Schmerz

Alessandro p.o.v.

Ich war nicht mehr ich selbst. Seit diesem Tag im Wald...alles war anders. Ich war leer. Taub. Ich konnte es nicht mal richtig beschreiben.
Es war, als hätte man mir mein Herz rausgerissen.
Und jetzt musste ich ohne es leben.

Ohne sie. Ohne Olivia. Meine Mate.

Ich machte zwar alles wie zuvor, ging zur Schule, machte meine Hausaufgaben, ging mit Freunden in die Stadt.
Aber ich machte all das automatisch. Als wäre ich ein Roboter. Gefühllos. Leer.

Olivia sah ich kaum noch. Zwar wohnten wir nebeneinander, aber sie blieb meist zu Hause. Genauso wie ich. Seit diesem Tag im Wald hatte ich mich nicht mehr verwandelt.
Ich konnte es einfach nicht. Konnte den Schmerz nicht ertragen, der mich in meiner Wolfsgestalt um so viel mehr verstärkt überfallen würde.

Olivia ging nicht mehr zur Leichtathletik. Ich auch nicht. Es hätte wahrscheinlich eh nicht funktioniert. Wir wollten ja Abstand halten.
Oder besser gesagt, sie.

Ich tat alles, um mich davon abzulenken. Von ihr abzulenken. Von dieser ganzen beschissenen Aktion.
Verdammt, ich hatte mir sogar einen Job geangelt.
Barista in einem kleinen Café. Ich verbrachte so viel Zeit wie möglich dort.
Führte die mittlerweile vertrauten Handgriffe aus, um nicht denken zu müssen.
Konzentrierte mich ganz auf meine Aufgabe.
Tagein, tagaus.

Meine Kumpels hatten mich darauf angesprochen. Hatten gefragt, was los sei.
Aber ich hatte nur abgewunken. Am Ende hätten sie ihren Frust noch an Olivia ausgelassen. Und sosehr ich es auch hasste, dass sie es nicht einmal mit uns versuchte, so konnte ich sie deswegen doch nicht bestrafen.

Ich liebte sie immer noch. Auch wenn diese Liebe so sehr schmerzte.

Um mich abzulenken und keine Freizeit zu haben, in der ich an Olivia denken konnte, hatte ich sogar mehrere Patrouillen übernommen.
In Menschengestalt.

Aber von den Werwölfen, die Olivia entführt hatten, war immer noch weit und breit nichts zu sehen.
Und da sie auf unsere Fallen nicht reinfielen, mussten wir wohl oder übel auf ihren nächsten Schritt warten.

Denn sie würden wieder zuschlagen. Das wusste ich. Die Frage war nur, wann. Und wo.

Schon früher hatten uns andere Rudel angegriffen. Weil sie mitbekommen hatten, was wir verbargen. Bisher konnten wir sie immer zurückschlagen.
Blieb nur zu hoffen, dass es diesmal nicht anders war.

Olivia p.o.v

Es war so schwer, mein Leben weiterzuleben. Dabei hatte ich es mir doch selbst angetan. Ich hatte Alessandro und mir diesen Schmerz bereitet.
An allem war allein ich Schuld.

Ich hatte es verdient, jetzt solch einen Schmerz zu verspüren. Solch eine Qual.
Ich hatte Alessandro unnötig leiden lassen. Ich hätte von Anfang an alles richtig machen müssen.
Hätte seinen Perso klauen sollen. Die Lossagung durchziehen sollen. So, dass sie funktionierte.

Oder als das nicht geklappt hatte, hätte ich mich wenigstens von Anfang an konsequent von ihm fernhalten sollen.
Hätte standhaft bleiben sollen. Stattdessen war ich egoistisch gewesen.
Hatte dieser Anziehung zwischen uns zu oft nachgegeben.

Und jetzt litt Alessandro wegen mir. Was ich doch hatte vermeiden wollen. Aber ich hatte es nicht geschafft.

Ich musste das wieder gut machen. Es war klar, dass es nicht schlimmer werden konnte.
Also würde ich meinen Plan umsetzen. Denn was könnte schon Schlimmes passieren?
Es war doch bereits kaum auszuhalten.

Dass man so großen Schmerz verspüren konnte...das hatte ich nie gedacht.
Ich hatte immer gedacht, der Schmerz bei der Verwandlung wäre das Schlimmste, was ich je spüren würde.
Nachdem ich dann entführt wurde und mit dem Silber gefoltert wurde, dachte ich, dass das das Schlimmste überhaupt wäre.

Und jetzt? Ich hatte mich ja so geirrt. Kein körperlicher Schmerz kam an die Pein heran, die meine Seele quälte.
Und wenn ich schon so fühlte, wie musste es dann erst Alessandro ergehen?

Deshalb war klar, dass ich etwas tun musste.
So konnte es einfach nicht weitergehen.
Bereits gefühlte Jahre waren seit diesem Tag im Wald vergangen. Dabei waren es ja nur knappe zwei Wochen. Nur.
Pah. Eine Ewigkeit war das. Eine Ewigkeit in der Hölle. Ich konnte Alessandro das nicht noch länger antun.
Und ich würde es auch nicht.

Morgen hatte er Geburtstag. Das war der perfekte Zeitpunkt. Alle auf einem Platz versammelt. Niemand würde mitbekommen, was ich tat.
Niemand.
Und auch wenn es Alessandro vielleicht kurz verletzte, so war es doch das Richtige. Und besser als für immer zu leiden.

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