Kater
Olivia p.o.v.
Ein Hämmern weckte mich. Ein Hämmern, das direkt in meinem Kopf zu sein schien. Seit wann waren denn Bauarbeiter in meinen Kopf eingezogen?
Müde öffnete ich die Augen. Dunkelheit umfing mich. Schöne, schöne Dunkelheit. Licht hätte mir wahrscheinlich die Augen verätzt.
Ich gähnte. Wo war ich? Und was war passiert? Warum tat mein Kopf so weh?
All diese Fragen erschienen in meinem Kopf, träge, aber doch existent.
Für ein paar Augenblicke starrte ich in die Dunkelheit, versuchte mich zu erinnern. Doch wie um mich herum herrschte auch in meinem Kopf nur tiefschwarze Leere.
Verdammt. Ich hatte einen richtigen Filmriss.
Alles, was ich von gestern noch wusste, war, dass wir zu Miras Geburtstagsparty gegangen waren. Und dass ich dort Alessandro abhängen konnte. Ich war auf der Tanzfläche gewesen. Hatte getrunken. Tja. Und dann?
Ich hatte keine Ahnung.
Stöhnend schloss ich die Augen. Ich hasste dieses Gefühl. Es könnte alles mögliche passiert sein. Und ich wusste es nicht.
Plötzlich hielt ich inne. Ein Gedanke war mir in den Kopf geschossen...ein Gedanke, der mir Angst machte.
Schnell hob ich die Decke an und schaute an mir herab.
Puh. Erleichtert seufzte ich auf. Ich hatte noch alle meine Klamotten an. Oh Mann. Da hatte ich noch mal Glück gehabt.
Erst nach ein paar Augenblicken kam mir in den Sinn, dass das nichts ausschloss. Ich konnte trotzdem mit jemandem mitgegangen sein.
Vielleicht hatte ich ja gekotzt oder es ging mir so schlecht, dass er nichts mehr von mir wollte?
Auf jeden Fall sollte ich mal endlich aufstehen.
Also tat ich das. Zwar ächzend wie eine gebrechliche Frau, aber ich stand auf. Biss die Zähne zusammen, um den Schmerz in meinem Kopf zu ignorieren.
Dann machte ich die ersten Schritte. Da ich keine Ahnung hatte, wo ich mich befand - Werwölfe hatten zwar eine gute Sicht, aber selbst bei pechschwarzer Dunkelheit waren sie machtlos - suchte ich den Lichtschalter.
Langsam tastete ich die Wand ab. Da war ein Schrank. Dann Wand.
Dann...Holz. Aber nicht Schrank. Nein, das war eine Tür. Das heißt, hier in der Nähe...
Yes! Licht durchflutete den Raum, als ich endlich den Schalter gefunden und gedrückt hatte.
Instinktiv kniff ich die Augen zusammen. Blinzelte, bis sie sich an die Helligkeit gewohnt hatten.
Dann erst betrachtete ich meine Umgebung.
Es brauchte einen Moment, aber schließlich wusste ich, wo ich war. Das hier war Alessandros Zimmer. Erleichterung wollte sich schon in mir breitmachen, aber etwas hielt sie zurück. Das hier war Alessandros Zimmer. Also wo war Alessandro?
Plötzlich schien Sorge mein Herz in einem Würgegriff zu umklammern.
Ihm war ja wohl nichts passiert oder? Nein, das konnte nicht sein. Er konnte doch auf sich aufpassen.
Aber das hatte ich auch immer von mir selbst gedacht...
Schnell nahm ich mit ihm über die Matebindung Kontakt auf.
Alessandro? Geht es dir gut?
Angespannt wartete ich auf seine Antwort. Wenn ihm irgendetwas passiert war, während ich ahnungslos und betrunken gewesen war....ich könnte mir das nie verzeihen. Nie.
Ja. Mir geht es gut. Wieso? Ist was passiert?
Erleichtert entspannte ich mich. Es ging ihm gut. Alles war ok.
Olivia?
Alessandros Stimme war nun alarmiert. Warum machte er sich denn Sorgen? Ich hatte nur überprüfen wollen, dass es ihm gut ging. Fand er das so ungewöhnlich?
Bei dem Gedanken fuhr mir ein schuldbewusster Stich durchs Herz. Hatte ich ihm mit meinem Verhalten Glauben gemacht, dass er mich nicht kümmerte?
