46|Colbie Caillat vibes
Eigentlich hatte ich vorgehabt, Zayn am Samstag von Harrys seltsamen Verhalten zu erzählen und mir vielleicht eine Absicherung zu holen, dass mein Kumpel gestern bloß wegen dem Streit seltsam drauf gewesen war und mich trotzdem noch leiden konnte. Ich wollte nicht einmal zwingend wissen, worum es in dem Streit gegangen war (es sei denn, Zayn hätte von sich aus mehr erzählt), ich wollte mir bloß meine Unsicherheiten von der Seele reden und die Situation von jemandem beurteilen lassen, der sowohl Harry als auch mich gut genug dafür kannte.
All das löste sich jedoch in Luft auf, als Zayn am fortgeschrittenen Abend schließlich vor unserer Tür stand und mich zur Begrüßung erstmal in einen langen, tiefen Kuss zog, der mir jegliche Fähigkeit zum klaren Denken nahm.
"Ich hab dich vermisst", antwortete er mir flüsternd auf meine stumm gestellte Frage.
Dann küsste er mich noch einmal, bevor ich das peinlich-gesülzte "Ich dich auch" herausbringen konnte, das mir im Kopf herumspukte. Im Nachhinein war ich ganz froh darüber, meine Würde behalten zu haben - zudem er meinem Blick wohl entnehmen konnte, dass es mir nicht anders ging, als ihm.
Mein Kopf schwamm, als er seine Lippen schließlich von meinen löste, eine Hand an meiner Taille, die andere an meinem Kiefer. Verdammt, ich hatte ihn wirklich vermisst. Seine Berührungen, das Gefühl seines Oberkörpers unter meinen Händen, seine dunklen Augen und wie er mich damit ansah... besonders aber, ihn zu küssen.
Mit deutlicher Verspätung fiel mir ein, dass ich ihn vermutlich mal in die Wohnung lassen sollte und so räusperte ich mich verlegen, ehe ich den Weg freigab und er eintreten konnte. Er dankte es mir mit einem Lächeln, das die Schmetterlinge in mir zum Leben erweckte.
"Hast... ähm. Hast du eigentlich meine Nachricht gekriegt?", wollte ich dann wissen, noch immer viel zu benebelt von unseren Küssen eben.
Zayn, der sich gerade die Schuhe von den Füßen trat, zuckte bloß mit den Schultern. "Nope, ich saß bis eben am Steuer und hab noch nicht aufs Handy geschaut. Wieso? War es etwas Wichtiges?"
"Ääh", machte ich, "Kommt drauf an? Ich hab erst vor ein paar Minuten die Erinnerung bekommen, dass Sandy und Liam eine inner-WG-Party machen wollten... umgangssprachlich heißt das, dass wir einfach nur zusammen auf dem Sofa sitzen, Bier trinken, quatschen und dabei Musik hören." Ich hoffte sehr, meine Aufzählungen hörten sich nicht völlig trostlos an. "Im Grunde ist es das gleiche wie unser Mario Kart-Nachmittag, nur mit mehr Alkohol. Du wärst auch mit eingeladen, aber mir ist es relativ gleich, wie wir unseren Abend verbringen."
Unsicher sah ich ihn an, versuchte einzuschätzen, ob ihm nach Gesellschaft war oder nicht. Zayn machte aber keinen allzu abgeschreckten Eindruck und recht schnell bekam ich auch eine Antwort: "Nö, das passt mir. Meinetwegen können wir gerne mit deinen Mitbewohnern abhängen." Er musterte mich kurz. "Oder hast du eigentlich gar keine Lust drauf und wolltest mich als Fluchtmöglichkeit nutzen?"
"Was? Quatsch!" Mit offenem Mund sah ich ihn an, bis mir das Grinsen in seinem Gesicht auffiel. Dieser Arsch machte sich über mich lustig! Schnaubend schloss ich die Tür und verschränkte meine Arme vor der Brust. "Wenn ich dich für irgendwas benutze, dann mach ich das schon bei etwas krasserem als der Flucht vor meiner WG!"
"Ach?" Zayn grinste noch immer. "Und was dürfte ich mir darunter vorstellen?"
