Ch. 74 ➳ Old Feelings
Louis POV
Knapp 1460 Tage, vier Jahre, unendlich viele Stunden und noch mehr Minuten, die seit Harrys und meiner Trennung vergangen waren. Ich liebte und vermisste ihn mit jeder Faser meines Körpers, ich wollte nie, dass wir uns so auseinander leben, das wir uns so fremd werden. Ich wusste nicht, wie ich es schaffte, jeden Morgen aufzustehen. Die ersten Tage und Wochen nach der Trennung schlief ich bei Niall oder Liam. Ich konnte nicht allein in dieser Wohnung leben, in diesem Bett schlafen, das so sehr nach Harry roch und mich an all die schönen Stunden erinnerte, die wir darin zusammen verbracht hatten. Knapp einen Monat ging das so, ehe ich mich über Nacht zurück in meine Wohnung wagte, geplagt von Albträumen, plötzlichen Heulattacken und dem Wunsch, einfach nur von Harry im Arm gehalten zu werden.
Dann saßen wir uns plötzlich in einem Skypegespräch gegenüber. Ich tat das für Teddy, denn auch wenn ich mir bei der überraschenden Nachricht von Harry in erster Linie etwas anderes gewünscht hätte, Teddy war selbst wie ein kleiner Bruder für mich geworden und ihn nicht mehr zu sehen, zerriss mir auch das Herz. Zumindest bei ihm hatte ich eine Chance, nicht alles vollständig falsch zu machen und das er noch Kontakt zu mir wollte, obwohl sein großer Bruder und ich nicht mehr zusammen waren, war eine große Erleichterung. Harry nach diesem Monat dann wiederzusehen, wenn auch nur auf dem Computerbildschirm, war hart. Am Anfang musste ich mich ziemlich zusammenreißen, nicht zu weinen.
Er sah wunderschön aus, wie immer, aber gleichzeitig so ungesund. Dunkle Augenringe, zerzauste Locken und eingefallene Wangen. Er aß eindeutig nicht genug und fast hätte ich ihn dafür ermahnt, bis mir einfiel, dass ich dazu kein Recht mehr hatte. Er hatte eine Pause von mir gewollt, von meiner Eifersucht, vom Streit, damit würde ich nur wieder alles schlimmer machen. Ich versuchte deshalb, mich allein auf Teddy zu konzentrieren, auf seine Erzählungen, was er neues gelernt hatte, doch mein Blick schweifte immer wieder ab zu Harry. Als Teddy dann fragte, ob wir noch zusammen seien, war ich im ersten Moment überfordert, doch als Harry nicht so aussah, als würde er irgendwas dazu sagen, räusperte ich mich und übernahm die Segel.
Es tat weh, diese Antwort auszusprechen, es machte alles so offiziell, es machte die Trennung offiziell, aber ich wollte Harry nicht wieder bedrängen, ihn nicht unter Druck setzen, ihm die Pause geben. Ich liebte ihn mehr als mich selbst, laut Zayn empfand er weiterhin dasselbe für mich, aber unter diesen Umständen konnten wir nicht zusammen sein. Ich war unglücklich, ich machte ihn unglücklich, es war alles meine Schuld und es war niemals meine Absicht gewesen. Auch wenn Liam und Niall sagten, dass von beiden Seiten aus Fehler geschehen waren, ich war für den Schmerz in Harrys Augen verantwortlich und das brach mir noch mehr das Herz.
So vergingen vier Jahre, Tag für Tag hatte ich das Gefühl, die Welt würde sich ohne mich weiterdrehen, jeder lebte sein Leben und ich blieb auf der Stelle stehen. Ich hatte so gehofft, dass Harry irgendwann auf mich zukommen würde, mich zurück wollte und mir sagen würde, dass er mir die Eifersucht verzieh, aber es geschah nicht. Und ich verlor die Hoffnung. Besonders als Zayn mir erzählte, dass Harry neue Partner und Partnerinnen hatte, zwar immer nur für eine Nacht, aber dennoch. Zayn wollte es mir nicht sagen, ich hatte es einfach bei einem Gespräch zwischen ihm und Liam aufgeschnappt und ihn dann so lange genervt, bis er es mir erzählt hatte. Im Nachhinein wünschte ich mir, nichts dergleichen erfahren zu haben.
Natürlich durfte Harry schlafen mit wem er will, er sollte sein Leben weiterleben und ich war froh, dass er es konnte, nur der Gedanke, das er nicht mir sondern anderen seine Liebe, Zuneigung und Zuwendung schenkte, schmerzte mir. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, auch wenn das eher selten war und wir auch niemals alleine waren, stellte ich ihn mir mit jemand anderem vor, ein unerträglicher Gedanke. Ich kümmerte mich ein wenig um seine Mutter, hatte regelmäßigen Kontakt zu ihr und weiterhin sahen wir uns einmal im Monat. Sie war einen weiten Weg gegangen, hatte viel erreicht in den letzten Jahren und konnte stolz auf sich sein.
