11. Those Goddamn Eyes
~When I look into your eyes it's like watching the night sky~
- I won't give up, Mraz
Ich wollte ihn hassen. Das wollte ich wirklich, aber dieser Idiot machte es einem wirklich schwer. Warum konnte er nicht einfach ein Arschloch bleiben? Warum konnte ich ihn nicht einfach hassen? Diese und noch einige andere Fragen stellte ich mir, während ich Lily und Luna nach Hause fuhr.
Als wir ankamen, deckte Luke gerade unter großem Genörgel den Tisch. Seine Haare waren verwuschelt und er sah aus, als sei er gerade erst aufgestanden. Sehnsüchtig dachte ich an mein Bett. Es war so nah und doch so fern. Wenn ich mich jetzt einfach wegschlich und ein, mit einem T-Shirt bezogenes Kissen auf meinen Stuhl setzte, würde vielleicht niemand merken, dass ich nicht mehr da war. Leider wurde aus diesem grandiosen Plan nichts, aber ich beschloss ihn mir für ein anderes Mal aufzuheben. 'Und El', fragt ihr euch bestimmt gerade, 'wer hat so hinterlistig deine Pläne durchkreuzt?' Mein großer Bruder natürlich, die haben immerhin den ganzen Tag nichts besseres zu tun, als gemein zu einem zu sein, diese Brüder. Meiner brachte dies fertig, indem er mir einen Stapel Teller in die Hände drückte und sagte: „Mach mal." Nicht das da jetzt sowas kommen würde wie: 'Ach, allerliebste Schwester, wärst du so freundlich und würdest mir helfen den Tisch zu decken.' Als ich ihn einfach nur mit hochgezogenen Augenbrauen anschaute, erläuterte er: „Tischdecken", und fuchtelte mit den Händen in Richtung Küchentisch. Was? Nein, hätte ich jetzt nicht gedacht, dass ich den Tisch decken soll. Danke, dass du mir das gesagt hast. Ich hätte die Teller jetzt einen nach dem anderen aus dem Fenster geschmissen. Da Luke in seinem halbwachenZustand vermutlich keinen Sarkasmus verstehen würde, sagte ich jedoch: „Ich hab heute schon Lily und Luna in die integrative Lerngruppe für Kinder bis zum Vorschulalter gebracht. Da kannst du ja wohl noch alleine den Tisch decken."
„Was fürn Schrott?"
„integrative Gruppe für... ach, ist auch egal. Jedenfalls bin ich heute schon Auto gefahren und du hast es nicht mal geschafft dir eine Hose anzuziehen." Ich deutete anklagend auf seine Fröschchen Boxershorts, wobei mir fast die Teller runtergefallen wären.
„Du bist doch selbst Schuld, wenn du abends noch so lange bei deinen Freunden warst. Wahrscheinlich bist du eh zu spät, weil du mit einem von denen rumgemacht hast."
„Ich bin mit keinem von ihnen zusammen und ich hab auch noch keinen von ihnen geküsst." Unwillkürlich schoss mir ein Bild von Pauls Lippen durch den Kopf und wie sie sich wohl anfühlen würden, was natürlich nicht unbedingt zu gesteigerter Konzentration führte. Aber ich hasste ihn ja, also war es gar nicht wichtig wie seine Lippen schmeckten oder wie braun seine Augen waren. Okay, STOP. Ich blinzelte leicht, um diese Bilder von Paul aus meinem Kopf zu kriegen. Während ich mit meinen Gedanken nicht ganz da gewesen war, hatte Luke irgendetwas gesagt, aber bevor ich nachfragen konnte kam meine Mutter herein. „Ellie du hast einen Freund? Hoffentlich keinen von diesen Raufbolden. Wegen denen hast du doch schon genug Ärger am Hals."
„Mum, kein Mensch sagt heutzutage mehr Raufbold."
„Aber ich bin doch ein Mensch und ich sage es."
„Ja, also ich meine kein normaler Mensch. Und Halunke sagt man übrigens auch nicht mehr und auch nicht Spitzbub."
„Aber Halunke sag ich doch so gern..."
„Ja, dann sag das doch bitte einfach nicht mehr in meiner Anwesenheit, okay?"
Und so liebe Leute bringt man seine Eltern vom Thema Jungs ab. Das Copyright für diesen Lifehack geht an Eleanor Susen Blackwood.
„Und was ist jetzt mit den Halunken von Gestern?" Okay vergesst, was ich gesagt habe.
„Bist du mit einem von ihnen zusammen? Jake vielleicht? Mit dem hätte ich kein Problem. Oder Christian, Jake von den Blacks? Der ist doch echt nett."
Mein Vater war nun auch ins Esszimmer gekommen und das allerletzte was ich wollte, war eine Diskussion zwischen meinen Eltern über irgendwelche Halunken. „Der Junge, der meine kleine Ellie-Perelli anrühren darf, muss erst noch geboren werden."
„Ähm Dad, der wäre dann aber mindestens 16 Jahre jünger als ich. Ist das nicht ein bisschen zu jung?"