Ich versuchte, an nichts sexuelles zu denken. Dann stellte ich fest, dass wenn man versuchte, nicht an etwas zu denken, die Sache zu dem einzigen wurde, an das man denken konnte. Und dann hatte ich das Gefühl, dass man mir meine Gedanken viel zu deutlich ansehen konnte und begann, Panik zu schieben.
"Ich, äh- ich... ich..." Mein Gesicht musste knallrot sein und vermutlich würde mir gleich der kalte Schweiß ausbrechen. Es half auch nicht gerade, dass er ein dunkelrotes Hemd trug, das es irgendwie schaffte, ihn noch attraktiver zu machen, als er eh schon war. "Steuerhinterziehung, vielleicht. Möglicherweise auch Clankriminalität, wenn das erste nicht klappt."
Hilfe, was gab ich hier bitte von mir?
Zayn sah mich ungefähr zwei Sekunden lang völlig irritiert an, dann brach ein Lachen aus ihm heraus und er warf seinen Kopf in den Nacken, während er sich den Bauch hielt. Ich lachte nervös etwas leiser mit. Immerhin hatte ich damit die Gefahr, für notgeil gehalten zu werden, abgelenkt - ob es besser war, wenn er mich stattdessen für einen absoluten Trottel hielt, stand noch aus.
Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis Zayns Lachanfall abebbte und er mich nur noch angrinste. "Nur, damit du es weißt", sagte er dann, "Ich wäre definitiv bereit dafür, dein Sidekick beim Steuern hinterziehen zu sein."
Noch immer war ich mir nicht sicher, ob ich nach diesem Abend einfach meine gesamte Identität wechseln und nach Amerika ziehen sollte, aber fürs Erste schien ich den Vogel noch nicht komplett abgeschossen zu haben. "Ah", sagte ich also, "Wir könnten so ein Bonnie und Clyde-Ding machen. Mit Fluchtwagen und allem."
Zayns Grinsen wandelte sich in ein sanfteres Lächeln um. "Klingt super. Ich würde mir auch Mühe geben, dass keiner von uns erschossen wird."
"Wie aufmerksam von dir." Obwohl die Wörter eigentlich scherzend-ironisch gemeint waren, klangen sie beim Aussprechen sehr viel ernster, so als fände ich es wirklich aufmerksam von ihm, daran zu denken, dass wir in diesem fake-Szenario am Leben blieben. Vielleicht tat ich das auch.
Und vielleicht hatte ich in diesem Moment auch endlich die Erkenntnis, dass das mit Zayn eine verdammt große Sache war, die möglicherweise tatsächlich an etwas Bonnie-und-Clyde-mäßiges erinnerte (abgesehen von der Tatsache, dass wir keine Kriminellen waren, versteht sich).
Mein Blick verhakte sich mit seinem und mein Herz fühlte sich an, als hätte es noch nie so schnell und gleichzeitig so ruhig geschlagen. Ich schluckte und auch Zayn sah so aus, als würde er etwas sagen wollen.
Bevor es allerdings so weit kommen konnte, öffnete sich die Tür am anderen Ende des Flurs und Sandy steckte den Kopf aus seinem Zimmer.
"Ach, sieh an!", sagte er, während wir, vollkommen aus unserer Blase gerissen, zusammenzuckten. "Zayn beehrt uns also doch schon mit seiner Anwesenheit. Wollt ihr zwei eigentlich auch mal rein kommen oder lieber weiter hier draußen rumstehen und euch anglotzen?"
"Sandy!", ertönte Liams tadelnde Stimme aus dem Off, "Jungs, es ist euch überlassen, ob ihr zu uns kommen wollt oder nicht."
Ich sah Zayn fragend an, der zwar etwas aus seinem Orbit gestoßen wirkte, meinen Blick aber erwiderte und kaum merklich nickte.
"Wir sind dabei", sagte ich und wandte mich dann wieder an unseren Gast: "Willst du irgendwas Besonderes trinken? Oder reicht dir Bier?"
"Bier ist okay", meinte Zayn, "Ich muss nur schauen, dass ich morgen wieder fahren kann."
