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Olly und ich wurden in einen Teil dieser Einrichtung geführt, den ich zuvor noch nicht zu Gesicht bekommen habe.
Aber die kleinen Einzelzellen fielen mir sofort ins Auge und eine böse Vorahnung überkam mich.
Normalerweise teilten sich hier immer vier bis acht Personen eine Zelle und wurden jeweils morgens, mittags und abends in den Speiseraum gebracht und hatten dort etwa bis zu drei Stunden Aufenthalt.
Aber wie es aussah hatten Olly und ich dieses Vergnügen nun nicht mehr.

Die zwei Dämonen, die Olly und mich vor nicht vielen Minuten aus dem Speiseraum gebracht hatten, schoben uns immer weiter zu den eben genannten Einzelzellen.

Vor zwei nebeneinander liegenden Zellen hielten wir vier inne und die beiden Dämonen die uns die ganze Zeit über in ihrem "Gewahrsam" hatten, öffneten eben jene Zellen und zogen ihre Türen mit einem lauten metallischen Kreischen auf.
Olly und ich gaben ein leises Fauchen von uns - unsere empfindliche Ohren waren für so eine Art von Geräuschen alles andere als geeignet!
Und dann wurden wir beide auch schon unsanft in je eine der Zellen gestoßen und eh der Blonde oder ich reagieren konnten, wurden die Zellentüren auch schon wieder verschlossen.

Mit einer selbstsicheren Bewegungen drehte ich mich um und sah den beiden Dämonen angepisst in ihre schwarzen Augen.
»Kommt schon, was soll das?« Wollte ich genervt von den beiden wissen.
»Das ist eine Isolierzelle.« Wurde meine Frage von demjenigen, der es gewagt hatte Olly anzufassen, nicht beantwortet.
Ich verdrehte meine Augen und ließ es zu, mich geistig zu ihnen hinab zu sinken.
»Und was machen Olly und ich hier?« Fragte ich drohend.
Derjenige, der Olly hier her gebracht hatte fasste sich hilflos in den Nacken und der andere übernah das Wort.
»Hier kommen die hin, die zu viele Probleme machen.« Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe.
»Und wie es ganz offensichtlich aussieht, bist du, Owen, für gut 96% der Grund für eben jene Probleme.«

Ich sah die beiden einen Moment ausdruckslos an, eh ein schallendes Lachen über meine Lippen schwappte, welches ich aber nur wenige Sekunden später wieder verstummen ließ.
»Ach, ist das so?!« Ich wusste nur zu gut, dass der lauernde und bedrohlichen Unterton in meiner Stimme den einen oder anderen sehr einschüchtern konnte.

Die beiden Dämonen sahen sich unsicher an und ich spürte wie Olly das Geschehen gespannt beobachtete.
»Und wieso ist er dann hier?« Fragte ich gereizt und deutete mit meinem Daumen über meine Schulter auf den blonden Olly.
Die beiden außerhalb der Zellen zuckten mit ihren Schultern.
»Er ist ein Vampir.« Bekam ich darauf als Antwort.
Ach wirklich? Hätte ich echt nicht gedacht.

Ich sah die beiden überrascht an.
»Ach, ihr seid Rassisten?!«
»Owen... Niemand, wirklich niemand mag Vampire. Es ist für alle besser, wenn ihr beiden nicht bei den anderen seid.« Ich verengte meine Augen zu schmalen Schlitzen und visierte die beiden Dämonen an.
Ein dunkles Knurren verließ meine Kehle welches dazu führte, dass die beiden Rassisten die Flucht ergriffen.
Somit waren nun Olly und ich alleine hier.

