Kapitel 3

„Ich meine ja nur. Es ist schon echt krass seine Freundin zu betrügen, und dann auch noch so dumm zu sein es in der gemeinsamen Wohnung zu machen."

Ich zuckte mit den Achseln. Mittlerweile war es mir egal welche Erklärungen Tom sich aus dem Hut zauberte, um sich zu entschuldigen.

„Vielleicht hatte er vergessen, dass wegen des heftigen Sturms das Festival abgesagt wurde und ich somit früher zu Hause sein würde. Er hat sich versucht rauszureden, die ganze Schuld auf das Mädchen zu schieben. Sie hätte ihn verführt, aber das glaube ich ihm nicht."

Wieder griff er sich mit Daumen und Zeigefinger an sein Kinn, als würde er überlegen.

„Wie lang ist das jetzt schon her?"

„Fast ein ganzes Jahr. Wir waren zwei Jahre zusammen gewesen und seit einem Jahren in unserer gemeinsamen Wohnung."

„Dann verstehe ich wirklich nicht, warum er das gemacht hat. Ich meine, ich kann jetzt nicht behaupten, dass ich dich gut kenne und so, aber an sich scheinst du ja ein ganz netter Mensch zu sein, auch wenn du ne kleine Zicke bist und winzig."

Mein Kopf schoss zu ihm und meine Augen verengten sich. „Winzig?", fauchte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Böser Fehler. Mein Hand begann zu brennen und auf meinem weißen Oberteil war ein fetter, nasser Fleck von der Salbe zu erkennen.

„Ja, du bist winzig. Und dezent doof." Er lachte und richtete seinen Oberkörper auf. „Auf dem Nachttisch liegt die Salbe. Mach dir am besten noch mal was drauf. Jetzt klebt ja alles an deinem Shirt. Und wehe, ich finde nachher auch nur einen Fleck auf meiner Bettdecke!"

Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Seine einzigste Sorge war es also, dass seine Bettdecke nicht schmutzig wurde? Komischer Kauz, dieser Gaspar de Ignalio.

„Komm schon, Ignalio, es gibt wirklich Schlimmeres", lachte ich und verteilte die neue Salbe auf meiner Handfläche. Das Brennen hatte schon nachgelassen, allerdings zog meine Haut als wäre sie ausgetrocknet.

„Es ist ein Unterschied, ob ich sie schmutzig mache, oder du." Ich prustete los. Auch, wenn ich schon zweiundzwanzig war, hatte auch ich manchmal noch zweideutige Gedanken. Und genau das war hier der Fall. Ignalio schien zu verstehen und grinste. „Prüde, aber doch so versaut", lachte er und lehnte sich wieder zurück in die Kissen.

„Ich bin überhaupt nicht prüde!"

„Ach nein? Dann frage ich mich wirklich, ob du deinen Ex auch rangelassen hast, wenn er ja scheinbar so schnell von einem anderen Mädchen verzaubert werden konnte."

„Nein", murmelte ich und stütze mein Gesicht in die gesunde Handfläche. Vielleicht war das der Grund, warum Tom sich hat dazu verleiten lassen. Aber wer wusste das schon.

Gaspars Kopf schoss zu mir rüber. „Du hast ihn zwei ganze Jahre lang nicht rangelassen? Das ist jetzt ein Scherz, oder?"

„Nein, ist es nicht", sagte ich ernst und griff nach der Brandsalbe. „Und ich habe auch keine Lust jetzt darüber mit dir zu reden, nur damit du dich über mich lustig machen kannst?"

„Mädchen, hast du deine Tage, oder Drogen genommen, oder warum hast du so krasse Stimmungs-schwankungen?"

Ich schüttelte nur den Kopf und stand vom Bett auf. „Ich glaube, der Tag heute war einfach ein bisschen viel für mich."

Kurz vor der Tür hielt ich die Salbe hoch. „Ich leih mir die die Nacht über aus. Du hast ja keine Verbrennungen. Kann ich 'nen Verband über die Creme machen, damit ich mir meine Bettdecke nicht versaue?"

„Wenn du dir über die frische Verbrennung einen Verband legst, kannst du morgen die Knochen deiner Hand betrachten. Über Verbrennungen niemals Stoff legen, das zieht dir die Haut ab."

„Ich nehme an, du sprichst aus Erfahrung?" Er hielt seine Hand hoch und deutete auf eine längliche, breite Narbe. „Es hat zwei Jahre gedauert, bis sich die Haut neu gebildet hat." Ich zog scharf die Luft ein. Die Schmerzen und die Beeinträchtigung in seinem Beruf wollte ich mir gar nicht vorstellen.

