Ch. 37 ➳ Entire Truth

Harry POV

Vielleicht erschien es ein wenig hart von mir, dass ich mein handy ausstellte, damit Louis mich nicht erreichen konnte. Fakt war jedoch, dass es mir von Nachricht zu Nachricht immer schwerer fiel, mich nicht bei ihm zu melden und mich für das zu entschuldigen, was ich ihm an den Kopf geworfen habe. Denn würde ich mich entschuldigen, müsste ich im selben Atemzug auch noch erklären, wieso ich mich denn so verhalten habe und dann, müsste ich alles loswerden. Und wie wir alle bereits wussten, war dies nicht möglich.

Während ich Abends so im Bett lag und darüber nachdachte, wie ich die ganze Situation nun am besten Händeln sollte, fuhr mein Blick zu meinem kleinen Bruder, welcher friedlich schlief. Er hatte das alles nicht verdient und es machte mich umso trauriger, dass es für ihn so normal schien. Das er es gar nicht anders kannte, wie es wäre, mit seiner Mum zu kuscheln oder wütend auf seine Mum zu sein, wenn sie ihm irgendwas verbot. Er musste bereits viel zu verantwortungsbewusst sein, konnte sich selbst ohne Probleme Baden oder die Spülmaschine ausräumen. Und so cool das auch klingen mag; es sollte nicht so sein müssen. Er sollte lieber den ganzen Tag mit irgendwem spielen und sich austoben dürfen, ohne im nächsten Moment darüber nachzudenken, dass er das alles auch wieder aufräumen müsste.

Beim Gedanken daran, ob ich mich vielleicht lieber von Louis Fernhalten sollte, brach etwas in mir. Wir waren uns gerade erst näher gekommen und es schien so, als würde auch er Gefühle für mich entwickeln und war es nicht genau das, was ich wollte? Aber wie hatte ich mir das denn von Anfang an vorgestellt? Der Grund, wieso ich in den letzten Jahren niemanden gedatet hatte, war meine Mutter und den damit verbundenen Problemen zu verschulden. Wieso hatte ich es dann mit Louis so weit kommen lassen und mich nicht auch einfach von ihm ferngehalten? Nun waren wir schon viel zu sehr in all der Scheiße drin und es schien unmöglich, wieder rauszukommen. Unter anderen Umständen, hätte es mich unendlich glücklich gemacht, mir darüber klar zu sein, dass Louis und ich vielleicht kurz vor einer Beziehung standen. Aber jetzt?

Ich schloss meine Augen und seufzte, ehe ich mich nicht mehr gegen die Gedanken sträubte und ich mir die Zeit mit Louis wieder ins Gedächtnis rief. Zayn hatte mir davon erzählt, dass er gerne für mich da wäre, da Louis ihm von dem Vorfall erzählt hatte, aber dass er warten könnte, wenn ich noch nicht bereit war. Somit wurde mir bewusst, dass viel mehr Menschen darin involviert waren, als es jemals der Plan gewesen war.

*****

Nachdem ich am Morgen noch gut damit davon gekommen bin, Teddy lediglich vor dem Kindergarten abzusetzen und ihn alleine reingehen zu lassen, wusste ich, dass es beim abholen nicht ganz so einfach sein würde. Man musste die Kinder selbst abholen, ich musste also den Kindergarten betreten und mit einem Betreuer reden, sonst würde ich meinen Bruder dort nicht rausbekommen. Und selbst, wenn es nicht Louis wäre, wäre es vielleicht Niall und auch dieser, würde mich auf das was passiert war, ansprechen. Vielleicht hatte Louis ihm sogar erzählt, dass ich ihn ignorierte und Niall war nun sauer auf mich.

Diese vielen Gedanken taten mir nicht unbedingt gut und ich betrat den Ort, der sonst immer als ein Ruhepol gedient hatte, mit einem unwohlen Gefühl im Bauch. Ich wollte eigentlich nur so schnell es ging wieder gehen, denn ich wusste nicht wirklich, wo mir der Kopf stand. Außerdem merkte ich, wie mir der ganze Stress auf den Magen schlug und ich seit Montag nicht mehr richtig gegessen habe, was meinem Bruder sogar schon Sorgen bereitete und das, konnte er nun wirklich nicht gebrauchen.

