Gewöhnlich

Als ich nach der 8. Stunde den Schulhof verlasse geht es mir ein kleines Bisschen besser.

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Das Schultor schlägt zu. Wie immer wenn die Schule vorbei ist stolpere ich allein nach Hause um mich von meinem Vater peinigen zu lassen. Die meisten Schüler gehen vor mir, witzeln und grölen herum oder singen eines ihrer Insiderlieder. Für mich ist es kein Tag der Freude. Grob gesehen ist kein einziger Tag in meinem Leben ein Tag der Freude, aber heute ist Freitag. Das heißt, dass ich zwei Tage lang meinem Vater ausgesetzt bin. Und niemand wird etwas unternehmen. Niemand. Denn ich bin allen egal.
Eine Hand legt sich auf meine Schulter und erschrocken fahre ich herum. Sofort nimmt der Besitzer der Hand diese wieder von meiner Schulter und hebt beruhigend die Hände. ,,Ich bins nur." sagt er und lächelt leicht. Dean Kardwin. Meine Schultern entspannen sich wieder und ich schaue wieder zu Boden. Wortlos gehe ich weiter. Fußgetrappel. ,,Hey, kann ich dich ein Stück begleiten?" fragt der Junge mit den dunklen Haaren. Ich bleibe abrupt stehen, sodass er fast in mich reinläuft. Langsam drehe ich mich um und schaue in seine Augen. ,,Was willst du von mir?" Frage ich leise. Er schaut mich mit schiefgelegtem Kopf an. ,,Ich will bei dir sein."
Ich öffne den Mund um etwas zu sagen, doch die Wörter die ich aussprechen will purzeln nur so in meinem Kopf umher. Ich schließe ihn wieder und schüttele den Kopf. ,,Wo sind die Kameras?" Frage ich heiser und starre wieder den dreckigen Boden an.
,,Die Kameras?"
,,Du machst das doch nur, damit du mich fertig machen und auf YouTube stellen kannst." flüstere ich und werde zum Ende hin immer leiser bis der Satz ganz erstickt. ,,Warum solltest du es sonst tun?" Tränen fließen über meine Wangen, doch ich mache mir nicht die Mühe sie weg zu wischen. Meine Tränen wird man so oder so sehen. Nach einer Weile schaue ich wieder auf. Dean Kardwin starrt mich aus vor Entsetzen geweiteten Augen an. Ich schüttele erneut den Kopf und drehe mich um. Dann laufe ich weg. Ohne noch ein mal zurück zu blicken Laufe ich weg. Meine Füße tragen mich automatisch den Weg nach Hause. Die Häuser ziehen an mir vorbei ohne dass ich es überhaupt realisiere.
Erneut steigen mir die Tränen in die Augen.
Er will dich in den Dreck stoßen.. Er hasst dich.. Er ist gewöhnlich.. Genau wie alle anderen.. Die Gedanken Tönen laut in meinen Ohren nach. Aber sie haben recht. Er ist ein Gewöhnlicher. Und das hätte mir klar sein müssen.
Ich stehe vor meiner Haustür. Ganz leise stoße ich sie auf und versuche bloß kein Geräusch zu machen. Wie immer sitzt mein Vater auf dem Sofa und trinkt. Rasch ziehe ich die Schuhe aus und haste nach oben. Mein Vater brüllt mir nach.
,,Wenn des Spiel su Ende is' prügel ich dich klein dass'ir Hörn un' Sehn verjet!" Erneut fließen die Tränen aus meinen Augen, doch ich drehe mich nicht zu meinem Vater um. Wenn ich Glück habe, vergisst er die Drohung vor lauter Alkohol und Fernsehen wieder. Ich stoße die knarrende Tür zu meinem Zimmer auf und lasse mich aufs Bett fallen. Erst jetzt steigen die Wut und die Angst in mir auf und ich beginne zu weinen. Die Stunden fliegen dahin während ich einfach nur Weine. Langsam dämmert es. Die Sonne legt sich schlafen. Auch ich schließe die Augen. Vielleicht sterbe ich ja im Schlaf. Wenn ich Glück habe. Doch in meinem Leben hatte ich noch nie Glück.
Das vertraute Piepen dringt an mein Ohr. Wahrscheinlich hat jemand einen unschönen Kommentar zu einem mit Photoshop bearbeitetem Bild von mir abgelassen. Wie von selbst stehe ich auf. Mein Tag kann eh nicht mehr schlimmer werden. Ich öffne meine Zimmertür und husche über den in goldenes Licht getauchten Flur. Die Tür zum Arbeitszimmer meines Vaters ist offen. Ich habe sie wohl offen gelassen. Dumm von mir.
Ich schleiche um den alten Arbeitstisch herum und starre auf den Bildschirm des Computers.
Eine Nachricht von Dean Kardwin. Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Wahrscheinlich irgendwas hämisches, dass er ein wunderhübsches Foto von mir gepostet hat. Mit zitternden Händen klicke ich auf den Chat.
Bitte komm zum alten Feld.

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Written by: Writer_007

Gewidmet: Luftglanz

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