"Klar." Ich nickte verstehend. Wir hatten bereits gestern ziemlich einstimmig beschlossen, dass er wieder bei mir schlief, wenn er sowieso erst Abends kommen konnte. Dass er mit Auto unterwegs und deshalb größtenteils nüchtern bleiben musste, hatte ich mir auch schon gedacht, aber ein, vielleicht auch zwei Bier sollte wohl machbar sein - besonders, wenn er nicht direkt in der Früh schon wieder fuhr, was ich sehr hoffte.
"Du kannst ja deine Sachen einfach schnell bei mir ins Zimmer stellen, dann hol ich mal zwei Flaschen aus dem Kühlschrank. Braucht ihr auch noch was?" Der letzte Satz war an meine beiden Freunde gerichtet.
Von Liam kam ein "Nö, ich hab noch", aber Sandy trug mir auf, ihm ebenfalls ein gekühltes Bier mitzubringen.
Eine Minute später fanden wir uns zu viert auf der durchgesessenen Couch wieder.
"Cheers." Liam hob seine bereits halbleere Bierflasche, um sie mit unseren vollen (und in Sandys Fall der bereits zweiten) zusammenzustoßen. Wir taten ihm den Gefallen und tranken alle direkt einen Schluck. Ich konnte nicht anders, als dabei aus dem Augenwinkel zu Zayn zu schauen, der neben mir saß und sein Bein gegen meins drückte - wegen dem beschränkten Platz auf dem Sofa hatte er auch überhaupt keine andere Wahl, aber ich genoss es trotzdem.
Vorhin hatte ich vergessen, aus der Küche einen Flaschenöffner mitzubringen, und während Sandy stattdessen seinen Verschluss einfach mithilfe der Tischkante aufgehauen hatte -die aufgrund dieser Regelmäßigkeit bereits seit einiger Zeit eine deutliche Kerbe aufwies-, hatte Zayn ohne zu zögern sein Feuerzeug gezückt und damit unsere beiden Flaschen aufgemacht. Eigentlich war es keine große Kunst, ein Bier mit irgendeinem beliebigen Gegenstand zu öffnen. Wenn man einmal den Dreh raus hatte, bekam man meistens den richtigen Winkel hin und selbst ich stellte mich dabei mittlerweile relativ geschickt an. Aber irgendwie hatte es bei Zayn nochmal etwas cooleres an sich, wie er dabei nicht einmal hatte hinsehen müssen, wie er sich dabei einfach weiter mit Liam unterhalten hatte, wie er den Deckel lässig auf den Tisch geschnipst hatte und wie er dann nach der zweiten Flasche gegriffen hatte.
Ich konnte nicht mehr aufhören, seine Hände anzusehen. Immer wieder huschte mein Blick zu ihnen, folgte ihnen, wenn er das Bier an seine Lippen hob und wenn er es wieder absetzte. An seinem Mittelfinger trug er einen breiten, silbernen Ring mit einem eingravierten Flechtmuster und seine viel zu perfekt gerundeten Fingernägel waren sauber und kurz. Nicht einmal einen winzigen Farbkleckser konnte ich auf seinen Händen erkennen, er hatte die letzte Woche also vermutlich eher weniger Zeit im Atelier verbracht - oder zumindest hatte er nicht viel mit dem Pinsel gearbeitet.
Mein Kopf überschlug sich. Ich versuchte wirklich, an völlig harmlose Sachen zu denken (Kunst, zum Beispiel. Das war das naheliegendste. Dann aber fiel mir ein, dass ich mich absolut nicht mit Kunst auskannte. Und dann war das einzige, was mir einfiel, Harrys Jutebeutel mit Michelangelos nacktem David, was nicht sehr hilfreich war.), mein Kopf aber hatte sich schon an Zayns Händen aufgehängt. Ich sah sie vor meinem inneren Auge über meine Arme, meinen Hals, meine Brust fahren, sah sie weiter meinen Körper erkunden, neugierige Berührungen auf meiner Haut-
"Niall, was sagst du dazu?"
"Was?" Meine Stimme klang viel zu schrill und Sandy, der mich mit seiner Frage aus meinen völlig unangebrachten Gedanken gerissen hatte, grinste so teuflisch, als wüsste er ganz genau, was er da angerichtet hatte. Meine Wangen fingen Feuer, dann zogen der Rest meines Gesichts und meine Ohren nach. Ich nahm einen großen Schluck von meinem Bier - und dann gleich noch einen.
