51.
Hallo meine Herzchen, es geht weiter❤ Mal sehen, wie es Audrey ergeht...
Viel Spaß ❤
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# Audrey #
„Dr. Waiser, was machen Sie denn Schönes an Silvester?" Mittlerweile hängt mir diese Frage so zum Hals raus. Wirklich jeder scheint das heute für einen passenden Gesprächseinstieg zu halten, sowohl meine Kollegen, als auch meine Patienten. Nach dem dritten Mal lächle ich nur noch gequält und erwidere: „Ich lasse mich überraschen." Stimmt ja auch, aber ich habe herausgefunden, dass diese Antwort die meisten Menschen schon zufriedenstellt, was soll ich das also näher ausführen. Meine letzte Schicht in diesem Jahr verläuft ohne Zwischenfälle, es ist recht ruhig. Nur ich, ich bin nicht ruhig. Der Gedanke mich mit Zlatan unters Volk zu mischen und ungezwungen zu feiern, dabei aber immer die entsprechende Contenance bewahren zu müssen, bereitet mir Kopfzerbrechen. Ich kenne mich. Wenn ich getrunken habe, verliere ich in seiner Nähe zwar nicht komplett die Kontrolle, aber meine Sehnsucht und vor allem meine Libido mischen sich ein und das könnte kritisch werden, wenn ich so tun soll, als hätten wir uns vielleicht nur zufällig getroffen und würden uns einfach nur gut unterhalten. Nervös beiße ich auf meiner Unterlippe herum und versuche mich zu beruhigen und das mittlerweile nur noch dezente Pochen hinter meiner Schläfe zu ignorieren. Es wird schon. Ich kann einfach nur hoffen, dass mein Kopf sich nicht vollständig abschaltet und wenn doch, dass wenigstens Zlatan sich am Riemen reißt. Sonst stehen uns beiden viele unangenehme Fragen bevor und ganz besonders vor denen von Dr. Dardys fürchte ich mich. Könnte meine private Beziehung zu Zlatan dazu führen, dass er mich rausschmeißt? Würde er das tun? Sicher, mein Verhalten ist nicht sehr professionell gewesen in Schweden, aber was soll ich denn machen? Meinen Chef hat Zlatan sicher noch nie so angesehen, wie er es bei mir immer macht?! Über die Vorstellung muss ich doch schmunzeln, ich vervollständige noch die letzten Einträge in den Patientenakten und mache anschließend Feierabend. Fröhlich wünsche ich allen Kollegen, denen ich begegne einen guten Rutsch und verlasse das Klinikum.
Zlatan scheint sich einen Spaß daraus zu machen, denn er fährt irgendwie jedes Mal mit einem anderen Wagen vor. Es ist ein Wunder, dass ich nicht schon aus Versehen mal bei dem falschen Kerl eingestiegen bin, weil ich so verwirrt war. Heute ein SUV mit getönten Scheiben, ein schwarzer Porsche Cayenne. Ein bisschen bin ich erleichtert, dass er bis jetzt noch nicht gebracht hat mit einem seiner Sportflitzer hier aufzutauchen, aber ich schätze, das ist nur der Witterung geschuldet. Ich bin mir absolut sicher, dass all die Schätzchen, die so viel PS unter der Haube haben, dabei furchtbar flach auf der Straße liegen und eng sind, alle ausgefahren werden, sobald es das Wetter zulässt. Mir graust jetzt schon vor diesem Tag. Wie soll ich das bitte meinen Kollegen erklären? Wenn er das dann bringt? Jeden Tag mit einem anderen Ferrari, Porsche oder sonst was vor der Klinik steht?! Entweder rede ich mich ganz bitchy raus, so als wären das alles unterschiedliche Männer – wäre schlecht für meinen Ruf oder ich muss irgendeine noch absurdere Lüge auftischen. Oder ich sage einfach die Wahrheit, würde mir vermutlich eh keiner glauben. Vielleicht wäre das am Einfachsten.
