Der Morgen danach

Olivia p.o.v

Ein Sonnenstrahl weckte mich. Oder war es vielleicht das nervtötende Zwitschern der Vögel?
Mann, manche wollten vielleicht noch schlafen. Besonders wenn es gerade so gemütlich war.

Mmmh, mein Bett war zwar irgendwie ziemlich hart, aber neben mir lang irgendetwas Warmes. So schön warm...ich kuschelte mich mit dem Rücken noch etwas näher daran. Leichter Schmerz durchzuckte mich bei der Bewegung. Doch ich ignorierte ihn. Mit der Zeit gewöhnte man sich an den Schmerz der Krankheit.
Nun lag ich endlich näher an dieser Wärmequelle. Auch wenn das kaum möglich war, weil zwischen mir und dieser Wärme bestimmt kein einziges Blatt mehr Platz fand.

Um meine Taille lag irgendetwas. Etwas Warmes. Aber ich war noch zu müde, als dass es mich sonderlich hätte interessieren können.
Mmmh. Ein genießerisches Grummeln entwich mir. Ich hatte es so gemütlich...und dann noch dieser Geruch....dieser wunderbare, tolle Ge .... Warte Mal. Geruch?

Plötzlich war ich hellwach. Blinzelnd öffnete ich die Augen. Vor mir war Erde. Boden. Wald? Oh. Ich war im Wald.
Und nicht mehr in Wolfsgestalt. Das war oft so, dass man sich nach einer Vollmondnacht unwillkürlich zurückverwandelte. Plötzlich schoss mir ein Gedanke in den Kopf. Scheiße. Ich war doch nicht nackt?!
Schnell blickte ich an mir herab. Puh. Glück gehabt. Ich hatte noch meine Unterwäsche an. Zwar nicht gerade der beste Fall, aber wenigstens etwas.

Doch das war nicht alles. Um meine Taille war ein Arm geschlungen. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, zu wem er gehörte.
Ich spürte es. Alessandro war neben mir.

Ich erinnerte mich noch, wie ich ihn gestern gerufen hatte. Verdammt, warum hatte ich das nur getan?
Aber ich war in Wolfsgestalt gewesen. War ja klar, dass ich ihn bei mir haben wollte.
Warum hatte ich nur nicht vorher daran gedacht?

Ich hätte etwas dagegen tun müssen. Jetzt musste ich mich mit den Konsequenzen auseinandersetzen. Mit ihm.
Ein Teil von mir wollte einfach wieder schlafen. Meine Sorgen und Probleme vergessen, wegschieben und es einfach genießen, so nah bei Alessandro zu sein.

Aber das konnte ich nicht. Die Probleme würden nicht verschwinden.
Aber vielleicht könnte ich eine Zeit lang vor ihnen weglaufen.

Vorsichtig versuchte ich, Alessandros Arm von mir zu nehmen. Meine Muskeln schmerzten bei der Bewegung und ich musste die Zähne zusammen beißen, ignorierte aber den Schmerz. Ich würde jetzt einfach nach Hause gehen.
Er würde hier weiterschlafen. Wir konnten dann später darüber reden, was passiert war.
Oder vielleicht würden wir auch einfach so tun, als wäre nichts passiert. Ja, das wäre auch ganz gut.
Wir hielten einfach wieder Abstand.

Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubte und dagegen protestierte.
Aber es war einfach besser so.

Ich hob seinen Arm und rutschte dann vorsichtig weg von ihm. Dann ließ ich seinen Arm sinken und lauschte gespannt. Doch seine Atmung ging gleichmäßig weiter.
Puh. Glück gehabt.

Erleichtert atmete ich aus. Dann stand ich auf. Und schwankte erst einmal. Uff.
Mein Körper musste sich erst wieder daran gewöhnen, wieder Mensch zu sein.
Und an die neue Schwäche, die damit einherging.
Toll. Ich konnte mich auf eine schwächere Kondition gefasst machen, auf eine geringere Ausdauer und neue Schmerzen.
Und auf was weiß ich noch nicht alles.

Ein paar Augenblicke versuchte ich, gerade zu stehen und gab meinem Körper Zeit, sich an alles zu gewöhnen.
Dann nahm ich einen tiefen Atemzug, um mich auf die Schmerzen vorzubereiten und schlich davon. Oder hatte es zumindest vor.
Denn eine verschlafene Stimme hielt mich auf:

"Wo willst du denn hin?"

Ich erstarrte. Drehte mich langsam um. Und sah geradewegs in Alessandros braune Augen, die mich forschend ansahen. Forschend und irgendwie... enttäuscht.

Mist.

Alessandro p.o.v

Sie hatte sich davonschleichen wollen. Das war eindeutig. Erst hatte sie meinen Arm hochgehoben und dann war sie aufgestanden und hatte sich daran gemacht, wegzugehen.

Ich hatte die ganze Zeit still gehalten. Gehofft und gebangt, dass sie es nicht tun würde.
Aber wieder einmal wurde meine Hoffnung zerstört.

Nun stand sie ertappt da. Blickte mich schuldbewusst an. Und merda, sie hatte nur Unterwäsche an.
Ich biss die Zähne zusammen, versuchte, meinen Blick nicht an ihr auf- und abwandern zu lassen.