»Es tut mir leid.« Hörte ich dann irgendwann die schüchterne Stimme von Olly.
Mit einem Ruck drehte ich mich zu dem jungen Vampir, der seinen Blick gen Boden gesenkt hatte.
»Hör auf damit. Du trägst am wenigsten Schuld an all dem hier. Ich war derjenige, der dich da hinein gezogen hat.« Der Blonde schüttelte den Kopf.
»Nein! Wegen mir bist du angreifbar. Dir feindlich gesinnte nutzen es aus, dass du mich aufgrund meiner Abnormalität beschützen willst und du für dich selbst dann nicht mehr stark genug bist. Es tut mir leid, dass ich kein richtiger Vampir bin!«
Ein Fauchen verließ meine Lippen und Olly sah mich geschockt an, als er bemerkte, dass diese Reaktion meines Körpers ihm galt.
»Red' kein Schwachsinn. Das ist doch alles nicht deine Schuld! Ich habe das ganze selbst entschieden und ich bin, zugegen etwas beleidigt, dass du mich so unterschätzt, dass ich nicht stark genug für zwei bin.« Olly's Augen weiteten sich.
»S-so habe ich das nicht gemeint.« Ich lachte auf.
»Weiß ich doch, das war nur ein Scherz.« Sofort verfinsterte sich wieder meine Mimik.
»Aber wage es nie wieder über dich zu sagen, du seist kein richtiger Vampir, hast du mich verstanden?!«
»Aber-«
»Kein Aber! Du hast Fangzähne, deine Augen haben die Farbe von flüssigen Blut und du trinkst den roten Lebenssaft um dein Überleben zu sichern - du bist ein Vampir und wage es nie wieder etwas anderes zu behaupten!« Olly nickte kräftig mit dem Kopf, sodass seine blonden Locken wippten.
»Ja, Owen.« Ich nickte.
»Seht gut!« Olly fing an zu strahlen was mich zum Schmunzeln.

»Sag mal, Olly...« Fing ich dann irgendwann nach langer anhaltender Stille, verursacht durch das Schweigens unsererseits, an.
»Ja?« Bekam ich als Reaktion von dem Blonden.
»Erinnerst du dich noch an dein Leben, bevor du hier her kams?« Ich drehte mich zu meinem Gesprächspartner, welcher mich überrascht an sah.
»Ja aber natürlich!« Rief er schon fast und ich nickte.
»Du etwa nicht?« Fragte er mich dann etwas leiser und klang besorgt.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Es scheint so, als würde ich erst seit dem ich hier her gebracht wurde existieren. Als wäre ich schon mein ganzes Leben hier drin gefangen sein. Als gehörte ich hier hin.«
Olly sah mich besorgt an und seufzte.
»Am besten kann ich mich an die Nacht erinnern, in der ich verwandelt wurde...« Fing er dann leise an.
Ich spitzte die Ohren und rutschte näher zu den Gitterstäben, die Olly und mich voneinander trennten.
»Erzähl' mir davon!« Bat ich den Vampirjungen, welcher nickte.
»Ich weiß schon gar nicht mehr wie lange das ganze schon her ist, aber die Erinnerung an dieses Gesehen ist so klar, als wäre es erst gestern gewesen... Ich war 17, als das kleine Dorf, indem ich mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester lebte, eines nachts überfallen wurde. An sich war das ganze weder sonderlich schlimm noch neu, es kam öfters vor dass ein paar umherstreifende Ganoven in unserem Dorf einen Ort sahen, indem man das ein oder andere wertvolle abgreifen konnte. Aber das war in jener Nacht anders! Die Angreifer hatten überhaubt kein Interesse an die Besitztümer der Einwohner oder an dessen Lebensmitteln. Das frische und schmackhafte Blut in den Körpern der knapp 200 Einwohner schien ihnen viel mehr zu gefallen, was ich im Nachhinein durchaus verstehen kann«, Olly schnaubte verächtlich, während ich weiter gespannt an seinen Lippen hing und der Erzählung seiner Vergangenheit meine Ohren schenkte.
»Das ganze ging ziemlich schnell - Ein paar Einwohner fingen mitten in der Nacht an grauenvoll zu schreien und ich wurde dadurch wach, genauso wie meine jüngere Schwester. Ich rannte zu unserer Haustür und befahl meiner Schwester weder mit hinaus zu kommen noch die Tür zu öffnen, egal wer versuchen wollte ins Haus zu gelangen. Ich dagegen trat todesmütig hinaus und wie man ja sehen kann, weiß man, wie das ganze ausgegangen ist. Es war mitten im November und die Nächte waren eisig kalt, doch die in Flammen stehenden Häuser der Bewohner gaben in dieser Nacht eine schon fast Höllenähnliche Hitze von sich ab. Und durch das Feuer der Häuser war die Nacht nicht mehr rabenschwarz, sondern wurde in ein flackerndes rot-oragenes Licht getaucht und gab mir somit die Möglichkeit alles in meiner Umgebung sehen zu können. Zu den schmerzverzerrten Schreien hatte ich nun die dazugehörigen Leute und erkannte in ihnen meine Nachbarn, mit denen ich Jahr für Jahr in diesem Dorf gelebt habe und die jetzt panisch vor irgendwem oder irgendwas davon liefen. Und dann konnte ich genau sehen, wie sich eine grazile Gestalt in einer eleganten und schnellen Bewegung auf eine davonlaufende Frau stürzte und ihr mit einem Fauchen seine langen Fangzähne in den Hals stieß. Ich griff nach der erstmöglichen Waffe - eine Heugabel - und rannte zu der Gestalt. Mit einer einfachen Bewegung hatte ich ihr die Heugabel von der Seite in den Oberleib gerammt und ich war der festen Meinung, dass der Angreifer jetzt auf der Stelle tot sein müsste und die Frau frei gab. Zumindest mit dem letzten hatte ich recht, doch ich war zu spät, sodass ihr Körper nur Blut leer auf den Boden fiel. Der Angreifer drehte sich zu mir um und ich konnte nur seine Augen sehen, die die Farbe von dem Blut hatte, welches er der toten Frau auf dem Boden geraubt hatte. Er sah mich leicht beeindruckt an, meinte, ich hätte sehr viel Mut ihn anzugreifen und zog die Heugabel einfach wieder aus seinem Körper. Dann stürzte er sich auf mich. Ich stellte sehr früh fest, dass ich kräftemäßig überhaupt keine Chance gegen ihn hatte und so blieb mir keine andere Wahl als zu zu lassen, dass er auch mir seine Fänge in den Hals stieß und mir Schluck für Schluck mein Blut aussaugte.« Ich sah Olly mit großen Augen an und konnte gar nicht beschreiben was für Emotionen in meinem Körper herrschten.

