27|Niall allein Zuhaus'

Kein Doppelupdate, aber dafür ein verdammt langes Kapitel hahaha ...wären es noch etwa 100 Wörter mehr geworden, hätte ich es definitiv zweigeteilt, aber ich hab mich nochmal zusammengerissen :D Ich mag Kapitel 27 wirklich sehr, also lasst ihm doch bitte ganz viel Liebe da (und wenn das nicht zieht: ich hab heute außerdem Geburtstag heheh) :))

Zayn brachte seinen VW in der Autolücke vor einer Einfahrt zum stehen und ich löste schon meinen Gurt und wollte direkt aussteigen, damit er weiterfahren konnte, aber dann stellte er auf einmal seinen Motor ab, um mir seinen Oberkörper zuzudrehen und verwirrt sah ich zu ihm.

"Niall", sagte er meinen Namen und -das musste ich ganz ehrlich zugeben- kurz stockte mir der Atem, bei der Art, wie er ihn aussprach.

"Ja?", fragte ich, meinen Blick auf Zayns Augen gerichtet, die selbst mein Gesicht musterten.

"Ich... ich fand es wirklich schön mit dir heute", gestand er mir dann und oh wow.

"Das fand ich auch", erwiderte ich leise und etwas unsicher, aber es war nunmal die Wahrheit.

Zayn senkte seinen Kopf, aber ich sah sein Lächeln trotzdem, auch wenn es gerade eher wirkte, als gelte es der Mittelkonsole. Dann jedoch sah er mich wieder an und obwohl die Sonne schon vor etwa einer Stunde untergegangen war, spendeten die Straßenlaternen um uns herum genug Licht, um das warme Braun seiner Iriden auszumachen, das mich wie jedes Mal schwach werden ließ.

"Ich hätte ehrlich nicht damit gerechnet, dich heute in den Kunsträumen zu treffen, aber die Zeit mit dir hat sich einfach so besonders angefühlt und..." Kurz zögerte Zayn. "Würdest du mir vielleicht deine Nummer geben? Also... nur, wenn du auch nichts dagegen hast..."

Unsicher sah er mich an und jetzt konnte auch ich mir das Lächeln nicht mehr verkneifen, während ein warmes Kribbeln durch meine Blutbahnen schoss. Das hieß, er wollte mich wiedersehen, richtig?

"Ich hab nichts dagegen", bestätigte ich ihm und beobachtete, wie er zuließ, dass sich sein Gesicht erhellte, und mir dann sein Handy hinhielt.

Schmunzelnd tippte ich meine Telefonnummer ein und gab ihm das Gerät wieder zurück, während ich mich unweigerlich fragte, ob er mich wohl einfach unter meinem Namen einspeichern würde oder ob Zayn der Typ war, der seinen Kontakten irgendwelche besonderen Spitznamen gab (Harry gehörte zu der Sorte Menschen, die das taten und ich war schon froh, dass ich in seinem Kontaktbuch "bloß" den Zusatz gay and irish erwischt hatte).

Zayn ließ sein Telefon wieder in seiner Jackentasche verschwinden und ich erinnerte mich daran, dass er hier ja eigentlich bloß drei Minuten stehen durfte, weshalb ich nun wirklich zur Tür griff, um diese zu öffnen.

"Also...", sagte ich und lächelte ihm ein letztes Mal zu, "Danke nochmal... für's Fahren und... du weißt schon. Alles andere." Verlegen schaute ich auf meine Hände herunter.

"Sehr gerne", erreichte mich Zayns Stimme, bevor ich nun endgültig ausstieg und zum Abschied die Hand hob. Dann schloss ich mit einem seltsamen Gefühl die Beifahrertür und beobachtete, wie Zayn sich aus der Einfahrt herausmanövrierte -die Erinnerung an seine Einparkkünste tauchte dabei unhilfreicherweise in meinem Kopf auf, aber ich versuchte, sie zu ignorieren, bevor ich noch ein ernsthaftes Problem bekommen würde-, ehe ich mich auf die letzten paar Meter in Richtung Hauseingang machte.

Ich glaubte zu sehen, wie Zayns Wagen in Schritttempo losfuhr und erst richtig beschleunigte, als ich an der richtigen Haustür angekommen war und meine Schlüssel herausgekramt hatte, aber ganz sicher war ich mir nicht. Trotzdem sorgte schon allein die Vermutung dafür, dass ich mir automatisch lächelnd auf die Unterlippe biss und mir einmal durch die Haare fuhr, bevor ich schließlich beschwingt das kalte Treppenhaus betrat.

