wir hätten in den Urlaub fahren sollen", sagt er leise. „Macht doch nichts", erwidere ich verträumt. Mir reicht es, mit ihm hier zu liegen. „Doch und weißt du was, wir machen trotzdem noch was. Wie lange hast du noch frei?" Seufzend richte ich mich auf. „Am 5.Januar muss ich auch wieder, genau wie du", meine ich und gähne. Zlatans Augen leuchten ganz merkwürdig und er gibt mir einen langen Kuss. „Pack was Warmes zum Anziehen ein. Wir machen einen Kurzurlaub." Der verschwörerische Tonfall schmeckt mir nicht und ich bekomme bei der Ansage ‚warme Sachen' schon wieder Gänsehaut. Nein, bitte. Ich kann Kälte nicht ab! „Zlatan!", nörgle ich genervt, „Bitte nicht wieder gleich Sibirien!" Dafür kassiere ich einen bösen Blick und anschließend einen Klaps auf den Po, der dazu führt, dass wir die nächste halbe Stunde weder packen, noch darüber reden, wo er hinwill, sondern knutschen. Wie zwei Teenager. Zwei frisch verliebte Teenager. Nur eben nackt. Zlatan ist scheinbar so begeistert von seinem Plan, dass er es sogar schafft sich zusammenzureißen und seine Hände einigermaßen bei sich behält. Als er mich loslässt und aufsteht, jammere ich: „Zlatan! Komm wieder her! Ich will nirgendwohin!" Zlatan zieht sich seine Boxershorts an und lacht. Was für ein göttlicher Anblick. Einfach nur göttlich. Er lacht viel zu selten. Zumindest in der Öffentlichkeit, bei mir macht er das ja sehr oft.

Ningelnd sinke ich in mein Kissen. „Gott, Audrey – zieh dir was an, sonst kommen wir hier nie weg", witzelt er, beugt sich zu mir herunter und küsst mich direkt zwischen meinen Brüsten. Sanft streichelt er kurz über meine rechte Seite, drückt mir einen Kuss auf die Lippen und verschwindet im Bad. Weil ich ihn mittlerweile gut genug kenne, weiß ich, er wird sich nicht abbringen lassen von seinem ach so tollen Plan. Deshalb schlüpfe ich in ein paar bequeme Klamotten und werfe ziemlich planlos Anziehsachen in meine Tasche. Ich bin nicht so das Talent beim Koffer packen. Aber das habe ich ja schon einmal bewiesen. Zwanzig Minuten später kehrt Zlatan zurück und sobald er sein Schlafzimmer betritt, bekommt er einen heftigen Lachanfall. Ich liege inmitten meiner ‚warmen' Klamotten, habe seinen Hoodie im Arm und bin halb eingeschlafen. „Sessa, aufwachen. Du kannst im Auto schlafen", flüstert er mir zu, ich blinzle und hebe den Kopf. „Aber eigentlich ist das grad ganz bequem hier", murre ich müde, er hilft mir hoch. Ich beobachte ihn, wie er seine eigene Tasche packt. „Willst du noch was essen?" Kopfschüttelnd schlurfe ich hinter ihm her, akzeptiere, dass er mir meinen Mantel umlegt, mir meinen Thermobecher mit Kaffee in die Hand drückt. Gähnend stelle ich diesen noch mal auf den Boden, schlüpfe in meine Stiefel und gehe dann in den Flur, meine Tasche schleife ich hinter mir her.