Aber genauso konnten auch meine Freunde, Teddy und auch Harry stolz auf sich sein, sie waren in den letzten Jahren nicht untätig gewesen und hatten viel erreicht. Zayn und Liam waren weiterhin zusammen, auch wenn sie sich wegen Harry und mir uneinig waren, wie versprochen ließen sie das nicht ihre Beziehung kaputt machen. Zayn und ich waren auch weiterhin Freunde, bloß kam niemals Harry zur Sprache, dieses Thema schoben wir beiseite, um keinen weiteren Streit zu provozieren. Außerdem hatte Liam sein Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen, hatte einen Doktortitel und war nun Assistenzarzt im selben Krankenhaus, in dem Finn auch arbeitete. Mit diesem hatte ich mittlerweile auch wieder regelmäßigen Kontakt, er war in einer neuen Beziehung, seinen Freund hatte ich auch schon kennengelernt, sie machten einander glücklich und das war wunderschön mitanzusehen.
Teddy war mittlerweile eingeschult worden, würde bald neun Jahre alt werden und er war so schnell so groß geworden, dass es mir Angst machte, wie schnell die Zeit verging. Bei seiner Einschulung war ich leider nicht dabei, aber ich hatte Bilder geschickt bekommen und ihm als Einschulungsgeschenk einen brandneuen Fußball per Post geschickt. Und dann war da noch Harry, die Liebe meines Lebens. Ich war unheimlich stolz auf ihn, dass er sein Studium trotzallem abgeschlossen hatte und sich damit seinen Traum erfüllte. Auch wenn ich ihn nicht mehr so unterstützen konnte, ich hatte immer an ihn geglaubt und die Daumen gedrückt. Ich wusste nicht, wo er sein Referendariat machen wollte, aber ich war mir sicher, dass er sich an tollen Schulen bewarb. Nicht eine Sekunde verlor ich meine Gefühle für ihn, nicht eine Sekunde dachte ich an einen anderen Mann. Einmal hatte auch ich einen One Night Stand gehabt, beziehungsweise fast, es kam nicht zum Sex, wir waren nebeneinander eingeschlafen und am nächsten Morgen war der Typ weg.
Wie es dazu kam, daran waren meine besten Freunde schuld. Nachdem sie es aufgegeben hatten, mich wieder mit Harry verkuppeln zu wollen, weil sie merkten, dass es einfach noch seine Zeit brauchte, bis wir all den Streit und die Trennung verarbeitet hatten, schleppten sie mich in eine Bar nach der anderen. Ich wollte zwar eigentlich immer wieder mit Harry zusammen kommen, aber umso mehr Jahre vergingen, umso mehr veränderte er sich sicherlich auch und hatte jemand besseres verdient als mich. Außerdem wäre es komisch nach all diesen Jahren wieder zusammen zu kommen, als wäre nichts gewesen. So viel unausgesprochenes lag zwischen uns, das Drama wollte Harry sich mit Sicherheit nicht antun, das Drama war ja der Grund gewesen, weshalb es überhaupt zur Trennung gekommen war.
Auf jeden Fall hatte mich in einer Bar dann ein Typ angesprochen, er war süß, aber nicht Harry. Dennoch hatten Liam und Niall mir so lange zugeredet, bis ich mich auf den braunhaarigen Jungen eingelassen hatte. Erst hatten wir nur getanzt, er hatte mich geküsst und dann schon vorgeschlagen, ob wir nicht zu mir gehen wollen. Ich weiß nicht mehr, warum ich zugesagt hatte, wir waren bei mir gelandet, hatten auf meinem Bett rumgemacht, aber dann hatte ich immer wieder an Harry gedacht, was er dazu sagen würde, würde er mich so sehen. Deshalb hatte ich das abgebrochen, es war verdammt unangenehm gewesen, aber ich erklärte es dem jungen Mann und er war verständnisvoll, zu meinem Glück. Ich versuchte zwar, über die Trennung von Harry hinwegzukommen, aber nie zuvor hatte ich solch eine intensive Liebe gefühlt, was es mir nur umso schwerer machte.
So verbrachte ich vier Jahre damit, einem Lockenkopf hinterher zu trauern, mit dem ich wohl nie wieder zusammen kommen würde. Ich wüsste auch gar nicht, wo wir anfangen sollten, sollten wir uns jemals wieder zusammensetzen und über alles sprechen. So viel war geschehen, so viel hatte sich verändert, zumindest in Harrys Leben. Bei mir war alles gleich geblieben, es war eine Routine, morgens aufzuwachen, sich fertig zu machen, in den Kindergarten zu gehen und danach wieder nach Hause zu fahren, um Filme, Serien oder die Zeit mit Freunden zu verbringen, damit man nicht nachdachte, nicht an den Schmerz, nicht an die Sehnsucht, nicht an die Wut, nicht an die Eifersucht, an einfach nichts, was mit Harry zu tun hatte.
