Die Bedingung
Olivia p.o.v.
Der Gong ertönte. Endlich Mittagspause. Mit den anderen lief ich in Richtung Mensa. Wie ich herausgefunden hatte, hatten Alessandro und ich noch andere Kurse zusammen. Doch glücklicherweise war nicht in jedem noch ein Platz neben mir frei.
So wurde es erheblich einfacher, ihn zu ignorieren.
Auch wenn es nach diesem 'Kuss' in dem Stufenraum schwieriger war als zu Beginn.
Zwar war die Berührung sehr leicht gewesen und nur auf seine Wange, aber trotzdem glaubte ich, noch immer ein Prickeln auf meinen Lippen zu spüren.
In der Mensa angekommen, hielt ich nach Lisa und Pete Ausschau. Schon bald hatte ich sie in der Schlange vor der Essensausgabe entdeckt und ging auch gleich auf sie zu.
"Na, Liv?", grinste Lisa mich an, als ich mich zu ihnen gesellt hatte. "Hast du es geschafft, Alessandro weiterhin zu ignorieren?"
Sie wartete keine Antwort ab, sondern wandte sich gleich wieder Pete zu.
"In unserer ersten Stunde hat es sie alle Mühe gekostet, ihm keinen Blick zu schenken. Aber kein Wunder, ich muss schon sagen, er ist echt heiß."
Mit der flachen Hand wedelte sie sich gespielt Luft zu.
Pete musste grinsen, aber ich fand das gar nicht lustig. Im Gegenteil, dass sie so bewundernd über ihn sprach, rief meinen Besitzanspruch hervor.
Leise knurrte ich sie an.
Doch anstatt davon eingeschüchtert zu sein, grinste sie mich nur an.
Und ich erkannte, dass sie genau wusste, was sie tat.
Sie wollte mich provozieren.
Pete blickte mit hochgezogenen Augenbrauen zwischen uns hin- und her.
"Muss ich mich in Acht nehmen?", fragte er. "Denn irgendwie herrscht hier so viel Aggressivität in der Luft."
Wütend funkelte ich ihn an.
"Das würde sich vielleicht ändern, wenn ihr nicht immer über ihn reden würdet.", zischte ich.
Vielleicht sollte ich froh sein, dass beide nicht im Stufenraum gewesen waren, als dass zwischen mir und Alessandro passiert war. Wahrscheinlich hätten sie mich auch noch damit aufgezogen.
Pete setzte schon zum Reden an, aber Lisa war schneller.
"Wir wollen dir damit nur beweisen, dass es vielleicht gar nicht so schlecht wäre, ihn zu akzeptieren."
Eindringlich und diesmal mit vollem Ernst blickte sie mich an.
"Er kann dir gut tun, Olivia."
Oh Mann. Wie oft würde ich mich noch mit dieser Diskussion herumschlagen müssen?
"Also, was ich sagen wollte: ich rede nicht dauernd über ihn.", schaltete sich nun Pete ein. "Aber ich stimme Lisa zu."
Schließlich ist er dein Mate., fügte er telepathisch hinzu.
Ich seufzte nur. Ich war es so langsam wirklich leid, darüber zu reden.
"Können wir bitte das Thema wechseln?", fragte ich erschöpft.
Die beiden zuckten nur mit den Schultern.
Ich sah nach vorne. Wenigstens waren wir nicht mehr weit von der Essensausgabe entfernt.
Es gab heute Hamburger.
"Hey, wisst ihr schon, dass Mira ihren Geburtstag nach der Studienfahrt feiern will? Am Samstag. Kommt ihr?", fragte Lisa plötzlich.
Tatsächlich wusste ich das noch nicht. Aber ich hatte Mira bis jetzt auch noch nicht gesehen.
Und ganz ehrlich? Ein bisschen Ablenkung konnte mir gut tun. Außerdem hatte ich da noch nichts vor.
Also zuckte ich mit den Schultern.
"Klar, wieso nicht?"
Auch Pete hatte noch nichts anderes vor.
"Super, dann komm ich zu dir, Liv.", freute sich Lisa. Es war meistens so, dass wir uns vor einer Party bei mir schick machten.
Schon waren wir bei der Essensausgabe angekommen und unsere Teller wurden beladen.
Dann suchten wir uns einen Platz an einem leeren Tisch.
Pete und Lisa setzten sich mir gegenüber hin.
Kaum saßen wir, da hatte Pete schon in seinen Burger gebissen.
Ich verdrehte die Augen, sagte aber nichts dazu.
"Ihr wisst nicht zufällig ein gutes Thema für die Schülerzeitung, oder?", fragte Lisa erwartungsvoll.
Pete dachte kurz nach.
"Vielleischt ja die Neuen?", nuschelte er.
Lisa verdrehte die Augen.
"Mach mal erst den Mund leer, bitte."
Gerade wollte Pete nochmal abbeißen, hielt aber dann in der Bewegung inne und antwortete nochmal.
"Na ja, du könntest über die Neuen berichten. Wenn sie daran interessiert sind. Obwohl... ich bin sicher, Alessandro würde alles tun, wenn Liv ihn nur nett darum bittet.", Beim letzten Satz zwinkerte er mir grinsend zu.
Ich hatte nur noch einen genervten Blick übrig.