„Gute Nacht", sagte ich noch und winkte kurz mit der gesunden Hand, in der sich die Salbe befand und öffnete die Tür. Ich trat auf den Gang und lief zur Küche. Auch, wenn ich mir gerade eine sehr schmerzhafte Verbrennung zugezogen hatte, wollte, und konnte ich nicht ohne Wärmflasche schlafen. Also füllte ich erneut den Wasserkocher und wartete geduldig.

„Das ist jetzt aber nicht wirklich dein Ernst." Im Türrahmen stand Ignalio mit verschränkten Armen und lachte ungläubig. „Du hast dir eben die Flossen verbrannt, und willst dir jetzt wieder eine Wärmflasche machen?"

„Korrigiere, DU hast MIR die Flossen verbrannt." Wieder ein Auflachen.

„Stimmt auch wieder." Ich lächelte kurz und wandte mich anschließend wieder dem Wasserkocher zu.

„Ich schaff das schon." Gerade, als ich meine Hand danach ausstrecken wollte, kam er mir zuvor.

„Ich glaube nicht, dass es so eine gute Idee ist, wenn du das jetzt machst. Und warum brauchst du überhaupt eine Wärmflasche? Es ist doch recht warm nachts."

Meine Augen weiteten sich. „Warm? Es soll warm sein?"

Er sah an sich herunter. „Ja, also ich schlaf nachts immer so."

„Ich schlaf auch nur in Slip und T-Shirt, aber trotzdem ist es mir ohne Wärmflasche zu kalt."

„Dann bist du wirklich ne Frostbeule. Kannst ja nachts zu mir kommen. Aus sicheren Quellen habe ich erfahren, dass ich nachts ganz heiß bin."

Ich prustete los. „Aus sicheren Quellen?"

„Das sagte zumindest meine Ex-Freundinnen."

„Die Armen müssen es ja wissen."

„Was heißt hier „die Armen"?"

Ich schüttelte nur den Kopf und wartete darauf, dass Ignalio damit fertig war das Wasser in meine Wärmflasche zu füllen." Nachdem er sie fest zugeschraubt hatte, sah er sich das Motiv an und musste lachen.

„Ein Elefant?"

„Das waren damals meine Lieblingstiere. Meine Mutter musste mir stundenlang die Geschichte von der Elefantendame Elisabeth vorlesen. Irgendwann konnte ich es dann auswendig."

Er lachte und reichte mir die Flasche. „Meine Lieblingstiere waren früher immer Bären gewesen. Aber mittlerweile sind es Hunde. Ich hatte auch einen aber der lebt momentan bei einem Freund von mir."

„Bei dem Freund, der dich auch hergefahren und uns beinahe umgefahren hat?"

„Genau der", lachte er und schien einen Moment in Erinnerungen zu schweben, bevor er erneut anfing zu lachen.

„Was ist jetzt schon wieder so lustig?", fragte ich und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Arbeitsfläche.

„Ich musste mich nur gerade daran erinnern, was er zu mir gesagt hat. Er wollte mich eigentlich auch bald mal mit Max besuchen kommen."

„Max?"

„Mein Hund", erklärte er. „Ein ganz lieber. Er wird im Winter drei Jahre alt, ist aber immer noch total verspielt und kinderlieb."

„Und was hat er zu dir gesagt?" Ich wollte nicht neugierig sein, aber wenn er es mir schon unter die Nase rieb, dass sein Freund etwas gesagt hatte, dann konnte er mir ja auch sagen was.

„Du bist ganz schön neugierig", grinste er, „aber ich sag es dir ja. Er wollte mit mir eine Wette abschließen, wie lang ich brauchen würde, um dich flachzulegen, und er fand dich vom ersten Moment an scharf."

Gaspar lachte über meinen entsetzten Gesichtsausdruck und schien sich gar nicht ehr wirklich beruhigen zu können.

„Ich glaube, du bist der einzige Grund, warum er mich gestern angerufen hat und meinte, er würde in den nächsten Tagen mal vorbeischauen."

„Also ich weiß jetzt nicht, ob ich das als Kompliment oder als Beleidigung ansehen soll", murmelte ich und wandte mich langsam von ihm ab. Ich wollte einfach nur noch ins Bett und hoffte, dass meine Verbrennung bis Morgen früh erträglich sein würde.

„Naja, wenn er schon sagt, dass er dich scharf findet, dann kannst du dich wirklich glücklich schätzen."