»Nicht sehr viel später wachte ich zu meinem Verwundern wieder auf und blickte geradewegs in die Blutroten Augen meines vermeintlichen Mörders. Irgendetwas an mir schien ihn gefallen zu haben, weswegen er mich in einen seinesgleichen verwandelt hatte. Zuerst hatte ich das gar nicht realisiert, dass ich nun auch ein Vampir war, bis mir ein kleines blondes Mädchen vorgeführt wurde, welches sich mit aller Kraft zu befreien versuchte, aber natürlich scheiterte. Oh Gott, Owen... Du weißt ja gar nicht wie schlimm der erste Hunger als Vampir ist!« Irgendetwas sagte mir, dass ich dieses Gefühl sehr wohl kannte und weiß wie sich der erste Hunger anfühlte. Zwar vielleicht nicht so schlimm und auf so einer Weise wie Olly, doch ich kannte es.
»Meine Schwester und ich waren die einzigen in dem Dorf mit hellblonden Haaren und dadurch wusste der Vampir, der mich verwandelt hatte, dass das Mädchen vor uns zu mir gehören müsste. Und dann schien mein Körper wie von selbst und gegen meinen Willen zu handeln, als ich auf meine verängstigte kleine Schwester zu trat und ihr dann nun meine Fangzähne in den Hals stieß und ihren Körper bis auf den letzten Tropfen ihres Blutes leerte...« Dem blonden Vampir lief eine leicht rosé farbende Träne über die Wange.
»Meine erste Mahlzeit als Vampir war meine 10 Jahre alte Schwester und das schlimmste war, sie hat mir geschmeckt, Owen!« Ich verzog das Gesicht und biss meine Zähne kräftig aufeinander.
»Dann, nachdem ich meine Tat realisiert und mehr oder weniger verarbeitet hatte, wurde ich wütend. Sehr wütend! So wütend, dass mein Körper anfing zu zittern und ich spürte wie meine neu gewonnene Kraft in meinem Körper pulsierte. Der Tag meiner Vampir Geburt war auch der Tag an dem ich meine erste Rage durchlebte. Ich fühlte mich stärker als jemals zu vor und dieses Gefühl der Stärker verleitete mich in eine Art Rauschzustand, als ich mich auf meinen vampirischen Erzeuger stürzte und diesen vor den Augen der restlichen Vampire einfach mit meinen Krallen zerfleischte.« Ich nickte. Dieses Verhalten von Olly konnte ich mehr als verstehen, auch wenn ich niemanden selbst jemals hatte, der so eine Bindung mit mir hatte, wie Olly und seine Schwester.
Aber jetzt würde ich ohne zu zögern und ohne lange darüber nachzudenken für Olly das gleiche tun.
Sollte irgendwer es wagen ihn zu verletzten, könnte er froh sein, wenn ich ihn nur töten würde!