"Hm", machte Lisa nachdenklich. "Aber glaubt ihr, das würde jemand lesen?"
"Bestimmt.", meinte Pete.
Daraufhin sah Lisa zu mir.
"Liv? Würdest du Alessandro fragen?"
Bevor ich verneinen konnte, kam mir schon jemand zuvor.
"Mich was fragen?", neugierig sah Alessandro mich an, während er sein Tablett neben mich auf den Tisch stellte und sich dann setzte.
Kurz war ich überrumpelt, weil ich ihn gar nicht wahrgenommen hatte. Was vermutlich an dem starken Deogeruch lag, der ihn umhüllte. Auch sein Haar sah noch ein wenig feucht aus. Wahrscheinlich hatte er vorhin Sport gehabt.
"Liv?", fragend sah mich Alessandro an.
Ich blinzelte kurz. Stimmt ja, ich hatte ihm noch gar nicht geantwortet.
"Ach nichts.", winkte ich nur schnell ab.
Daraufhin sah er zu Lisa und Pete.
Erst jetzt bemerkte ich, dass sich auch jemand neben Pete gesetzt hatte. Er musste wohl ein Freund von Alessandro sein. Er hatte kurze braune Haare und blaue Augen sowie einen hellen Teint.
Bisher hatte er noch nichts gesagt, sondern sich seinem Burger gewidmet.
"Na ja, Liv wollte dich fragen, ob du ein Interview für die Schülerzeitung gibst.", sagte Lisa freundlich.
Genervt blickte ich sie an.
"Ich wollte ihn gar nichts fragen. Du wolltest, dass ich ihn frage.", stellte ich klar.
Doch Alessandro ignorierte das und meinte lässig:
"Ich würde gerne ein Interview geben. Unter einer Bedingung."
Ich spürte, wie er mich anblickte, schenkte dem aber keine Beachtung. Auch wenn mir das zunehmend schwer fiel.
Wenigstens wurde sein Geruch von dem Deo gut überdeckt.
Da er den Blick auch nach ein paar Sekunden nicht von mir abgewandt hatte, und die anderen mich auch anblickten, konnte ich dem Drang schließlich nicht mehr widerstehen und sah seufzend zu ihm auf.
"Was für eine Bedingung?", fragte ich mit einer unguten Vorahnung. Es war bestimmt nichts, was mir gefallen würde.
Da er endlich meine Aufmerksamkeit hatte, lächelte er unschuldig.
"Du verbringst zwei Wochen bei uns im Haus."
Fassungslos sah ich ihn an. Das meinte er ja wohl nicht ernst? War ich heute morgen nicht schon deutlich genug geworden? Ich wollte das nicht! Und jetzt versuchte er mich trotzdem dazu zu bekommen?!
Leise schnaubte ich.
"Vergiss es." Und schon hatte ich mich wieder meinem Burger zugewandt.
Neben mir spürte ich, wie er mit den Schultern zuckte, als wäre es ihm egal.
"Dann eben kein Interview."
"Will ich sowieso nicht. Sondern Lisa.", meinte ich.
"Genau.", griff diese meine Antwort auf. "Und genau deswegen wäre es schön, wenn du Lisa, deiner liebsten allerbesten Freundin, was Gutes tust und ihr dieses Interview bescherst."
Für einen Moment blickte ich sie nur komisch an.
"Hast du gerade wirklich in der dritten Person von dir gesprochen?", fragte ich dann langsam.
Doch sie grinste nur und tat es mit einer Handbewegung ab.
"Unwichtig. Also? Willst du deiner liebsten Freundin diesen Gefallen tun? Sie wird dir dann auch für ewig dankbar sein!"
Ich schmunzelte. Es war wirklich ziemlich bizarr, sie so von sich selbst reden zu hören.
Aber wichtiger war: was sollte ich machen?
Ich wusste, dass Lisa mich wahrscheinlich nur dazu bringen wollte, Alessandro näher zu kommen.
Trotzdem wollte sie dieses Interview.
Aus ihren vielen Erzählungen wusste ich, wie wichtig ihr die Schülerzeitung war.
Das Schreiben selbst. Schließlich war es ihr Traum, später einmal Journalistin zu werden.
Also, konnte ich ihr dieses Interview wirklich verwehren?
Nur weil ich nicht bei Alessandro wohnen wollte?
Andererseits...wenn ich bei Alessandro einzog...würde ich weiterhin standhaft bleiben können?
"Keine Sorge, wir beißen schon nicht." meldete sich nun der andere Typ aus Alessandros Rudel schmunzelnd zu Wort.
Frech zog ich die Augenbrauen hoch.
"Sprichst du für das ganze Rudel?", fragte ich mit einem vielsagenden Seitenblick auf Alessandro.
Dieser lächelte mich verführerisch an.
"Wenn du von mir gebissen werden willst, stehe ich nur zu gern zur Verfügung.", sagte er mit leiser, rauer Stimme und einem tiefen Blick in meine Augen.
Plötzlich war mein Hals trocken und ich musste schlucken.
"Eine Woche.", hörte ich mich da selber sagen. Verdammt. Was tat ich da?
Aber da war es schon zu spät. Bevor ich meine Worte zurücknehmen konnte, hatte Alessandro schon eingewilligt und lächelte mich triumphierend an.
Mist. Was hatte ich mir da nur eingebrockt?
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