28.
Hey ihr Lieben, wie versprochen gibt es heute schon was zu lesen, anstatt morgen : )
Viel Spaß dabei! <3
--------
# Audrey #
Er zieht mich so nah an sich und seine Lippen sind so vorsichtig, so liebevoll wie nie zuvor. Von der vorherigen überwältigenden Lust hat sich dieser Kuss in ein vor Schmetterlingen beinahe explodierendes Einhorn verwandelt. Es ist ein merkwürdiger Vergleich. Seine Hände liegen ganz züchtig auf meiner Taille, ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und versuche nicht daran zu denken, dass das ein Fehler ist.
Es fühlt sich zu vollkommen an – doch die Furcht, die dieser Moment in mir auslöst ist schmerzhaft. Überlasse ich ihm noch mehr von meinem Herz, werde ich es nicht überleben, wenn er mit der Sorge in den Augen um mich wieder fortgeht. Diese Angst, ihn zu verlieren, bevor er wirklich bei mir ist – wirkt so surreal, so erdrückend. Ich scheue diese Gefühle so sehr, weil ich weiß wie groß der Schmerz ist, den ein einzelner Mensch ertragen kann, ohne vollständig daran zu Grunde zu gehen. Arianas Tod und der meines Vaters haben mich bereits einmal in meinem Leben diese Grenze spüren lassen.
Das, was ich für Zlatan empfinde, das was daraus werden könnte – fühlt sich so besonders an, dass ich ahne – auch er könnte einer dieser Menschen werden, den ich nicht mehr gehen lassen kann, dessen Vertrautheit und Nähe ich nicht mehr missen möchte und dessen Abschied ich nicht verwinden kann. Einmal habe ich es überlebt, bin wieder aufgestanden und habe mich irgendwie gewehrt gegen die schwarzen Dämonen der Trauer, der Angst. Ein zweites Mal wird es mir nicht gelingen einen Menschen in mein Leben zu lassen, ihn mich und mein Herz, meine Seele erobern zu lassen und ihn dann ziehen zu lassen – weil ich ihm mein wahres Ich offenbaren muss. Das halte ich nicht noch einmal aus. Den Verlust eines geliebten Menschen.
Unsere Lippen trennen sich langsam voneinander, Zlatan sieht mich eindringlich an und meint: „Was hast du, Kleines?" Die Gedanken in meinem Kopf erschlagen mich beinah, sie überwältigen mich und meine Hände sind auf einmal so kalt. „Ich kann dich nicht in mein Leben lassen – nur damit du wieder verschwindest!", stoße ich mit rauer Stimme hervor, erste Tränen sammeln sich in meinen Augen. Ich schätze, es ist bereits geschehen. Er ist schon jetzt dieser Mensch, den ich nie wieder gehen lassen will. Obwohl ich ihn kaum kenne. Das kann ich nicht zulassen – noch ist es möglich das aufzuhalten. Aber nicht mehr lang. „Wovon sprichst du da?", will er angespannt wissen. Zlatans Blick verändert sich zusehends. Er wird besorgt.
Diese Erkenntnis rammt sich in mein Herz und lässt mich fast taumeln vor Panik. Nein! Da sind sie wieder. Die Bilder. Die Erinnerungen an den Tag, an dem ich alles auf einen Schlag verlor. Die Erinnerungen an diese erdrückende Furcht vor dem Aufgeben, vor dem Zerbrechen. Die Erinnerungen an die wochenlangen falschen Verdächtigungen gegen mich und meine Mutter, die Wut über die Ahnungslosigkeit der Ermittler. Die Erinnerung an den Schmerz die wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren zu haben. Die Erinnerung an den besorgten Blick meiner Mutter, als ich sie das letzte Mal vor Jahren sah – als wir im Streit auseinander gingen und auch sie das Band der Verbundenheit durchschnitt. All diese Gefühle lassen mich keuchen und ich beginne zu zittern. Es schüttelt meinen Körper, so sehr – ich habe keine Kraft um mich dem zu erwehren und sinke wie erschlagen auf die Knie.