"Ääh, sorry. Hab nicht zugehört. Worum geht's?" Ich grinste entschuldigend in die Runde und hoffte, dass das meine Stimme weniger panisch klingen ließ.
"Arbeit im Kundendienst", klärte mich Liam zu meiner Rechten auf. "Wir reden grad darüber, was man den unfreundlichen Kunden alles gern an den Kopf werfen würde."
Ich fühlte mich nach dieser Erklärung nicht weniger verloren als davor. "Nachdem ich noch nie im Verkauf oder irgendeinem anderen Kundendienst gearbeitet hab, weil das eine absolute Katastrophe wäre, kann ich dazu kaum etwas Passendes sagen, glaub ich." Vermutlich würde ich das, was Liam und Zayn sich bei unfreundlichen Kunden verkniffen, an ihrer Stelle einfach laut aussprechen und mich anschließend feuern lassen müssen. Jepp, ich war eine absolut qualifizierte Person für die Arbeit mit einem matheschwachen Fünftklässler.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Zayn den Kopf senkte, um das Schmunzeln in seinem Gesicht zu verstecken. Er musste wohl einen relativ ähnlichen Gedankenverlauf gehabt haben, wie ich.
"Okay, aber hast du einen Kunden schonmal versehentlich beleidigt?", griff Liam das Gespräch wieder auf und sah an mir vorbei zu Zayn.
Ich schaltete wieder auf Durchzug (diesmal allerdings ohne blamierende Abschweifungen), hörte dem Gespräch nur sporadisch zu und nahm immer mal wieder einen Schluck von meinem Bier, während links und rechtes von mir über Kunden gelästert und Insiderwitze zu Service-Jobs ausgetauscht wurden.
Es dauerte nicht lange, bis meine Flasche leer war und ich mich räusperte.
"Leute, ich hol mir noch ein Bier." Umständlich stand ich von der Couch auf und stellte fest, dass mir irgendwie immer noch ziemlich warm war. "Ääh, soll ich irgendwem was mitbringen? Wenn ich eh schon stehe..." Fragend sah ich die drei Jungs an. Sandy und Liam schüttelten ihre Köpfe, aber Zayn wirkte unschlüssig. "Ich kann dir auch was anderes als Bier bringen", schlug ich ihm deshalb vor, "Wir haben Cola, Orangensaft, Wasser..." Ich machte eine Kunstpause. "Kaffee?"
Der letzte Vorschlag brachte ihn zum Grinsen. "Danke, ich glaube, auf Kaffee verzichte ich heute mal. Aber die Cola würde ich gern nehmen, wenn dir das keine-"
"Macht es nicht", fiel ich ihm ins Wort, noch bevor er seinen Satz beendet hatte. "Wirklich nicht. Dann, äh, bin ich gleich wieder da."
Ich verließ Sandys Zimmer und ging in die Küche, die so angenehm kühl war, dass ich mir mit den Getränken absichtlich mehr Zeit ließ. Erst, als ich das Gefühl hatte, dass mein Gesicht endlich nicht mehr völlig überhitzt war und wieder eine halbwegs annehmbare Farbe aufwies, machte ich mich zusammen mit der Cola und meinem zweiten Bier -das ich in weiser Voraussicht diesmal schon in der Küche geöffnet hatte- auf den Rückweg. Es schien zum Glück keinem aufgefallen sein, wie lange ich weg gewesen war (über das Ausbleiben der niveaulosen Sprüche war ich jedenfalls sehr froh) und so setzte ich mich einfach wieder auf meinen vorherigen Platz zwischen Liam und Zayn und reichte letzterem sein Glas weiter.
Er bedankte sich mit einem zuckersüßen Lächeln, das mein Herz zum Flattern brachte und ich wagte es, mich ein wenig mehr an ihn zu lehnen, als noch zuvor. Er schien damit kein Problem zu haben... oder zumindest beschwerte er sich nicht lautstark, was ich mal als positives Zeichen sah.
