Werwolf

,,Leute, hat wer Remus gesehen?", wollte Emily in der nächsten Woche wissen. Sie hatte Sirius die ganze Zeit über ignoriert und sich besser mit Barty, Lily, Severus und Remus befreundet.

,,Nein", sagte James kopfschüttelnd. ,,Ich hätte eher gedacht, dass er bei dir wäre, immerhin seid ihr doch die Streber."

Emily gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und machte sich auf die Suche nach Remus.

Er war nicht im Schlafsaal, nicht im Gryffindor Turm, nicht in der Bibliothek, weder draußen, noch in der Großen Halle.

Schließlich stand sie vor dem Krankenflügel.

Mit einem lauten Knarren öffnete sie die Tür und trat ein. Viele Betten waren in dem weißen, großen Raum und der Flügel wirkte etwas leer. Ein wiederlicher Geruch nach Putzmitteln stieg Emily in die Nase und sie guckte sich um.

Eines der Betten war besetzt, in dem ein Junge leise ein Buch las.

,,Emily, was tust du hier?", fragte er und hob fragend den Kopf.

,,Ich suche dich", sie kramte in ihrer Tasche und zog Schokolade heraus, die sie Remus reichte. ,,Ich habe gehört, das solle helfen."

Remus war noch kränklicher und blasser als zuvor und er wirkte erschöpft, als könne er jede Sekunde zusammenbrechen.

,,Du siehst echt krank aus, Remus." Besorgt hielt sie ihre Hand auf seine Stirn, jedoch merkte sie nichts äußergewöhnliches.

,,Wie fühlst du dich?", sagte sie. Schwach lächelnd stützte sich der Gryffindor auf die Ellebogen und Emily setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett.

,,Als wäre mein Körper zu klein für mich", antwortete Remus schlicht und starrte die gegenüberliegende Wand an.

,,Ich hoffe, das wird bald besser." Verzweifelt suchte sie tröstende Worte, doch ihr fiel nicht viel mehr ein.

,,Ich habe Bücher dabei! Und die Hausaufgaben", wechselte die Schwarzhaarige das Thema geschickt und reichte Remus einige Bücher und Pergamentblätter.

Etwas zögerlich nahm Remus die Bücher an, die Emily ihr reichte.

,,Was gab es so spannendes im Unterricht?", verlangte er zu wissen und ließ die Bücher und Blätter auf dem Nachttisch liegen.

,,McGonagall hat Bellatrix Punkte abgezogen, du weißt nicht, wie amüsant das war", erzählte sie lächelnd. ,,Slughorn hat wie immer irgendwas vor sich hin geredet, von wegen, er habe so tolle Kontakte. Bei Professor Lewis haben wir Expelliarmus weiter geübt und das beherrschen immer noch nicht alle. Geschichte der Zauberei war immer noch totlangweilig und Zauberkunst haben wir den Zauberspruch Wingardium Leviosa gemacht. Alles in allem hast du nicht viel verpasst. Nur langweiliges Geschwafel, wenn du mich fragst - nichts wichtiges."

,,Danke, Emily. Stört es dich, wenn ich etwas schlafe?"

,,Nein, natürlich nicht." Emily legte den Kopf schief. ,,Gute Besserung."

Sie ging aus dem Krankenflügel in den Gryffindor Turm und ließ sich in eine Couch fallen. Eifrig machte sie ihren Zaubertränkeaufsatz, als Jungs Gelächter ertönte und sich zwei Personen neben sie setzten.

,,Du machst doch nicht ernsthaft Hausaufgaben?", sagte James und begutachtete ihren Aufsatz.

,,Doch", sagte Emily und setzte den letzten Punkt. ,,Aber ich bin auch schon fertig."

,,Es ist Samstag", warf Sirius kopfschüttelnd ein, doch Emily ignorierte ihn komplett, da sie immer noch wütend auf ihn war.

,,Hast du Remus gefunden?", fragte James.

,,Ja. Er ist im Krankenflügel", erwiderte Emily und lehnte sich etwas zurück. ,,Er meinte, es gehe ihm nicht gut. Ihr solltet ihn besser in Ruhe lassen und - warum grinst ihr so?"