"Harry", hörte ich jemanden erleichtert sagen und drehte mich um, nur um Louis zu sehen, welcher gerade aus dem Büro herausschaute und mich mit müden Augen ansah.

Selten hatte ich ihn in einem so schlechten Zustand gesehen. Das letzte Mal, war kurz nach der Trennung von Finn gewesen und natürlich, war ich nicht doof und wusste, dass dies wohl jetzt an mir gelegen hatte. Das ließ mich noch schlechter fühlen, da ich ihm nie irgendwelche Schmerzen bereiten wollte und mein Magen fing kurz darauf an, unglaublich weh zu tun, was ich aber dadurch kaschierte, dass ich auf Louis zuging und einmal tief durchatmete.

"Hey", antwortete ich leise und blieb vor dem jungen Mann stehen, den ich so sehr liebte, bevor er mir auch schon um den Hals fiel und sich sein Körper fest gegen den meinen presste. Nachdem ich aufgrund der Überraschung kurz wie gelähmt war, legte ich meine Arme ebenfalls fest um ihn und vergrub mein Gesicht in seinem Nacken. Die Bauchschmerzen verschwanden fast sofort und ich musste mich zusammenreißen, vor Gefühlen nicht anzufangen zu weinen, denn alles überwältigte mich in diesem Moment. Die Müdigkeit, der Stress, die Angst.. Liebe. Alles schien durchzudrehen und keinen Platz mehr zu haben, aber sobald ich hier bei ihm war, war alles okay. "Es tut mir so Leid", schluchzte ich nun leise in seinen Nacken und spürte, wie er den Kopf schüttelte, ehe er sich löste und mir mit der Hand die Träne von der Wange wischte.

"Kommst du kurz rein und wir reden?", fragte er, seine Stimme ebenfalls seltsam dünn und ich nickte, weswegen er meine Hand in seine nahm und mich hinter sich her, ins Büro zog. Er schloss die Tür, während ich mich an den Schreibtisch lehnte und ihn kurz darauf vor mir wiederfand. "Wieso hast du dich nicht bei mir gemeldet? Ich habe dir tausende Nachrichten geschrieben.. ich habe mir so Sorgen gemacht." Seine Stimme brach und ich legte meine Hand an seine Wange, um mit meinem Daumen sanft darüber zu streichen und ihm etwas Komfort zu vermitteln. "Ist es wegen dem, was Montag passiert ist?"

"Louis", seufzte ich und ließ meine Hand auf seine Schulter fallen, um dann sein Schlüsselbein entlang zu fahren und mal wieder zu bewundern, wie schön dieser Mensch vor mir eigentlich war. Ein Mensch wie er, sollte nicht mit einem so abgefuckten Menschen wie mir zusammensein. Finn war perfekt für ihn, bestimmt mit einer tollen Familie und keine Fehler. Ich würde ihn nur kaputt machen. "Ich kann dir nicht sagen, was am Montag los war-"

"Aber wieso denn nicht?", fragte er mich enttäuscht und seine Stimme machte einen kleinen Hüpfer, als seine Augen Verwirrung ausstrahlten. "Ich verstehe es nicht, ich bin doch nicht doof. Ich habe doch gesehen, dass da etwas gewaltig nicht stimmt und es lässt mich seitdem nicht los. Ich will für dich da sein, Harry."

"Ich kann nicht zulassen, dass es dich auch zerstört", hauchte ich nun also leise und schüttelte den Kopf. "Du bist ein so.. glücklicher Mensch. Du hast tolle Freunde, einen Beruf den du liebst, du hast ein Hobby und eine tolle Familie, die immer für dich da ist, in jeder Lebenslage. Natürlich hast du auch schlechte Tage, aber die gehen vorbei und am nächsten Morgen wirst du wach und alles ist wieder.. normal perfekt. Ich habe solche Tage nicht, Louis. Ich wache jeden beschissenen Tag auf und es ist der gleiche verdammte Albtraum, aus dem ich einfach nicht erwachen kann und das Einzige, was mich in den letzten Wochen, nein, Monaten besser fühlen lassen hat, bist du", ich redete einfach darauf los, ohne ihm direkt von meinem Leben zu erzählen und hoffte, dass er somit verstehen würde, dass ich es ihm wirklich nicht erzählen konnte. "Der Gedanke daran, dich später lachen zu sehen, hat mich den Tag beginnen lassen. Ich kann das nicht verlieren und das würde ich, wenn ich dir von dem erzähle, was los ist."

