51|Frustration

Überraschungsupdate, weil ich momentan (trotz Weihnachtsgeschäft und gefühlt Null Freizeit deswegen) surprisingly produktiv bin 👀😌

Obwohl ich nach meiner Lernsession sogar relativ zeitig ins Bett gegangen war, hatten mich die Ereignisse vom Wochenende scheinbar so sehr geschlaucht, dass ich am Montag erstmal durch meinen Wecker pennte und völlig panisch und unentspannt in meinen Tag startete. Zwar schaffte ich es, gerade so noch meinen Bus zu erwischen (auch, wenn ich dafür leider in einem völlig willkürlich zusammengewürfelten Outfit steckte, da keine Zeit mehr gewesen war, zu frühstücken und mich ordentlich anzuziehen), aber leider verpasste ich dadurch auch die Gelegenheit, Liam mit Fragen nach Sophia zu bedrängen. Er war, nachdem er sie gestern zurück in ihre Wohnung gefahren hatte, scheinbar noch länger bei ihr geblieben und deshalb erst extrem spät nach Hause gekommen - so spät sogar, dass ich schon geschlafen haben musste, denn ich hatte absolut nichts davon mitbekommen. Der einzige Beweis, dass er die Nacht nicht bei ihr verbracht hatte, waren seine Schuhe gewesen, die heute Früh wieder im Flur gestanden hatten.

Frustriert seufzend lehnte ich mich an die Lehne des Bussitzes, der verwunderlicherweise frei gewesen war. Mein bester Freund würde heute vermutlich direkt nach der Uni noch arbeiten gehen (und auch noch die Schicht bis 20 Uhr schieben, bei der er erst über eine Stunde nach Schluss Zuhause war) und ich konnte es mir nicht leisten, lange aufzubleiben, da mein Tag morgen ziemlich früh starten und ziemlich spät enden würde. Das hieß also, wenn es blöd lief, würde ich ihn auch heute Abend nicht danach fragen können, wie es denn nun mit Sophia gelaufen war.

Diese Tatsache ärgerte mich über alle Maßen, denn ich war nunmal ein neugieriges Stück - und außerdem hatte mein bester Freund von mir auch alle möglichen Details zu Zayn eingefordert, ich fand also, mir standen durchaus ein paar Grundinformationen zu, wie es denn in seinem Datingleben aussah. Sophia hatte ihn gern, da war ich mir seit gestern ziemlich sicher, und ich hoffte sehr, dass sie es meinem besten Freund nicht schwer machen würde, er selbst zu sein.

Aber wie auch immer jetzt der Stand dieser Dinge war... bis ich mehr erfuhr, konnte es dauern. Mindestens noch bis heute Abend, wahrscheinlicher war aber ein noch späterer Zeitpunkt.

Und ich behielt Recht. Von meinem besten Freund war bis zum späten Abend keine Spur zu sehen und schließlich ging ich noch vor 22 Uhr ins Bett, wo ich auch ziemlich schnell einschlief. Auch am nächsten Morgen lief ich ihm nirgendwo in der Wohnung über den Weg (was aber auch kein Wunder war, denn Dienstags war ich in der Regel mit Abstand der erste, der wach sein musste) und so machte ich mich mit der Hoffnung auf den Weg, meinen besten Freund vielleicht wenigstens an diesem Abend irgendwo abzufangen.

***

"Das funktioniert so nicht!" Klappernd rollte der Bleistift über den Tisch, als Yuri ihn frustriert von sich warf und seine Arme verschränkte.

Ich unterdrückte ein Seufzen und hielt den Stift auf, bevor er über die Kante rollen konnte. Darauf, ihn direkt wieder vor meinen Nachhilfeschüler zu legen, verzichtete ich jedoch, da ich fast damit rechnete, dass dieser ihn einfach noch weiter weg schleudern würde und ich anschließend keine Chance mehr hatte, nochmal an ihn ranzukommen. Also platzierte ich den Bleistift bloß auf meinen eigenen Unterlagen, ehe ich mir einmal durch die Haare strich. Ich war seit halb sechs in der Früh auf den Beinen und meine Frisur glich mittlerweile dem Federkleid eines kleinen Vogels, der sich in einem Dornenbusch verfangen hatte. Aber ich hatte bei Gott andere Probleme als dieses.

Der Mathetest, den Yuri gestern geschrieben hatte, war wohl trotz all unserer Bemühungen etwas in die Hose gegangen - zwar gab es noch keine Ergebnisse, aber die unterirdisch miese Laune meines Schülers sprach für sich.

