I'll be good

„Hallo Adam, schön dich bei mir zu haben." sagte eine Frau mit einen gekünstelten Lächeln.

„Hallo." sagte ich Emotionslos und sah sie unbeeindruckt an. 

„Setzt dich doch bitte." sagte sie und machte eine Einladende Geste und deutete auf die Couch, wie auch Sessel.

Ich ging in einen großen Bogen um sie herum und ließ mich auf dem Sofa nieder, in der Ecke.

Der Raum war groß und durch die offene Türe konnte man durch ein Fester sehen, wovon man auf eine Plakatwand schauen konnte, besser gesagt einen kleinen Teil davon. Man sah ein paar Buchstaben und ein paar Zahlen, wovon man aber so nichts ausmachen konnte. Was sollte man damit auch anfangen.

Die Praxis war groß und weiß, mit Bunten Stühlen und Bildern, die nicht wirklich die Kälte nahm.

Die Couch, wo ich mich in die Ecke kauerte, hatte einen sehr hellen grauen Ton und ebenfalls helle, grüne Kissen und ein rotes, was mich störte.

Ich versuchte mich nicht darauf zu konzentrieren, doch die Frau hatte mein Unbehagen generell wohl bemerkt und besonders beim Anblick des Kissens.

„Soll ich das Kissen weg bringen?" fragte sie immer noch mit diesen lächeln. Irgendwie provozierte es mich.

„Geht schon." grummelte ich stattdessen und sah auf ein Bild, wo eine Katze drauf zu sehen war. Aber sie war Abstrakt und hatte nur noch wenig mit den niedlichen, flauschigen Lebewesen zu tun.

„Willst du was trinken?" fragte sie und hob eine Wasserflasche von einer Kommode hoch und brachte sie mit zwei Gläsern zum kleinen Tisch, der zwischen uns Stand.

Auf diesen lagen Taschentücher, ein Paar Bücher und Zettel, ordentlich aufgereiht.

„Nein." antwortete ich und dachte an meine Schultasche die neben mir stand, wo eine noch nicht mal halb leere 500 Milliliter Flasche drin war, woran ich schon seit einer Woche trank.

„Wohl nicht so gesprächig." sagte sie und strich ihre kurzen, aber anscheint ein wenig zu langen, braunen Haare hinter ihr Ohr.

„Sollten sie wohl wissen." sagte ich und sah auf ihr Ohr.

Sie hatte ein Piercing am Oberenteil ihres Ohres. Selten in einen Solchen Beruf. Ich wusste, dass das einen bestimmten Namen hatte, dieser wollte mir grade aber nicht einfallen.

„Woher sollte ich das Wissen?" fragte sie und nahm ein Blatt raus und machte sich Notizen.

„Meine Akte. Sie haben sie sicher gelesen. Das tun sie doch alle. Das ist doch normal, bei einem Fall wie mir." sagte ich genervt von ihren dumm Getue.

„Ich habe deine Akte nicht gelesen." sagte sie und sah mich ernst an durch ihre Brille hindurch, „Das tue ich nie bei einem ersten Gespräch. Ich möchte mir einen unvoreingenommenen Eindruck von dir machen. Deine Akte bekomme ich wenn überhaupt, wenn ich mich dazu entscheide dich zu übernehme und ich erkenne das eine Therapie sinnvoll wäre und du auch irgendwie bereitschafft zeigst mit mir zu Arbeiten. Denn ich kann nicht gegen dich ankämpfen und das werde ich auch nicht machen. Selbst wenn ich mich dazu entscheiden sollte dich zu übernehmen, werde ich sie nicht lesen, weil ich ein Fauler Mensch bin, der wenig Freizeit hat. Diese nutze ich dann meist anderswertig."

Irgendwie glaubte ich ihr. Sie wirkte vertrauenswürdiger als alle anderen Therapeutinnen, Sozialarbeiter oder Vertrauenslehrer, die alles andere als Vertraulich wirkten.

