Ch. 36 ➳ Misgiving

Louis POV

Harrys Aussage hatte gesessen. Ihn sagen zu hören, dass ich mich um meinen eigenen Mist kümmern und ihn und Teddy in Ruhe lassen sollte, tat mir im Herzen weh. Ich wusste, dass er das wahrscheinlich nur gesagt hatte, weil er mit der ganzen Situation überfordert war, weil er mit seiner Mutter überfordert war, aber dennoch tat es weh, dass er meine Hilfe nicht wollte, dass er mir nicht einmal anvertraute, was los war. Ich dachte, mittlerweile wären wir weit genug, um einander das nötige Vertrauen zu schenken. Besonders, nachdem wir so intim miteinander geworden waren und uns fallen gelassen hatten.

Harry hatte bei der ganzen Situation mit seiner Mutter so verzweifelt und überfordert ausgesehen und trotzdem hatte er mich angelogen, mir weis machen wollen, dass alles gut sei. Nicht einmal Teddy hatte er mir anvertrauen wollen, um den ich mich hätte kümmern können, um Harry wenigstens ein bisschen Stress zu nehmen. Und ihm zu verweigern, Teddy mitnehmen zu dürfen, brachte ich auch nichts übers Herz. Es war schließlich Harry, ich wusste, wie gut er sich um seinen Bruder kümmerte. Jemanden bei den Behörden zu informieren wollte ich dementsprechend auch noch nicht, nicht ohne Harrys Einverständnis. Ohne das würde es mir vorkommen, als würde ich ihn hintergehen und sich das allein vorzustellen war ein verdammt unschönes Gefühl.

So wie Harrys Mutter sich verhielt, hatte ich das noch nie bei jemanden erlebt. Es kam mir alles so spanisch vor, zudem es kein Wörterbuch gab. Ich wusste nicht, was da vor sich ging, in einem Moment war sie glücklich, dann wütend, dann traurig und dann müde, zurück zu glücklich. Alles gepaart mit einer gewissen Gelassenheit, die nicht mehr ganz normal schien. Zuerst hatte ich gedacht, dass sie vielleicht Alkohol intus hatte, auch weil sie ab und an so verwaschen gesprochen hatte, doch nichts, kein Alkoholatem, keine anderen Auffälligkeiten, die darauf deuten ließen und ich wollte Harrys Mutter ja auch nicht einfach irgendwas unterstellen. Sie war mir immer noch fremd und es gehörte sich nicht, ohne Ahnung solche voreiligen Schlüsse zu ziehen.

Nachdem Harry gegangen war, war ich nicht mehr wirklich arbeitsfähig gewesen und Niall hatte mich dann in den Pausenraum für uns Mitarbeiter geschickt und mich erst wieder rausgeholt, nachdem das letzte Kind aus unserer Gruppe von seinen Eltern abgeholt worden war. Ich war dann auch direkt nach Hause gefahren, hatte sofort Harry geschrieben, doch der antwortete mir nicht und nach weiteren Nachrichten auf Whatsapp, kamen sie nicht mehr mit zwei, sondern nur noch mit einem Haken an. Und als ich versuchte, ihn anzurufen und sofort die Mailbox ranging, wusste ich, dass er sein Handy ausgeschaltet hatte. Dennoch gab ich die Hoffnung nicht auf, machte mir große Sorgen, doch den ganzen restlichen Abend über antwortere Harry nicht.

Irgendwann war ich auf dem Sofa eingeschlafen und erst am Dienstagmorgen völlig verpeilt aufgewacht, als mein Wecker klingelte. Heute war die einzige Möglichkeit, Harry morgens zu erwischen, denn abholen würde Zayn Teddy heute wie immer. Vielleicht sollte ich den besten Freund des Lockenkopfes mal fragen, ob er wusste, was da los war, denn wenn er es nichts wusste, wer dann? Bei meiner Arbeitsstelle gab ich die Hoffnung schnell auf, dass ich Harry begegnen würde. Nach gestern und dem konstanten Ignorieren meiner Nachrichten, die heute morgen alle einen zweiten Haken bei Whatsapp bekommen hatten, wollte er mir wahrscheinlich einfach nicht unter die Augen treten. Vielleicht war er auch wirklich genervt von mir, anders konnte ich mir seine plötzliche Ablehnung nicht erklären.

Als Teddy dann alleine in den Kindergarten kam, bestätigte sich meine Vermutung. Harry ging mir aus dem Weg. Der Kleine erzählte mir, dass Harry ihn bis vor die Tür gebracht hatte, aber nicht mit reinkommen konnte, weil er für ein Projekt schnell zur Schule musste. Das Projekt hieß wahrscheinlich Louis im Regen stehen lassen und mir gefiel es nicht. Zumindest schien Theodore gestern gut weggesteckt zu haben, denn er war schon wieder das blühende Leben und machte sich auf zu den anderen Kindern, um mit ihnen zu spielen. Einige Eltern sprachen mich auch auf das Ereignis gestern an, was da mit dieser Frau los gewesen war und warum der kleine Junge so geweint hatte, was ich mit billigen Ausreden wie einem Todesfall in der Familie zu kaschieren versuchte. Das letzte was mir fehlte, waren besorgte Eltern.