,,Warte kurz", wisperte James verschwörerisch. ,,Drei... zwei... eins."

Ein lauter Knall ertönte. Vor Schreck stieß Emily ihr Buch vom Tisch.

,,Was war das?", sagte sie panisch und guckte sich um.

,,Eine Toilette ist explodiert", sagte Sirius grinsend.

,,Und das wart ihr?", fragte Emily ungläubig.

,,Du ignorierst mich ja doch nicht!"

,,Halt deine Klappe, Black. Das war an James gerichtet", fauchte Emily.

,,Zu deiner Frage: ja, das waren wir", sagte James grinsend. Er schlug mit Sirius lachend ein.

,,Ihr seid unfassbar." Kopfschüttelnd ging Emily in den Schlafsaal.

,,Sie ignoriert dich durchgehend", sagte James an Sirius gerichtet, der Emily mit seinem Blick gefolgt war. ,,Und trotzdem versuchst du, mit ihr zu reden. Gibt es etwas, das du mir verschweigst?"

,,Was?", fragte Sirius, der anscheinend gerade auf seinen Gedanken gerissen wurde. ,,Äh, nein."

,,Aha."

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,,Heilige Scheiße! Remus! Du siehst ja wie eine Leiche aus!", rief Emily, als Remus am Montag in die Halle geschlurft kam.

,,So fühle ich mich auch...", murmelte er und gähnte herzhaft.

,,Hast du überhaupt geschlafen?", fragte Lily.

Remus schüttelte stumm den Kopf. ,,Ich konnte nicht schlafen."

,,Ich auch nicht", murrte Emily. ,,Vor allem an Vollmond."

Bei dem Wort 'Vollmond' verkrampfte Remus sich, doch es blieb unbemerkt. Was hatte er?

,,Das liegt am Aberglauben", erklärte Lily und aß einen Pfannkuchen. ,,Bei uns Muggeln gibt es auch einen Aberglauben, aber die glauben da nicht an Werwölfe, aber seit ich weiß, dass es welche gibt, habe ich auch etwas Angst - das sind bösartige Kreaturen."

,,Nein", sagte Emily bestimmt und Remus sah sie verwundert an. ,,Sie sind keine bösartigen Kreaturen. Außer Greyback, aber das ist auch etwas anderes. Ich bin mir sicher, dass es auch freundliche gibt. Würdest du immer noch sagen, sie seien bösartige Kreaturen, wenn ich ein Werwolf wäre?", erklärte sie.

Remus entspannte sich - wenigstens glaubte einer an das gute in Werwölfen.

,,Nein, würde ich nicht", sagte Lily und lief rot an. ,,Das war ja auch nicht so gemeint."

,,Ach Lils", dramatisch atmete Emily aus. ,,Jeder macht mal Fehler. Aber ich kann offen und freudig sagen, dass ich keine Vorurteile gegen Werwölfe habe - außer gegen Du-weißt-schon-wem, aber der bringt Menschen auch noch absichtlich um. So ein Sadist."

,,Ja, das hast du recht", murmelte Remus, während er einen Blick auf die Uhr warf. ,,Oh, Mist! Wir müssen los zu Verteidigung gegen die dunklen Künste!"

,,Shit!", rief Emily. Sie stopfte sich ihr Toast in den Mund und rannte wie eine Irre los, gefolgt von Lily und Remus.

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,,Verzeihung, Professor Lewis", entschuldigte Emily sich, als die drei am Klassenraum ankamen. ,,Wir haben die Zeit aus den Augen verloren", fügte Remus japsend hinzu.

,,Schon gut", sagte der Professor. ,,Da wir nun vollzählig sind, können wir weiter machen. Also, unser Thema für heute sind magische Geschöpfe..."

Emily setzte sich neben Barty und grüßte ihn kurz.

,,...kann mir jemand ein Geschöpf benennen und eine kurze Info geben?", sagte der Professor erwartungsvoll in die Klasse blickend.

Lily meldete sich. ,,Ja, Lily?"