„Wollen sie für ihre Ehrlichkeit einen Keks haben." sagte ich und beugte mich ein wenig vor, verlagerte mein Gewicht nach vorne und funkelte sie über den Tisch hinweg an.

„Immer doch." sagte sie und ein Lächeln huschte über ihre Lippen, „Sehe ich so aus, als würde ich zu einen Keks nein sagen."

Ich sah ihren Körperbau an. Sie war nicht dünn, sie war kräftig, aber nicht übergewichtet. Sie sah wie eine Person aus, die keine Zeit oder Lust hatte Sport zu machen und nicht den Segen eines guten Stoffwechsels hatte.

„Nein, um ehrlich zu sein sehen sie nicht so aus, als würden sie nein sagen." sagte ich und sah ihr kurz an die grauen Augen.

„Danke für deine Ehrlichkeit." sagte sie und tat kurz leicht gekränkt.

„Gern geschehen." sagte ich und sah auf meine Hände, die wie immer sehr kalt war.

„Warum bist du also zu mir gekommen?" fragte sie und wirkte ein wenig ernster.

„Wegen meinen Eltern und weil die andere Therapeut mich loswerden wollte." sagte ich und sah auf die Bücher.

„Warum denn? Warum sind deine Eltern nicht da und warum wollte dein vorheriger Therapeut dich ‚loswerden'?" fragte sie und machte sich kurz eine kleine Notiz.

„Meine Eltern sind nicht da, weil sie sich nicht so sehr für mich interessieren wie sie tun und meine Therapeut hatte keine erfolge gesehen und hatte beschlossen, dass es keinen Sinn mit uns machen würde. Denn es gäbe keinen Fortschritt und das läge wahrscheinlich daran dass sie eine Falsche Therapie Methode hätte und hat mich weiter geleitet an sie." sagte ich und sah sie an.

„Was für ein Bullshit." sagte sie und schüttelte den Kopf.

„Jap." sagte ich und zog meinen Huddi ein wenig zu recht.

„Es gibt in der Regel keinen Hoffnungslosen fall..." sagte sie und trommelt mit ihren Kuli auf ihren Knie herum.

„Sie sagen es, in der Regel. Ich bin dann halt nicht die Regel. Es muss doch Ausnahmen geben, sonst wäre es doch langweilig." sagte ich mit etwas, wie Spot in meiner Stimme.

„Nein." sagte sie einfach und hielt Augenkontakt mit mir, bis ich sie nicht mehr ansehen konnte, „Was wurde denn bei dir bisher festgestellt?"

„Depressionen, Selbstverletzendes verhalten, Schlafstörungen, vielleicht Asperger Syndrom, Selbsthass, Gefühl nicht genug zu sein. Ich könnte noch lange so weiter machen. Also eigentlich ziemlich Standard."

„Warum Standard?" fragte sie und nahm einen Schluck Wasser aus ihren Glas.

„Weil jeder doch heutzutage Depressiv ist und sich die Arme aufschlitzt." sagte ich und lehnte mich wieder zurück, weil mein Rücken allmählich begann weh zu tun.

„Das ist irgendwie war, aber ich würde dir trotzdem wiedersprechen. Darf ich deine Narben sehen?" fragte sie und ich zog seufzten meine Ärmel hoch wo viele kleine Runde Narben zum Vorschein kamen.

Sie Bildeten fast ein Muster. Einige waren noch rot oder leicht mit einer Kruste überzogen, anderen waren weiß und nur im Richtigen Licht wirklich zu sehen, da sie mit meiner Haut verschmolzen.

„Warum Punkte, sie sehen nicht aus wie von Zigaretten oder so." sagte sie, nachdem sie sie kurz betrachtete hatte und ich meinen Pulli wieder runter gezogen hatte.

„Bei Punkten werden seltener Fragen gestellt, weil niemand sowas mit Selbstverletzung beim Sehen in Verbindung bringt. Ich kann behaupten, dass ich mir einfach Sonnenallergiepickelchen aufgekratzt hätte, was das auch zum Teil war. Nur die jucken bei mir eigentlich nicht." sagte ich und strich mir durch meine Haare.