Wenn er das dachte....aber nein. Vermutlich war es besser so.
Damit Alessandro sich keine Sorgen machte, antwortete ich ihm schnell.
Alles gut. Ich hatte nur kurz Angst, dir wäre was passiert...weil du ja nicht in deinem Zimmer bist. Wo bist du eigentlich?
Für einen Moment herrschte Stille. Ich biss mir auf die Unterlippe. Es war natürlich, dass sich Mates umeinander sorgten.
Ich bin unten. In der Küche., kam schließlich seine knappe Antwort. Ich wartete noch einen Moment, ob er was hinzufügte, aber da kam nichts.
Verwundert runzelte ich die Stirn. Was war mit ihm los? War gestern irgendetwas passiert? Hatte ich irgendetwas getan?
Nun ja, wenn ich hier weiter in seinem Zimmer stehen blieb, würde ich es niemals erfahren.
Also schnappte ich mir schnell ein paar Klamotten aus meinem Koffer und machte mich auf ins Bad. Dort angekommen, konnte ich nicht anders, als in den Spiegel zu sehen.
Was ein Fehler war.
Gott, ich sah grauenhaft aus. Mein Make-up verschmiert, Augenringe, und sogar eine Kissenfalte an der Wange.
Schnell machte ich mich an die Arbeit, schminkte mich ab, zog mich aus und sprang in die Dusche. Okay, vielleicht war das ein bisschen übertrieben. In Wahrheit war ich nicht so schnell, sondern hatte wahrscheinlich das Tempo einer Schildkröte drauf.
Aber ich war schneller als eine Schnecke. Ganz sicher.
Hm. Lag das am Alkohol, oder warum hatte ich so komische Gedanken?
Na ja, jedenfalls ignorierte ich verbissen die Schmerzen in meinem Kopf und stand irgendwann frisch geduscht und auch ein wenig munterer vor dem Waschbecken.
Ich zog eine Jeans mit einer einfachen Bluse an und putzte nur noch schnell die Zähne, dann ging ich runter in die Küche.
Alessandro p.o.v.
Nachdenklich wendete ich einen Pfannkuchen. Sie hatte sich Sorgen gemacht. Weil ich nicht da war, als sie aufgewacht war.
Bei dem Gedanken wurde mir warm ums Herz. Sie dachte an mich. Machte sich Sorgen um mich.
Warum konnte sie mich dann nicht akzeptieren?
Ich seufzte. Nach gestern war alles so viel schwerer.
Zwar hatten wir uns schon vorher geküsst, aber als sie mich gestern so sehnsüchtig angesehen hatte, und sich so bereitwillig an mich geschmiegt hatte...verdammt, es hatte mir gezeigt, wie alles sein könnte.
Besonders, als sie mehr gewollt hatte...es war so schwer gewesen, nein zu sagen.
Ich wusste gar nicht mehr, wie ich das geschafft hatte.
Es fühlte sich an, als könnte ich mich nach jedem Mal, bei dem wir uns so nahe kamen, ihr noch weniger widerstehen. Noch weniger mich selbst beherrschen, wenn ich in ihrer Nähe war.
Ich hatte zwar auf der Couch übernachtet, hatte aber nicht schlafen können. Die ganze Nacht hatte ich an sie gedacht. Hatte sie neben mir vermisst. Verdammt, ich wäre fast hochgegangen und hätte mich neben sie gelegt.
Nur weil dieser Moment, als sie sich an mich geschmiegt hatte, sich so richtig angefühlt hatte. So, wie es sein sollte.
Dabei war es aber nur ein Traum gewesen.
Sie würde es nie zulassen. Und ich fragte mich, wie lange ich es noch aushalten konnte. Diese Distanz, vermischt mir der kurzen Nähe...
Ich brauchte sie einfach ganz. Als meine Mate. Und nicht nur kurz und dann wieder als entfernte Bekannte.
Das konnte ich nicht lange ertragen.
Der Pfannkuchen sah jetzt perfekt aus. Er hatte eine schöne Bräune angenommen.
Ich legte ihn auf einen Teller. Mamma war gerade einkaufen, weshalb ich Frühstück machte.
Irgendwann war ich gestern Nacht doch eingeschlafen und erst spät, genauer gesagt um 12 Uhr irgendwas, aufgestanden.
Plötzlich hörte ich Schritte, die die Treppe herunterkamen. Olivia.