Irgendeiner meiner Mitbewohner musste in der Zeit, die ich in der Küche verbracht hatte, die Box angeschaltet haben, aus der nun leise Musik tönte. Ich tippte mal stark auf Liam, denn es lief irgendwas von seinem seltsamen lofi-Pop, den er auch immer zum Lernen oder Joggen hörte - keine Ahnung, wie eine Person überhaupt freiwillig joggen gehen konnte, aber dann auch noch mit der gleichen Musik im Ohr, zu der man bereits kurz vor einem Heulkrampf gestanden hatte, weil man diese eine blöde Übung einfach nicht überriss? (Vielleicht war ich aber auch einfach seltsam und schloss von mir auf andere, wer wusste das schon. Mit lofi-beats joggen zu gehen, war trotzdem eine komische Eigenschaft.)
Die Hintergrundmusik passte meiner Meinung nach auf jeden Fall absolut nicht zum Vibe, aber ich wollte vor Zayn nicht gemein zu meinem besten Freund sein, also beschloss ich, sie erstmal schweigend zu ertragen und nahm dafür einen großen Schluck von meinem neuen Bier.
Alles in allem war es ein ziemlich entspannter Abend und ich musste ehrlich sagen, dass ich positiv davon überrascht war, wie wenig ich von meinen Freunden blamiert wurde. Liam und Sandy waren in ihrer ganzen Gesprächigkeit wider erwarten sehr zu meinen Gunsten aufgelegt - das hieß so viel wie: keiner der beiden erzählte irgendeine witzige Anekdote über mich, die mich vor Zayn als entweder völlig hoffnungsloser Fall, übermäßig peinlicher Pechvogel oder grenzwertiger Creep darstellte. Ich hätte zumindest eins davon mit Sicherheit erwartet, besonders mit fortschreitendem Alkoholkonsum meiner zwei Freunde, aber nichts dergleichen passierte und ich durfte meine Würde (sowie mein Date) behalten.
Größtenteils schaffte ich es sogar, mich aus den meisten Gesprächen eher rauszuhalten und damit zu verhindern, meine Würde selbst in Gefahr zu bringen. Ab und an schaltete ich mich dazu oder bekam eine Frage direkt an mich gerichtet, aber die meiste Zeit des Abends verfolgte ich einfach stumm die Themen, die sich Sandy und Liam ausdachten und auf die Zayn sehr viel besser ansprang, als ich befürchtet hatte. Ich war rundum zufrieden mit dem Verlauf der Dinge.
Irgendwann -Zayn musste nun bestimmt schon seit zwei Stunden hier sein- stemmte mich von der Couch hoch, um einen kurzen Abstecher ins Bad zu machen und mir ein neues, kaltes Bier zu holen. Dass mir das Aufstehen irgendwie schwieriger fiel als das letzte Mal, ignorierte ich geflissentlich. Als ich zurückkam, verlor ich kurz vor meinem Sitzplatz allerdings das Gleichgewicht und plumpste Zayn unelegant halb auf den Schoß, anstatt mich normal hinzusetzten. Trotz allem schaffte ich es, meine Flasche aufrecht zu halten und keinen einzigen Tropfen zu verschütten, worauf ich vermutlich weniger stolz hätte sein sollen, als ich war.
"Uups", machte ich, "Ääh, sorry. Das war definitiv kein schiefgelaufener Flirtversuch, ich bin nur dumm."
Warte, was? Hatte ich das gerade tatsächlich gesagt? Irgendwie war es mir zwar bei meinem Fall erspart geblieben, rot zu werden, aber dafür holte ich das nun in doppelter Geschwindigkeit nach. Konnte ich verdammt nochmal nicht denken, bevor ich meinen Mund öffnete?
Hastig versuchte ich, ein Stück von ihm wegzurutschen (ein hoffnungsloses Unterfangen auf dieser Couch), doch Zayn lachte trotz meinem miesen nicht-Flirtversuch-der-jetzt-aber-noch-mehr-wie-einer-klang-als-vorher nur auf und schlang einen Arm um meine Schultern, um mich bei sich zu behalten. Was hieß, dass mein linkes Bein noch immer auf seinem Bein lag, mein Hintern irgendwo an seinem Oberschenkel und mein Schulterblatt an seiner Brust, während er seinen Unterarm quer über mein Schlüsselbein gelegt hatte und dort mit seinem Daumen an dem Ausschnitt meines T-Shirts herumspielte.