„Na?", begrüßt Zlatan mich mit einem breiten Grinsen und drückt mir anschließend einen dicken Kuss auf die Wange, sobald die Tür hinter mir geschlossen ist. Okay, was ist der so gut drauf? „Hey", murmle ich und warte darauf, dass er losfährt. „Was ist los, Kleines? Hattest du einen schlechten Tag?" Seufzend lehne ich mich mit der Stirn gegen die Scheibe der Beifahrerseite und schüttle dabei den Kopf. Nach meiner inneren Diskussion über die Auto-Problematik hat sich wieder die Sorge vor dem heutigen Abend in mein Bewusstsein geschlichen. So gelassen, wie ich das angehen wollte, bin ich einfach nicht. Blöder Mist. Mittlerweile hat Zlatan dann doch noch das Gaspedal gefunden und in meinem Kopf reift ein Plan, wie ich dem ganze Theater heute Abend doch noch entfliehen kann. Er beruhigt mich ungemein, auch wenn es Zlatan sicher nicht gefallen wird, ganz sicher nicht sogar. Er erzählt mir gerade, wo wir heute Abend überall hingehen könnten, doch ich höre ihm gar nicht zu, weil ich mich mental schon auf mein ‚Gammelvester' einstelle und mich sogar darauf freue. Da brauche ich nicht wissen, in wie vielen ach so tollen Clubs heute die Party des Jahres steigen soll und wer alles dort sein wird. Ich werde nämlich nicht da sein.
Erst in seiner Wohnung wird es Zlatan dann doch zu blöd. „Sag mal, hörst du mir eigentlich zu?", fragt er beleidigt und ich schrecke hoch aus meinen Träumereien von Dinner for one, Popcorn und einem guten Glas Wein. „Äh ja, klar. Aber mir ist grade aufgefallen, dass ich gar nicht mitkommen kann." Sein Blick verfinstert sich schlagartig. „Wieso bitte nicht?", will er in leicht gereiztem Tonfall wissen. Verlegen schaue ich an ihm vorbei. „Naja, ich habe gar nichts, was ich anziehen kann, wenn du nur so Nobelschuppen ansteuerst. Ich bleibe einfach hier. Das macht nichts", behaupte ich ruhig. Es stimmt ja auch. Irgendwie. Zlatans Reaktion überrascht mich. Er fängt lauthals an zu lachen. Wirklich, er hört gar nicht mehr damit auf und ich frage mich kurz, ob er nicht neuerdings kleine, runde Pillen nimmt. „Das hast du dir so gedacht, ja?", japst er grinsend und schüttelt anschließend den Kopf. „Nix da. Du kommst mit. Und wenn ich dich im Kartoffelsack dahin schleife. Du bleibst nicht hier." Mein Protest interessiert in überhaupt nicht und ich beginne zu schmollen. Davon mal abgesehen, dass ich auf den ganzen Stress mit den anderen Partygästen und vor allem der Presse keine Lust habe, ich habe nicht gelogen. Für solche Parties bin ich einfach nicht allzu gut ausgestattet. Mal mit Freunden was Trinken gehen, tanzen. Klar. Aber doch nicht in diesen Edeldiskotheken und dann auch noch mit Zlatan an meiner Seite. Da wird doch dann ganz besonders genau hingeschaut. Seufzend ergebe ich mich dennoch meinem Schicksal, ich spüre, auch wenn ich ihn anschreie, richtig Terror schiebe, er würde nicht nachgeben. Ich spare mir meine Kräfte, wer weiß, vor wem ich heute Abend doch noch flüchten muss, weil Zlatans toller Plan nach hinten losgeht.
