Kapitel 2
Stille lag über dem Schloss.
Der Horizont wurde schon langsam heller.
Noch immer schneite es leicht und sobald die Sonne alles in ihr Licht tauchen würde, würde man aus dem Fenster einen wunderschönen Ausblick auf die verschneiten Ländereien haben.
Seufzend wandte Minerva den Blick ab und sah nun zu den zwei Mädchen die nebeneinander auf dem Sofa lagen und schliefen. Friedlich, als ob es ganz normal wäre. Majura und Silvia.
‚Vielleicht werden sie Freundinnen' dachte Minerva.
Lily und Severus schliefen im Sitzen, aneinander gelehnt, auf dem anderen Sofa. Irgendwann waren sie alle eingeschlafen.
Nur Minerva war noch wach. Sie sah es als ihre Pflicht an, über ihre Enkelin zu wachen, nachdem sie, wie es schien, schon ihre einzige Tochter verloren hatte. Die Ähnlichkeit von Majura und Morgana, als diese im selben Alter gewesen war, war verblüffend.
‚Nur die Augen' , dachte Minerva ‚ Die musste sie wohl von ihrem Vater haben.'
Immer noch geisterte das Bild von Majuras eisblauen, fast farblosen Augen in ihrem Kopf herum. Irgendwo hatte sie solche Augen schon mal gesehen. Doch so lange sie auch darüber nachdachte, es fiel ihr nicht ein.
Irgendwann übermannte sie schließlich der Schlaf und nahm sie mit ins Land der Träume.
pov. Majura
Es war ruhig.
Der Himmel leuchtete in allen möglichen Farben, im Licht der untergehenden Sonne.
Alles war friedlich, doch sie konnte sich nicht entspannen. Ihr Atem ging stoßweise, fast keuchend. Sie wollte wegrennen, einfach nur weg von hier, doch sie stand wie erstarrt, konnte sich keinen Millimeter bewegen.
Unaufhaltsam sank die Sonne in Richtung Horizont. Immer dunkler wurde es, und mit der Dämmerung kam die Nacht.
Alles war nun schwarz. Man sah keine Farben mehr, keine Umrisse, nur Schwärze. Sie spürte, wie die Tränen anfingen über ihre Wangen zu laufen und immer mehr wurden. Sie durchnässten ihre Kleidung und ein Zittern ergriff besitzt von ihr. Sie schrie und doch war es, als hätte sie nie einen Laut von sich gegeben. Ihr Körper krümmte sich und sie fiel zu Boden.
Sie hörte es. Den Kampf. Die Schreie. Das Geräusch eines Schwertes, wenn es sich durch einen Menschen bohrte.
Und sie spürte es. Die Verzweiflung, die sich durch ihre Knochen fraß. Die Panik, die nun ihr Denken lenkte.
Und auch eine seltsame Wärme in ihrem Herzen, die ihr merkwürdig bekannt vorkam und ihr doch fremd war.
Eine Wärme, die selbst noch da war, als sie wieder sehen konnte. Als sie wieder ihre Mutter sah und ihren Tod sehen musste und schließlich mit einem Schrei aus ihrem Traum hochfuhr.
Verschwitzt saß sie nun auf dem Sofa und versuchte sich wieder zu fassen. Sie merkte nicht, dass Silvia ebenfalls aufgewacht war und sie nun erschrocken im dämmrigen Licht der aufgehenden Sonne musterte.
„Hattest du einen bösen Traum?" fragte das dunkelhaarige Mädchen schüchtern.
Zögernd nickte Majura und senkte den Blick.
„Tut mir leid, wenn ich dich geweckt hab" flüsterte sie.
„Alles gut! Ich steh eh immer früh auf" meinte Silvia und lächelte leicht.
Eine Weile schwiegen sie und schauten aus dem Fenster.
„Hat es bei dir zu Hause auch Schnee?" fragte sie neugierig.