Die WG lag komplett still da, als ich oben (vom Treppensteigen natürlich völlig außer Atem) die Tür aufsperrte.

"Hallo?", fragte ich trotzdem in den dunklen Flur, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, allein in der Wohnung zu sein. Die Bestätigung dessen kam in Form von Schweigen zurück, weshalb ich erstmal Schuhe und Winterjacke loswurde und anschließend in der Küche erst das Licht und dann den Wasserkocher an machte, bevor ich mich auf einen der Stühle fallen ließ und mein Handy aus der Hosentasche holte. Mit einem an die Brust gezogenen Bein legte ich es auf dem Tisch vor mir ab und sah das erste Mal nach mehreren Stunden auf meine Benachrichtigungen.

Eigentlich war mir natürlich klar, dass Zayn mir unmöglich jetzt schon geschrieben haben konnte, immerhin hatte ich ihm vor gerade mal fünf Minuten überhaupt erst meine Nummer gegeben. Trotzdem sprang mir das Fehlen der neuen Nachricht einer unbekannten Nummer als erstes ins Auge und wider aller Vernunft war ich enttäuscht von diesem Faktor.

Im nächsten Moment ließ ich meinen Kopf mit einem jammrigen Laut auf mein angewinkeltes Knie fallen, als mir klar wurde, wie absolut idiotisch ich mich eigentlich verhielt. Zayn saß in einem Auto, verdammt! Selbst, wenn seine Worte von vorhin alle absolut ernst gemeint wären -dass sich die Zeit mit mir besonders angefühlt hatte und alles-, hieß das nicht, dass er damit seinen Verstand abgegeben hatte und mir am Steuer einen blöden Text schicken würde!

Obwohl ich mich in einer komplett leeren WG normalerweise nicht besonders wohl fühlte, war ich in Anbetracht meines schwachsinnigen Verhaltens doch ganz froh, gerade keine Mitbewohner um mich herum zu haben, die Zeugen dessen werden konnten und mich zu Lebzeiten nicht mehr damit in Ruhe lassen würden.

An diesem Punkt fielen mir dann allerdings auch endlich die anderen ungelesenen Nachrichten in meinen Whatsapp-Chats auf, besonders die sieben einzelnen, die Sandy mir irgendwann innerhalb der letzten Stunde geschickt hatte:

"Komm heute nicht mwhr in diw WG erst morgen irgebdwann"

"Bin mit Joamsh drausen"

"*Josj"

"**JOSH"

"Meine Fresse hahshs"

"Sorry bin dicht"

"Könmen du oder Liam morgen Ariel und Hugo füttern?"

Ein grunzender Lacher entwich mir, als ich den Chat überflog und schon automatisch mit den Augen rollte, weil es einfach so typisch-Sandy war, komasaufen zu gehen und auf absolut nichts einen Fick zu geben - bis auf seine zwei Fische.

"Ja, wir denken dran" textete ich zurück, einfach weil ich wusste, dass er mich umbringen würde, wenn er nicht die Bestätigung bekam, dass seine Lieblinge versorgt waren (ehrlich, manchmal hatte ich das Gefühl, er würde Liam und mich ohne Skrupel einfach zerstückeln und an die beiden Bewohner seines Aquariums verfüttern, wenn es mal eine Fischfutter-Knappheit geben sollte).

Als nächstes öffnete ich den Chat mit meinem besten Freund und schickte auch diesem eine Nachricht:

"Wo bist du? Und wann kommst du heim? Ich dachte, du musst morgen früh raus?"

Zwar nicht unmenschlich früh, aber früh genug, um gegen 9 Uhr Abends im Bett liegen zu müssen, wenn er auf der Arbeit funktionieren wollte. Seit fast zwei Jahren hatte Liam nun schon seinen Minijob als Verkaufskraft in einem der unzähligen Läden des lokalen Einkaufszentrums, bei dem er fast jeden Samstag ran musste. Ich persönlich konnte mir kaum etwas Langweiligeres vorstellen, als acht Stunden (und an manchen Wochenenden sogar noch länger) hinter der Kasse eines Schreibwarengeschäfts stehen und unhöfliche Kunden anlächeln zu müssen, aber mein bester Freund war ein Gewohnheitstier, dem diese Arbeit wohl einen existenziellen Sinn oder so was in der Art gab, weshalb ich seine Liebe zu dem gerade mal mindestvergüteten Job einfach nicht infrage stellte.

