Die Falle

Alessandros p.o.v.

Stunden. Es waren verdammte Stunden, die bereits vergangen waren. Und immer noch nicht die kleinste Spur von ihnen.

Verdammt, das war so frustrierend. 
Wir waren extra sorgfältig vorgegangen: hatten unseren Geruch verdeckt, indem wir uns vollständig mit der Walderde und den Pflanzen, die hier wuchsen, einrieben.
Wir waren auf Bäume geklettert. Jederzeit bereit, runterzuspringen und die Falle zuschnappen zu lassen.

Doch bis dahin waren wir noch nicht gekommen. Und es sah auch nicht danach aus, als ob es in nächster Zeit anders wäre.

Lilly hatte sich auf dem Boden an einen Baum gesetzt und las. Tatsächlich tat sie das oft. Und es war die perfekte Tarnung. Welcher Werwolf war nicht gerne im Wald? Wenn wir dort nicht liefen oder herumtollten, dann machten wir eben was anderes, in Lillys Fall: lesen.

Doch trotzdem hatte sich niemand angeschlichen. Niemand hatte versucht, sie zu entführen.
Wenn das so weiterging, kamen wir hier einfach nicht voran.
Dann würde uns nichts anderes mehr übrig bleiben, als abzuwarten. Abzuwarten, bis sie ihren nächsten Schritt taten.
Und das wollte ich eigentlich vermeiden.

Wenigstens hatte das hier ein Gutes: ich dachte nicht die ganze Zeit an Olivia.
Okay, es hatte sich mehr als oft diese Knutschszene in meinem Zimmer vor mein inneres Auge geschoben.
Wie schön es gewesen war, sie unter mir zu fühlen. Ihren bewundernden Blick zu spüren. Ihre Hände auf meiner Haut. Wie sie andächtig meine Muskeln nachfuhr.
Der Ausdruck in ihren Augen: dieses heiße Verlangen, die verzehrende Sehnsucht.
Und erst das Gefühl ihrer Lippen auf meinen. Verdammt, ich glaubte nicht, dass ich jemals genug davon bekommen könnte. Von ihr.

Doch ich musste mich zusammenreißen. Musste mich in Selbstdisziplin üben. Eigentlich war ich ziemlich gut darin. Oder zumindest war ich es mal gewesen. Vor ihr.

Dieses angespannte Warten hatte nicht zugelassen, dass ich zu oft an sie dachte. Zwar wollten meine Gedanken nicht gerade selten in diese Richtung wandern, aber ich hatte mich davon abgehalten.
Das hier war wichtig. Ich brauchte meine volle Konzentration.
Das war auch einer der Gründe, warum Olivia nicht mit dabei war. Wie hätte ich mich konzentrieren sollen, wenn sie in der Nähe war?
Also hatte ich sie gebeten, zu Hause zu bleiben. Was sie überraschenderweise auch getan hatte.
Ich vermutete, ihre Folter steckte ihr immer noch ziemlich in den Knochen.

Doch je mehr Zeit verging, desto öfter drängten meine Gedanken in ihre Richtung. Und desto schwerer wurde es, sie davon abzuhalten.

Merda, so langsam wurde das unheimlich. Bestimmt 90 Prozent meiner Gedanken betrafen sie.
Wie es wohl bei ihr aussah? Dachte sie auch an mich? Dachte sie an unseren Kuss? Hatte er ihr gefallen?

Zumindest hatte es sich so angefühlt. Aber sie hatte nicht noch einmal einen Vorstoß gewagt.
Ich wusste nicht, ob ich deswegen froh oder enttäuscht sein sollte.

Einerseits hätte ich diesen Kuss liebend gern wiederholt...
Andererseits wusste ich nicht, ob ich mich dann noch zurückhalten konnte.
Und sie ohne ihre Erlaubnis zu markieren? Sie würde mich hassen. Und nicht nur das. Ich konnte es ihr einfach nicht antun. Es war moralisch falsch.

