Der Angriff

Alessandro p.o.v.

Zu spät hörte ich die Schritte, die sich mir näherten. Zu spät roch ich den Geruch, den der Wind, der sich plötzlich gedreht hatte, zu mir wehte.

Bevor ich reagieren konnte, wurde mir mit Wucht etwas Hartes gegen den Hinterkopf geschlagen.

Scharfer Schmerz durchzuckte mich.
Doch ich wäre nicht ich, wenn ich deswegen sofort zu Boden gegangen wäre.
Aber um sie zunächst in diesem Glauben zu lassen, ließ ich mich fallen. Sie würden näherkommen müssen, denn sie wollten mich bestimmt nicht hier liegen lassen.
Und das wäre dann meine Chance.

Tatsächlich hörte ich langsame, vorsichtige Schritte. Jemand näherte sich. Doch plötzlich roch ich etwas. Etwas scharfes...
Verdammt, die wollten auf Nummer sicher gehen!

Ich konnte nicht länger warten, sondern sprang plötzlich auf, ignorierte den Schmerz in meinem Kopf und schubste den Typen neben mir.
Der war nicht auf solch eine schnelle Bewegung meinerseits gefasst gewesen und stolperte überrumpelt zu Boden.
Sofort war ich bei ihm, riss ihm erst einmal ein Tuch mit diesem ekelhaftem Gestank aus den Händen und schleuderte es weg.

Dann umschloss ich seinen Hals mit den Händen und drückte zu.
Seinen Geruch kannte ich nicht, aber er konnte nur zu einem Rudel gehören. Nämlich zu dem, das Olivia gequält hatte.
Dieser Gedanke erfüllte mich mit Wut. Mit solch wahnsinniger Wut auf diejenigen, die ihr dies angetan hatten.

Unwillkürlich verstärkte ich meinen Griff. Er war bereits rot im Gesicht, krallte sich verzweifelt in meine Hände, doch ich war stärker. Unnachgiebig.

Er war kurz davor, bewusstlos zu werden, als ich etwas hinter mir hörte. Merda.
Schnell ließ ich von dem Typen ab und rollte mich weg.

Gerade noch rechtzeitig. Ein großer Mann schlug auf die Stelle, wo gerade noch ich gewesen war, mit einem Baseballschläger.
Einem Baseballschläger, der komisch silbern glitzerte... da war Silber mit ins Holz verarbeitet!

Der Baseballschläger schlug hart auf den Mann am Boden ein. Dieser jaulte vor Schmerz schrill auf.

Zwei Werwölfe mit Silberwaffen. Das war zu gefährlich, ich musste mein Rudel kontaktieren. Und zwar schnell, bevor sie mich noch trafen.

Doch bevor ich auch nur einen weiteren Gedanken formen konnte, wandte sich der Schrank von Mann mir zu. Ignorierte seinen vor Schmerz heulenden Kumpel.

Schnell sprang ich wieder auf. Die Wunde an meinem Kopf schmerzte und mir wurde kurz schwindlig.
Merda. Diese eine Sekunde war für meinen Gegner genug.
Schon war er bei mir und ließ den Baseballschläger auf mich herabsausen. Und diesmal konnte ich nicht ausweichen.
Mit voller Wucht traf er mich am Kopf und ich fiel wie ein gefällter Baum zu Boden.

Dunkelheit umhüllte mich, hieß mich in einer innigen Umarmung willkommen.

Olivia p.o.v.

Den Sprung zum Fenster hatte ich ganz gut geschafft. Zumindest war ich nicht heruntergefallen.
Der Schmerz hatte zwar gedroht, mich bewusstlos werden zu lassen und doch hatte ich es geschafft, die schwarzen Flecken am Rande meines Blickfelds zurück zu drängen.
Ich hatte also auf dem Fensterbrett gestanden und das Fenster geöffnet. Ein Glück, dass ich immer noch stark genug war, um ein Fenster öffnen zu können.

Nachdem ich drinnen gewesen war, hatte ich zuerst gelauscht. Aber niemand hatte mich gehört. Zumindest war niemand hochgekommen.
Also war ich weiter in Alessandros Zimmer gegangen.

Und hier war ich nun, noch immer auf der Suche nach seinem Personalausweis.

Ich hätte während meiner Zeit hier bei ihm so viele Gelegenheiten gehabt, danach zu suchen, hatte es jedoch nicht getan.
Dabei wäre es die bessere Entscheidung gewesen. Je früher, desto besser.
Doch ich war zu egoistisch gewesen.

Zum Glück war ich jetzt endlich zur Vernunft gekommen. Auch wenn es schon fast zu spät war. Alessandro hatte bereits zu sehr gelitten.
Aber wenigstens würde ich ihm so weiteren Schmerz ersparen können.

Also suchte ich weiter. Ich hatte bereits seine Schultasche mit dem Geldbeutel darin durchsucht, doch nichts gefunden.

Danach war ich tatsächlich etwas ratlos gewesen. Wo hatte man denn seinen Perso, wenn nicht im Geldbeutel?
Aber wahrscheinlich hatte er vorausgedacht und seinen Perso nach meiner gescheiterten Lossagung versteckt. Fragte sich nur, wo.