"Ich mach dir keinen Vorwurf", hatte Sasha mir vorhin noch gesagt. "Ihr hattet einfach nicht genug Zeit, um euch auf den Test vorzubereiten."

Ich hatte also beschlossen, erstmal abzuwarten, bis Yuri die Note samt Arbeit wieder heraus bekam und mit ihm zusammen dann alles durchzugehen, was ihm Probleme bereitet hatte. Und bis dato würden wir uns mit seinen aktuellen Hausaufgaben beschäftigen.

Die einzige Schwierigkeit daran war: Yuri hasste es. Er hasste es mit allem, was er hatte. Nach den Brüchen kamen die Klammern dran und leider zählte dieses Thema ebenfalls nicht zu seinen Lieblingen. Es war sogar fast noch schlimmer. Und ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wie ich zu ihm durchdringen sollte, denn er weigerte sich schlicht und ergreifend, es auch nur annähernd allein zu versuchen, eine der Aufgaben zu lösen, die vor uns lagen. Schon mehrmals hatte ich ihm nun langsam und Schritt für Schritt erklärt, wie er vorgehen musste, um eine Klammer aufzulösen, aber meine Bemühungen blieben fruchtlos und ich befürchtete, wenn es so weiterging, würde Yuri endgültig das Handtuch werfen.

Also atmete ich einmal tief durch und sagte dann: "Weißt du was? Ich hatte heute noch gar keine richtige Pause." Das war nicht einmal gelogen, denn auch die Stunde vorlesungsfreie Zeit, die ich hatte, hatte ich mit Lernen verbracht. "Wollen wir vielleicht einfach mal kurz ein bisschen frische Luft schnappen gehen?"

Yuri sah mich skeptisch an, aber ich erwiderte seinen Blick bloß mit einem Lächeln. Ich würde verdammt nochmal nicht zulassen, dass diese blöde Nachhilfestunde mit jeder verstreichenden Minute etwas weiter den Bach runter ging, also traf ich Maßnahmen. Und diese Maßnahmen waren: Meine sich anbahnenden Kopfschmerzen aufhalten, Yuris Frustration entgegenwirken, Beine vertreten, Stimmung heben.

Sasha hatte mir die vollste Kontrolle über die Zeit mit ihrem Sohn gegeben - und ich war der Meinung, dass dazu auch gehörte, ihm die richtige Einteilung von Pausen zu geben. Diese hier war für uns beide mehr als nötig.

Schließlich gab Yuri nach. "Ok", murmelte er und rutschte von seinem Stuhl.

Ich gab mir innerlich einen High-five. Das war doch beinahe schon die halbe Miete. Also trank ich mein Wasserglas leer und stand dann selbst auf. Mein Nachhilfeschüler trug nur einen dünnen Pullover und ich schickte ihn noch einmal kurz in den Flur, um sich zumindest eine Übergangsjacke oder so zu holen, bevor wir nach draußen gingen. Ich selbst gab mich mit der Strickjacke, die ich trug, schon zufrieden. Zwar war es Abends immer noch kalt (es war schließlich erst Anfang März), aber genau diese Kälte brauchte ich jetzt, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Etwa eine halbe Minute später fanden wir uns auf der Terrasse wieder, die direkt an den hinteren Teil der Küche angrenzte. Sasha hatte mir letzte Woche gezeigt, wie die Tür zu öffnen war, wenn ich mal während der Stunde stoßlüften wollte, oder so.

Das hier war ein Fall von oder so, denn anstatt nur etwas Frischluft in den Raum zu lassen, entließen wir uns nun zur Frischluft ins Freie. Ich hoffte einfach mal, dass Sasha kein Problem damit haben würde.

Ich ließ Yuri ein paar Schritte vorlaufen, während ich die Tür so zuzog, dass wir uns nicht versehentlich aussperrten - denn damit würde Sasha vermutlich sehr wohl ein Problem haben. Unser Atem stieg in kleinen Wölkchen in die Luft und auch der Boden fühlte sich unter meinen besockten Füßen doch irgendwie kälter an, als gedacht, aber ich biss bloß die Zähne zusammen und stellte mich zu meinem Schützling (Er hatte hier draußen natürlich eigene Gartenschuhe zu stehen gehabt. Mit Marvelhelden-Motiv und allem).

Ein paar Sekunden war es still und ich schloss kurz die Augen und spürte die kalte Luft angenehm in meine Lungen strömen und durch meine Haare streichen.

"Willst du jetzt rauchen?", fragte Yuri mich plötzlich und irritiert öffnete ich wieder die Augen, um ihn anzusehen.