Verwandelte sie sich immer so? Ich hatte noch all meine Klamotten an. War einfach praktischer.
Hatte sie das extra gemacht, um mich zu provozieren?

Verdammt, es war so schwer, meinen Blick nur auf ihr Gesicht gerichtet zu lassen. So schwer. Am liebsten würde ich sie mustern. Ihren Körper mit den Augen entlang fahren. Und dann durch meine Finger ersetzen.

Ich biss die Zähne zusammen. Das waren die falschen Gedanken. Ich musste bei der Sache bleiben. Sonst tat ich noch was Falsches.

"Ich hab Durst. Ich wollte nach Hause, um was zu trinken.", erklärte sie schließlich.

Ich schnaubte nur. Eine bessere Ausrede hatte sie nicht? Konnte sie mir, ihrem Mate, nicht einfach die Wahrheit sagen? Was war es nur an mir, das sie davon abhielt, sich mir anzuvertrauen? Mich zu akzeptieren?

Plötzlich war wieder dieser ganze Schmerz da. Stärker als gestern. Als sie mich gerufen hatte...ich hatte Hoffnung geschöpft. Hoffnung, die jetzt zunichte gemacht wurde.

Mein Kiefermuskel zuckte vor lauter Anspannung. Schließlich stand ich auf. Das hatte den Vorteil, dass ich nicht so sehr in Versuchung geriet, ihren Körper zu mustern. Und außerdem konnte sie so meine Augen besser sehen.

"Liv.", presste ich dann heraus und sah sie schmerzerfüllt an. Ich versteckte nichts. Ließ sie sehen, was das alles mit mir machte. Was sie mit mir machte.

"So kann das nicht weitergehen zwischen uns. Das bringt mich noch um. Ich will dich zu nichts zwingen, aber bitte...bitte akzeptiere mich."

Gott, ich hörte mich so erbärmlich an. So verzweifelt. Aber ich wusste mir einfach nicht mehr zu helfen.
Und auch wenn ich es hasste, sie anzuflehen, so blieb mir doch nichts anderes mehr übrig.

Sie biss sich wieder auf die Unterlippe. Fuck. Musste sie das machen? Am liebsten würde ich das für sie übernehmen. Aber ich durfte nicht. Musste mich zusammenreißen.
Genauso wie ich mich zusammenreißen musste, ihren Körper nicht zu mustern.
Je länger wir hier standen, desto größer wurde die Versuchung.

"Alessandro...", Sie konnte mich kaum ansehen. Das war kein gutes Zeichen. Ich ahnte Schlimmes. Und doch war da immer noch dieser Funken von Hoffnung, der einfach nicht erlöschen wollte.

Endlich hob sie den Blick. Sah mich geradewegs an. Ausdruckslos. Ohne jede Emotion.
Und ich spürte, wie der Funke der Hoffnung bei diesem Anblick schwächer wurde. Und schließlich nur noch ganz leicht leuchtete, fast schon durchsichtig.

"Ich kann das einfach nicht. Es liegt nicht an dir, sondern an mir. Glaub mir, es ist das Beste für dich. Ich würde dir nur..."

Plötzlich durchströmte Wut meine Adern wie heiße Lava. Und bevor ich mich stoppen konnte, brachen die Worte auch schon aus mir heraus:

"Woher willst du wissen, was das Beste für mich ist?! Du kennst mich ja gar nicht, weil du mich nicht kennenlernen willst! Merda, das Beste für mich bist du, verdammt!"

Erschrocken sah sie mich an. Und ich verfluchte mich im Stillen für diesen Ausbruch. Ich hatte sie erschreckt. Das hatte ich nicht gewollt.
Aber ich konnte einfach nicht mehr. Es ging einfach nicht.
Dieses ständige Hin und Her, die Hoffnung, die dann zerstört wurde....
Ich brauchte sie. Ganz oder gar nicht.
Wobei mir das 'ganz' lieber wäre.
Denn ein Leben ohne sie? Das wäre kein Leben. Das wäre die Hölle. Schlimmer noch.

Sie schluckte schwer. Sah mich traurig an. Verdammt, sie blickte so traurig.

"Ich kenne dich vielleicht nicht.", fing sie mit zitternder Stimme zu sprechen an. Scheiße, ihr ganzer Körper zitterte.
"Aber ich liebe dich trotzdem."
Was?! Hatte sie gerade wirklich...?!

"Und deswegen muss ich mich von dir fernhalten. Est tut mir leid, aber es ist das Beste, glaub mir."

Und damit drehte sie sich um.
Ließ mich mitten im Wald stehen. Mit dieser Liebeserklärung. Und gleichzeitig dieser Zurückweisung.
Ich verstand die Welt nicht mehr. Nichts ergab mehr einen Sinn.
Sie war meine Mate. Und sie ließ mich hier am Boden zerstört zurück.

Ohne Hoffnung. Und mit jeder Menge Schmerz.

War das hier das Ende? Von etwas, das noch nicht einmal richtig angefangen hatte?
Würde ich mein Leben lang verletzt durchs Leben gehen? Ohne meine Mate? Ohne meine Liebe?

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