Eine Zeit lang war es still, während Louis immer noch seltsam verkrampft und überfordert vor mir stand. Seine Augen versuchten immer noch, durch mich durch in meine Seele zu blicken und ich versuchte, die Mauer aufrecht zu erhalten, die so viel Zeit gebraucht hatte, bis sie endlich richtig gestanden hatte. Dann lehnte er sich langsam vorwärts und da ich meine Augen schloss, spürte ich lediglich seine Stirn, die sich wenig später an meine legte und dort verweilte.

"Erzähl es mir", bat er leise und legte seine Hand nun auf meine Wange. "Du kannst mir vertrauen, ich bin für dich da. Ich lass dich nicht alleine. Ich bleibe bei dir, so wie du bei mir geblieben bist. Ich verspreche es dir."

"Das kannst du nicht versprechen", widersprach ich, doch Louis nickte und löste sich ein Stück von mir, um mir sicher in die Augen zu gucken.

"Das kann ich versprechen."

Prüfend sahen wir uns noch ein wenig an und zu meinem erstaunen, schien ich keinerlei Zweifel in seinen Augen zu sehen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er bereits irgendwas wusste aber trotzdem noch darauf wartete, bis ich ihm meine Wahrheit erzählen würde und diese Tatsache, ließ mich letztendlich die Augen schließen und einmal tief durchatmen, ehe ich nach seiner Hand griff und diese zum Aufbau von Sicherheit drückte.

"Unsere Mum ist Drogenabhängig", fing ich also an und drehte seine Hand in meiner etwas umher. "Als Teddy ein Jahr alt geworden ist, ist mein Dad von einer Minute auf die nächste einfach weggewesen und nie wieder gekommen. Er hat sich von niemandem verabschiedet und das, hat meine Mum sehr mitgenommen. Am Anfang war es nur der Alkohol, aber das schien irgendwann nicht mehr gereicht zu haben. Sie brauchte etwas, was die Gefühle besser betäubte, als der Alkohol und dann fand sie diese komischen Leute..", ich stoppte und sah Louis an, welcher verständlich nickte und einen Schritt näher kam, sodass sein Oberschenkel mein Knie berührte. "Seither bin ich eigentlich der, der Zuhause alles managet. Gleichzeitig versuche ich, einen guten Abschluss zu machen, auch wenn es keinen Sinn ergibt, weil ich niemals die Zeit oder das Geld für ein Lehramtsstudium hätte."

"Wieso hast du es niemandem erzählt? Dir Hilfe geholt?"

"Ich liebe meine Mum", sagte ich ganz einfach und zuckte mit den Schultern. "Natürlich bin ich oft wütend und enttäuscht, aber ich weiß, wieso sie so tief gefallen ist. Sie wurde von diesem Arschloch einfach alleine gelassen und wusste nicht, wie sie mit diesem Gefühl umgehen sollte."

"Aber deswegen kann sie dich doch nicht alleine lassen", hauchte Louis bestimmt und erneut, zuckte ich mit den Schultern.

"Ich komme schon klar, dass gestern war ein Ausrutscher. Teddy soll nicht zu unserem Dad müssen, Louis. Der Kerl soll sich zum Teufel scheren." Meine Stimme war hart und hasserfüllt, da dies genau das beschrieb, was ich meinem Dad gegenüber fühlte. "Und jetzt, kannst du dich ruhig von mir fern halten und sagen, dass du mit so einem Wrack nichts zu tun haben möchtest. Ich kann das nachvollziehen, glaub mir. Ich würde auch nichts mit mir zu tun haben wollen."

[...]

Zum Glück hat Harry sich es nicht komplett aus der Nase ziehen lassen... Was denkt ihr, wie Louis jetzt darauf reagiert?

Lots of love ❤️

xoxo Michelle

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