Ch. 20 ➳ Envision
Louis POV
Ich wünschte das wäre alles nicht passiert. Weder der Fast-Kuss, noch die Entschuldigung von Harry, was das alles nur noch vertiefte. Warum hätte er es nicht einfach ignorieren und dabei belassen können? Das hätte unsere Freundschaft vielleicht nicht allzu sehr angeknackst. Als ich den Zettel gefunden und gelesen hatte, dachte ich, ich sehe nicht richtig. Es hatte sich nicht nur so angehört, als würde Harry sich für den beinahe entstanden Kuss entschuldigen, sondern auch für die Tatsache, dass er mir überhaupt etwas Nähe und Trost gespendet hatte, obwohl er wusste, dass ich sehr dankbar über die letzten zwei Dinge war. Als hätte ich ihn gezwungen, für mich da zu sein, obwohl er das gar nicht wollte. Etwas kränken tat mich das schon, aber was sollte ich tun? Er hatte Recht, denn wir waren nur Freunde.
Natürlich hatte ich immer noch Gefühle für Finn, die würden auch nicht so schnell verblassen, auch wenn ich das gerne gewollt hätte. Aber in Harrys Nähe zu sein, seine Hand auf meiner Wange, wenn ich daran zurück dachte, kribbelte diese Stelle immer noch, ich hatte mich einfach wohl und geborgen gefühlt. Etwas, was sonst nur Finn geschafft hatte, hatte Harry durch wenige Worte und Berührungen ebenfalls geschafft, mich vergessen lassen, wo ich mich befand und welche Sorgen mich quälten. Und dann wies er mich so ab, als würden sich Freunde nicht einmal in den Arm nehmen können. Als wäre eine trostspendende Nähe wirklich unangebracht.
Ich wusste nicht, was in Harry vorging, welche Gedanken ihn plagten, aber ich wünschte es zu wissen, um herauszufinden, weshalb es so schlimm gewesen war, mir so nahe zu kommen. Vielleicht lag es an der Person, in die er sich verguckt hatte? Vielleicht hatte diese seine Gefühle mittlerweile erwidert und deswegen war die Nähe für Harry so unangebracht gewesen? Das Rätseln machte mich wahnsinnig, vorallem weil ich auf keine Antwort kam und nun auch nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte.
Nach dem Gespräch am Montag mit Harry, wo die Stimmung schon kippte, war es die ganze Woche über ein einziges bergab und wurde nicht besser. Genau deswegen wünschte ich, dass weder der Fast-Kuss noch die Entschuldigung passiert wäre. Wir wären noch gute Freunde und Harry würde mich nicht meiden. Wir redeten kaum und wenn doch, war es nur etwas über Teddy und die Stimmung sehr angespannt. Morgens versuchte Harry mir grundsätzlich aus dem Weg zu gehen und Nachmittags, wenn er seinen kleinen Bruder abholen kam, verschwand er schnell. Nie blieb er länger als nötig, auch nicht, als Teddy ihn bat, mit uns Fußball zu spielen. Harry erklärte Theodore, das er noch einiges für die Schule machen müsste und er vielleicht beim nächsten Mal wieder mitspielen würde.
Sogar Niall sprach mich darauf an, ob zwischen Harry und mir irgendetwas vorgefallen sei und einen anderen Weg, als ihm die Wahrheit zu erzählen, sah ich nicht. Niall war danach ziemlich platt und sprachlos, er konnte sich auch nicht richtig erklären, was mich zu einem beinahe entstandenen Kuss mit Harry hingerissen hatte, wo ich doch eigentlich noch etwas für Finn empfand. Er hielt sich sogar einmal mit seinen Sprüchen zurück, in denen er seinen Wunsch nach einer Beziehung zwischen Harry und mir ausdrückte, weil er sah, wie verzweifelt ich war. Schlussendlich dachte er auch, dass ich mich wegen der Trennung so sehr nach Nähe gesehnt hatte, es nicht gewöhnt war alleine zu sein und es deshalb zu dem Fast-Kuss gekommen war, eine andere Erklärung fanden wir beide nicht.
Selbst am Freitag war ich zu feige, Harry darauf anzusprechen, was zwischen uns los sei und ob wir das nicht klären könnten. So musste ich mit dem komischen Gefühl im Magen ins Wochenende starten und es fühlte sich ganz und gar nicht gut an, wirkte auf mich nicht so, als würden das zwei entspannte Tage werden. Genau eine Woche, sieben Tage, war es jetzt schon her, dass das Dilemma zwischen Harry und mir begonnen hatte. Wäre das auch irgendwann passiert, wenn ich noch mit Finn zusammen gewesen wäre? Wären Harry und ich uns dann jemals so nahe gekommen? Ich vermisste Harry als Freund, so viel war mir klar, ich vermisste es, wie wir nach dem Kindergarten noch Zeit miteinander verbracht hatten. Und ich überlegte, am Montag die Wogen irgendwie wieder zu glätten, weil ich das so nicht mehr aushielt.
Zumindest hatte ich vor, es am Montag zu tun, bis mir ein Einfall kam. Ich müsste am Samstag sowieso einkaufen und Harry sicher auch arbeiten, dann könnte ich ihn ja einfach beim Supermarkt aufsuchen und dann mit ihm reden, denn ich wusste nicht, ob ich das Wochenende über noch aushielt, zu warten. Deshalb stand ich am Samstag mit neu gesammelten Mut auf, machte mich fertig und verließ ohne Frühstück das Haus. Mein Bauch fühlte sich vor lauter Aufregung so voll an, dass ich nichts essen konnte und ich wollte so schnell wie möglich zu Harry, um das zu klären. Das mit dem Kuss war wahrscheinlich einfach nur ganz blöd gelaufen und es gab sicher einen Weg das zu klären, ohne das die Situation zwischen uns wieder komisch und angespannt war.