Also musste ich mich stärker disziplinieren als jemals zuvor in meinem Leben. Es ging nicht mehr einfach darum, meinen Wolf zurückzuhalten. Nein, jetzt ging es um so viel mehr. Und ein Fehler konnte schon schwerwiegende Folgen haben.

Deswegen durfte ich nicht mehr zulassen, dass zwischen Olivia und mir noch einmal etwas derartiges passierte. Egal, wie sehr ich es wollte. Wie sehr sie es vielleicht wollte.
Ich musste uns beide davon abhalten.
Ich hoffte nur, ich schaffte das...

Um mich abzulenken, lenkte ich meine Gedanken wieder auf die jetzige Situation.
Lilly saß immer noch an dem Baumstamm gelehnt da.
Doch sie hatte nun erheblich mehr Seiten umgeblättert. Bald war sie mit dem Buch fertig.
Tja. Und dann? Dann könnten wir theoretisch wieder nach Hause gehen. Wir waren früh hergekommen, trotzdem würde es schon bald Mittagessen geben.

Ich blickte zu Ben, der in dem Baum über Lilly saß. Natürlich in der Nähe seiner Mate. Um sie zu beschützen.
Auch wenn sie darauf beharrte, selbst dazu fähig zu sein.
Doch so waren Mates eben. Beschützerisch. Nicht, weil wir es unseren Mates nicht selbst zutrauten, sondern weil wir uns einfach solche Sorgen machten. So verdammt verliebt waren.

Nach ein paar Sekunden bemerkte Ben meinen Blick und erwiderte ihn stirnrunzelnd.

Was denkst du, kommen sie noch?, fragte er mich telepathisch.

Ich glaube nicht. Ich überlege, das hier abzubrechen. Was meinst du?

Er hob spöttisch eine Augenbraue.

Das fragst du noch? Ich tue alles, um Lilly außer Gefahr zu wissen.

Ich nickte nachdenklich. Dann seufzte ich leise. Wir brauchten einen neuen Plan. Ob wir den wohl noch vor den Studienfahrten finden würden? Und umsetzen könnten?

Olivias p.o.v.

Zusammen mit Emmi und Luca saß ich auf der Couch und sah einen Film.
Irgendwann waren sie zu mir runter gekommen und hatten sich zu mir gesetzt. Oder besser gesagt: an mich gekuschelt.

Sie hatten nicht gesagt, dass ich umschalten sollte. Dabei wäre ich vielleicht darauf eingegangen, auch wenn es ein Kinderfilm gewesen wäre.

Aber so saßen wir nun hier und schauten Twilight.

Ironie? Vielleicht. Auch wenn ich den Film nicht besonders mochte, weil es fast nur männliche Werwölfe gab und ich es nicht gern sah, dass Bella dem Werwolf Jacob einen Vampir vorzog, sah ich ihn trotzdem irgendwie gerne an.
Außerdem hatte das Ende ja auch etwas Gutes für Jacob.

Wir waren gerade beim dritten Teil angekommen, als ich Alessandro und die anderen vom Wald zurückkommen hörte.

Um ehrlich zu sein, war ich froh, dass Alesssandro mich nicht gebeten hatte, mitzukommen.
Gestern Abend, nach dieser Besprechung, hatte er mir von der Falle erzählt, die sie dem anderen Rudel stellen wollten.

Doch die Begegnung mit diesen Sadisten steckte mir noch zu sehr in den Knochen. Ich war nicht scharf darauf, ihnen ein weiteres Mal gegenüber zu treten.

Am liebsten hätte ich auch Alessandro nicht in dieser Gefahr gewusst, aber er war der Sohn des Alphas, er musste das machen.
Und ich war in der Nähe.
Wenn etwas passierte, würde ich es spüren. Und könnte ihm zu Hilfe eilen.

Auch wenn ich vielleicht nicht viel ausrichten konnte. Doch ich würde alles tun, um meinen Mate zu beschützen. Auf keinen Fall würde ich einfach nur tatenlos abwarten.