„Audrey, wovon sprichst du da?!", ruft er aufgebracht und versucht mich aufzurichten. Große, heiße Tränen rinnen meine Wangen hinab und ich werde geknebelt von meiner Vergangenheit, von dem was sie aus mir gemacht hat. Ich habe sie doch wirklich nicht mehr alle. Er sollte einfach gehen, bevor es zu spät ist und er weiß, wie ruiniert ich wahrhaftig bin. Ich bin am Ende. Schon wieder. Zlatan hat meine Mauern eingerissen und die Schreckgestalt, die sich meine Vergangenheit nennt, bricht immer häufiger aus mir hervor und raubt mir den Atem und meinen Verstand. Die sich durchsetzende Panik legt sich wie eine Schlinge um meinen Hals. Sie versucht mit aller Kraft mich zu erdrosseln, mich endlich ersticken zu lassen. Die Schlaufe zieht sich immer enger, ich keuche und schlage um mich, weil alles verschwimmt.
Zlatan schreit mich an, zerrt mich am Arm hinaus. Ich stolpere hinterher, meine Beine tragen mich kaum noch. Der eiskalte, scharfe Wind schlägt mir ins Gesicht und ich vernehme wieder seine Stimme. „Audrey, wovon hast du gesprochen?! Beruhige dich bitte endlich!", ruft er gegen die Kraft des Sturms an. „Ich kann d-das n-nicht noch mal! Ich kann einfach nicht!", jaule ich verzweifelt und meine Hand legt sich an meinen Hals. Ich weiß, gleich ist es vorbei. Ich röchle und huste, kämpfe noch immer gegen die Panik – ich habe den Krieg allerdings dieses Mal verloren. Kaum noch etwas von der rettenden Luft strömt in meine Lungen, ich atme viel zu schnell. Hinter mir kracht es, ich werde eng an jemanden gedrückt und die Wärme, der gleichmäßige Herzschlag dieses Menschen führt endlich dazu, dass meine Lungen sich wieder füllen, sich mein Brustkorb wieder erfolgreich heben und senken kann. Zlatan.
Ich hänge in seinen Armen, er presst mich an sich und streichelt mir übers Haar. Dabei murmelt er unablässig etwas, was ich nicht verstehe. Vielleicht ist es Schwedisch. Ich bin nicht ohnmächtig geworden. Wieder konnte er mich davor bewahren. „Audrey, bitte sag mir endlich, was dich so quält, dass es dich fast umbringt", flüstert er mir ins Ohr und küsst mich zärtlich auf die Schläfe. Eine warme Gänsehaut kriecht über meine Haut und meine Muskeln haben wieder ausreichend Energie und Sauerstoff, um sich anzuspannen. Ich lege meine Arme um seinen Nacken und vergrabe mein Gesicht in seinem Shirt. Ich kann diesen Mann nicht gehen lassen, aber ebenso wenig kann ich ihn noch tiefer in diesen Strudel der Angst hinabziehen. Es könnte auch ihn zerstören. Es reicht, dass ich für den Rest meines Lebens verdorben bin und es Momente gibt, in denen ich mich dann doch danach sehne, dass es endlich vorbei ist. Ich sehe ihn nicht an, zu sehr quält es mich, ihm das schon wieder angetan zu haben.
Mit Mühe befreie ich mich aus seinen Armen und wanke matt ins Schlafzimmer zurück. Ich sinke am Boden zerstört auf das Bett und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Ich will mein Leben wieder haben! Ich will frei sein, frei von dieser Qual, ich kann mich diesem Mann nicht öffnen, weil ich nicht frei bin. Hoffnungslos schreie ich auf und schluchze. Ich will das nicht mehr! Gebt mir das zurück, was ihr mir genommen habt! Gebt mir mein Leben zurück! Meine Seele scheint mir in Fetzen durch die Hände zu rinnen, ich kann sie nicht festhalten und wieder zusammensetzen. Ich schaffe es nicht. Nie werde ich davon los kommen, es wird mich immer begleiten, mich auf ewig quälen und von innen heraus zermürben. Leise schluchzend rolle ich mich in das große Bett und klammere mich an Zlatans Decke. Ich kann ihn vom ersten Moment an nicht vergessen und das wird mir jetzt zum Verhängnis. Ich bin so versunken in meiner Traurigkeit, dass ich ihn erst bemerke, als er seine großen Hände auf meine Taille legt. Er sitzt neben mir und streichelt sanft über meine Seite und meinen Rücken.