Unerbittlich schiebt er mich an den Schultern ins Schlafzimmer und ich frage mich kurz, was das werden soll, doch als ich den Raum betrete, wird es mir klar. „Ach Zlatan! Was soll denn das?!", maule ich genervt und sehe ihn eindringlich an. „Ich wusste, dass du nach einer Ausrede suchen würdest. Also bitte, jetzt brauchst du ja wohl nicht mehr mit mir diskutieren oder?", erwidert er lächelnd und gibt mir einen Kuss auf den Mund. Wie ein trotziges Kind stampfe ich abwechselnd mit den Füßen auf und nörgle: „Wieso hast du das schon vor mir gewusst?!" Lachend zieht er mich in eine Umarmung und haucht mir ins Ohr: „So gut kenne ich dich eben doch schon." Verdammt Recht hat er. Blöd gelaufen. Obwohl, wenn ich doch noch einen vorsichtigen Blick auf das werfe, was da auf dem Bett liegt – vielleicht doch gar nicht so blöd. „Mach dich fertig, sonst kommen wir hier nie los", fordert seine tiefe Stimme mich auf und ich nicke stumm, gehe ins Bad.
Nach einer heißen Dusche, einem erbitterten Kampf mit meiner braunen Mähne und einer gewonnenen Schminkschlacht verlasse ich in ein Handtuch gehüllt das Badezimmer und atme im Schlafzimmer erstmal tief durch. Okay, ich werde mich heute Abend nicht zum Idioten machen. Bitte nicht. Da mir sowieso keine andere Wahl bleibt, schlüpfe ich in das Kleid, das auf dem Bett liegt und starre danach in den Spiegel. Misstrauisch mustere ich mein Spiegelbild und bin irgendwie enttäuscht. Meine Gedanken wabern zu Zeiten zurück, in denen ich mich gern in Schale geschmissen habe, meinen Vater zu Ehrungen oder Veranstaltungen begleitet habe. Er war immer so stolz auf seine hübsche Tochter. Bereits mit 17 war mein Körper so fraulich, dass sich selbst seine Kollegen den einen oder anderen Blick nicht verkneifen konnten. Besonders die Anwärter auf eine Kommissarslaufbahn. Unter ihnen gab es durchaus einige, die mir schöne Augen machten und ich war nicht abgeneigt, benahm mich aber stets vorbildlich, um den Ruf meines Vaters nicht zu beschmutzen. Doch das, was ich jetzt sehe, hat damit nichts zu tun. Das kurze Kleid, mit ausgestelltem Rock, in dezentem dunkelblau lässt mich blass und krank wirken. Meine Beine schauen staksig und dünn unter dem Rock hervor. Alles an mir lässt mich plötzlich erschaudern. Zlatan wollte mir einen Gefallen tun, aber irgendwie kann ich mich so nicht leiden. Nicht heute. Sonst hätte ich das Kleid fantastisch gefunden, aber eben nicht heute. In meinem Kopf setzt sich das Bild von mir als 18-jährige fest, strahlend, kurvig, gut gelaunt in diesem süßen bordeauxroten Teil, mit der raffinierten Flechtung am Rücken. In dem sah ich atemberaubend aus, sprühte vor Lebenslust und riss die Männer reihenweise von ihren Stühlen.
Seufzend streife ich das nachtblaue Stück Stoff wieder ab und werfe einen weiteren Blick in den Spiegel. Ich gefalle mir im Moment nicht. Dieser Eindruck bleibt hängen. Ich bin für meinen Geschmack zu dünn, die Augenringe sind zwar abgedeckt, aber wo ist dieses breite, weiße Lächeln, was mich früher ausmachte, wo ist diese Energie, diese Aura, die mir immer nachgesagt wurde? Momentan muss meine Aura pechschwarz sein, so wie meine Seele und das will ich nicht. Deshalb treffe ich eine Entscheidung, die wahrscheinlich auch Zlatan überraschen wird, aber meiner Seele wird sie Linderung verschaffen.
