Kapitel 25
Sicht Niklas
„Kathrin..." Mit offenem Mund starre ich meine Halbschwester an. Ich muss albern aussehen. Mit einem kleinen Kind auf dem Arm, in Anzug, von drei Frauen umgeben und sprachlos von dem Auftreten der Halbschwester. Das Arzu mit Max doch noch kommen konnte grenzt schon nah an ein Wunder, aber jetzt auch noch Kathrin? Sie hatte schon kurz vor Arzu abgesagt, weil sie einfach niemanden gefunden hatte, der auf die kleine Hanna aufpassen kann. Lukas, der ältere Bruder der kleinen, ist mit seinen Freunden im Urlaub und wenn Kathrin ihm erklärt hätte, er müsse wegen 2 Tagen absagen und das nur, weil niemand auf seine kleine Schwester aufpassen kann...? Das wäre nicht gut ausgegangen. Arzu und Philipp, die sich sonst um sie gekümmert hätten, hatten auch keine Zeit, da sie eigentlich auch nicht da gewesen wären.
Vorsichtig setze ich meinen Sohn auf dem Boden ab, um meine Halbschwester auch in den Arm nehmen zu können. Doch damit ist mein kleiner Mann so gar nicht einverstanden. Mit gequältem Gesichtsausdruck und ausgestreckten Armen, fängt er an sich neben mir stehend immer wieder groß zu machen. „Paapaaah! Papa, bitte!" Und obwohl mein Sohn so ein Theater macht, kann ich meinen Blick nicht von Kathrin abwenden. Dann muss er sich jetzt halt auch 5 Sekunden gedulden... Für den Moment gibt es nur sie, und die Gedanken an meine Verlobte. An unsere Hochzeit. Trotzdem murmele ich Max etwas zu was heißen soll, dass ich gleich "wieder da" bin. Jetzt muss ich erstmal meiner Halbschwester hallo sagen, sie begrüßen. Sie ist hier! Der Gedanke will und will nicht in meinen Kopf herein. Er will ihn nicht begreifen. Und doch-Dass sie heute hier ist, bedeutet mir so unfassbar viel. Wie oft sie mir in den aussichtslosesten Situationen schon geholfen hat. Wie oft sie mir wieder aufgeholfen hat und wie oft sie hinter mir stande, wenn es keiner sonst getan hatte. Die verschiedensten Bilder blitzen, wie auf Kommando vor meinem inneren Auge auf, während ich Max gequengel ignorierend mit wenigen Schritten die paar Meter Distanz zwischen uns überwinde und Kathrin schließlich fest in meine Arme schließe. Als ich herausgefunden hatte, dass Max doch mein Sohn ist. Die ganzen Streitereien mit (Arzu und) Philipp, weil ich Max öfters sehen wollte und schließlich auch das Bild von dem Tag, als ich betrunken zum Dienst erschienen bin. Alleine wenn ich nur an diesen Tag denke, läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Nein, das ist wirklich kein Tag an den ich gerne zurückdenke. Erst Recht nicht an dem Tag an dem ich eine andere Frau heirate hat meine EX nichts in meinen Gedanken zu suchen! Mit dem Unterschied, dass Julia die Richtige ist, sie war es nicht.(Für die, die es nicht wissen: Niklas ist in der Zeit in Leipzig 1x, wenn ich es richtig im Kopf habe, sonst verbessert mich gerne, betrunken zum Dienst erschienen. Am Tag zuvor ist Ute (seine EX-Frau) in Leipzig aufgekreuzt und wollte ihn zurück. Niklas hätte sich darauf eingelassen-hätte sie (?) ihm nicht gesagt, dass die Affäre mit Paul (seinem ehemals besten Freund)gut 2 ½ Jahre, wenn ich @krissibieri richtig verstanden habe, lief . Daraufhin hat er vielleicht ein bisschen viel getrunken. Kathrin hat ihm damals den Arsch gerettet. Sonst wäre er wahrscheinlich seinen Job losgeworden)