,,Äh, Thestrale", sagte sie.

,,Das ist richtig", sagte der Professor. "Aber die gehören nicht in dieses Fach. Ich meinte damit ein anderes Fachgebiet."

,,So, wie Grindelohs?", wollte Lily wissen.

,,Ja. Kannst du mir etwas über sie erzählen?"

,,Nein", Lily wurde rot. ,,Ich habe nur einmal den Namen gehört."

Emily meldete sich. ,,Ja, Emily?"

,,Werwölfe", sagte sie. Remus zuckte leicht zusammen. ,,Einige sehen sie als bösartige Kreaturen und andere als Menschen, die vom Leben gekennzeichnet sind, deren Schicksal es nicht gut mit ihnen wollte. Werwölfe verwandeln sich bei Vollmond und können sich nicht kontrollieren, dabei kann es passieren, dass er selbst seinen besten Freund umbringt. Jedoch arbeitet das Ministerium an einem Mittel, durch das er die Kontrolle hat, wenn er sich verwandelt: Wolfsbanntrank. Er soll bei Bewusstsein bleiben, und nicht in die Kreatur übergehen. Werwölfe haben einige Symptome ein paar Tage vor Vollmond wie dass sie krank, blass und erschöpft sind. Die Verwandlung ist eine äußerst schmerzvolle Prozedur und während er ein Werwolf ist, kann er sich selber schrecklich verletzen."

,,Vollkommen korrekt, 30 Punkte für Gryffindor."

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,,Emily, kommst du bitte kurz hier her?", sagte Professor Lewis am Ende der Stunde, als alle schon ihre Sachen einpackten.

,,Natürlich", erwiderte die Schwarzhaarige und trat vor.

,,Du hast ein wirklich umfangreiches Wissen, wie ich merke", sagte der Professor und klopfte nachdenklich mit den Fingerkuppen auf den Tisch. ,,Woher wusstest du so viel über Werwölfe? Das kommt erst im vierten Schuljahr vor und du bist gerade mal im ersten."

,,Ähm...", stotterte Emily und ihr stieg Röte ins Gesicht. ,,Ich habe das Buch schon durch und habe mir eines für die vierte Klasse ausgeliehen, weil die Themen dort spannender waren, Sir."

,,Ist das nicht zu viel für dich?", wollte er verdutzt wissen.

,,Oh, nein. Es macht mir sogar Spaß!"

,,Wirklich?" Er lachte auf.

,,Ja, wirklich."

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Die darauf folgenden dreiandhalb Wochen passierte nichts neues, außer dass Remus komischerweise wieder im Krankenflügel war.

Emily saß neben seinem Bett und redete mit ihm.

,,Haben wir Hausaufgaben?", fragte der Gryffindor.

,,Nein, haben wir diesmal sogar nicht!", freudig klatschte die Schwarzhaarige in die Hände. ,,Wir haben keine Hausaufgaben zum Glück."

,,Dann sterbe ich hier vor Langeweile", stöhnte Remus frustriert auf. ,,Ich brauche eine Beschäftigung!"

,,Wie wäre es mit einer Partie Schach?", griff die Gryffindor auf.

,,Gute Idee!"

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An dem selben Abend schlich Emily sich nach draußen um frische Luft zu schnappen, da sie es etwas stickig im Schlafsaal fand.

Leise schlich sie sich durch die Gänge, darauf bedacht, nicht von Filch, dem Hausmeister, erwischt zu werden.

Draußen angekommen wurde sie beinahe magisch vom verbotenen Wald angezogen, etwas wartete dort auf sie - nur was war es?

Sie lief durch das Dickicht, auf der Suche nach dem, was dort war.

,,Lumos", flüsterte sie und die Spitze ihres Zauberstabs leuchtete auf und tauchte ihr Umfeld in warmes, helles Licht.

Ein schauriges Heulen ertönte und Emily folgte dem Geräusch. Dabei näherte sie sich unbemerkt einer kleinen, mondbescheinten Lichtung.

,,Hallo?", rief sie, doch niemand antwortete. Dafür ertönten sanfte Schritte, die sich dem Mädchen näherten.