"Äääh. Nein, natürlich nicht", sagte ich. Wie kam er denn darauf? Selbst, wenn ich Raucher wäre, würde ich das nie vor meinem Nachhilfeschüler tun. Und vermutlich auch nicht zugeben, aber das war eine andere Sache. "Ich rauche auch eigentlich überhaupt nicht."

"Oh", machte Yuri und runzelte die Stirn.

Nun war ich doch neugierig. "Wie kommst du denn darauf, dass ich jetzt rauchen möchte?", fragte ich ihn.

Kurz druckste er etwas herum, dann warf er einen Blick über seine Schulter, wie um zu schauen, ob uns noch irgendwer zuhörte. Dann sagte er: "Zayn sagt immer, er will mal frische Luft schnappen gehen, wenn er rauchen will und Mama das nicht mitkriegen soll."

Ich hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Dass Zayn seine Rauchgewohnheiten vor seiner Tante verstecken musste, hatte ich nicht erwartet.

"Und woher weißt du das?", fragte ich ihn und schaffte es nun doch nicht mehr so ganz, das Grinsen zurückzuhalten.

Yuri sah mich fast schon empört an. "Na, weil er vor mir keine Geheimnisse hat!", sagte er so überzeugt, dass ich tatsächlich kurz ein bisschen Angst bekam.

Keine? Also... wirklich gar keine? Das konnte ich dann aber doch nicht so ganz glauben. Vermutlich behielt Zayn seinem zehnjährigen Cousin doch ein paar mehr Sachen vor, als dieser glaubte (Details zu der Sache zwischen uns beiden, zum Beispiel), aber immerhin schien trotzdem eine gewisse grundlegende Offenheit zwischen den zwei Jungs zu herrschen, was ich wirklich toll fand.

"Erzählst du ihm denn auch alles?", fragte ich Yuri und hob in gespieltem Ernst eine Augenbraue. "Das sollte ja schließlich auf Gegenseitigkeit beruhen."

Anstatt darauf einzugehen, wie ich eigentlich gehofft hatte, zuckte Yuri allerdings nur halbherzig mit den Schultern und hockte sich dann hin, um nach einem kleinen Zweig zu greifen, der scheinbar von den Bäumen im Garten auf die Terrasse geweht worden war. Seine Finger friemelten so lange an der aufgeweichten Rinde herum, bis diese sich löste und er nur noch das nackte Holz in der Hand hielt.

"Weiß nicht", sagte er schließlich leise und ich musste mich selbst etwas nach unten beugen, um ihn überhaupt zu verstehen, während er den Zweig Stück für Stück abknickte und die Reste vor sich auf den Steinboden bröselte. "Früher war er jede Woche mal da, da konnte ich ihm immer alles sagen. Aber jetzt... keine Ahnung. Mama sagt, er hat einfach viel zu tun grad und nicht mehr so viel Zeit für mich." Wieder zuckte Yuri mit den Schultern, dann schleuderte er seinen Stock ins Dunkle vom Garten und legte seine verschränkten Arme auf seinen Knien ab, um sich dann mit dem Kinn darauf abzustützen.

Ich schwieg bedrückt. Dass Yuri Schwierigkeiten hatte, sich mit anderen Kindern anzufreunden und deshalb sehr auf seine Familie angewiesen war, war nichts überraschendes mehr. Aber in diesem Moment wurde mir erst so richtig klar, dass ihm ganz deutlich eine männliche Bezugsperson in seinem Leben fehlte. Seine Mutter war toll und gab sich Mühe, klar. Nur leider reichte das nicht für einen Jungen in seinem Alter, es war also mehr als verständlich, dass es Yuri frustriert und traurig machte, seinen Cousin immer seltener zu sehen. Immerhin schien dieser sein einziger wirklicher Freund zu sein.

Und dass es auch noch irgendwie an mir lag, dass Zayn weniger Zeit für die Besuche seiner Familie hatte, half nicht gerade dabei, dass ich mich weniger schlecht fühlte.

Andererseits war da aber auch die Tatsache, dass Yuri tatsächlich darüber redete - und das ausgerechnet mit mir, was wohl hieß, dass ich langsam tatsächlich eine gewisse Beziehung zu ihm aufbaute. Irgendwie machte mich das stolz. Das hier war nicht mehr nur ein Nachhilfejob, ich hatte eine neue Art der Verantwortung für diesen Jungen neben mir. 