Ebendiesen Job musste er morgen allerdings wieder um acht Uhr in der Früh antreten - das war nichts Neues, aber im Normalfall stand Liam deshalb Freitags um die jetzige Uhrzeit meistens schon unter der Dusche, um den Abend noch entspannt mit einer Zockrunde ausklingen zu lassen und sich dann nach einem Feierabendbier ins Bett zu verabschieden, damit eine gute Chance auf ausreichend Schlaf bestand.

Dass er jetzt also immer noch nicht hier war, machte mich skeptisch. Gut, Liam war wohl der letzte Typ, der nicht auf sich selbst aufpassen konnte, aber es war doch ungewöhnlich, absolut keine Meldung zu dem Grund seiner Abwesenheit zu haben.

Oh, nunja. Es sei denn... ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen und ich öffnete den Chat mit meinem besten Freund erneut.

"Bist du jetzt am Ende doch bei Sophia??" schrieb ich ihm und konnte nicht widerstehen, den Pedosmiley in dreifacher Ausführung hinten an die Nachricht dranzusetzen. Liam würd mich sowas von umbringen, aber das war es mir wert.

Die nächsten paar Minuten passierte allerdings gar nichts, keine einzige Nachricht von Liam (oder irgendeiner anderen, völlig unbestimmten Person), nicht einmal die blauen Häkchen als Zeichen, dass er meinen Text überhaupt gelesen hatte, und schließlich legte ich mein Handy auf den Küchentisch, um zumindest aufzuhören, durchgehend zwischen den gleichen drei Apps hin und her zu springen, ohne irgendwas zu erreichen.

Nur etwa 90 Sekunden später, in denen ich mich daran erinnert hatte, dass ich mir ja eigentlich einen Tee hatte aufgießen wollen und einen unnötigen Kurztrip zum Kühlschrank hinter mich gebrachte hatte, ohne überhaupt Hunger zu haben, fiel mir leider auf, dass ich trotzdem nichts besseres zu tun hatte, weshalb ich doch wieder vor dem entsperrten Bildschirm landete, diesmal nur mit einer dampfenden Tasse neben mir.

Noch immer war magischerweise keine neue Benachrichtigung aufgetaucht, weshalb ich natürlich dazu überging, Zayn auf Instagram zu stalken. Oder zumindest startete ich einen Versuch, der mich über Harrys Profil und die Verlinkung auf einem seiner Bilder mit diesem führte, dann allerdings abrupt endete, als ich feststellen musste, dass mein Zielobjekt ein privates Konto besaß.

"Mist", murmelte ich mir selbst zu, hatte aber immerhin den Anstand, mich dafür auch angemessen zu schämen - Himmel, hatte ich eigentlich überhaupt keine anderen Hobbys? Oder war ich einfach nur so hoffnungslos frei von jeglicher Würde, dass es mir zusetzte, jemanden nicht stalken zu können?

Andererseits... ich könnte ihm natürlich eine Follow-Anfrage schicken, oder? War es zu diesem Zeitpunkt schon angemessen oder käme das sehr aus dem Blauen? Und wüsste Zayn, dass ich definitiv nicht zufällig zu seinem Profil gelangt war, sondern weil ich explizit danach gesucht hatte? Würde er mir überhaupt zurück folgen, wenn ich es zuerst tat? Oder würde ich mich einfach nur komplett blamieren, wenn ich diesen blöden blauen Kasten antippte und er mich dann komplett ignorierte? War er überhaupt noch aktiv auf Instagram?

Mit einem frustrieren Stöhnen ließ ich mein Handy zurück auf die Tischplatte fallen, um eine weitere Runde durch unsere Küche zu drehen.

Fuck, ich musste dringend damit aufhören, das alles so zu zerdenken!

Wenn das bloß so einfach wäre, war das Problem. Ich konnte nichts dagegen tun, dass mein Kopf ständig Exkurse über jedes mögliche was wäre, wenn machte, so sehr ich auch versuchte, es zu unterlassen.