„Ich meinte eigentlich eher die Wette, die er vorgeschlagen hatte."

„Gefällt dir die Vorstellung etwa?"

„Natürlich nicht. Gaspar, ich bitte dich, wir kennen uns seit nicht mal einer Woche. Außerdem bist du nicht mein Typ." Und mit diesen Worten wandte ich mich ganz von ihm ab und verließ die Küche.

„Das nehme ich jetzt als Beleidigung!", rief er mir hinterher, doch ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.

Ich brauchte einige Sekunden um zu verstehen, was mich da aus meinem Schlaf riss. Mein Wecker. Oh, wie ich ihn doch liebte. Wäre es nicht gleichzeitig noch mein Handy gewesen, hätte ich ihn schon lange gegen die Wand geworfen.

Ich setzte mich auf, gähnte einmal ausgiebig und streckte mich, bevor ich vorsichtig mit einem Finger über die gerötete Haut strich. Die Brandblasen waren fast komplett verschwunden. Zwar spannte meine Haut noch immer, doch es war nicht mal mehr ansatzweise so stark wie gestern Abend.

Gaspar hatte also Recht gehabt. Ich würde heute wieder in der Küche arbeiten können, ohne wirklich große Schmerzen zu haben.

Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, trat ich hinaus auf den Gang und traf Gaspar, der ebenfalls gerade sein Zimmer verließ.

„Guten Morgen", gähnte ich und hielt mir schnell die Hand vor den Mund.

„Morgen", grummelte er und hob die Hand.

War er beleidigt, weil ich ihm gestern gesagt hatte, dass er nicht mein Typ war? Wenn das zutraf, dann war er wirklich kleinlich.

„Wann kommt denn dein Freund vorbei? Und bringt er deinen Hund mit?" Ich versuchte ihn etwas aufzulockern und lief neben ihm her.

„Wahrscheinlich morgen oder übermorgen. Er muss schauen wie es mit der Firma läuft, aber dann kommt er mit Max vorbei."

„Das ist schön", murmelte ich noch verschlafen, bevor ich mich noch einmal im Gehen streckte und die Tür zur Küche aufstieß. Wir schienen noch etwas zu früh zu sein, denn weder Janine noch mein Vater erwarteten uns in der Küche.

„Noch nix los hier", meinte Gaspar und lehnte sich gegen die Arbeitsfläche. „Können wir schon irgendetwas machen?"

„Könnten wir, aber wir können auch einfach noch warten bis Janine kommt und solange chillen." Ich zückte mein Handy und öffnete Instagram. Ich war immer auf der Suche nach neuen Ideen für unsere Kreationen und wollte am Liebsten immer alles gleich ausprobieren.

Mit Entsetzen fiel mir, dass ich für meine Freundin Amber noch einen Geburtstagskuchen machen musste. Sie hatte sich eine Schwarzwälderkirsch-Torte gewünscht, und das war wohl das Mindeste, was ich für sie tun konnte. Und das Erschreckende war, dass sie schon morgen Geburtstag hatte. Also war es gerade doch ganz gut, dass wir noch nicht mit der Arbeit anfangen mussten.

Ich wandte mich zu einem der Regale in der Küche und suchte fieberhaft nach Oma's altem, handgeschriebenen Koch- und Backbuch. Dort waren alle Rezepte gesammelt, mit welchen sie dieses Restaurant aufgebaut hatte, zusammen mit meinem Opa.

Meine Oma war eine wundervolle Konditorin gewesen. Bis heute bewundere ich sie wirklich, was sie damals alles geleistet hatte, um meinem Opa unter die Arme zu greifen, damit er sich seinen Traum verwirklichen konnte: Sein eigenes Restaurant. Dass er es einmal soweit schaffen würde, hatte er sich damals sicherlich nicht vorstellen können. Ein Restaurant mit Auszeichnungen und Sterneköchen.

„Nach was suchst du denn?", fragte Gaspar hinter mir.

„Das Kochbuch meiner Oma", antwortete ich, ohne mich nach ihm umzudrehen.

„Und warum suchst du da Kochbuch deiner Oma? Soweit ich weiß habt ihr mir alle Rezepte, die ihr anbietet mit ausgedruckt aufs Bett gelegt. Naja ... du hast sie mir aufs Bett gelegt."

Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und funkelte ihn böse an.

„Du bist echt neugierig. Warum sucht man wohl das Kochbuch seiner Oma? Damit man ein Rezept nachschlagen kann, was wir nicht im Sortiment haben. Das ist was privates." 

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