Sobald Zayn kam, um Harrys kleinen Bruder abzuholen, zog ich den Schwarzhaarigen beiseite, um mit ihm zu reden. ,,Was ist mit Harry los?", fragte ich sofort, nach einer abgehetzten Begrüßung. ,,Ich weiß es nicht, dasselbe wollte ich dich fragen. Seit gestern meldet sich Harry nicht mehr bei mir. Ich mach mir ernsthafte Sorgen und ich dachte der, der mir weiterhelfen kann, bist du." ,,Na großartig", seufzte ich und raufte mir die Haare. Zayn war meine einzige Hoffnung gewesen. ,,Harrys und Teddys Mutter war gestern hier und wollte den Kleinen abholen. Da Harry mir aber nichts davon erzählte hatte, wie bei dir, und mir diese Frau auch gänzlich unbekannt vorkam, habe ich ihr Teddy nicht mitgegeben. Sie hat sich sowieso total komisch verhalten, war überwiegend unnormal glücklich, aber schrie mich im nächsten Moment an, ihr ihren Sohn mitzugeben.

Nachdem Harry kam, war er innerhalb von wenigen Minuten mit Teddy und seiner Mutter weg. Mir erklären wollte er gar nichts. Er hat das als völlig normal abgetan", erzählte ich Zayn, dem das alls völlig neu zu sein schien. Fassungslos schüttelte er den Kopf und zersauste die perfekt sitzende Frisur. ,,Ich bin sein bester Freund und doch weiß ich eigentlich gar nichts über seine Familie. Er hat nie irgendwas erzählt, aber ich wusste immer, dass da mehr war. Viele in unserem Alter sind gestresst, aber bei Harry nahm das wirklich ganz neue Ausmaße an. Ich hätte mehr nachhaken sollen", frustriert atmete Zayn aus und ich versuchte ihm sofort, seine Vorwürfe zu nehmen. ,,Du wolltest, das Harry sich bei dir wohlfühlt, du wolltest ihn zu nichts drängen und das ist auch gut so Zayn. So einen besten Freund hat Harry all die Jahre sicher am meisten gebraucht."

Zayn wollte mir immer noch nicht ganz glauben, zu groß waren die Vorwürfe an sich selbst, aber er versprach mir, sich bei mir zu melden, sobald er irgendwas von Harry hören sollte. Spätestens heute Abend, wenn Harry Teddy von Zayn abholen würde, müsste er mir irgendwas zu berichten haben. Ich hoffte es zumindest und derweil kam mir nach Feierabend noch eine andere Idee. Einer meiner zwei besten Freunde studierte Medizin. Wenn Harrys Mutter also irgendeine Krankheit haben sollte oder ähnliches, müsste Liam wissen, um welche es sich dabei handelte.

Also rief ich ihn an, sobald ich aus dem Kindergarten raus war und ohne weiteres bot er mir an, sofort zu ihm zu fahren, damit ich ihm davon erzählen konnte. Sein Boden im Wohnzimmer lag voll mit aufgeschlagenen Medizinbüchern. Aber das wenige, was ich ihm am Telefon erzählt hatte, reichte noch nicht aus, um eine Diagnose zu stellen. ,,Als du von der Desorientierung erzählt hast und wie sie förmlich durch dich hindurch gesehen hat, hab ich ganz zu Anfang zunächst Demenz vermutet. Es hätte mit reingepasst, dass sie vergessen hat, das Harry Teddy immer vom Kindergarten abholt, aber die anderen Symptome hätten da nicht mit hineingepasst.

Deshalb hab ich noch eine andere Vermutung, aber bevor ich so etwas behaupte, muss ich von dir noch einmal ganz deutlich hören, wie sie sich verhalten hat. Ich ging Liams Bitte sofort nach und schilderte auch ihm noch einmal ganz genau, wie Harrys Mutter sich verhalten hatte. Wie euphorisch sie war, dass dann aber ganz schnell wechselte, bevor sie wieder in den Zustand zurückkehrte. Wie schwammig sie gesprochen hatte und wie sie immer sehr lange überlegen musste, um irgendeinen Satz zustande zu bringen. Zuletzt erzählte ich von der verlangsamten Atmung und den verengten Pupillen die mir aufgefallen waren und während ich erzählte, versuchte mich an jedes Detail zu erinnern, blätterte Liam in den dicken Büchern, markierte sich verschiedene Seiten und schien schlussendlich eine Diagnose gefunden zu haben.

,,Ich glaube, Harrys Mutter ist nicht krank", begann Liam, ,,zumindest nicht auf die Art und Weise krank, wie du es vermutet hast. Mein Verdacht hat sich eigentlich so ziemlich bestätigt, aber im Endeffekt ist es natürlich auch nur so dahin gestellt. Ohne Untersuchung oder ohne selbst dabei gewesen zu sein, kann ich nur schätzen, aber es würde passen. Die Euphorie, das Wechseln zwischen Wach und schläfrigen Zuständen, die mentalen Funktionen, die Sache mit den Gedächtnislücken..dazu noch das schwammige Sprechen, die Pupillen und all sowas, es spricht für Drogenmissbrauch", Liams Worte schockten mich, doch als er mir das schlaue Buch reichte, erkannte ich, was er meinte. ,,Ich glaube, Harrys Mutter spritzt sich Heroin."

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Ob Zayn irgendwas von Harry erfährt? Und wie wird Louis auf Liams Vermutung reagieren..?
All the love xx

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