Und gerade bei Zayn schienen es noch mehr davon zu sein als normalerweise. Die Sache war nunmal, dass es mir irgendwie wichtig war, hier keinen Mist zu bauen. Ich konnte nicht einmal genau sagen warum, aber die ganze Geschichte fühlte sich für mich nicht nach etwas simplem an, auch wenn die ganzen Interaktionen zwischen uns beinahe spielend leicht waren. Vielleicht war aber auch genau das der Grund. Es war so besonders und einfach doch irgendwie ... einfach.

Ich wollte mich vor Zayn nicht verstellen, das war es. Ich wollte mein authentisches Selbst sein, wollte im Sinne dessen allerdings auch nicht vorschnell handeln oder etwas voraussetzen, was ihn am Ende noch abschrecken würde oder so. Immerhin hatte ich nicht wirklich eine Ahnung, worauf das alles hier hinauslief - oder worauf er es gerne hinauslaufen lassen wollte.

Okay, gut, wir hatten heute zu zweit in einem Restaurant gesessen, was man möglicherweise tatsächlich als Date-Date auffassen konnte, aber hundertprozentig sicher war ich mir dabei immer noch nicht. Außerdem gab es da auch noch die klitzekleine Tatsache, dass mir trotz unserem mittlerweile ganz guten Verhältnis nicht ganz klar war, wie ich zu seiner vorangegangenen Unfreundlichkeit der letzten zwei Jahre stehen sollte. Eine Kleinigkeit war das schließlich auch nicht gerade gewesen und bisher hatte er sich für die Gemeinheiten, die ich mir hatte anhören dürfen, nicht entschuldigt, was also noch immer ein zwischen uns stehendes Hindernis darstellte, selbst wenn das inzwischen (ich war so frei, einfach mal positiv zu denken) eher in der Vergangenheit lag.

Aber abgesehen davon wäre ich mehr als geneigt dazu, der ganzen Sache eine echte Chance zu geben, auch wenn es mich etwas verschreckte, in was für einer kurzen Zeitspanne sich dieser Umschwung ereignet hatte -vor nichtmal einer ganzen Woche hatte ich ihm schließlich noch den Hals umdrehen wollen-, gleichzeitig fühlte es sich aber kein Bisschen verkehrt an, so über Zayn nachzudenken.

Ich mochte ihn, darauf konnte man es wohl herunterbrechen, wenn man wollte.

Es war ein skurriler Gedanke, aber nunmal auch die Wahrheit. Allein schon in den paar Stunden, die ich ihn heute gesehen hatte, hatte ich so viel Neues über ihn erfahren, das ihn mir bloß sympathischer gemacht und mir endlich genügend Bausteine gegeben hatte, um ein dreidimensionales Gerüst seines Charakters aufstellen zu können.

Ein Gerüst, das auch die Ecken aufzeigte, die auf dem Papier noch verborgen gewesen waren. Spätestens nach heute war mir nämlich klar geworden, wie wahnsinnig einseitig mein bisheriges Bild von ihm gewesen war (gut, das war unter anderem darauf zu schieben, dass er mir nie wirklich eine andere Seite von sich gezeigt hatte, aber meine Voreingenommenheit trug eben auch etwas von der Mitschuld, das konnte ich jetzt auch zugeben), denn Zayn war so, so viel mehr, als ich Anfangs geglaubt hatte.

Er war witzig. Wirklich witzig, wenn auch mit einem etwas eigenartigen Humor, der dem meinen aber so ähnlich war, dass ich vollkommen ehrlich darüber lachen konnte - ich mein, wer zur Hölle kam auf die Idee, jemandem den Spitznamen Windmaschine zu geben, nur weil ihr Name mit den Buchstaben Fan- anfing???

Dann war da seine Fürsorglichkeit, die mich einfach nur absolut dahinschmelzen ließ, wenn ich bloß daran dachte, wie absolut selbstverständlich er davon Gebrauch machte.

Die Nervosität und Schüchternheit, die er so ungeniert zeigte und die ihn absolut menschlich machte.

Seine Ehrlichkeit, als er zugegeben hatte, wie überfordert er selbst war.

Das warme Gefühl seiner Hände um meine.

Sein Lächeln.

