26|Definitiv ein Date... oder? (1)
Keine Worte konnten beschreiben, wie froh ich darüber war, das unfallfreie Burger-Essen schon vor Jahren gemeistert zu haben, sodass es mir Gott sei Dank erspart blieb, mir den halben Inhalt zwischen den Brötchenhälften um die Ohren zu hauen und mich damit (schon wieder) zu blamieren. Zayn hatte allerdings mit einer Sache Recht gehabt: Das Essen war, auch wenn es -wohl des Flairs wegen- auf richtigen Tellern und in hübschen Schüsselchen serviert wurde, definitiv Fastfood. Nicht, dass ich mich daran gestört hätte, gerade ich war wohl die letzte Person, die das getan hätte.
Aber eigentlich war ich sowieso viel zu beschäftigt damit, mich zum langsamen Essen zu zwingen, anstatt wie sonst alles in kürzester Zeit in mich reinzustopfen, um nicht direkt wie der größte Fressack zu wirken, der ich leider Gottes manchmal sein konnte. Dass meine Lebensmitteleinnahme durch die ungewohnte Geschwindigkeit einen etwas Kleinkind-haften Touch annahm, nahm ich wohl oder übel in Kauf und hoffte, dass Zayn es einfach nicht hinterfragen würde.
Ich erreichte einen Stimmungsumschwung von höllisch peinlich zu etwas weniger peinlich, als ich anfing, ihm seine Pommes zu klauen.
Zayn sah mich zwar empört an, aber ich konnte sehen, dass es nur gespielt war, weshalb ich ihm bloß (erwachsen, wie ich nunmal war) die Zunge rausstreckte und sagte: "Dein Problem, wenn du mit mir essen gehen willst."
Er lachte einmal auf, zuckte dann mit den Schultern und irgendwie bekamen wir es danach tatsächlich auf die Reihe, ein relativ normales Gespräch aufzubauen, in dem wir erstmal größtenteils über die Uni und das Studium redeten.
"Mathe?", fragte Zayn und sah mich über den Tisch hinweg überdramatisch entsetzt an. "Warum zur Hölle studierst du Mathe?"
Ich schaute mit ernstem Blick zurück. "Cause it's the same in every country", zitierte ich und für ein paar Sekunden sah Zayn mich so perplex an, dass ich es beinahe bereute, diesen dummen Witz gemacht zu haben, dann aber brach er in lautes Gelächter aus.
"Mean girls-Anspielung", sagte er grinsend, "Das ist meine Art von Gespräch! Damit hast du mich, keine Frage."
Ich brachte es fertig, nun selbst belustigt zu schnauben und nahm mir -hauptsächlich, um das dämliche, vernarrte Lächeln zu verstecken, das sich auf Teufel komm raus nicht vermeiden ließ- eine weitere Pommes, um darauf herumzukauen, bis ich meine Mundwinkel wieder im Griff hatte. Das warme Gefühl in meiner Magengegend blieb jedoch, auch wenn ich es zu ignorieren versuchte.
"Okay, jetzt aber ernsthaft", sagte Zayn dann und sah mich mit schief gelegtem Kopf an (auch, wie süß das war, kam mit auf die einfach ignorieren!-Liste), "Warum ausgerechnet Mathe?"
Nun zuckte ich mit den Schultern. "Es ist mir damals in der Schule schon immer leichter gefallen, als die meisten anderen Fächer und weil ich mich nicht wirklich für irgendwas anderes interessiert habe, hab ich mich eben für ein Mathematik-Studium entschieden. Es ist nicht unbedingt leicht, aber man kann einiges damit machen und irgendwie..." Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Keine Ahnung, irgendwie mag ich es."
Zayn schüttelte ungläubig den Kopf und schien meine Einstellung zur Mathematik kein bisschen nachvollziehen zu können. "Tut mir leid, ich will echt nicht wie ein Arsch klingen, aber ich kann es auf persönlicher Basis einfach nicht verstehen." Er machte ein paar unbeholfene Handbewegungen, die wohl als ein nimm's mir nicht übel zu deuten waren. "Was kann man denn an Mathe so sehr mögen, dass man es studieren möchte? Macht es dir wirklich Spaß, den ganzen Tag Gleichungen zu lösen? Ich mein..." Er kratzte sich am Kinn, schien nach einer Lösung zu suchen, seine Frage irgendwie nett klingen zu lassen, bis er wohl schließlich aufgab und resigniert mit den Schultern zuckte. "Ich schätze, ich kapier es einfach nicht. Wie kann man Mathe in irgendeiner Weise mögen?"