„Du würdest sicher deinen Kopf vergessen, wenn er nicht angewachsen wäre", raunt Zlatan mir zu, hält mir meinen Kaffee hin, den ich aus Versehen habe stehen lassen. „Danke." Er schmunzelt, küsst mich liebevoll auf die Stirn. „Komm, du Schlafmütze." Seufzend folge ich ihm. Wieso kann er denn nicht den Moment ausklingen lassen und mit mir einfach im Bett liegen bleiben? Jetzt schleppt er mich sicher wieder irgendwohin, wo ich erfrieren werde. Welches Auto er wählt, checke ich erst, als ich drinsitze. Es ist der Porsche Cayenne. Den mag ich. „Zlatan, wo fahren wir eigentlich hin?", frage ich, unterdrücke mein Gähnen. „In die Normandie, nach Étretat." Jetzt werde ich aber doch hellhörig. „Bitte?", piepse ich irritiert. Ausgerechnet nach Étretat?! In dieses kleine Nest? Woher kennt er das überhaupt? „Gibt's ein Problem?" Mühsam sehe ich ihm in die Augen. „Ausgerechnet Étretat? Also, ich... Ich, ich...", stammle ich leicht verzweifelt. „Okay, was ist los?", seine sanfte Stimmlage beruhigt mich ein wenig, er legt seine Hand auf meine Wange, „Was hast du gegen Étretat?" Eine Träne rollt über meine Wange, welche er mit dem Daumen wegwischt. „Mein Vater hat immer davon gesprochen. Er war so verliebt in diesen Ort.", entgegne ich tonlos und mein Herz wird tonnenschwer. Zlatans Blick verändert sich. Er wird noch weicher, liebevoller. „Sessa, vielleicht wäre es dann mal an der Zeit, dass du dorthin fährst? Ich bin doch dabei und die Küste ist dort so unglaublich schön." Panisch lege ich meine Hand auf seinen Unterarm. „Ich habe Angst. Ich will nicht, dass es wieder so schlimm wird", flüstere ich den Tränen nah, Zlatan schüttelt den Kopf. „Das wird es nicht. Glaub mal an dich. Du bist stärker als du denkst. Lass uns hinfahren und wenn du das Gefühl hast, dass es wirklich nicht geht, finden wir eine Lösung", schlägt er lächelnd vor und ich küsse ihn einfach nur. Mit seinen Worten nimmt er mir einen großen Teil der Last ab, indem er sie auf das reduziert, was sie ist – eine Vorstellung, eine Angst, die ich sehr wohl versuchen kann zu beherrschen– vor allem, wenn er bei mir ist. Es wird ein langer Kuss, einer der sagt, wie dankbar ich ihm bin, dass er sich mit mir gemeinsam meinen Ängsten stellen will und für mich da ist.

Mich in diesen Gedanken, dieses Gefühl einhüllend sinke ich wieder in den Beifahrersitz, lege meine Hand auf sein rechtes Knie und schließe kurz darauf die Augen. Erst kurz vor unserem Ziel wache ich auf und schaue zu Zlatan hinüber. Sein Blick ist auf die Straße geheftet, aber er sieht gelassen aus. Die Straßen sind recht leer und ich glaube, wir sind ziemlich zügig vorangekommen, denn Zlatan war definitiv schneller, als es das Navi errechnet hatte. Das könnte aber auch mit seinem Fahrstil zusammenhängen. Bestimmt sogar. Schweigend beobachte ich ihn. Ich liebe das. Erschrocken beiße ich mir auf die Unterlippe. Ich mag das. Das andere ist ein viel zu intensives Gefühl. Ich mag es, wie konzentriert er auf die Straße sieht, sein Profil könnte ich wahrhaftig stundenlang studieren. Als er rechts abbiegt, merkt er, dass ich nicht mehr schlafe. „Na du? Wieder wach?", meint er mit einem breiten Grinsen und küsst mich an der nächsten roten Ampel. „Wir sind gleich da", fügt er hinzu und tritt wieder aufs Gas. „Ich weiß", bestätige ich und warte bereits seit mehreren Minuten auf den Moment, an dem man den Atlantik endlich erspähen kann. 10 Minuten später ist es endlich so weit. Mein Papa hat so oft davon gesprochen. „Da!", quietsche ich wie angestochen, es ist Zlatans Gelassenheit hoch anzurechnen, dass er das Lenkrad nicht verreißt. Aufgeregt deute ich mit dem Zeigefinger nach vorn. Deutlich ist das dunkle Blau zu erkennen, kleine weiße Schaumkronen werden mit jeder Welle an den Strand gepeitscht. Unruhig rutsche ich auf meinem Sitz hin und her. Am liebsten würde ich sofort aus dem Auto springen und über die Kiesel zum Ozean sprinten. Es ist unglaublich. Genau das hat mein Vater immer erzählt, daran erinnere ich mich in diesem Augenblick. Der Schmerz rückt vorerst in den Hintergrund.