»Die restlichen Vampire verschwanden dann mindestens genauso schnell, wie sie gekommen waren und ließen mich und meinen von mir zerfleischten Erzeuger zurück. Ohne darüber ein weiteres Mal darüber nachzudenken hatte ich dann meine Fangzähne in eine Stelle seines Fleisches gestoßen, die ich nicht zerrissen hatte und saugte auch ihm das letzte bisschen seines Blutes aus. Es war faszinierend. Zwar schmeckte es nicht im geringsten so gut wie dies meiner Schwester, doch spürte ich wie es mir mehr Kraft verlieh. Das war das erste und auch das letzte Mal, dass ich eigenständig getötet habe. Danach habe ich mich immer bemüht, dass meine Opfer am leben blieben, niemand sollte ansatzweise das selbe durch machen wie ich, indem ich dessen Familenangehörige töte...« Ich konnte das sehr gut verstehen. Zwar fehlte mir die dazu notwenige Emphatie und der geringe Überlebenswille um ebenfalls zu handeln, aber ich konnte es nachvollziehen!
Und das ganze würde dann auch sein zurückhaltendes Verhalten erklären!

Als hätte er meine Gedanken gelesen war genau das worum es im folgenden Monolog seinerseits ging.
»Du weißt, dass ich dich sehr mag und ich weiß, dass ich dir sehr viel zu verdanken habe, Owen! Ich würde so ziemlich alles für dich machen, aber bitte mich nicht, mein Verhalten, welches von vielen als "abnormal" bezeichnet wird, zu ändern. Weil das will und kann ich einfach nicht, okay?« Ich sah ihn erstaunt an, leicht betreten, dass er mir das noch sagen musste.
»Niemals, wirklich niemals würde ich etwas dergleichen von dir verlangen! Und die, die das tun, werden im besten Fall mit ihrem Leben dafür bezahlen!« Gab ich mein Versprechen.

Olly nickte und sprach weiter.
»Später habe ich dann herausgefunden, dass ungefähr die Hälfte der Dorfeinwohner überlebt hatte. Dann bin ich gegangen. Ein ständig hungriger Vampir gehört nicht in ein Dorf voller Menschen.« Menschen... Olly war vor seiner Zeit als Vampir ein Mensch gewesen und dann wurde er verwandelt.
Also musste ich ja auch vorher ein Mensch gewesen sein.
Aber an so etwas müsste man sich doch erinnern können, ein Leben ohne den Drang zu verspüren so oft wie möglich frisches Blut zu trinken!
Aber egal wie sehr ich mich anstrengte, ich konnte mich einfach an mein Leben von außerhalb dieser Einrichtung nicht erinnern.
Nicht an mein Leben als Mensch und noch nicht mal an meine Verwandlung in einen Vampir, obwohl das doch eigentlich ein prägendes Ereignis ist. Laut Olly. Man stirbt und wird wiedergeboren als ein ganz neues Wesen, so was vergisst man doch nicht einfach!

»Owen?« Riss Olly mich aus meinen Gedanken und ich sah ihn an.
Besorgt und unsicher suchten seine Augen den Kontakt zu meinen.
»Ja?« Fragte ich ihn und forderte ihn somit auf weiter zu reden.
»Es wird einen triftigen Grund dafür geben, wenn du dich nicht mehr an dein vorheriges Leben erinnern kannst! Es wird das beste sein, so wie es jetzt ist!« Versuchte er mich aufzubauen.
Ich nickte.
»Möglich...« Murmelte ich darauf.

Zu Beginn gab es einiges über Olly's Vergangenheit zu erfahren.
Ich hoffe sehr, dass es euch gefällt und wenn ja, sehen wir uns ja vielleicht im nächsten Kapitel!

LG Fynn ★
~2376~ Wörter

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