Es war nicht unwahrscheinlich, dass ich einfach gleich an einem Herzinfarkt sterben würde.
"Alles gut", sagte er leise und sein Daumen fuhr sanft über eine Stelle knapp unter meinem Hals. Ich war mir sicher, dass er spüren musste, wie ich schluckte. "Ich hab nichts dagegen, wenn du hier sitzen bleibst."
Und - nunja, das war eine Einladung. Und obwohl ich zumindest mental schon fünfmal in Schweiß ausgebrochen war, konnte ich nicht leugnen, dass diese Sitzposition tatsächlich ziemlich bequem war. Also lehnte ich mich einfach an ihn an.
Verspätet fiel mir erst wieder ein, dass wir ja gar nicht allein waren und meine Freunde gerade alles live und in Farbe mitbekamen, und verlegen wagte ich einen Blick zur Seite. Liam schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, während Sandy einfach nur aussah, als würde er gerade die Comedyshow des Jahrhunderts beobachten. Ich rollte bloß mit den Augen und zeigte ihnen, vor Zayn versteckt, den Mittelfinger.
"Alsooo", sagte Liam dann langgezogen und bedachte uns noch einmal mit einem langen Blick und zuckenden Mundwinkeln. "Um auf unser vorheriges Thema zurückzukommen... äh, Nialler, du hast es glaub ich verpasst, aber wir waren gerade bei der weltbewegenden Frage, welche Art von Songs bei einer Hochzeit als first dance gespielt werden können."
Bitte was? Völlig irritiert sah ich meine Freunde an. "Ähm... hab ich vielleicht noch etwas anderes verpasst, als nur das Thema? Heiratet einer von euch beiden demnächst, ohne mir Bescheid gegeben zu haben?"
Zayn lachte hinter mir melodisch auf und ich klopfte mir dafür mental auf die Schulter, obwohl mich die Antwort auf diese Frage tatsächlich interessierte.
"Also ich nicht", meinte Sandy nun und zuckte mir den Schultern, "Shanna und ich treffen uns immer noch nur zum-"
"Es ist einfach eine Fun-Frage", sprang Liam hastig ein.
"Lernen", beendete Sandy seinen Satz. "Ist irgendwas?"
Ein unkontrollierbares Kichern brach aus mir heraus und ich musste mir meine Hände vor den Mund halten, um es zu ersticken, aber es klappte bloß zur Hälfte, weil ich einfach nicht aufhören konnte, die Situation lustig zu finden. Ugh, wann war es in diesem Zimmer eigentlich so verdammt warm geworden?
Erst, als Liam mir gegen den Fuß kickte, schaffte ich es, mich wieder einzukriegen.
"Also", sagte mein bester Freund schließlich, diesmal etwas nachdrücklicher, und sah mich an, als wolle er sagen reiß dich verflucht nochmal ein bisschen zusammen. "Sandy war der Meinung, man könne eine Klavierversion von Cotton Eye Joe spielen. Zayn und ich waren der Meinung, dass Sandy einen verdammten Schaden hat."
"Das hab ich nie gesagt!", hielt Zayn dieser Anschuldigung entgegen. Vermutlich hatte er Angst, es sich doch noch mit meinem Mitbewohner zu verscherzen. "Ich hab es deutlich netter formuliert."
Ich wandte mich ein Stück zu ihm um. "Ach, das musst du nicht. Sandy hat einfach einen Schaden und das weiß er selber auch ganz genau."
"Richtig." Unser Kumpel grinste. "Und wisst ihr was? Ich werd trotzdem flachgelegt."
Liam sah aus, als würde er am liebsten einfach weinen wollen. "Können wir vielleicht bei dem Thema bleiben, ob man Country-Musik für seinen ersten Hochzeitstanz laufen lassen sollte?"
"Country ja, Cotton Eye Joe nein", war Zayns Meinung dazu, "Und ich glaube auch, dass eine Klavierversion das ganze nur noch schlimmer machen würde."