„Audrey? Können wir los?", Zlatans Stimme dringt dumpf an mein Ohr, während ich auf seiner Terrasse stehe, bereits in meinen Mantel gehüllt und eine Zigarette rauche. „Ach, Audrey! Mach die scheiß Kippe aus!", nörgelt Zlatan genervt, ich nehme noch einen letzten Zug, blicke auf das lebhafte Treiben in den Gassen unter mir, viele Menschen machen sich herausgeputzt bereits auf den Weg zu ihren Silvesterparties. Nickend drehe ich mich um, stecke mir einen Kaugummi in den Mund und stolziere hinter Zlatan her, der mich mit hochgezogenen Augenbrauen mustert. „Was?", frage ich trotzig, ich werde mich nicht verstecken, werde nicht wieder 10 Minuten warten bis ich das Haus verlasse. Das kann er sich abschminken. In mir flammt etwas auf, was ich schon lange nicht mehr gespürt habe – Selbstbewusstsein und meine Kämpfernatur. Wieder und wieder denke ich an die Worte meines Vaters, die er nur zwei Tage vor seinem Tod sprach: „Vergiss bitte nie wie wunderschön und mächtig du bist, Audrey. Vergiss das nie." Ja, manchmal war er merkwürdig drauf, aber mit seinen eingestreuten, meist aber doch tiefsinnigen Bemerkungen, formte er mich und Ariana zu zwei sehr selbstbewussten, aber dennoch bescheidenen, selbstdenkenden Menschen. Mein Name verkörpert das, was er mir immer einimpfen wollte – Macht und Stärke. Diese hatte ich früher und ich will sie wiederhaben. Noch immer beäugt Zlatan mich unsicher, doch ich beachte ihn im Moment nicht. In mir versucht die fast verwelkt Blüte meines alten Ichs, meiner eigentlichen Seele Kraft zu sammeln, um wieder zu erblühen. Ich weiß, sie wird es unglaublich schwer haben und es wird nicht ohne Rückschläge von statten gehen, aber in mir schlummert sie noch und sie scheint zu erwachen. Die Audrey, die ich einst war. Die starke, schöne, fröhliche und mutige Audrey.
Unten stelle ich fest, dass Zlatan heute wohl einen Fahrer engagiert hat, er will wohl nicht nur mit Mineralwasser anstoßen und bleibe vor der Haustür abrupt stehen. „Muss ich jetzt etwa wieder mit der Bahn fahren?", stoße ich entnervt hervor, doch Zlatan antwortet mir gar nicht und schiebt mich durch die riesige Eingangstür. Bei dem leichten Nieselregen fürchte ich um meine Frisur und bin froh, als Zlatan mir die Wagentür aufhält und ich einsteigen kann. Erst als wir nebeneinander im Fond der großen Limousine sitzen, wird mir klar, dass ich ja jetzt auch mit ihm gemeinsam aussteigen muss. Habe ich mir zufällig irgendwann den Kopf gestoßen und erinnere mich nicht mehr? Gut, den Kopf habe ich mir angeschlagen, aber das kann damit nichts zu tun haben. Wie kann ich so doof sein? DAS wollte ich doch vermeiden. Jetzt habe ich den Salat. Unsicher schiele ich zu Zlatan hinüber, der für meinen Geschmack auch ein bisschen zu unruhig wirkt. Scheiße, er wollte das auch nicht. Was mache ich denn jetzt? „Ich kann auch vorher aussteigen", biete ich nun an, weil mir das alles unangenehm ist. Er sieht mich irritiert an und erwidert nur: „Wieso das?" „Naja, wegen der Presse. Ich will dich da nicht in Bedrängnis bringen", stammle ich ziemlich blöd und starre lieber wieder meine Finger an, seinen Blick halte ich nicht aus. Insgeheim wünsche ich mir, dass er meinen Vorschlag abschmettert und mich unbedingt dabei haben will, doch leider geschieht das nicht. „Wie du willst. Mir egal." Na danke. Missmutig sehe ich durch die getönte Scheibe des Wagens nach draußen, Zlatan gibt dem Fahrer 15 Minuten später eine Anweisung und dieser hält an. Erwartungsvoll sieht Zlatan mich an, ich verstehe, funkle ihn enttäuscht an und steige aus.
