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"Was sollen wir machen?", fragte ich nach einer Weile. Er sah mich kurz an und zuckte mit den Achseln.

"Alles, Hauptsache keine Uni", er grinste und vergrub seine Hände in seine Jackentaschen.

Wir liefen schweigend nebeneinander. Unser Atem färbte sich schon weiß. Ich hauchte Kreise in die Luft und er tat es mir gleich.

"Mir fällt ein... ich wollte ja was von dir", sagte er nachdenklich, bevor er leise anfing zu murmeln.

"Alles gut?", fragte ich nach. Es kam mir gerade etwas lustig vor, wie er da stand und mit sich selbst leise zu schimpfen schien. Bei meinen Worten hob er abrupt den Kopf und nickte. Dann räusperte er sich.

"Ich hoffe, du hast das gerade nicht komisch vernommen... - Wie auch immer. Komm", er nahm mich bei der Hand. "Ich muss dir was zeigen"

Er zog mich durch Bus und Bahn, bis wir vor einer Wohnung stehen blieben.

"Es ist die alte Wohnung meiner Mutter. „Sie liebte es so sehr, dass sie es nicht aufgeben konnte und stattdessen mir übergab", sagte er mir, während er den Code eintippte.

"Hereinspaziert", etwas schüchtern trat ich ein. Der Flur war leer. Nur ein bis zwei Hausschuhe lagen herum. Ein Kontrast zu Yoongis eigentlichen Wohnung. Die war dekoriert und schön gestaltet. Er winkte mir und gab mir Zeichen, ihm zu folgen. Vom Flur durch das Wohnzimmer, welches nur aus einem Sofa, einem Tisch und einem Fernseher bestand. Dann zog er eine Tür auf.

"Willkommen in meinem Studio", grinste er. Seine Augen leuchteten richtig, als er zu mir sah, den Blick triefend vor Stolz und Aufregung.

Die Wände, geschützt durch einen Schallschutz, waren in dunkeln Farben gehalten. An einer Seite hingen Gitarren an der Wand, unter anderem eine E-Gitarre. Natürlich durfte das Keyboard und ein abgetrennter, mit einem Glas als Trennung, Raum mit einem Mikrofon nicht fehlen.

Ein großer Schreibtisch mit Musikboxen an den Seiten und ein weiteres kleines Keyboard füllten noch die letzten Ecken des Raums, und die kleinen Figurinen aus Animes und das kleine Poster mit verschiedenen Hiphopartists, die darauf auf künstlicher Art abgebildet waren, gaben dem Ganzen seinen Glanz.

"Und wie findest du es?", fragte er neugierig.

"Es ist... krass. Gemütlich? Irgendwie", gab ich von mir. Ich war fasziniert. Ich war in einem - selbstgebastelten, aber immerhin - Studio. Das war so krass.

"Wie lange hast du gebraucht, um das alles aufzustellen?"

"Über eine lange Zeit würd ich sagen. Hat sich alles mit der Zeit angesammelt.", er fuhr sich über den Hinterkopf und lachte etwas verlegen. Was ihm unglaublich stand. Nun räusperte er sich und schloss die Tür hinter sich.

"Nun denn-..."

"Du schreibst auch Songs und so?", er nickte.

"Und kannst du mir vielleicht was... zeigen?", abermals nickte er mit dem Kopf und ging zum Schreibtisch. Auf ihm waren Blätter verstreut, Kritzeleien. Notizen. Zeilen. Nachdem er darin ein wenig herumgewühlt hatte, ohne dabei zu vergessen, immer wieder entschuldigend zu mir zu schauen, wählte er ein Papier aus und reichte es mir.

Während ich es mir durchlas, räumte er das Chaos auf dem Schreibtisch auf und stopfte den Stapel Papiere in eine Schublade.

Ich schmunzelte und ließ mich kurz zwischen den Zeilen fallen lassen.

"Und?", er blickte mich erwartend an, etwas unsicher auf meine Reaktion.

"Perfekt"

"Echt?"

"Hast du dazu schon ein Instrumental?", hakte ich nach. Er tippte etwas auf der Tastatur des Computers herum und öffnete eine Datei.