„Ich bin so froh, dass du hier bist." Langsam löse ich mich ein Stück von Kathrin. Als ich ihr Lächeln sehe, wandert auch eines über meine Lippen. Meine Schwester nickt langsam. „Ich bin auch froh hier zu sein." Kathrin spricht genauso leise wie ich es eben getan habe. Nicht, weil die andern uns dann nicht hören können, das können sie sowieso, es bedarf gerade einfach keiner lauten Stimmen. Selbst Max scheint das verstanden zu haben. Er sieht Kathrin und mich mittlerweile nur noch mit großen Augen an und wartet darauf, auch wieder die nötige Beachtung geschenkt zu bekommen. Doch da muss er noch ein bisschen warten. „Kathrin..." Ich schüttele ungläubig mit dem Kopf. Auch wenn die Wärme, die sich gerade von meinem Herzen in meinem ganzen Körper ausbreitet ein eindeutiger Beweis dafür ist, dass Kathrin da ist, ist es in meinem Kopf noch immer nicht ganz angekommen. „Wie? Wo ist Hanna?" Meine vollkommen Wirren und unbeendeten Fragen bringen Kathrin zum lachen. „Martin stand heute Morgen einfach vor der Türe und meinte, ich soll gehen. Dass er sich um Hanna kümmert. Aber mein Auto ist doch gerade in der Werkstatt. Ich habe schließlich nicht damit gerechnet, dass ich es heute brauche. Als ich Martin das erklärt habe, hat er gesagt, dass Arzu mit Max unten wartet. Also frag' mich nicht wie, ich weiß es nicht. Aber ich bin da und das ist alles was zählt."
Erneut schüttele ich mit dem Kopf. Wenn auch grinsend. Nicht, weil es nicht stimmt was sie sagt, sondern weil Arzu diesen Tag gerade perfekter, als perfekt gemacht hat.
Menschen können einen Überraschen. Menschen werden überrascht, jeden Tag, werden Menschen auf der ganzen Welt überrascht. Mit positiven, mit schönen Neuigkeiten, aber auch mit schrecklichen. Mit welchen von denen man hofft, dass man sich verhört, versehen, verrechnet oder sonst was hat. Von vielen Menschen weiß man, dass sie einen positiv Überraschen können. Von vielen nicht von allen und von anderen wissen wir es zwar, aber erwarten wir es nicht. Diese Überraschung war definitiv unerwartet. Aber sind die unerwarteten guten Überraschungen nicht die schönsten?
„Arzu?" Ich drehe mich einmal um die eigene Achse, um die Mutter meines Sohnes ansehen zu können. „Ich will gar nicht wissen, wie du das alles geschafft hast, aber ich glaube ich muss mich bei dir bedanken. Danke!" Arzu fängt an zu lächeln. „Gerne. Nachdem Max es geschafft hat uns zu überreden habe ich gedacht, können wir dir gleich noch einen gefallen tun. Ich weiß doch wie wichtig Kathrin dir ist." Weiterhin auch lächelnd nehme ich Kathrin seitlich wieder in den Arm. Oh ja, das ist sie.
Arzu hat heute nicht nur dafür gesorgt, dass alle Menschen, die ursprünglich nicht kommen konnten, doch da sind. Nein, Arzu hat heute dafür gesorgt, dass all die Menschen die ich noch aus meiner leiblichen Familie habe, hier sind. Ich werde heute heiraten. Ab heute werden noch viel mehr Menschen zu meiner leiblichen Familie gehören. Und sie werden alle da sein. Arzu hat dafür gesorgt, dass sie alle da sein werden. Dank Arzu, kann ich Julia heute heiraten, ohne irgendwann bereuen zu müssen, dass ein Teil der Menschen, die mir so unfassbar wichtig sind, an diesem einen Tag nicht da sein konnten. Dank Arzu sind alle meine Herzensmenschen heute hier.