„Mach schon!", drängle ich ungeduldig, Zlatan lächelt nur und quält mich noch zähe zehn Minuten, bis er den Wagen parkt. Wie auf Speed reiße ich die Tür auf und flitze zum Wasser. Es muss unglaublich gestört aussehen, wie ich über die kleine Mauer vom Parkplatz klettere, auf die Straße dahinter stolpere und dann über die großen Kiesel am Strand hopse, um endlich ans Wasser zu gelangen. Ein wenig außer Atem bleibe ich stehen, schaue mich um. Papa hatte Recht. Es ist unfassbar schön hier. Der Ozean wird von mächtigen Felsen gesäumt, der Strand besteht aus eben gesagten großen Kieselsteinen, die man sicher richtig gut übers Wasser hüpfen lassen kann. Etliche Möwen kreisen über mir, werden von dem rauen Wind in die Höhe gehoben und ich atme tief ein, um diese Atmosphäre in mich aufzunehmen. Mein Hochgefühl wird noch gesteigert, weil ich weiß, dass mein Vater auch immer so begeistert war von diesem Ort, diesem Platz. Scharf pfeift mir der Wind um die Nase, es riecht nach Meer und die Luft ist klar. „Na, du Verrückte?", raunt mir Zlatan zu, der sich unbemerkt angeschlichen hat und seine Arme von hinten um mich legt. Er trägt die Kapuze seines Parkas tief in die Stirn gezogen, worüber ich lachen muss. „Bist du inkognito unterwegs oder wie?", frage ich ihn mit einem breiten Grinsen. Er hatte tatsächlich Recht. Ich fühle mich nicht schlecht hier, sondern verboten gut. Besonders jetzt, in seinen Armen. „Sozusagen. Ich will meine Ruhe haben und die Zeit mit dir verbringen, nicht mit irgendwelchen Fotografen oder Journalisten", grummelt er und gibt mir mitten am Strand einen langen Kuss auf den Mund. Inmitten der Touristen, die sich hierher verirrt haben. Mitten in der Öffentlichkeit.

„Du wirst ja richtig übermütig", schmunzle ich und lehne mich an ihn. „Das ist die Luft", erwidert er mit einem Funkeln in den Augen und küsst mich gleich nochmal. Mein Herz blüht in diesem Moment noch mehr auf und ich bin einfach nur happy. So richtig kitschig, übertrieben, happy. Mein Verstand hat da nichts melden, der ist abgemeldet. Vielleicht ist mein Leid doch nicht endlos, sondern endlich? Vielleicht ist er der Mensch, auf den ich acht lange Jahre gewartet habe? Der eine Mensch, der mich erlösen kann von meinem Schicksal? Vielleicht ist er mein Schicksal? Zufrieden schlinge ich meine Arme um seine Taille, drücke mein Gesicht gegen seinen Anorak. An seiner Seite fühle ich mich sicher, egal wo. „Wie wär's, wenn du dir erstmal anguckst, wo wir die nächsten Tage bleiben? Danach können wir wieder an den Strand oder was essen gehen. Oder schlafen", fügt er gähnend hinzu. Doch ich habe nicht vor das hier zu verschlafen. Diese beeindruckende Natur, den Ozean, das Leben. Ich will nichts davon verpassen. Dennoch willige ich ein, mir anzusehen, wo wir übernachten.

„Das ist jetzt ein Scherz oder?" Mit weit aufgerissenen Augen stehe ich auf der Terrasse des kleinen Hauses, von welcher man direkt auf den Ärmelkanal sehen kann. Wild fliegen meine offenen Haare im Wind, ich kneife die Augen leicht zusammen, weil sie beginnen zu brennen von der Wucht der Böen. Nach einigen Minuten gehe ich wieder ins Innere des süßen Häuschens und schaue Zlatan fragend an. „Du willst mir echt erzählen, dass das dein Ferienhaus ist?!" Ich kann es immer noch nicht fassen. „Ja, wieso?" Kopfschüttelnd quetsche ich mich an ihm vorbei du inspiziere den Rest des Hauses. Es ist unerwartet klein, wenn man sonst die Dimensionen als Maßstab nimmt, in denen Zlatan sich sein Zuhause einrichtet. Im Erdgeschoss gibt es einen großen offenen Raum, geschätzte 40 Quadratmeter. Gegenüber der ausladenden Fensterfronst befindet sich ein Kamin, vor welchem eine gemütliche Couch ihren Platz gefunden hat. Am anderen Ende des Raumes liegt die kleine, schnuckelige Küche. Alles wirkt ziemlich rustikal, hier wurde viel Holz verarbeitet, aber es ist nicht altbacken. Folgt man dem Flur, erreicht man ein kleines Badezimmer und ein Schlafzimmer, von dem ich vermute, dass hier seine beiden Söhne geschlafen haben. Im ersten Stock sind ein weiteres Badezimmer, ein großes Schlafzimmer und ein weiterer Raum untergebracht. Weiter nach oben komme ich nicht. Im ersten Geschoss ist Schluss, mehr gibt es nicht zu sehen.