"Klar. Das Instrumental, hier", er reichte mir ein paar Kopfhörer. "Setz dich und sag mir, was du davon hältst"

***

Die Stunden flogen an uns vorbei. Gefüllt durch Yoongis Kunst, den Klang seiner Gitarre und meiner Stimme. Ja. Er hatte mich singen lassen. Er hatte einen Song geschrieben und brauchte einen Sänger. Mich. Man wird nie wissen, wie aufgeregt ich war, als wir den Gesang aufnahmen. Er zeigte mir weitere Ausschnitte seines Könnens und ich durfte auch mal ein paar Saiten zum Erklingen lassen.

Nur das Knurren meines Magens ließ uns aus unsere Blase heraus. Kurze Zeit später knurrte sein Magen ebenfalls.

Wir lachten.

"Hat ja wohl jemand Hunger", stellte ich fest.

"Nicht nur einer", sagte er und grinste schief. "Sollen wir bestellen?"

Als Bestätigung, knurrte mein Magen noch lauter. Yoongi schmunzelte amüsiert und zückte sein Handy.

"Worauf hast du Lust?", ich überlegte. "Entweder klassisch Pizza oder irgendwas Amerikanisches? Entscheide du, ich weiß nicht so"

Er hob den Daumen, kurze Zeit später klingelte es auch schon an der Tür.

"Das Essen ist da", Yoongi stand auf und verließ das Studio, um das Bestellte zu holen. Währenddessen lehnte ich mich im Stuhl zurück. Wahnsinn, wie ich mich in seiner Nähe fühlte. Die letzten Stunden waren einer der besten, die ich erleben durfte. Womit hatte ich das verdient? Warum durfte ich mich so toll fühlen? Was auch immer der Grund war, es war toll. Die Zweisamkeit war toll. Yoongi war toll. Er war ein toller Freund. Ich wollte immer in seiner Nähe sein, seine Augen bewundern, sein Lachen hören. Konnte man das noch platonisch nennen? Bestimmt nicht. Scheiße. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Was machte ich nur?

"Alles okay, Jimin?", erklang Yoongis Stimme und drang durch meinen Gedankenschwall durch. Schwach nickte ich und schluckte. Wenn ich ihn ansah, spürte ich eine stärkere Anziehung, als ich sie je zu Jungkook gespürt hatte.

"Jimin?", hatte ich mich in ihn verliebt, ohne es zu merken? Durfte ich das? Zählte das schon als Fremdgehen? Werde ich Jungkook enttäuschen? Wird Yoongi mich wegstoßen? Wird Jungkook mich hassen, mich bestrafen, mich-

"Jimin?! Alles gut? Jimin?", ich blickte in die besorgten Augen von Yoongi. Erst jetzt realisierte ich seinen sanften Griff um meine Schultern. Ich saß auf dem Boden, während er sich zu mir runter gekniet hatte. Abermals schluckte ich schwer.

"J-ja, alles gut", ich lächelte und versuchte mich aufzurichten. "Lass uns essen, ich bin schon ganz schwach vor Hunger"

***

Während ich mich immer mehr versuchte, die Gefühle für Yoongi zu blocken, hatte ich das Gefühl, dass es Jungkook im Moment immer blendender ging. Ganz der alte. Wenn ich nach Hause kam und er auch schon da war, gab es Küsschen auf die Wange, er umarmte mich mehr und war die ganze Zeit am Grinsen. Schien, als ob es auf der Arbeit immer besser lief. Wie es Jungkook ging, wusste man immer. Hatte er schlechte Tag, war ich der Boxsack. Hatte er gute Tage, konnte ich mich glücklich schätzen und war sein geliebter Lover, den er über alles liebte. 

Mir im Gegensatz ging es immer schlechter. Nur anmerken ließ ich es mir nie. Ich hatte Angst und wollte nicht einer meiner Freunde verfallen. Ich war vergeben. Vergeben. Hatte einen Freund. Das ging nicht. Überhaupt nicht. Wenn man schon einen Partner hatte, konnte man doch keine Gefühle für jemand anderen haben. Das ging nicht. Nein, das ging nicht.

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