Also hockte ich mich neben ihn. "Hey", sagte ich leise und Yuri sah fragend zu mir. Seine braunen Augen erinnerten mich so sehr an Zayns, dass es fast schon gruselig war. "Ich weiß, wir kennen uns noch nicht besonders gut, aber ich will nur, dass du weißt, dass du immer offen mit mir reden kannst, wenn du irgendwas loswerden willst oder... keine Ahnung, irgendwelche Probleme hast, die du nicht allein lösen kannst, ja? Ich bin eine verurteilungsfreie Zone."

Ein paar lange Sekunden sah mich Yuri bloß an, wie um meine Worte abzuschätzen, und ich erwiderte seinen Blick, versuchte ihm damit klar zu machen, wie verdammt ernst mir diese Angelegenheit war.

Ich erwartete von ihm keine besondere Reaktion (nach wie vor war ich für ihn trotzdem kaum mehr als sein Nachhilfelehrer) und ich bekam auch keine. Bloß ein Nicken, das mir aber ausreichte, um zu erkennen, dass meine Message angekommen war. Ob er das Angebot auch annehmen würde, lag nun nicht mehr in meinen Händen, aber das war in Ordnung. Ich würde einfach mein bestes geben, um Yuri zu beweisen, dass er mir vertrauen konnte.

"Na komm", sagte ich also und richtete mich wieder auf, "Wir probieren uns nochmal an diesen dummen Klammern, okay? Ich schau mit drauf und du sagst Bescheid, wenn du nicht mehr weiter kommst. Ist das ein Deal?"

***

Sandy stand in der Küche, als ich am Abend schließlich vollkommen kaputt die Wohnung betrat. Ich kickte mir die Schuhe von den Füßen, ließ meinen Rucksack mitten im Flur fallen und quetschte meine Winterjacke einfach irgendwo in das Kuddelmuddel von Kleidungsstücken, die an unserer Garderobe hingen und eigentlich schon längst mal aufgeräumt gehörten.

Dann schlurfte ich über die Türschwelle zu meinem Mitbewohner und ließ mich schwerfällig auf einen der Küchenstühle plumpsen. Sandy drehte sich vom Herd zu mir und zog eine Augenbraue hoch.

"Hi?", sagte er.

Ich hob bloß schwach eine Hand, zu mehr war ich nach diesem Tag nicht mehr in der Lage. Mein Kopf dröhnte und fühlte sich an, als würde er zehn Tonnen wiegen, also gab ich meinem Bedürfnis einfach nach und legte ihn auf der Tischplatte ab. Meine Arme legte ich so darüber, dass sie das Licht so gut wie möglich von meinen Augen abschirmten.

"Sag mal, bist du okay?", fragte Sandy jetzt und ein etwas besorgter Tonfall schwang in seinen Worten mit. "Oder muss ich mir Gedanken machen?"

"Hmm", grummelte ich in Richtung Tisch, ehe ich mich dazu aufraffen konnte, wirklich etwas zu sagen: "Langer Tag. Bin nur bisschen tot."

Ein paar Sekunden lang herrschte Schweigen (Schweigen, das für meinen brummenden Schädel eine absolute Wohltat war), dann meinte mein Mitbewohner: "Ich mach grad Reis mit so einem Curry-Fertiggericht. Eigentlich wollte ich mir den Rest morgen mit in die Arbeit nehmen, aber du kannst auch mitessen und dann hol ich mir in meiner Mittagspause einfach was vom Bäcker, oder so."

Oh Gott, gab ich ein so fertiges Bild ab, dass Sandy der Meinung war, er müsse mir etwas von seinem Essen andrehen? Andererseits... allein schon der Gedanke, mich jetzt noch zum Kochen hinzustellen -selbst für etwas so Einfaches wie Nudeln- ließ mich gepeinigt das Gesicht verziehen.

"Bist du sicher, dass das in Ordnung ist?", fragte ich trotzdem nochmal nach und schaffte es sogar, meinen Kopf etwas anzuheben, um zu ihm zu schauen. "Ich will dir wirklich nicht dein Mittagessen für morgen wegfuttern."

Sandy rollte mit den Augen. "Du hast mir schon viel schlimmere Sachen angetan, als mein Mittagessen wegzufuttern", sagte er und nun entwich mir endlich doch ein kleines Lachen, das allerdings sofort schmerzhaft in meinen Kopf zog.

Ich gab einen jammrigen Laut von mir. "Kannst du vielleicht auch noch ein Schatz sein und mir eine Aspirin auflösen?", bat ich meinen Mitbewohner nuschelnd - und rechnete es ihm hoch an, dass er der Bitte kommentarlos nachkam und mir ein paar Sekunden später ein Glas mit sprudelndem Inhalt hinstellte. Ich musste wohl wirklich ein fertiges Bild abgeben.