Im Kindergarten bei den Kindern fühlte ich mich wohl, es war mein Ruhepol, an dem ich abschalten konnte. Niemals hätte ich erwartet, dass das wieder gestört werden würde, niemals hätte ich gedacht, dass Harry nach Doncaster zurückkommen würde. Doch dort stand er plötzlich vor mir, in meinem zweiten Zuhause, unangekündigt und für einen Moment wie ein Eindringling. Als er sich auch noch als Lehrer an der Doncaster High-School vorstellte, es kam mir vor, als würde mir die Decke auf den Kopf fallen. Eigentlich wollte ich nur noch den Gruppenraum aufräumen, da alle Kinder schon abgeholt worden waren und letzte Büroarbeiten erledigen, doch durch Harrys Worte konnte ich mir das jetzt abschminken.
Wir hatten uns im Kindergarten kennengelernt, dadurch kamen wieder viele alte Erinnerungen hoch, unser erster Kuss im Büro, Offenlegungen von Gefühlen, mein Herz klopfte mir bis zum Hals, aber ich wollte das nicht, ich wollte nicht wieder verletzt werden. Meine Hände zitterten leicht, was durch die Zettel in meinen Händen nur noch offensichtlicher wurde. Mein Magen drehte sich auf den Kopf und verursachte unglaubliche Schmerzen. Ihm das erste Mal wirklich vollkommen alleine zu begegnen, seitdem wir im Streit auseinander gegangen waren, die grünen Augen zu ergründen, das war zu viel. Harry stellte sich so vor, als wäre das ein Neuanfang, aber den konnte es nicht geben, nicht so, wenn so viele Jahre voll von Schmerz zwischen uns lagen.
,,Interessant", murmelte ich deshalb, ,,ich bin Louis Tomlinson und habe jetzt Feierabend", schnell drehte ich mich herum und lief ins Büro, in das Harry mir leider sofort folgte. Flehend sah er mich an. ,,Louis, bitte, sieh mich an und sprich mit mir. Ich wollte dich auf ein Date einladen", erschrocken sah ich zu Harry, meinte er das wirklich Ernst? Vor Schock fielen mir alle Zettel aus der Hand, segelten zu Boden und sofort kniete Harry sich neben mich, um mir dabei zu helfen, sie aufzusammeln. Als er mir sie gab, berührten sich unsere Fingerspitzen, allein das jagte tausend Stromschläge durch meinen Körper und erweckte die Schmetterlinge. ,,Ich halte das für keine gute Idee", gab ich zurück.
Ich wollte Harry schützen, ich war nicht gut genug für ihn, ich kannte mich und wusste, dass ich immer noch sehr eifersüchtig sein würde. Es würde alles von vorne losgehen und nicht nur ihm, sondern auch mir erneut das Herz brechen. ,,Ich bitte dich, ich hab schon einen Tisch reserviert", flehte Harry weiter, es tat mir selbst unglaublich weh, ihn so abzublocken, aber ich redete mir selbst ein, dass es das Richtige war. Ich sagte nichts, zog mir meine Jacke an, schnappte mir meinen Rucksack, während Harry mir weiterhin hinterher dackelte. Selbst bis zu meinem Auto folgte er mir und als ich einsteigen wollte, hielt er mir die Tür zu. ,,Harry, mach es uns doch beiden nicht so schwer. Damit machst du dich doch nur lächerlich. Es wird nicht funktionieren, es kann nicht funktionieren. Du hast mich verlassen."
Ich schluckte schwer, seine Augen strahlten so viel Schmerz aus, wie vor vier Jahren, aber auch meine waren gefüllt von Trauer und am liebsten wollte ich einfach hier und jetzt auf dem Boden zusammenbrechen. ,,Ich wollte nur eine Pause vom ständigen Streiten, ich wollte dich niemals verlassen. Außerdem bist du derjenige, der gegangen ist." Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Solche Vorwürfe zu hören, wenn Harry diese mit seiner ruhigen Stimme aussprach, taten noch viel mehr weh und zerfleischten mein Herz. ,,Wenn du das sagst, dann werde ich das jetzt wieder tun", mit letzter Kraft öffnete ich die Autotür, besiegte damit Harry, der versuchte, sie zu zuhalten und stieg ein.
Bevor irgendwas anderes geschehen konnte, startete ich den Motor und fuhr nach Hause, drehte das Radio so laut auf, damit keine anderen Gedanken in meinen Kopf dringen konnten, als die Songtexte der Lieder im Radio. Als ich dann aber zu Hause war, mein Auto parkte und den Motor ausmachte, ich in völlige Stille gehüllt war, ließ der erste Schock nach. Ich realisierte was da gerade passiert war, meine Augen begannen zu tränen und ich klammerte mich ans Lenkrad, um irgendwo Halt zu finden. Der Schmerz all der letzten vier Jahre flammte wieder auf. Harry war im Kindergarten gewesen, er wollte scheinbar sowas wie einen Neuanfang, er wollte ein Date mit mir und ich, der diesen Mann über alles liebte, war abgehauen. Ein weiteres Mal. Aber dieser Herzschmerz war so unerträglich und wenn das mit Harry und mir ein weiteres Mal so enden sollte, das würde ich nicht überleben.
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Nun, was sagt ihr zu Louis Reaktion? Meint ihr, es ist wirklich das beste? Oder wird ein Date zwischen den beiden doch noch stattfinden?
All the love xx
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