„Das ist nicht grade gut, dass du sowas machst... aber das weißt du ja." sagte sie und schrieb was auf.

„Ne, bitte ersparen sie mir die Rede." meinte ich und winkte ab.

Sie überlegte kurz und dann widmete sie sich kurz dem Papier bevor sie aufsah: „Sicher das da nicht noch was ist? Das hört sich irgendwie ein wenig durch einander an. Könnte etwas das alles das in Gang gebracht haben?"

„Ja meine Geburt." sagte ich schroff und sah wieder an ihr vorbei.

„Okay..." sagte sie und sah mich an, „Was noch?"

„Mein ganzes Leben war bisher der größte scheiß. Es kann dann doch nur meine Geburt der Auslöser allem Übel sein." sagte ich und begann an meinen Zeigefinger zu kratzen.

„Du kannst dich an deine Kindheit zum großen Teil nicht erinnern. Also kannst du nicht beurteilen ob alles scheiße war." sagte sie und schob ihre Brille hoch.

„Doch. Ich habe genügend gehört um zu beurteilen wie scheiße meine Kindheit war und an ein paar Sachen kann ich mich erinnern, die nicht grade die Definition von ‚nicht scheiße sein' entsprechen." sagte ich mit einer immer saurer werden Stimme.

Was dachte sie sich. Sie kannte mich nicht, sie kannte meine Eltern nicht und vor allen nicht meine Vergangenheit.

„Was war denn beispielsweise so schlimm?" fragte sie.

„Wenn man sich daran erinnern kann, wie man die Mutter mehrere Stunde im Supermarkt sucht und sie nicht mehr da ist und nachher zurück gefahren kommt weil sie ihren 4 Jährigen Sohn vergessen hat, weil sie ja so viel zu tun hatte.

„Okay... und?" fragte sie und machte sich Notizen.

„Im Kindergarten und in der Schule wurde ich ständig geärgert und niemand hat es gekümmert, weil ich nur ein dummer kleiner Junge bin der nichts kann und nicht wert bin beachtet zu werden." sagte ich und meine Hände begannen zu zittern.

„Vielleicht solltest du mit deinen Eltern darüber reden." sagte sie und sah zu mir auf, „Das bringt mehr als mir das zu Erzählen. Erklären ihnen wie es dir ging und woran du dich noch erinnern kannst. Ihnen ist dies sicher nicht bewusst."

„Sicher doch..." begann ich mit zitternder Stimme und schrie dann wutentbrannt, „Denken sie ich hätte das noch nicht probiert?"

„Komm runter Adam! Setzt dich bitte wieder hin." saget sie und stand auf, als ich aufsprang und meine Tasche Schnappte.

„Wofür, sie sagen ich soll mit meinen Eltern reden... Das was nichts bringt und sie denken damit, damit würde alles wieder gut werden. Aber wissen sie, vielleicht bin ich ja gut. Vielleicht bin ich ja gut genug um der Gesellschaft zu gefallen. Vielleicht werde ich irgendwann gut genug sein um zu überleben. Vielleicht werde ich irgendwann gut genug sein. Aber sie werden mir dabei nicht helfen. Vielleicht denke ich irgendwann nicht mehr, dass alles meine Schuld ist. Ich werde vielleicht alles sein was sie wollen, aber ich will das nicht. Und das ist nicht ok. Das ist nicht ok... Es ist nicht ok Unglücklich zu sein und mit allen unzufrieden. Man muss Glücklich sein." sagte ich mit bebender Stimme und rannte an ihr vorbei, raus aus dem Haus.

Ich hörte noch wie die Psychologin mir hinterher schrie, dass ich doch zurückkommen soll, doch ich rannte weiter.

Weiter auf die Straße.

Ich sah zur Seite, als ich ein Hupen hörte.

Plötzlich erfasste mich ein Ruck und ich wusste, dass ich es endlich geschafft hatte.

Schmerz durchzog mich und meine Knochen wurden zertrümmert.

Ich hätte gut sein können.

Schrei.

Kälte.

Und ich lächelte. 

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