Gerade kamen die anderen zur Tür herein.

"Twilight?", fragte Lilly abfällig. "Ernsthaft?"

Ich zuckte nur mit den Schultern.

"Warum nicht? Außerdem kommen gerade alle Teile im Fernsehen."

"Igitt.", sagte Lilly nur und verschwand nach oben.

Mit gerunzelter Stirn sah ich ihr hinterher.
Also entweder hatte sie einfach nur etwas gegen Twilight oder im Allgemeinen etwas gegen Liebesfilme.

"Hey, rutsch mal.", sagte da Alesssandro zu Emmi und setzte sich schließlich neben mich.

"Irgendwas passiert?", fragte ich ihn.
Ich ahnte die Antwort zwar schon, wollte aber eine Bestätigung hören.

"Nichts.", seufzte er, während er auf den Bildschirm starrte.

Dann runzelte er plötzlich die Stirn. Forschend sah er mir ins Gesicht.

"Warum guckst du das an?"

Ich zog eine Augenbraue hoch. Was war denn jetzt mit ihm los?

"Warum nicht? Da kommen Werwölfe drin vor."

Doch noch immer sah er mich aufmerksam an. Also blickte ich zum Fernseher, um zu sehen, was ihn dazu bewogen hatte, diese Frage zu stellen.
Und was sah ich dort? Jacob mit nacktem Oberkörper.
Ich musste schon sagen, er hatte ein schönes Sixpack.
Aber trotzdem sah Alesssandro besser aus.

Wieder sah ich zu ihm hin.

"Wenn du ein Sixpack sehen willst, kann ich jederzeit gerne mein T-Shirt ausziehen.", meinte er.

Ich konnte nur die Augen verdrehen.
Wenn er damit anfing, würde ich in seiner Gegenwart nicht mehr denken können.
Wahrscheinlich würde ich auch noch sabbern.

Oder ihn wieder betatschen, so gern wie ich das wohl tat.

"Nein, danke.", sagte ich nur.

Auf einmal grinste er.

"Wieso? Denkst du, du kannst dich dann nicht beherrschen?"

Ja. Dachte ich. Aber das konnte ich ihm natürlich nicht sagen.

Also sah ich ihn nur mit einer hochgezogenen Augenbraue spöttisch an.
"Also bitte, was träumst du denn? Ich will nur nicht, dass die anderen sich für ihren zukünftigen Alpha schämen müssen."

Bei meinen Worten blitzte plötzlich ein gefährliches Funkeln in seinen Augen auf.
Hm. Was er jetzt wohl wieder vorhatte?

Plötzlich fasste er meine Hand und schob sie sich unter sein Hemd, direkt auf seinen heißen Waschbrettbauch. Sofort breitete sich ein warmes Prickeln auf meiner Hand aus.
Überrascht keuchte ich auf.

"Na? Was sagst du jetzt?", fragte er noch immer mit diesem Funkeln in den Augen.

Oh Mann. Am liebsten würde ich ihn weiter berühren. Seine Muskeln nachfahren. Verdammt.
Stattdessen riss ich mich zusammen und sagte:
"Was ich sage? Ich sage, du solltest vielleicht öfter ins Fitnessstudio gehen."

Ein Knurren entwich ihm. Doch ich grinste nur. Dann fiel mir auf, dass meine Hand immer noch auf seinem Waschbrettbauch lag, also zog ich sie schnell weg.

Wir wollten ja nicht, dass ich noch irgendwas Dummes tat.

Angesichts meiner Reaktion lächelte Alessandro nur selbstzufrieden.
Dann schlang er den Arm um meine Schultern.
So saßen wir mit Emmi und Luca an uns gekuschelt da.

Es war schön, mit ihm den Film zu sehen. Überhaupt in seiner Nähe zu sein.

Ich dachte in diesem Moment nicht daran, dass diese Nähe ihre Folgen haben würde.
Dass ich irgendwann gar nicht mehr ohne ihn sein wollte.
Dass es alles nur noch schwieriger machte....

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