„Bitte Audrey, sprich mit mir", sagt er vorsichtig. Ich drehe mich auf den Rücken und sehe ihn mit Tränen in den Augen an. „Ich kann es nicht, Zlatan", erwidere ich kaum hörbar. Er beugt sich zu mir herunter, drückt mir einen Kuss auf die Stirn und seine Fingerspitzen streifen meine Wange. „Doch, das kannst du. Bitte." Mein Herz schreit danach, es ihm zu sagen, es mir selbst leichter zu machen. Doch ich würde ihn damit belasten, deshalb halte ich meinen Mund. Ich werde ihn nicht seiner Freiheit berauben und ihn damit quälen. „Bitte, Audrey", fleht er mich an und küsst mich auf den Mund. Seine Lippen sind eine Wohltat für mich, für mein schmerzendes Herz. Meine Hände legen sich auf seine Wangen und ich will ihn nicht mehr loslassen. „Zwing mich bitte nicht dazu", jammere ich und küsse ihn ein letztes Mal. Seine braunen Augen scheinen mich zu ergründen, so wie beim allerersten Mal. Mir stockt der Atem und ich wünsche mir fast, ich wäre ihm nie begegnet. Leise raunt er mir zu: „Ich zwinge dich nicht. Ich bitte dich. Ich flehe dich an, wenn es sein muss." Ich muss wegsehen, der Schmerz und die Angst bohren sich durch mein Herz. „Tu das nicht, Zlatan. Ich bitte dich", flüstere ich mit bebenden Lippen. „Sag es mir", meint er und küsst mich wieder. Als er sich langsam zurücklehnt, wage ich es ihn wieder anzublicken. „Du wirst mich danach anders ansehen. Du wirst diesen Ausdruck in deinen Augen haben. Du wirst dich von einer Sekunde auf die andere fragen, wie es möglich ist, dass ich noch am Leben bin. Du wirst- du wirst gehen. Ich hätte es mir nie erlauben dürfen, in deiner Nähe zu sein. Ich hätte es wissen müssen nach unserer ersten Begegnung, dass das so endet. Dass du mich am Ende zurücklässt und alles noch schlimmer ist als zuvor!", schluchze ich und wende meinen Blick wieder ab. Er hat mir zugehört und legt sich nun neben mich. „Nur weil du dich so sehr davor fürchtest, bedeutet es nicht, dass es so laufen wird. Kleines, du traust mir zu wenig zu", lächelt er mich aufmunternd an und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor er mich in seine Arme zieht. „Erzähl es mir und ich verspreche dir, ich werde nicht gehen und ich werde dich auch nicht so ansehen. Ich verspreche es." Sehnsüchtig kuschle ich mich an ihn und wünsche mir nichts mehr als eine Erlösung von dieser Qual und, dass er die Wahrheit sagt. „Du hast mich schon so angesehen", murmle ich und streichle mit meinen Fingern über seinen Bauch. „Schau mich an, Audrey", erwidert er und hebt mein Kinn ein wenig an, sodass wir uns in die Augen blicken. „Sieh hin. Ich verspreche es dir, ich werde nicht gehen. Ich könnte es gar nicht mehr. Der Moment ist schon längst vergangen, in dem ich noch hätte verschwinden können. Schon lang."
--------
Merkt ihr das? Es gibt ein essentielles Problem zwischen beiden. Das Vertrauen fehlt. Vor allem bei Audrey...
Werden sie es schaffen? Endlich wirklich reden?
Wir hören uns am samstag wieder, bis dahin : )
Knutscha,
Eure Floraly <3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top