Vermutlich hätte ich peinlicherweise verträumt aufgeseufzt, wäre meine schwärmerische Aufzählung noch weitergegangen, aber das Vibrieren meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. Im Sekundenbruchteil hatte ich es mir vom Tisch geschnappt und glotzte mit großen Augen auf den Sperrbildschirm, der mir den Eingang der Nachricht einer unbekannten Nummer anzeigte: "Hallo Niall"

Wie auf Kommando schlug mein Magen einen Purzelbaum, während mein Herzschlag mal wieder gehörig an Fahrt aufnahm und meine Finger aus was auch immer für einem Grund plötzlich so sehr zitterten, dass ich fünf Versuche brauchte, mein blödes Muster zu zeichnen.

Als ich es schließlich schaffte und meinen Home-Bildschirm vor mir sah, zögerte ich allerdings wieder. Konnte ich die Nachricht direkt lesen, ohne dass es so rüberkam, als hätte ich nur verzweifelt darauf gewartet? Oder war Zayn niemand, der auf solche Dinge achtete?

Wäre Liam jetzt hier, hätte er mir diese Entscheidung definitiv erleichtern können, das war sicher. Nicht gerade selten verfluchte ich seine Rationalität (besonders, wenn sie mit meiner eigenen, eher impulsiven Gedankenwelt aufeinander krachte), jetzt gerade hätte sie mir aber definitiv helfen können, mein Overthinking abzuschalten.

Kurz spielte ich sogar mit der Idee, meinen besten Freund einfach anzuklingeln und ihm meine Kleinkrise zu schildern, nur etwa zwei Sekunden später war ich allerdings froh darüber, diesem Impuls keine Folge geleistet zu haben, als von der gleichen Nummer eine zweite, deutlich längere Nachricht eintraf und ich diesmal ohne Zaudern auf den Chat tippte, um ihn zu öffnen.

"Hallo Niall" stand da.

"Hier ist Sasha Akarin. Ich hatte ja gesagt, ich melde mich eventuell per Whatsapp bei dir, wenn mal außerplanmäßig was anstehen würde.

Ich weiß, deine erste offizielle Stunde mit Yuri ist erst übernächste Woche, aber er hat heute das Datum für den nächsten Mathetest bekommen und ich fänd es ganz vernünftig, wenn ihr vielleicht schon ab nächster Woche mit dem gemeinsamen Lernen anfangen könntet. Das kriegst du natürlich alles bezahlt, keine Sorge.

Wenn das für dich also in Ordnung ist, würde ich vielleicht gleich Montag, Dienstag oder Mittwoch Nachmittags für etwa anderthalb Stunden vorschlagen, aber wenn das schwierig wird, finden wir sicher auch eine Alternative.

Danke schonmal im Voraus"

"Oh Gott", murmelte ich, als mir bewusst wurde, dass ich mich gerade beinahe wegen einer Nachhilfestunde bis auf die Knochen blamiert hätte. Ehrlich, es kam mir immer gelegener, dass außer mir niemand in der Wohnung war, der diese neue Höchstleistung an Peinlichkeit miterleben konnte. Immerhin kannte ich meine Mitbewohner/(leider) Freunde gut genug, um zu wissen, dass sie mir dieses Verhalten bei jeder sich ergebenden Gelegenheit wieder vor Augen halten würden, wenn sie es je mitbekämen.

Ein Seufzen entwich mir, bevor ich dazu überging, Sasha endlich in meinen Kontakten zu speichern (Zwar hatte sie mich ja schon letzte Woche über diese Nummer angerufen, aber irgendwie hatte ich daran dann gar nicht mehr gedacht) und nach einem kurzen Blick in meinen Kalender eine Rückantwort zu tippen:

"Hallo Sasha, Dienstag oder Mittwoch ginge für mich klar. Ab wann soll ich denn da sein und welche Themen sind für Yuri gerade besonders wichtig, nochmal zu wiederholen? Freundliche Grüße, Niall"

Ich las bestimmt fünfmal über die Nachricht drüber, ehe ich es wagte, sie auch wirklich abzuschicken. Soweit mit zumindest bisher bewusst war, mochte ich Sasha, aber auch wenn sie mir meinen Ausrutscher wohl soweit verziehen hatte -zumindest ging ich davon aus, da sie mir ja schließlich doch den Vertrag ausgehändigt hatte-, war da noch immer diese gewisse Vorsicht von meiner Seite, bloß nicht schon wieder Scheiße zu bauen, die mit diesem Job zusammenhing.

