Kapitel 7

Das ist nicht wahr! Niemals ist dieser Mann ihr Vater! NEIN! Er starrte mit wässrigen Augen in die ihren. Es tat ihm leid. Er hatte sein kleines Mädchen im Stich gelassen. Doch hatte er keine Wahl. Seine Grauen Augen sahen in diesen Moment dunkler aus. Es war als wäre die Zeit stehen geblieben. Niemand sagte etwas. Nur stille. Einige Erinnerung durchströmten das junge Mädchen. Lange vergessene Erinnerungen. Sie konnte wieder die Wiese unter ihren Füßen spüren. Wie sie lachend vor ihrem Vater davonrannte. Immer Richtung der Weide. Sie hatte nie verstanden, warum man einen Baum Weide nannte. Grasen Kühe nicht auf einer Weide? Komische Bilder von Kühen auf Bäumen kamen ihr in den Sinn.

Doch hatte dieser Baum schon immer eine magische Anziehungskraft auf das Mädchen ausgeübt. Sie versteckte sich jedes verdammte Mal hinter seinen dicken Baumstamm. Ihr Vater tat dann immer so, als wüsste er nicht wo sie war. Das Mädchen blieb wie üblich hinter dem Baum stehen und hörte ihn murmeln, „Wo ist denn meine kleine Prinzessin hin?". An dieser Stelle sprang sie normalerweise heraus um ihm klar zu machen, dass sie nicht klein ist. Und das obwohl sie das war. An diesen Tag jedoch blieb sie stillstehen. 

Der Mann welcher Ende Zwanzig zu diesem Zeitpunkt sein musste, grinste. Langsam schlich er um den Baum, doch fand er dort nicht seine geliebte Tochter vor. Leichte Panik machte sich in ihm breit. Wo war sie? Ein leises kichern über ihm, signalisierte das sie wohl auf den Baum geklettert sein muss. Wie hatte sie das geschafft? Die Äste waren zu hoch für sie. Ihr Vater  sah verwundert zu ihr hoch: „Wie hast du es geschafft, nach da oben zu kommen Kleines?". Die Siebenjährige grinste frech: „Das ist ein Geheimnis". Bei ihrer kindlichen Stimme musste er grinsen. 

Durch die Erinnerungen liefen der nun Sechzehnjährigen einzelne Tränen über die Wangen. Einige der Tränen tropften an ihrem Kinn auf ihr Oberteil. Andere verloren sich in ihren Kragen. Sie wollte etwas sagen. Doch brachte sie, als sie den Mund öffnete, kein einziges Wort heraus.  Sie wollte ihm alles an den Kopf schmeißen. Ihn anschreien. Warum ließ er sie mit ihrer Mutter alleine? Verletzt sah das Mädchen ihren Vater an und schluckte. „Warum?". Sie wollte wissen warum er nicht mehr mit ihr, vor dem Kamin saß. Ihr Geschichten aus seiner Jugend erzählte. Wie er ihre Mutter kennen lernte. Wie er Oma immer in den Wahnsinn, mit seinen Streichen, trieb. Sie wollte das alles zurück. Doch das geht nicht mehr. Sie konnte ihn kaum ansehen. So sehr verletzt war sie.

Und warum zur Hölle brach er in das Haus ihrer Großeltern ein? Warum kämpfte er gegen sie? Warum in diesem versteckten Raum? Wieso gibt es diesen Raum überhaupt? Lucia platzte nur so vor fragen, doch kamen keine davon aus ihrem Mund. Gerade als ihr Vater den Mund öffnete, um auf ihre Frage zu antworten, veränderte sich ihre Realität. Sie stand nun in einem dunklen Raum. Durch die Fenster kam nur schwach Licht rein. Es war Nacht. In Reihen standen Betten. In jedem ein Kind dass schlief. Lucia sah an sich herunter und bemerkte, dass sie ein Nachtkleid trug. Definitiv nicht aus dem 21 Jahrhundert. Sie näherte sich einem der Fenster und sah raus. Ein junger Mann stand an einem Baum gelehnt und winkte ihr zu.

Sollte sie zu ihm? Vielleicht weiß er ja wo sie sich gerade aufhielt. Sie verließ den Schlafsaal und ging wie automatisch die Flure entlang. Sie kam vor einem Spiegel zum stehen und erschrak. Das in dem Spiegel war nicht sie. Es war Amaury! Ein Vorhang links neben ihr bewegte sich leicht. Das Fenster war offen. Sie nutzte die Gelegenheit und kletterte aus diesem hinaus in die Freiheit. Sie lief grinsend auf den Mann zu. Er musste erst Anfang Zwanzig sein. „Du hast länger als sonst gebraucht, du alte Trödlerin.", er verwuschelte ihre Haare. Sie überging seine Bemerkung und umarmte ihn stürmisch. „James!", dieser hielt ihr daraufhin den Mund zu. „Nicht so laut. Sollen wir etwa entdeckt werden?". Amaury war ihre laute Tonlage vor Freude gar nicht aufgefallen. Somit lächelte sie ihn entschuldigend an. James seufzte nur und zog sie mit sich.

„Wo gehen wir hin, amico mio?", fragte sie ihn kurios. Normalerweise blieben die zwei in der Nähe des Heimes. „Weg.". Mehr sagte er nicht als er sie durch die engen Gassen von Florenz zog. Ihre Schritte hallten durch die verdreckten engen Straßen. Es war ein Wunder wenn es jemand mit Kutschen hier durch schaffte. Er bog immer wieder in kleinere und engere Gassen, bis sie am Ende einer Sackgasse stehen blieben. Sie waren bestimmt schon eine halbe Stunde unterwegs. „Hast du dich verlaufen?", fragte nun die junge Italienerin ihren Freund. James schüttelte nur mit dem Kopf und klopfte daraufhin an die Tür vor ihm. Eine dumpfe Stimme konnten ihre empfindlichen Ohren ausmachen. „Sì?".

James atmete tief durch. War es die Richtige Entscheidung Amaury hier her zu bringen? „Paolo, ich bin's James. Lass mich rein". Der Mann, welcher wohl Paolo hieß, öffnete die Tür. „Ah James, wie kann ich dir behilflich sein?", während er sprach nahm er James in den Arm, welcher mehr  gequetscht wurde als umarmt. „Also ich bin hier um eine Freundin unterzubringen. Du kannst mich jetzt loslassen. „Oh natürlich. Sie ist ja Wunderschön. Komm doch rein, amore mio." Dabei hatte er ein breites Lächeln auf den Lippen. Amaury sah James skeptisch an. Der junge Mann nickte nur und schob sie vor sich in das Haus.

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