"Danke."

"Keine Ursache. Hier, der Reis ist ein bisschen arg klebrig geworden, aber ich denke mal, das stört dich nicht." Sandy stellte einen befüllten Teller vor mir auf den Tisch. Der Geruch von Curry stieg mir in die Nase und sofort hatte ich das Gefühl, dass mein Tag vielleicht doch noch besser werden konnte.

Direkt meldete sich auch mein Magen mit einem lauten, hungrigen Grummeln, das mich nun endgültig meinen Kopf heben und mich richtig hinsetzen ließ. Als erstes griff ich nach dem Glas mit der aufgelösten Schmerztablette und trank es aus (wenn ich Glück hatte, wirkte sie in den nächsten zehn Minuten), dann griff ich nach dem Löffel, den Sandy mir ebenfalls hingelegt hatte. Ich machte mir eine mentale Notiz, mich dafür irgendwann mal bei ihm zu revanchieren.

"Sag mal, wo ist eigentlich Liam?", wollte ich wissen, als Sandy sich mir schließlich gegenüber gesetzt hatte und selbst anfing zu essen. Ich war davon ausgegangen, meinen besten Freund heute Abend noch zu sehen, immerhin sah sein Stundenplan vor, dass er heute vor mir nach Hause hätte kommen sollen. Bisher hatte ich aus seinem Zimmer allerdings noch keinen Mucks gehört.

Sandy zuckte mit den Schultern. "Nicht da. Ich hab ihn seit heute Früh auch nicht mehr gesehen, also keine Ahnung."

Ich runzelte die Stirn. "Nicht da?", wiederholte ich. Wo zur Hölle sollte Liam denn unter der Woche um diese Uhrzeit noch sein? Normalerweise hielt er doch jede blöde Standard-Essenszeit ein, wenn es ging.

"Ja, nicht da." Mein Mitbewohner verdrehte die Augen und nahm einen weiteren Bissen, ehe er weitersprach: "Ich hab ihm auch schon geschrieben, aber er meinte nur, er weiß noch nicht, wann er wiederkommt. Mehr Infos hab ich auch nicht gekriegt."

"Oh mein Gott", meinte ich, als mir plötzlich ein Gedanke kam, "Glaubst du vielleicht...?"

Sandy sah mich verständnislos an. "Was?"

"Sophia!", sagte ich mit Nachdruck. "Glaubst du, er ist bei ihr?"

"Boah, keine Ahnung, mann." Mein Mitbewohner zeigte sich viel zu unbegeistert für meinen Geschmack. "Wie gesagt, ich hab ihn das letzte Mal heute Früh gesehen, bevor ich auf Arbeit gegangen bin. Da war er irgendwie komisch drauf, mehr weiß ich nicht."

"Hast du ihn denn gestern Abend noch gesehen?" Ich war noch nicht bereit, locker zu lassen. Und vor allem: Was bedeutete, Liam war komisch drauf gewesen? Von welcher Art von komisch redeten wir hier? Glücklich? Ängstlich? Schlecht gelaunt? Ich brauchte mehr Infos, verdammt!

"Niall." Genervt sah Sandy mich an. "Kannst du mich bitte endlich mal essen lassen? Du warst nicht der einzige, der heute unterwegs war und ich kann auch mal ein bisschen Ruhe vertragen. Nein, ich hab Liam gestern nicht wirklich gesehen, nur einmal kurz, als er am Abend nach Hause gekommen ist, aber das war's. Und jetzt halt mal für ein paar Minuten die Klappe, ja?"

Ich schmollte, schwieg aber, bevor Sandy mich wirklich noch lynchen würde.

Wir aßen unser Abendbrot auf und Sandy scheuchte mich aus der Küche, um noch etwas aufzuräumen. Kurz protestierte ich, aber dann holten mich die Müdigkeit und Erschöpfung ein und ich ließ mich kommentarlos vertreiben. Halbherzig putzte ich mir noch die Zähne und lauschte nebenbei in den Flur, ob mein bester Freund vielleicht zurück kam, was aber nicht der Fall zu sein schien. Schließlich ließ ich mich in meinem Zimmer auf mein Bett fallen (das übrigens noch immer ein bisschen nach Zayn roch) und machte es mir mit meinem Handy in der Hand unter meiner Decke bequem. Liam würde bestimmt nicht mehr so lange unterwegs sein, ich würde also einfach auf ihn warten - das kam mir wie ein guter Plan vor. Zumindest, bis ich weniger als eine Viertelstunde später einfach einschlief, ohne es zu bemerken. 

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