Auch wenn ich selbst unentschlossen bin, seine Reaktion hat mir wieder gezeigt, auch er hat kein Interesse daran, dass jemand von mir erfährt. Der Stich, den mein Herz ertragen muss, tut weh. Der Regen zerstört sicher gerade meine Haare und ich lasse die Schultern hängen. Mein Anflug von Übermut und Stärke ist wie weggeblasen. Es ist deprimierend hier zu stehen, allein, im Regen und sich eingestehen zu müssen, dass das Leben nicht so läuft wie in diesen Hollywoodstreifen. Nie. Niemals. Bevor ich endgültig gleich wieder umdrehen kann, weil ich durch die Nässe zur Vogelscheuche mutiere, straffe ich die Schultern, setze einen einigermaßen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf, der vermutlich ziemlich arrogant rüberkommt und steuere den Club an, in dem Zlatan scheinbar ins neue Jahr feiern will. Zu stolz bin ich, um einfach wieder zu gehen. Aber eine Lektion werde ich ihm dennoch erteilen. Hier meldet sich dann doch wieder meine aufkeimende Stärke, gepaart mit einem Hauch von Arroganz. Was er kann, kann ich auch. Hätten wir uns in einem anderen Leben kennengelernt, in einem , in dem ich nicht so gebeutelt wäre von meiner Vergangenheit – Zlatan hätte sich gewundert, wie eiskalt, abgebrüht und beeindruckend ich sein kann. Es ist noch da, das ist mir bewusst und es will sich an die Oberfläche kämpfen, egal wie. Deshalb überwinde ich mich, gehe zum Türsteher, der mich ungläubig ansieht, nenne meinen Namen und werde kurz darauf hineingebeten. Na wenigstens das hat geklappt. Im Inneren bin ich dann doch etwas überrumpelt. Selbst die Garderobe schreit schon fast, hier wird's teuer. Viel zu viel Marmor, Kronleuchter und all solcher Schnickschnack. Es ist schick, aber was soll das für ein Club sein? Trotzdem schäle ich mich aus meinem Mantel und kann nicht leugnen, dass es mir gefällt, wie die Herren um mich herum anfangen zu glotzen. Einer nach dem anderen. Betont gelassen werfe ich meine halboffenen Locken in den Nacken, reiche der jungen Frau meinen Mantel und stöckle dann weiter. Ich brauche unbedingt etwas zu trinken. Die Kerle verrenken sich wirklich fast die Hälse und ich lache in mich hinein. Das bordeauxrote Teil hat seine Wirkung nicht verloren auf meine Umgebung. Ich passiere eine weitere Tür, dahinter ist das Licht gedimmt, Musik dröhnt und stickige Luft mir entgegen und ich brauche einen Moment, um mich zu orientieren. Die Wände sind gesäumt mit kleinen Sitzgruppen, alles ganz modern im Loungestil gehalten, Ledersessel, sehr geschmackvoll. Auf der Tanzfläche tummeln sich auch schon etliche Menschen, feiern schon ziemlich ausgelassen. Die anderen haben ihren Pegel dafür scheinbar noch nicht erreicht und lümmeln auf den Sesseln herum, schlürfen einen Longdrink und die ganz harten Kerle Whiskey oder sonst was. Zwei junge Männer, die dicht neben dem Eingang stehen, mustern mich. Die Gier steht ihnen ins Gesicht geschrieben und ich mache mir einen kleinen Spaß daraus, sehe sie direkt an, lächle leicht und wende mich dann wieder ab. Da ich mir doch blöd vorkomme, wenn ich die ganze Zeit direkt vor der Tür herumstehe, begebe ich mich an die Bar.