„Ach ja stimmt, unsere Elli-Perelli steht ja eher auf große, ältere Muskeltypen."
Fast hätte ich Luke einen Teller ins Gesicht geworfen, aber das Risiko nochmal mit Luna und Lily in diese bescheuerte Lerngruppe zu müssen, wollte ich dann doch nicht eingehen.
Während des Mittagessens erfuhr ich, dass Daniel und Alec auf Sightseeing-Tur in La Push und Umgebung waren. Sehenswürdigkeiten in La Push? Da lacht ja nicht einmal Luke. Vielleicht schauten sie sich gerade drei umgefallene Steine am Strand an, oder fotografierten eine alte Jagdhütte. Egal wo sie gerade waren, ich war froh, dass ich nicht bei ihnen war und noch um einiges fröhlicher war ich, als ich nach dem Essen in meinem flauschig warmen Bett versank.
Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht mehr genau, was ich den restlichen Tag noch gemacht habe. Ich glaube, dass ich noch mit meinen Eltern am Strand war, aber wir haben uns definitiv keine Steine angeschaut. Wahrscheinlich haben sie mir noch irgendwelche peinlichen Fragen gestellt, aber so genau weiß ich das nicht mehr. Was aber ganz bestimmt nicht daran lag, dass ich eine ganze bestimmte Person mit verdammt schönen Augen nicht mehr aus meinem Kopf bekam.
Am nächsten Tag in der Schule saß ich neben dieser ganz bestimmten Person in Mathe und versuchte krampfhaft sie nicht anzusehen. Ich kam zu dem Schluss, dass Mathe gar nicht so schwer ist, wenn man denn mal zuhört, aber Leider ist es genauso langweilig, wie wenn man es nicht tut. Als ich kurz meinen Kopf drehte um auf die Uhr zu schauen, stellte ich fest, dass Paul mich anstarrte. Schnell schaute ich woanders hin, was mir bis zur Fünf-Minuten-Pause ziemlich gut gelang. Als es klingelte sprang ich ruckartig auf und rannte beinahe zu Kim. Ich zog sie, nicht auf ihre Proteste achtend, am Arm hinter mir her aufs Mädchenklo.
„Und er hat mich einfach die ganze Zeit angstarrt", flüsterte ich hysterisch Kim zu, die mir in der kleinen Kabine gegenüber stand. „Ja, das hab ich auch gesehen. Das war aber irgendwie süß."
„Ich finde das ist Stalkermäßig. Weißt du wie schwer es ist sich dabei zu konzentrieren? Nicht, dass ich mich auf Mathe konzentrieren wollen würde, aber das ist verdammt nochmal gruselig. Oder wie würdest du reagieren, wenn jemand dich die ganze Zeit so anschaut?" Ich riss die Augen auf und schaute sie mit meinem besten Stalker Blick an. „So hat er doch gar nicht geguckt. Das war mehr so ein von der Seite beobachten. Du solltest ihm echt eine Chance geben."
„Ich will ihm aber keine Chance geben."
Es klingelte und wir gingen zurück in die Klasse. Als wir dort ankamen war Mrs Vale bereits da. Ich wollte gerade auf meinen Platz gehen, da hielt sie mich zurück. „Ah, Miss Blackwood, gehen sie bitte in die Bibliothek und holen sich ein Exemplar unserer Schullektüre: Romeo und Julia. Wir haben dieses Buch angefangen, während sie nicht da waren. Ach, und nehmen sie doch bitte Mr Lahote mit. Er hat seine Lektüre verloren und wir wollen schließlich nicht, dass seine Noten weiter absinken." Meine Augen huschten zu ihm rüber und natürlich schaute er mich an und nicht nur das. Er besaß auch noch die Frechheit mich anzugrinsen und mir zuzuzwinkern. Fassungslos drehte ich mich um und versuchte das flaue Gefühl in meinem Magen nicht zu beachten.
Ich versuchte ihn nicht anzuschauen, während wir zur Bibliothek gingen. Das gestaltete sich allerdings schwieriger als erwartet. Er ging ein paar Schritte vor mir und dann hielt er mir auch noch die Tür auf und lächelte dabei. Warum zum Teufel lächelte er die ganze Zeit? Waren seine Mundwinkelmuskeln kaputt gegangen?
Wir betraten die Bibliothek und eine angenehme Ruhe umhüllte uns. Auf den Gängen war es sogar während der Unterrichtstunden laut, aber hier zwischen den ganzen Büchern, fühlte ich mich irgendwie geborgen. Ich war wohl stehen geblieben, denn Paul räusperte sich und schaute mich erwartungsvoll an. Ich schüttelte leicht den Kopf und wir gingen zur Bibliothekarin. Sie war eine alte Dame mit angegrauten Haaren und einer Brille, bei der man Angst hatte, sie könne ihr von der Nase rutschen. Als wir ihr unser Anliegen erklärt hatten, schaute sie uns erst einige Sekunden an, drehte sich dann um und schlurfte in den hintersten Teil der Bibliothek. Sie krächzte noch irgendetwas von wegen 'könnte etwas länger dauern' und 'könnt euch ruhig umsehen', bevor sie hinter einem großen Regal verschwand. Na super, jetzt war ich noch länger mit Paul alleine.