Auf die Nachhilfestunde mit Yuri freute ich mich allerdings ziemlich. Ich glaubte nicht, dass die Arbeit mit ihm durchgehend einfach war, das absolut nicht. Er war immerhin ein Fünftklässler, der sich sicherlich öfter als nicht von irgendwelchen Dingen ablenken ließ und auch knatschig wurde, wenn er etwas absolut nicht verstand oder einfach keine Lust mehr hatte (ich wusste schließlich noch gut genug, wie ich mich aufgeführt hatte, wenn es um Französisch gegangen war), aber ich hatte eben auch das Gefühl, dass Yuri und ich kein schlechtes Team waren. Er arbeitete mit mir und ich mit ihm, und genau darauf war ich gespannt.

Das erneute Vibrieren meines Handy holte mich aus meinen Überlegungen zu meinem Nachhilfeschüler und ich senkte den Blick auf's Display, eine Rückantwort von Sasha erwartend, oder eine Nachricht von Liam, der mir schrieb, er wäre jetzt auf dem Heimweg - zumindest sollte er es langsam sein, wenn er heute noch pünktlich ins Bett kommen wollte.

Stattdessen aber rutschte mir beinahe das Telefon aus den Händen, als ich, statt den von mir vermuteten, einen neuen Chat entdeckte, der nichts anderes sagte als:

"Hey :)"

Ein atemloser Lacher entwich mir und kurz konnte ich nicht anders, als das Gesicht in meiner Ellenbeuge zu vergraben, um mein viel zu peinlich-breites Lächeln zu verstecken (vor wem auch immer, aber es war eine absolut automatische Geste), während ein elektrisches Kribbeln durch meinen Körper schoss.

Fuck.

Etwa drei Sekunden wartete ich ab, die obere Gesichtshälfte im Stoff meines Pulloverärmels vergraben, ehe ich einen weiteren Blick auf meinen Bildschirm wagte.

Jetzt hätte ich definitiv Liams Rat gebracht, dass das hier war ohne Zweifel eine Nachricht von Zayn. Dann erinnerte ich mich aber daran, dass ich, wenn Liam hier wäre, meinem besten Freund so einiges an Rede und Antworten hätte stehen müssen, bevor er überhaupt dazu übergegangen wäre, mich in irgendeiner Weise zu beraten.

Und diese Rechenschaftsablegung wollte ich eigentlich ganz gerne noch so lange wie möglich hinauszögern, denn ich hatte eine etwaige Ahnung, wie schrecklich blamabel sie für mich ausfallen würde. Gegen Gossip hatte ich ja im Grunde absolut nichts einzuwenden, aber ich fand es eher weniger geil, wenn dieser auch tatsächlich von mir handelte.

Damit blieb es mir dann allerdings auch selbst überlassen, die Whatsapp-Situation mit Zayn zu lösen. Schöne Scheiße.

Mehrmals tanzten meine Daumen über dem Display schwebend herum, nicht wissend, was sie als nächstes tun sollten, dann jedoch nahm ich einen tiefen Atemzug und tippte den Chat tatsächlich an.

Zayn war noch immer online und auch, wenn mir bewusst war, dass er das nicht unbedingt nur meinetwegen sein musste, schlug mein Herz bei der Vorstellung schneller, dass er in genau diesem Moment auf mein Profil sah und darauf wartete, ein Zeichen von mir zu bekommen. Ein Zeichen, dass dank meiner Überforderung allerdings eine ganze Weile auf sich warten ließ.

Irgendwann, während ich noch verzweifelt überlegte, was genau ich auf dieses Hey denn nun antworten sollte (Einfach nur ein hi zurück? Oder was ausführlicheres? Mit Smiley oder lieber ohne?), wechselte das online unter Zayns Kontakt schließlich zu einem schreibt und kurz darauf trudelten zwei neue Nachrichten ein:

"Hier ist übrigens Zayn"

"Hätte ich vielleicht dazuschreiben sollen haha"

Ich musste kurz lachen, obwohl ich eigentlich lieber im Boden versunken wäre. Oder alternativ zumindest auf das Niveau des nächsten Nachbarn im zweiten Stockwerk herunter.

Wie peinlich konnte es bitte noch werden, wenn Zayn schon in der Annahme war, ich könnte keine einfachen Schlüsse ziehen und antwortete ihm aus diesem Grund nicht?

Keine Sorge, dachte ich mir selbstironisch eine potenzielle Entgegnung an Zayn, ich bin zwar unfähig, aber auf einer anderen Ebene als auf der, die du gerade vermutest.