Die erneut aufgehende Türe, durchbricht die gerade angkamende Stille so plötzlich, dass Max, Leyla, Kathrin, Arzu und ich kurz erschrecken. Wer auch immer das jetzt schon wieder ist.
Sicht Ben
„Julia! Was wird das?" Noch immer stehe ich an der Tür zu dem Raum, in dem Julia und ich uns bis eben noch unterhalten haben und beobachte kopfschüttelnd wie Julia sich immer weiter von mir entfernt. Als Julia auch nicht auf den nächsten Ruf meinerseits reagiert, sondern sich weiter einen Weg, durch die eindrudelnden Massen an Gästen bahnt, fange ich an ihr nach einem kurzen Seufzen hinterherzurennen. Was ist nur los mit ihr? Bis eben saßen wir noch seelenruhig da und haben uns unterhalten und auf einmal springt sie auf und mit der Begründung sie müsse etwas dringendes erledigen. Was genau das sein soll, konnte sie mir natürlich nicht verraten. Es ist immer besser einfach loszulaufen. (#ironie)
Als ich Julia für einen kurzen Moment in der Menschenmasse aus den Augen verliere, werde ich noch ein wenig schneller. Alle paar Sekunden murmele ich ein „Entschuldigung." „Tut mir leid." „Das wollte ich nicht." „Vorsicht." „Darf ich Mal kurz?" „Ich müsste da Mal vorbei... Danke!" gegen den größen Teils wildfremde Gesichter, während ich Mal hier, Mal dort einen der ankommenden Gäste anrempele oder mehr oder weniger sanft auf die Seite schiebe. Hin und wieder erhasche ich dabei ein bekanntes Gesicht, ein skeptischen Blick, ab und zu auch den ein oder anderen Fluch zum Dank, für das anrempeln. Nur wenige Meter später, entdecke ich Julia wieder. Sie hat es mittlerweile geschafft sich durch die einströmenden Mengen zu kämpfen und biegt gerade rechts in einen der Seitengänge ab. Genau in den in dem sich der Raum befindet in dem Niklas zusammen mit Leyla sitzt. Nun zum dritten Mal rufe ich erneut nach Julia. „Julia, verdammt jetzt warte bitte Mal!"
Sie selbst hat Gestern Abend noch mit Niklas Ausgemacht, dass sie sich erst zur Zeremonie sehen wollen. Davor nicht nochmal. Und auch wenn Wetten gelaufen sind, wie lange sie es durchhalten, hat niemand wirklich damit gerechnet, dass einer der beiden es nicht schafft, still zu bleiben. Eigentlich gar nicht so schlau. Julia ist schwanger... Und das ist ihr Niklas. Der Vater ihres Kindes.
Für einen kurzen Moment bleibt Julia tatsächlich stehen und schaut sich nach mir um. Erleichtert werde auch ich langsamer. Wie auch immer sie es schwanger geschafft hat, hat sie es geschafft die Entfernung zwischen uns immer größer werden zu lassen. Und während sie selbst nur kaum außer Atem ist, ringe ich nach Luft. Vielleicht war das Entschuldigen und Hinweisen während dem rennen doch keine so gute Idee... Kurz atme ich nochmal tief durch und stelle whärendbei fest, dass ich dringend wieder regelmäßig joggen gehen sollte, bevor ich mich wieder in Bewegung setze. Auch wenn meine momentane Freizeit-Zeit dann noch etwas weniger wird-Ich sollte dringend wieder mehr Sport machen.
Kaum habe ich noch ein weiteres Mal für Julia, die von ein paar der stehen gebliebenen Gäste skeptisch beäugt wird, entschuldigt läuft Julia schon wieder weiter. Wenn auch nur im Schritttempo. Für einen kurzen Moment verwirrt mich das. Wirklich nur für einen kurzen. Denn mein Blick trifft nicht Julia, sondern die Türe vor Julia. Die Türe zu Niklas und Leyla... „Ach komm schon, Julia!" Verzweifelt fange ich erneut an loszurennen, doch eigentlich ist es zwecklos. Die Türe ist schon offen...
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