Um dem peinlichen Schweigen aus dem weg zu gehen, das nun wohl folgen würde, ging ich zu irgendeinem Bücherregal und zog ein beliebiges Buch heraus. „Fifty Shades of Grey", Nein danke. Ich ging ein wenig weiter nach hinten und endlich fand ich, was ich gesucht hatte. Die Einbände der Harry Potter-Reihe waren leicht zerrissen, aber was will man in einer Bücherei auch anderes erwarten. Ich zog den Halbblutprinzen heraus und schlug ihn einfach irgendwo auf. „Du liest Harry Potter." Das war keine Frage sondern eine Feststellung. Paul stand so dicht vor mir, dass ich beinahe zurück gezuckt wäre. Ich konnte es ihm nicht unbedingt verübeln, da die Gänge ziemlich eng waren, dennoch merkte ich wie mein Atem sich leicht beschleunigte. Das schlimmste war jedoch, dass er es auch merkte.
„Du hast mich erschreckt", sagte ich und hoffte er würde meine Ausrede akzeptieren. Dann, bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, fragte ich: „Warum schaust du mich die ganze Zeit so an." Währendessen blickte ich ihm urverwandt in die Augen. Oh Gott, diese verdammten Augen. Es schien ihm keineswegs peinlich zu sein und er wich meinem Blick auch nicht aus. „Weil du hübsch bist (da hat wohl jemand „Das Schicksal ist ein mieser Verräter" gelesen)." Ich schnaubte. Heute morgen hatte ich meine Haare mal wieder zu einem hässlichen Dings Bums auf meinem Kopf zusammengebunden. Vermutlich hatte ich die übelsten Pandaaugenringe und mein Hoodie war auch nicht besonders kleidsam. Plötzlich löste sich die Anspannung in meinem Bauch und ich zog die Augenbrauen hoch.
„Glaubst du nicht, dass du süß bist oder dass ich dich süß finde?" Sein Grinsen war wieder da.
„Ähm, beides, aber warum interessiert dich das überhaupt." Er wollte mich aufziehen. Das tat er immer und fand es dann hinterher unglaublich witzig. Ich brach den Blickkontakt ab und blickte starr auf meine Seite. Konnte diese blöde Bibliothekarin sich nicht ein bisschen beeilen. „Warum sollte ich lügen?" Seine Stimme klang nun wieder ernst. Ich schaute hoch und begriff erst, dass es ein Fehler gewesen war, als ich mich schon wieder in seinen Augen verlor.
„Ich weiß nicht, vielleicht findest du das witzig. Wir kennen uns schon ewig und ich konnte dich noch nie leiden." Ich legte das Buch hinter mir ins Regal und verschränkte die Arme.
„Dann findest du es also total abstoßend, wenn ich so dicht vor dir stehe. Er trat einen Schritt auf mich zu, sodass meine Arme seinen Bauch berührten und verdammt. Er war echt heiß. Also ich meine natürlich seine Körpertemperatur, nur falls ihr jetzt gedacht habt... Ich schaute ihm weiterhin in die Augen und sagte: „Absolut widerlich." Ich spürte mein Herz gegen meine Brust schlagen und eine Stimme in meinem Kopf schrie: 'Lüge, du willst, dass er noch viel näher kommt.' Ich sollte echt mal zum Psychiater gehen. Stimmen im Kopf sind doch nicht normal. Allerdings musste ich zugeben, dass die Stimme in meinen Kopf irgendwie Recht hatte und ich erwischte mich dabei wie meine Augen zu seinen Lippen wanderten.
„Du starrst mich an."
„Ja ich weiß. Ich versuche dich mit meinen Blicken zu erdolchen."
„Du versuchst meine Lippen mit deinen Blicken zu erdolchen." Ich wurde rot. El, jetzt reiß dich verdammt nochmal zusammen. Er denkt sonst noch, dass du was von ihm willst. 'Aber genau das tut sie doch'. Ach scheiße, ich wusste nicht mehr was ich antworten soll.
„Okay, wenn du mich so widerlich findest, dann lass mich doch bitte etwas ausprobieren." Ich zuckte mit den Schultern und er schien das als ja aufzufassen. Im Nachhinein ist mir dann auch aufgefallen, dass ziemlich klar war, was er jetzt tun würde, aber in diesem Moment war ich vollkommen überrascht. Er beugte sich zu mir runter und küsste mich. Nur ganz kurz, dann löste er seine Lippen von meinen und blieb so stehen, dass unsere Nasen sich berührten. Ich löste meine Arme aus der Verschrenkung und zog sein Gesicht wieder an meines heran. Die Stimme hatte gewonnen. Hoffentlich würde ich keine Massenmörder werden, dachte ich während sich seine Lippen sanft auf meinen bewegten. Er schlang seine Arme um meine Taille. Als ich mich von ihm löste um nach Luft zu schnappen, murmelte ich: „Scheiße", dann ließ ich meine Hände durch seine Haare gleiten und küsste ihn weiter.
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