Ich hütete mich jedoch davor, ihn tatsächlich davon in Kenntnis zu setzen, dass der eigentliche Grund für meine fehlende Reaktion eher etwas damit zu tun hatte, dass ich eigentlich nicht mal die kleinste, popeligste Entscheidung allein treffen konnte, wenn es um ihn ging.

Stattdessen riss ich mich endlich mal zusammen und schaffte es immerhin, eine Nachricht zu tippen und abzuschicken, ohne ihren Inhalt bis ins winzige Detail zu zerdenken:

"Das hab ich mir fast schon gedacht :D hi zurück!"

Dass meine Finger schon wieder zitterten, als ich das Handy zurück auf die Tischplatte legte, ignorierte ich geflissentlich.

Lange musste ich nicht darauf warten, dass Zayn sich wieder meldete.

"Bist du denn gut Heim gekommen?" fragte er und mit einem Stirnrunzeln lachte ich kurz auf.

"Du hast mich quasi direkt vor meiner Haustür abgesetzt, sollte ich also nicht eher dir die Frage stellen?" schickte ich zurück. Überlegte kurz. Und sendete dann doch noch einen Text hinterher: "Aber nein, ich wurde auch im Treppenhaus nicht angegriffen, wenn du dich dann besser fühlst :DD"

Beinahe sofort bekam ich eine Antwort:

"Ja, ich bin auch gut Zuhause angekommen :)

Und das beruhigt mich tatsächlich, ich weiß ja nicht, was bei euch so für Gestalten rumlaufen... o_O"

Nun musste ich tatsächlich kichern. Ich hätte Zayn nicht als den Typen eingeschätzt, der ein Faible für Text-Emojis hatte, aber darüber beschweren würde ich mich definitiv nicht.

"Unsere Nachbarn sind größtenteils harmlos, aber ich fühle mich geehrt, dass du dir Gedanken machst ;)" schrieb ich schließlich zurück und wartete, die Zähne in der Unterlippe vergraben, auf eine Erwiderung.

Konnte man das, was ich hier tat, schon als Flirtversuch abstempeln? Und vor allem: War es als einer gemeint? Diese ganze spielerische Konversation zwischen uns gerade war eigentlich nichts, was ich groß durchdachte. Sie passierte einfach - und ich ließ sie passieren, wie ich es vor nur ein paar Stunden im Restaurant... nunja, mir vielleicht nicht gleich vorgenommen, aber den Gedanken definitiv in meine jüngste Nachdenk-Chronik befördert hatte.

Mein persönlicher gelbe Backsteinweg und so, ihr wisst schon.

"Hey, du bist einmal direkt vor meiner Nase umgekippt, damit stehst du jetzt quasi automatisch unter meiner Obhut!" war schließlich, was Zayn mir zurückschrieb, gefolgt von einer weiteren Nachricht: "Die Beschwerdemails darüber kannst du übrigens an mein moralisches Pflichtgefühl adressieren :D"

Grinsend lehnte ich mich in meinem Stuhl etwas zurück, um mir eine Antwort darauf einfallen zu lassen und so zog sich unser Chat in ähnlichem Stil immer weiter fort. Irgendwann hatte ich schließlich meinen Tee geleert und verschwand, aus Ermangelung an Dingen, die ich sowohl tun konnte als auch wollte, erstmal im Bad, um mir die Zähne zu putzen und nebenbei natürlich weiter mit Zayn zu texten. Anschließend bequemte ich mich in mein Zimmer, wo ich mich bäuchlings auf meine Matratze flackte und genau so (das Handy vor der Nase und die Daumen auf dem Textfeld) meinen restlichen Abend verbrachte, bis sich mein Gesprächspartner nach Stunden, die sich nach etwas sehr viel kürzerem angefühlt hatten, schließlich selbst ins Bett verabschiedete, allerdings nicht ohne dem Versprechen, die Unterhaltung morgen weiterzuführen - und wenn ich im Anschluss daran mein Gesicht im Kissen vergraben musste, um jegliche Quietschlaute zu dämpfen, musste das ja keiner wissen, richtig?

Dass auch Liam irgendwann in der Zwischenzeit nach Hause gekommen war, würde mir erst auffallen, wenn ich morgen Früh vom ungewohnten Geräusch der laufenden Dusche auf der anderen Wandseite aufwachen würde. 

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