Auf meinen schwindelerregend hohen Hacken muss ich aufpassen, dass ich in dem Gedränge nicht auf die Nase falle, aber ich erreiche sicher den rettenden Tresen und blicke mich um. Zlatan kann ich nirgendwo entdecken, dafür bemerke ich allerdings, wie ich schon wieder von mehreren Männern abgecheckt werde. Das ist so ungewohnt, aber komischerweise nicht so unangenehm wie erwartet. In mir reckt und streckt sich der Phönix, macht sich bereit aus der Asche emporzusteigen. Auch ich drücke mein Kreuz durch und bleibe bei meinem gleichgültigen Gesicht. Ich weiß wie sehr Männer darauf abfahren. Es ist merkwürdig, aber es stimmt. Auch wenn immer behauptet wird, Frauen sollen viel lachen – wenn man es nicht tut, wird man viel interessanter. Endlich entdecke ich meinen großen Schweden am Ende des Raumes, umringt von einigen Menschen, mit denen er sich munter unterhält. In der Hand hält er ein Glas. Er sitzt also nicht wie ich auf dem Trockenen. Genervt schaue ich mir die Weiber an, die ihn anschmachten und ihm viel zu nah kommen. Ja, ich bin ein eifersüchtiges Modell. Das war ich schon immer.
Er sieht nicht auf, mein Blick geht ins Leere und in mir meldet sich wieder der Wunsch nach etwas Alkoholischem. Beim Blick auf die gepfefferten Preise schlucke ich. Na ganz toll. Daran habe ich ja gar nicht mehr gedacht. Ich habe zwar ein paar Euro einstecken, man weiß ja nie wofür man sie noch braucht, aber damit kann ich mir maximal zwei Drinks leisten. „Darf ich dich einladen?", ertönt da eine angenehm tiefe Stimme neben mir und ich drehe mich um. Vor mir steht ein großer, schlanker aber muskulöser Mann, geschätzt Ende Zwanzig, seine blonden Haare sind frech verstrubbelt und er lächelt ich freundlich an. Auch er trägt einen Anzug, doch die Krawatte sitzt schon etwas lockerer und unter seinem Hemd zeichnet sich deutlich seine trainierte Brust ab.
Ein wenig überrascht lächle ich zurück. „Gern", antworte ich ihm nun und merke, wie meine Wangen sich röten. Ich bin echt raus aus diesem Zeug. Flirten kann man durchaus verlernen. Eine Minute später steht endlich ein Glas Champagner vor meiner Nase, wir stoßen an und ich genehmige mir erstmal einen großen Schluck. „Pierre", stellt er sich nun vor und ich grinse. Er ist ganz süß und das verschmitzte Lächeln gefällt mir. Zlatan ist manchmal so ernst und außerdem kümmert der sich schon wieder nicht um mich. „Audrey." Pierre greift weiter an und beginnt mich offensiv zu umgarnen, der lässt scheinbar nichts anbrennen. „Schöner Name, wirklich. Sind wir uns irgendwo schon Mal begegnet?" Ich schüttle den Kopf. „Sicher nicht, an dich würde ich mich erinnern", legt er nach und auch wenn es so abgedroschen klingt, sein Spruch verfehlt seine Wirkung nicht. Im Verlauf unserer Unterhaltung merke ich, wie empfänglich ich für seine offensichtlichen Absichten bin. Auch wenn ich Zlatan dabei nicht vergesse und ihm immer wieder einen flüchtigen Blick zuwerfe – den er nicht bemerkt, viel zu sehr ist er in sein Gespräch mit einer aufgetakelten Blondine vertieft. Na warte, Freundchen, denke ich und lache absichtlich laut über Pierres Erzählung. Im Prinzip ist er für mich uninteressant, aber seine Worte, seine Blicke stärken das, was aus mir ausbrechen will – den Phönix. Er will sich erheben und endlich wieder durch die Lüfte gleiten, mächtig und ehrwürdig. Dazu nutze ich die Energie, die dieser Flirt mir gibt.