Unwillkürlich spannte ich mich an. Ich wusste nicht, wie mein Körper nach gestern auf sie reagieren würde. Das Verlangen, sie endlich mein nennen zu können, ist nur noch größer geworden.
Wenn ich nicht riskieren wollte, sie gegen ihren Willen zu markieren, musste ich Abstand zu ihr nehmen.
Etwas, was ich ganz und gar nicht wollte. Aber ich konnte auch nicht zulassen, dass ich ihr meinen Stempel aufdrückte, gegen ihren Willen. Sie würde mich hassen.
Bei dem Gedanken musste ich die Zähne zusammenbeißen. Sie sollte es nicht hassen. Sie sollte es lieben. Die Markierung sollte einer der schönsten Momente in ihrem Leben sein.
Es tat weh, zu wissen, dass das bei ihr wahrscheinlich nicht zutreffen würde. Es tat so weh.
Olivia p.o.v.
"Hey.", begrüßte ich Alessandro leise. Ich stand am Eingang zur Küche und blickte auf seinen Rücken. Er hatte sich nicht umgedreht, obwohl er bereits meine Schritte gehört haben musste.
Meine Sorge wuchs. Was war nur los mit ihm? Was hatte ich gestern getan?
"Hey.", antwortete er, noch immer mit dem Rücken zu mir.
"Ich mach Pfannkuchen. Was willst du auf deinen drauf?"
Er war so....neutral. Er verhielt sich, als wären wir Bekannte. Und keine Mates.
Ich spürte ein schmerzhaftes Ziehen in der Brust. Dabei war es doch eigentlich das, was ich wollte oder etwa nicht?
Er sollte sich von mir distanzieren. Sollte mich nicht besser kennenlernen. Es würde den Schmerz nach meinem Tod gering halten.
Also warum tat es dann so weh?
"Habt ihr Nutella?", fragte ich unsicher.
Ich wusste nicht, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Alles war so anders. Er war anders.
"Si*. In der Schublade dort.", Mit dem Kopf deutete er nach links.
Zögerlich ging ich in die angegebene Richtung. Dabei verstärkte sich sein Duft.
Genießerisch atmete ich tief ein. Er roch einfach so herrlich.
Doch als hätte dieser Geruch etwas in mir ausgelöst, erinnerte ich mich an etwas.
Vor meinem inneren Auge sah ich, wie ich mich an ihn schmiegte. Seinen Geruch inhalierte.
Oh Gott. Ruckartig blieb ich stehen.
Was hatte ich noch getan?
Aber sosehr ich mich auch anstrengte, dieser Fetzen war alles, an das ich mich im Moment erinnern konnte.
"Liv? Alles okay?", besorgt starrte Alessandro mich an. Er hatte sich mir endlich zugewandt.
Und damit stürmten all meine Erinnerungen auf mich ein.
Unser Tanz. Wie ich mich an ihn schmiegte. Ihn betatschte. Seine Nase abknutschte. Gott, wie peinlich. Und dann hatten wir uns richtig geküsst.
Mit einem Mal war alles wieder da.
Mit nun roten Wangen und aufgerissenen Augen starrte ich Alessandro vor mir an.
Noch runzelte er die Stirn, doch dann breitete sich Verstehen auf seinem Gesicht aus.
Er musste erkennen, dass ich mich nun an alles erinnerte.
"Ich vermute mal, du erinnerst dich gerade an alles?", fragte er noch einmal sanft nach.
Kein Necken. Kein Aufziehen, keine Provokation.
Nur eine einfach Frage. Das war irgendwie gar nicht typisch für ihn.
Doch ich dachte nicht lange darüber nach. Zu sehr war ich von all den Erinnerungen an gestern vereinnahmt.
Ich konnte nur nicken. Brachte kein Wort heraus. Gott, das war alles so peinlich.
Aber das schlimmste? Ich würde es so gerne wiederholen. Also nicht das Betrunkensein, sondern den Kuss, den Tanz.
Verdammt, das hatte mir alles viel zu sehr gefallen.
Am liebsten würde ich mich auch jetzt an ihn schmiegen. Der Drang war so verdammt groß.
So viel stärker als nach unserem ersten Kuss.
Es war, als würde sich diese Anziehung zwischen uns nach jedem Kuss nur noch mehr verstärken.
Wie sollte ich es da nur schaffen, ihm weiterhin zu widerstehen?
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*si = ja
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