Angestrengt starre ich auf das riesige Bett vor mir. In meinem Kopf hat sich ein Gedanke festgesetzt und dieser bereitet mir beinahe Kopfschmerzen, weil ich ihn so ekelhaft finde. Mürrisch reiße ich mich davon los, als Zlatan nach mir ruft. Meine grandiose Stimmung wurde gerade gedämpft. Massiv. Schweigend höre ich zu, wie er mir irgendetwas erzählt. Was genau, weiß ich nicht. Dieses Schicksalsgeplapper meiner inneren Stimme ist lächerlich. Was bilde ich mir bitte ein? Das hier ist seine Vergangenheit, seine Gegenwart. Doch seine Zukunft? Vermutlich nicht. In dem großen Bett da oben hat er sonst mit Helena geschlafen. Vom Ekel geschüttelt reibe ich mir über meine Unterarme, auf denen sich Gänsehaut ausgebreitet hat. Nachdenklich sehe ich aufs Wasser, während Zlatan immer noch weiterredet. Er wendet sich ab, verschwindet in der Küche. Und da kommt sie. Die Schuld, vor der ich mich gefürchtet habe. Das erdrückende Schuldgefühl, die Leere, die mich auffressen. Wie aus dem Nichts überfallen diese Emotionen mich, erlauben es mir nicht, etwas dagegen zu tun. Wo das blaue Wasser gerade noch ein Lächeln auf meine Lippen zauberte, scheint es nun der Grund dafür zu sein, dass sich wieder diese unsichtbare Schlinge um meinen Hals legt und ich schlechter Luft bekomme. Krampfhaft versuche ich die Trauer nicht gewinnen zu lassen.

Doch umso mehr ich mich darauf konzentriere, desto intensiver wird der Schmerz in meiner Brust, desto stärker schnürt sich meine Kehle zu und ich bekomme Panik. Sie durchbohrt mein Herz, mein Gehirn, macht mich blind und taub. Wieder tauchen die verstümmelten Leichen meines Vaters, meiner Schwester vor meinem geistigen Auge auf. Dazu die Stimme meiner Mutter, als sie sich von mir abwendete. Als diese verstummt, höre ich meinen Vater, wie er immer und immer wieder sagt: „Leid ist überall auf der Welt, man kann ihm nicht entrinnen." Mit weit aufgerissenen Augen kralle ich mich an der Lehne der Couch fest, wanke zur Terrassentür, stoße sie mit klammen Fingern auf. Ich brauche Luft. Mein ganzer Körper scheint zu ertrinken im Rauschen des Atlantiks, scheint zu ersticken in den Erinnerungen. Verzweifelt taumle ich zum Geländer, klammere mich daran fest, zittere. So lang bin ich verschont worden, doch nun ist das Schwarz meiner Seele umso deutlicher wieder zurückgekehrt und wirft mich fast zu Boden. Mit Tränen in den Augen beiße ich die Zähne zusammen, versuche Luft zu schnappen, doch da verfestigt sich nur der Griff um meinen Hals und ich stürze keuchend auf die Knie. Panisch taste ich nach Etwas, an dem ich mich festhalten kann, ich sehe nichts mehr, bin gefangen in dem Strudel, der mich unerbittlich mit sich reißt. Voller Furcht, dass ich es nicht mehr aufhalten kann, schlage ich um mich, bekomme etwas zu fassen, doch es gibt nach und kracht neben mir in dem Getöse des wilden Windes auf den steinernen Boden. Meine Stimme versagt, nur ein gequälter, kratziger, undefinierbarer Laut verlässt meine Kehle.

Mir ist bewusst, dass ich wieder genau dort bin, wo ich nicht wieder hin zurück wollte. Am Boden. Auf dem Boden der Tatsachen und inmitten meiner pechschwarzen, tödlichen Vergangenheit, die nicht von mir lassen wird – bis sie mich endlich bezwungen hat. Bis ich endlich tot bin. Mit schmerzverzerrtem Gesicht höre ich auf zu kämpfen. Die Stimmen in meinem Kopf, die Bilder, der brennende Schmerz in meinem ganzen Körper rauben mir all meine Kraft und ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Schwarz wie der Tod umhüllt mich der zerrissene Mantel meines Schattens, zerfetzt meine beinah geheilte Seele in scheinbar unwiderruflich auseinandergerissene, tausende von Teilen und lässt mich glauben, dass es das Einzige ist, was mir Frieden, Freiheit verschaffen würde – wenn ich mich ergebe. Für immer.

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Ich weiß, es ist kein lustiges Kapitel und ich befinde mich ehrlich gesagt auch an dem Punkt, an dem ich eine Entscheidung treffen muss... Vlt könnt ihr mich unterstützen und mir sagen, ob ihr noch Lust auf Audrey und Zlatan habt oder ob die Luft raus ist? Ich möchte gern weiterschreiben...Nur, damit ihr das schonmal wisst ;)

Ich hoffe sehr, dass ihr auch noch Bock habt auf ein bisschen mehr Chaos von den beiden Streithähnen <3 Ich hoffe es sehr.

Alles Liebe,

eure Floraly <3

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