Kurz zögerte Majura, bevor sie antwortete. „Ja" sagte sie dann leise. „Aber ich war immer nur im Schlosshof, Schneemann bauen, wenn es geschneit hat. Nicht auf die Wiese, mit den anderen Kindern Schlittenfahren. Das hat Papa verboten." Erzählte sie betrübt. Verwundert sah Silvia sie an.
„Aber hier darfst du bestimmt Schlittenfahren! Tante Minni erlaubt das bestimmt und es ist ja auch überhaupt nicht gefährlich. Wollen wir rausgehen? Du kannst auf meinem Schlitten mitfahren. Aber den müssen wir halt kurz holen." Schlug Silvia mit leuchtenden Augen vor.
Unsicher und erstaunt blickte Majura das schwarzhaarige Mädchen an.
„Meinst du wirklich, wir dürfen?" fragte sie.
„Bestimmt", erwiderte das andere Mädchen sofort, noch immer breit grinsend.
„Komm, wir holen meinen Schlitten!" sagte sie, lief los und bedeutete Majura, ihr zu folgen.
Leise huschten sie durch die verlassenen Gänge des Schlosses. Dämmriges Licht schien durch die großen Fenster, an denen sie vorbeikamen, doch ansonsten war es dunkel.
Silvia schien das Schloss wie ihre Westentasche zu kennen. Schnell rannte sie an Ritterrüstungen und Gemälden vorbei, sodass Majura ihr kaum noch folgen konnte. Dennoch standen beide kurze Zeit später etwas außer Atem vor einer großen Holztür.
„Hier wohn ich" sagte sie stolz und öffnete die Tür, indem sie ihre Hand darauflegte, woraufhin diese aufschwang.
Aufgeregt zog sie Majura durch die Tür, wo diese erstmal staunend stehen blieb. Sie befanden sich in einem großen Wohnzimmer. An der Wand war ein Kamin, neben dem eine kleine Schale mit grünem Pulver stand.
‚Flohpulver' erinnerte sich Majura, während ihr Blick weiterwanderte. Zwei dunkelgrüne Sofas standen vor dem Kamin und ein ebenso grüner Sessel.
Der Boden war mit weichen Teppichen ausgelegt und an den Wänden standen Regale, in denen so viele Bücher standen, dass sie nur Dank einem Zauber noch nicht zusammengestürzt sein konnten.
Am liebsten wäre Majura sofort zu den Bücherregalen gegangen. Ein paar Wörter konnte sie schon lesen und sie konnte es kaum erwarten endlich richtige Bücher lesen zu können.Doch Silvia zog sie schon weiter in einen kleineren angrenzenden Raum.
„Das ist mein Zimmer" erklärte sie Majura und ging dann zu einem Kleiderschrank aus hellem Holz, der mit Schnitzereien verziert war und öffnete ihn. Dann ging sie einfach hinein und verschwand darin. Neugierig trat Majura vor den Schrank, sah jedoch nur Kleidung.
Keine Silvia.
Plötzlich rumpelte es und Silvias Kopf tauchte zwischen der Kleidung auf, bis sie schließlich wieder komplett aus dem Schrank aufgetaucht war, einen Holzschlitten hinter sich herziehend.
Mit großen Augen starrte Majura erst Silvia an und dann den Schlitten, der bereits etwas mitgenommen aussah.
"So jetzt müssen wir uns noch was Warmes anziehen." sagte Silvia, stellte den Schlitten ab und und fing an in ihrem Kleiderschrank zu wühlen.
Keine Viertelstunde später traten sie mit dem Schlitten aus dem großen Schlosstor und hinterließen die ersten Fußspuren in der bis dahin unberührten Schneedecke.
Vereinzelt fielen noch Schneeflocken vom Himmel, aber ansonsten regte sich nichts. Außer dem Knirschen ihrer Schritte auf dem zugeschneiten Weg war nichts zu hören.
Der Schnee glitzerte im Licht der Sonne und die Kälte färbte beiden Mädchen innerhalb kürzester Zeit die Nasen rot.
„Komm, wir sind gleich da!" sagte Silvia vergnügt und lief schneller. Lachend folgte Majura ihr, ihren bösen Traum vom Morgen schon fast vergessend.
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