Nicht nur Pierres Augen wandern immer wieder zu meinem tiefen Ausschnitt, auch die der anderen Männer um uns herum. Mein bordeauxrotes, enganliegendes Kleid geht mir fast bis zum Knie, gewährt tiefe Einblicke, lässt aber noch genug Raum für Phantasie und Vorstellungskraft. Meine wiederkehrenden Rundungen werden perfekt in Szene gesetzt. Durch die schwarzen, mörderisch hohen Heels wirken meine Beine noch länger und bei jedem Schritt muss ich zwangsweise die Hüfte schwingen lassen, was die Männer nur zu gern sehen. Meine vollen Lippen tragen dieselbe Farbe wie mein Kleid und meine braune Mähne habe ich mit einer halboffenen Flechtfrisur verschönert. Das Grünblau meiner Augen sticht durch das restliche Make Up deutlich hervor. Ich weiß, ich sehe heute Abend gut aus, heiß und die Wirkung, die ich so auf das männliche Geschlecht zu haben scheine, lässt mein Selbstbewusstsein wieder wachsen. Zlatan hin oder her. Pierres Hand auf meinem Unterarm passt mir zwar nicht so sehr, aber so lange er nicht anfängt zu grapschen, ist alles in Ordnung. Er bestellt mir ein weiteres Glas Champagner und Zlatan ist aus meinem Blickfeld verschwunden – verdammt. Pierre gibt sich weiterhin Mühe mir zu gefallen und ich spiele mit, mittlerweile habe ich sogar Spaß daran.
Plötzlich verändert sich Pierres Gesichtsausdruck, sein Mund steht leicht offen und er starrt entgeistert an mir vorbei. Ich trinke mein Glas aus, da wird mir auch schon von links ein neues zugeschoben, dieses Mal allerdings Wodka on the Rocks mit Limette. Aus dem Nichts legt sich eine Hand auf meine Taille und ich spüre warmen Atem an meinem Hals, welcher mir einen heißen Schauer über den Körper treibt – der Alkohol wirkt wohl auch schon. „Da bist du ja", brummt Zlatan mir ins Ohr und ich bleibe knallhart, zumindest äußerlich. „Ich war die ganze Zeit hier." Das freche Grinsen auf meinen Lippen kann ich mir nicht verkneifen, als ich mich zu ihm umdrehe. Seine Augen funkeln bedrohlich und es scheint ihm überhaupt nicht zu gefallen, mich hier mit Pierre zu sehen. Der fängt schon fast an zu hyperventilieren, vermutlich ist er ganz schlimmer Fußballfan, das Thema habe ich umschiffen können während unserer Unterhaltung. Zlatan hat die Schnauze voll, streckt Pierre ganz weltmännisch die Hand hin, welcher diese verdattert schüttelt. Mit einer knappen Verabschiedung zieht Zlatan mich von der Bar weg. „War nett dich kennenzulernen, aber wir müssen", knurrt er nur und ich bekomme einen innerlichen Lachanfall. Er ist eifersüchtig. Ha! Vielleicht überlegt er es sich in Zukunft mich so alleine loszuschicken. Aber eigentlich bin ich noch nicht fertig damit, ihm eine Lektion zu erteilen. Ich fange erst an. Das war erst der Anfang.
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Hehe, die Waffen einer Frau 😉 Audrey wird endlich wieder selbstbewusster, das ist doch sehr gut oder? Und Zlatan merkt vielleicht mal, dass es Konkurrenz gibt. Dass er sich mal lieber um Audrey kümmern sollte - wenn sie "seine" Audrey werden soll...
Hat euch das Kapitel gefallen? Was wünscht ihr euch für den weiteren Verlauf?
Alles Liebe,
Eure Floraly ❤
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