Beim Supermarkt angekommen, klopfte mein Herz etwas schneller und ich hoffte einfach, dass Harry anwesend war und mich nicht von sich weisen würde. Zudem hoffte ich, dass er überhaupt noch mit mir befreundet sein wollte, nachher hatte er sich sonst was für Gedanken gemacht und hielt es für besser, wenn ich nicht in seinem Leben war. Dabei war ich als Teddys Erzieher sowieso noch mindestens zwei Jahren ein Teil seines Lebens, bis Teddy eingeschult werden würde und ich hoffte, dass wir auch danach die Freundschaft noch aufrecht erhalten könnten.
Noch etwas müde, da ich die Nacht nicht sonderlich gut geschlafen hatte, dachte ich gerade noch daran, mein Auto abzuschließen. Ich holte einen Einkaufswagen, stützte meine Unterarme an ihm ab und schob ihn so vor mir her in den Supermarkt. Als erstes scannte ich die Kassen ab, doch dort war kein Harry anwesend. Vielleicht räumte er auch Ware ein, also versuchte ich nicht allzu enttäuscht zu sein, gab die Hoffnung nicht gleich auf und begann, durch die Regale zu schlendern, packte hier und da etwas in meinen Einkaufswagen. Am Anfang die langweiligen Dinge, die ich für meinen Haushalt brauchte, ehe es zum besten Teil kam, dem Essen und danach zu den Süßigkeiten.
Doch kurz bevor ich das Süßigkeitenregal erreichte und den Vorrat meiner Lieblingsschokolade auffüllen wollte, der die letzten Tage besorgniserregend schnell leer gegangen war, fiel mir ein Lockenkopf ins Auge. Allein sein Anblick ließ mich lächeln und nachdem ich ein letztes Mal tief durchgeatmet und bis drei gezählt hatte, wollte ich auf ihn zu gehen, doch wurde in der letzten Sekunde daran gehindert. Ein braunhaariges Mädchen ging auf Harry zu, sie schienen sich zu kennen, berührten einander öfter an den Armen oder stupsten sich gegenseitig an. Sie lachten gemeinsam, redeten über irgendwas und am Ende folgte eine lange, sehr innige Umarmung.
Nachdem Harry die Nähe zu mir abgelehnt und als unangebracht betitelt hatte, weil wir nur Freunde waren, warf mich dieser Anblick ziemlich aus der Bahn. Mein Herz zog sich kurz schmerzhaft zusammen, einzig und allein, weil ich die Situation nicht begriff und verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. Doch dann kam mir ein Gedanke, der mir absolut ganz und gar nicht gefiel. Was, wenn das die Person war, dieses Mädchen, in das Harry sich verguckt hatte? Es schien zumindest so, als wären sie sehr innig miteinander. Was wenn sie die Gefühle zu Harry mittlerweile erwiderte und ihm die Nähe zu mir deshalb so unangenehm war? Verständlich, wenn man eine so hübsche Freundin hatte, möchte man einem anderen Kerl ja nicht so nahe kommen und ihn erst recht nicht küssen.
Ich kam mir so dumm vor, was hatte ich eigentlich gedacht, hier zu tun? Harry im Supermarkt auflauern und ihn irgendwie überreden, wieder ganz normal mit mir befreundet zu sein? Er schien glücklich und die Situation machte ihm augenscheinlich nicht halb so viel aus, wie mir. Vielleicht war er sogar froh, dass das jetzt so komisch zwischen uns war, weil er dann nicht mehr mit so einem Trauerkloß abhängen musste. Ich ging ein paar Schritte zurück, wollte mich aus dem Staub machen, da ertönte ein lautes Klirren und ich konnte mich gerade noch so an einem Regal festhalten, damit ich nicht mit meinem Hintern auf dem Boden landete. Ich war gegen meinen Einkaufswagen gestoßen, den ich dort stehen lassen hatte, dieser war nach hinten weg gerollt und gegen ein Regal gestoßen, zum Glück war nichts zu Bruch gegangen.
Sofort hatte ich die Aufmerksamkeit von Harry und diesem fremden Mädchen auf mir. Harry sah mich mit großen Augen an, bis er zu realisieren schien, wer ich war und langsam kam er auf mich zu. Ich wusste nicht, wohin mit mir, die ganze Situation war so furchtbar unangenehm, Harry konnte sicher erahnen, dass ich ihn und die braunhaarige beobachtet hatte. Was sollte ich nur tun? Was sollte ich nur dazu sagen? Mein Herz zog unangenehm in meiner Brust und wollte mir irgendwas mitteilen, doch ich verstand die Zeichen nicht. Ich wollte mich umdrehen und die Flucht ergreifen, da war mein eigener Einkaufswagen schon wieder im Weg, versperrte den Gang und bevor ich mich in Luft auflösen konnte, hatte Harry mich schon erreicht und hielt mich am Handgelenk fest.
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Da hat Louis sich ja jetzt etwas eingebrockt, wie er da wohl wieder herauskommt? Werden Harry und er das vernünftig klären können? :(
All the love xx
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