Sie drehte sich um und wurde aus grünen Augen von einer großen Bestie angestarrt - einem Werwolf.

Ein dickes, dunkles Fell überzog seine Haut und sein heißer Atem kitzelte auf Emilys Haut, dass sie Gänsehaut bekam. Sie hatte Angst.

Der Werwolf atmete hörbar aus, dass Emily zitterte. Sie spürte ihr Herz bis zum Halse klopfen.

Ohne Vorwarnung rannte sie los - ihr war klar, dass er schneller war, doch vielleicht hatte sie noch eine Chance, relativ heile ins Schloss zu gelangen.

Der Werwolf folgte ihr und es waren nur einige Meter zwischen ihnen. Sie keuchte, da sie kaum Luft bekam, aber sie durfte nicht anhalten, denn das wäre ihr Tod.

Sie stolperte und fiel der Länge nach hin. Wimmernd rappelte sie sich auf.

Wieder atmete die Bestie laut hörbar aus und langsam drehte sich die Gryffindor um. Er war direkt hinter ihr.

Sie starrte nach oben in die giftgrünen Augen, in denen mordlustigkeit lag.

Er kam ihr immer näher und sie ging langsam rückwärts, doch dann knallte sie gegen einen Baum.

Der Werwolf war nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt.

Emily atmete immer schneller.

Der Werwolf hob die große Pranke und schlug der Schwarzhaarigen volle Kanne ins Gesicht.

Panisch wollte sie weg rennen, doch er legte seine Pfote auf ihren Brustkorb, lehnte sein volles Gewicht auf sie, so dass ihr die Luft aus dem Körper gepresst wurde.

Das Herz der jungen Gaunt schlug um einiges schneller.

Mit vor Schrecken geweiteten Augen schlug die Gryffindor um sich, doch es brachte nichts.

Die Bestie verrengte die Augen zu Schlitzen und hieb mit der Pfote wieder auf sie ein, dass warmes Blut aus ihrem Halse sickerte.

Sie hielt sich die Wunde mit einer Hand und versuchte mit der anderen den Werwolf von ihr runter zu schieben - vergeblich.

,,B-Bitte", wimmerte sie leise. ,,L-Lass m-m-mich... b-bitte..."

Er keuchte und schlug wieder auf sie ein.

Schwarze Punkte schoben sich vor ihre Augen, ehe sie den Kopf auf den Boden sinken ließ und das Bewusstsein verlor.

Wieder ertönte ein Heulen - nur von einem anderen Tier. Der Werwolf ließ von ihr ab und verschwand.

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Schwer atmend öffnete Emily die Augen und hob den Kopf. Sofort schoss ihre Hand hoch und sie hielt sich den Schmerzenden Schädel.

,Was ist passiert?', dachte sie sich.

Die Sonne ging auf und einige Sonnenstrahlen fielen durch die dichten Bäume.

Emily rappelte sich auf. Keuchend sah sie sich um. Sie war in einem Wald. In dem Wald - im verbotenen Wald.

Humpelnd lief sie zum Schloss und betrat es.

Sofort kam ihr ein aufgewühlter Barty entgegen.

,,Bei Merlins Barte! Du lebst! Wo warst du?" Barty umarmte sie, als seie die Gryffindor ein kostbarer Schatz, bis er das Blut roch und erblickte. ,,Emily, was...?"

,,W-Wald...", keuchte sie und atmete tief ein und aus, bevor sie die Augen nach oben verdrehte, diese schloss und umkippte.

Barty fing sie ihm letzten Moment auf. Er nahm sie hoch und trug sie sofort in den Krankenflügel.

,,Madam Pomfrey! Emily Gaunt wurde verletzt!", rief er und die Hexe tauchte auf.

,,Legen Sie sie auf eines der Betten", befahl sie ihm und wuselte davon.

Sanft legte Barty die Gryffindor ab und nahm ihre kalte Hand in seine Warme.

Was war bloß passiert? Und vor allem - wer war der Werwolf, der sie fast umgebracht hätte?

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