Daher hatte ich einfach stückchenweise sein Zimmer durchwühlt.
Nach dem Schulranzen war der Schreibtisch dran gewesen. Dann die Kommode. Der Kleiderschrank. Das Bett. Ich hatte in Kopfkissen gesucht, unter der Matratze, unter dem Bett...und jetzt wusste ich nicht mehr, wo ich noch suchen sollte.

Ich hatte jeden verdammten Quadratmillimeter abgesucht!
Er hatte seinen Perso ja wohl nicht irgendwo unten versteckt, oder?
Das wäre katastrophal. Dort konnte ich nicht hin.
Irgendjemand würde mich entdecken. Das konnte ich nicht riskieren.

Aber wenn es meine letzte Chance wäre....einen Moment haderte ich noch mit mir selbst.
Und dann machte ich mich leise auf den Weg nach unten.
Schließlich hatte ich ja eine Entschuldigung: ich hatte ein Geschenk für Alessandro. Das ich, wie ich dann bemerken würde, ausversehen drüben liegen gelassen hatte.

Zwar hatte ich noch keine Ausrede dafür, wie ich ins Haus gekommen war, aber da würde ich dann wohl einfach improvisieren müssen.

Ich war gerade auf dem Flur, ein paar Schritte von Alessandros Zimmer entfernt, als ich es spürte.
Einen scharfen Schmerz an meinem Kopf.
Verdammt. Unwillkürlich fasste ich mir an die Stelle. Doch ich konnte nichts spüren. Da war nichts.

Verwirrt hielt ich inne. Was war mit mir los? Bildete ich mir jetzt etwa schon körperliche Schmerzen ein?
War mein seelischer Schmerz so schwer, dass ich ihn mir als einen körperlichen einbildete?

Gab es so eine Krankheit überhaupt?

Oh Mann. Das zeigte nur umso deutlicher, dass es Zeit war, dass ich mich von Alessandro erfolgreich lossagte. Wenn mein seelischer Schmerz sich nun schon auf meinen Körper übertrug.

Ich ging wieder weiter. Trotzdem ließ mich dieser Gedanke nicht los. Konnte es wirklich eine Krankheit sein?
Oder war es vielleicht doch etwas anderes?
Denn irgendwie hatte ich auch noch so ein komisches Gefühl im Magen.

Schließlich war ich an der Treppe angelangt. Vorsichtig und sehr behutsam setzte ich meinen Fuß auf die oberste Stufe. Verlagerte mein Gewicht darauf. Setzte meinen anderen Fuß hinzu, während ich mich am Geländer abstützte.

So machte ich es bei jeder Stufe. Daher dauerte es seine Zeit bis ich unten angelangt war. Niemand war gekommen. Niemand hatte mich gehört. Hofften wir mal, dass das so blieb.

Gerade wollte ich weiterschleichen, als mich wieder ein heftiger Schmerz am Kopf überraschte. Doch dieser war nun viel heftiger als zuvor und die Winde am Kopf brannte.

Dieses Brennen erinnerte mich an das Gefühl der Handschellen an meinen Handgelenken, nur war es ein wenig leichter. Und doch so schmerzhaft.
Ein angestrengtes Keuchen entfuhr mir und ich krümmte mich unwillkürlich zusammen.
Scheiße! Was war das, verdammt nochmal?!

"Liv?", fragte da plötzlich eine Frauenstimme. Macella. Mist. Sie musste mein Keuchen gehört haben.

Jetzt hörte ich Schritte, die sich näherten. Verdammt. Ich war aufgeflogen. Doch irgendwie war das gerade nebensächlich. Der Schmerz an meinem Kopf nahm mich ganz und gar ein.

Und plötzlich verstand ich es. Dieser Schmerz....der konnte nur von einem kommen. Von Alessandro!
Oh mein Gott, Alessandro war in Gefahr!
Helle Panik durchfuhr mich und Angst. Angst um Alessandro. Gott, nein, ihm durfte nichts passiert sein! Nicht Alesssandro!

Wo bist du?!, rief ich ihm durch unsere Verbindung panisch zu.
Aber es kam keine Antwort. Da war nichts.

"Alessandro...", flüsterte ich.

"Der ist nicht da. Er wollte kurz nach draußen, um frische Luft zu schnuppern.", erklärte mir Macella vor mir.

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie so nah war.
Panisch blickte ich sie an, noch immer vom Schmerz gekrümmt.

Besorgt erwiderte sie meinen Blick.
"Geht es dir gut, Olivia? Du..."

"Es geht nicht um mich!"
Ich schrie fast, so panisch war ich.
"Es geht um Alessandro! Verdammt!"

Und dann endlich erwachte ich aus der Starre, in die mich der Schmerz und die Panik versetzt hatten und tat etwas.

Schnell richtete ich mich auf, ignorierte den Schmerz an meinem Kopf und rannte los, so schnell mein Zustand es zuließ. Rannte an der verwirrten Macella vorbei nach hinten zur Terrassentür.

Ich ignorierte die verwunderte Blicke, die mir das ganze Rudel zuwarf und preschte durch die Tür nach draußen.

Rannte zu meinem Mate. Rannte und bangte um sein Leben.
Ich hatte gewollt, dass er nicht mehr litt. Aber ich hatte nie gewollt, dass er starb.

Ich brauchte nicht seiner Duftspur zu folgen, denn ich kannte den Weg. Unsere Matebindung führte mich geradewegs zu ihm.
Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht zu spät kam.

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