"Mooo-ment." Nun beugte sich Sandy so weit vor, dass er Zayn richtig anschauen konnte. "Du verurteilst mich allen ernstes für Cotton Eye Joe, bist aber mit dem ganzen anderen Country-Scheiß okay? Du weißt, dass es da draußen einen Song namens Honky Tonk Badonkadonk gibt, oder? Oder was wäre mit She Thinks My Tractor's Sexy?"
"Okay, nicht jeder Country-Song", lenkte Zayn ein. "Aber ich finde, man kann es nicht vollkommen demonisieren."
Mich persönlich verstörte eher die Tatsache, dass Sandy diese ganzen seltsam betitelten Lieder auch noch kannte... meine Einstellung, ihm auf einem Roadtrip nie das AUX-Kabel in die Hand zu geben, festigte sich.
"Also ich weiß ja nicht, was bei euch los ist", meinte Liam und klang dabei völlig verstört, "Aber die Vorstellung, zu Country einen Walzer tanzen zu müssen, ist für mich absolutes Albtraum-Material."
"Weißt du, was aber voll gehen würde?", mischte ich mich nun mit ein und stupste meinen besten Freund mit dem Fuß an. "Kitschiger Country-Pop, oder so. Jemand singt von der Liebe seines Lebens, aber es wird auf einem Banjo gespielt."
"Uuh", machte Zayn, "Das gibt mir Colbie Caillat vibes. I like it!"
Ich drehte meinen Kopf zu ihm herum und musste giggeln. "Colbie Caillat? Wirklich? Das ist die Sängerin, die du toll findest?"
"Hey!", sagte Zayn, musste aber selbst lachen, "Harry hatte es immer mit Shania Twain, ich brauchte also auch irgendwen, über den ich non-stop fanboyen konnte und sie hat sich super geeignet."
Belustigt schüttelte ich den Kopf. "Irgendwie verwundert es mich aber auch gar nicht, dass ausgerechnet sie es ist, auf die du stehst."
Zayn schenkte mir nur ein Grinsen und zuckte mit einer Schulter. Sein rechter Arm zog mich wie zufällig noch ein bisschen näher zu sich. "Sie macht gute Musik, oder etwa nicht?", fragte er und schaffte es dabei irgendwie, sich unter mir noch ein kleines Stück weiter aufzurichten. Und dann fing er plötzlich an zu singen, während er sich seine freie Hand auf die Brust legte und überdramatisch dazu schauspielerte: "I've been spending all my time just thinking 'bout you, I don't know what to do, I think I'm falling for you, lalalalalala- Jaah, ich weiß nicht mehr genau, wie der Text weiter ging."
Er lachte auf und ich stieg mit ein, aber es klang in meinen Ohren viel zu atemlos. Heilige Scheiße, Zayn konnte singen. Aber besonders das Lied und die Textstelle, die er gewählt hatte, sorgten dafür, dass sich ein Kribbeln durch meinen Körper zog, so intensiv, dass ich mich zwingen musste, keine Reaktion darauf zu zeigen.
Hatte er diese Lyrics mit Absicht gesungen? Oder war es bloß Zufall gewesen, dass er mir quasi ins Ohr gesungen hatte, er würde sich in mich verlieben? Oder... in wen auch immer. Ugh, ich hatte das Gefühl, mein Gehirn lief auf Sparmodus.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Sandy und Liam einen Blick tauschten, der mir unter anderen Umständen vermutlich ziemlich eindeutig vorgekommen wäre. Jetzt aber, in diesem Moment, war ich viel zu überfordert - von mir, meinen sich überschlagenden Gedanken, meinem hämmernden Herzen und der fremden Hand, die so knapp darüber über meine Haut strich, dass sie den ungesunden Rhythmus eigentlich spüren musste.
Vor allem aber war es die Tatsache, dass mein Kopf gerade für nichts anderes Platz hatte als: Zayn, Zayn, Zayn und I think I'm falling for you.
Tipsy/drunk Niall is my favorite Niall... er kann so viele idiotische Dinge in diesem Zustand anstellen :D
Ich kann übrigens immer noch nicht ganz glauben, dass ich einfach Karten für Louis' Tour gekriegt hab *-* geht von euch noch irgendwer zur Show in München? :)
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