Ich musste über seinen Unglauben tatsächlich lachen. "Okay, erstens besteht mein Studium nicht nur aus Gleichungen lösen, da ist eine ganze Menge mehr dabei: angewandte Mathematik, Stochastik - Wahrscheinlichkeitsrechnungen und so. Damit kannst du schon so einige Sachen machen. Ich würde dir ja mal meine Unterlagen zeigen, aber im dümmsten Fall reagierst du noch allergisch darauf."
Zayn lachte nun ebenfalls leise auf und neigte seinen Kopf in einem stummen Touché, während ich ihn über den Tisch hinweg angrinste, ehe ich fortfuhr.
"Und das mit Mathe ist bei mir nicht so wie bei dir mit deiner Kunst. Ich verbringe meine Freizeit nicht mit dem Lösen von mathematischen Problemen, ganz so verloren bin ich dann doch nicht. Aber ich mag es, dass es in der Mathematik tatsächlich eine Lösung gibt, die man einfach und allein mit Logik und Regeln finden kann. Und Regeln kann man lernen, deswegen kann man im Grunde alles in Mathe lernen, wenn man sich genug damit beschäftigt."
"Oh wow, du bist ja Philosoph!", sagte Zayn und ich verdrehte schmunzelnd die Augen, was wiederum ihn zum Grinsen brachte. Dann sprach er weiter: "Nein, okay, ich glaube, ich verstehe irgendwie, wo du herkommst." Mein Gegenüber tippte sich mit dem Daumen gegen seine Unterlippe. "Aber andererseits kannst du Sprachen genauso erlernen. Grammatik, Satzbau, Vokabeln - das sind doch im Grunde auch nur Regeln, die du eben richtig anwenden musst."
"Mit Sprachen hatte ich es noch nie besonders", gab ich schulterzuckend zu, "Ich glaube nicht, dass irgendwas aus meinen sechs Jahren Französischunterricht wirklich hängen geblieben ist. Aber dieses ganze Oui oui, Baguette, Bisous kam mir eh schon immer ein bisschen komisch vor, also kein Wunder, dass ich damals in Französisch immer andere Sachen gemacht hab, als zuzuhören." Ich lächelte schief.
"Siehst du, und so geht es den meisten Leuten mit Mathe", zog Zayn mich auf, "Ich kann mir bis heute nicht vorstellen, wie das irgendwer nicht komplett öde findet. Einmal bin ich in Stufe 9 sogar im Unterricht eingeschlafen, glaub ich... auf jeden Fall haben wir immer irgendwas gefunden, mit dem wir uns erfolgreich vom Matheunterricht ablenken konnten."
"Ooh und hier dachte ich, du wärst ein Musterschüler gewesen." Ich grinste ihn an, ehe ich wieder auf unser Thema zurück kam. "Das finde ich ja gerade so cool an Mathe: man muss sich voll darauf konzentrieren, sonst findet man nie zur Lösung. Manchmal hilft mir das auch, wenn meine Gedanken zu laut werden; dann setz ich mich einfach an meine Hausarbeiten und fokussiere mich so sehr darauf, dass ich mein Overthinking mit mathematischem Denken einfach... naja, wegkürze, quasi. Früher in der Grundschule hab ich mich sogar ab und zu an Aufgaben versucht, die für meine Klassenstufe eigentlich zu schwer waren, einfach weil ich es mochte, nur die Rechnung vor mir zu sehen und an nichts anderes zu denken." Ich musste mich nach meinem (etwas ungeplanten) Geständnis einmal räuspern, ehe ich Zayn wieder in die Augen sah und lächelte. "Du siehst, ich war damals schon ein kleiner Psycho", sagte ich, "Aber vielleicht verstehst du ja jetzt so ein bisschen, warum irgendwer Mathe nicht komplett grausam finden kann."
"Mit deiner Erklärung ist es auf jeden Fall kein hundertprozentiges Rätsel mehr, wenn das ausreicht", sagte er mit einem Augenzwinkern, "Aber ich fürchte, ich werde wohl auf ewig in die Kategorie der queeren Menschen gehören, die ums Verrecken nicht mit Mathe klar kommen."
Ich musste mich bei seinem letzten Satz dazu zwingen, meine Augenbrauen auf ihrer normalen Höhe zu behalten, das ungläubige Lachen konnte ich mir jedoch nicht ganz verkneifen. Diese Offenheit hatte ich von Zayn nun ehrlich gesagt am wenigsten erwartet, ebenso nicht, dass er mit dieser Art Witz innerhalb der lgbt-community vertraut genug war, um sich selbst dort einzustufen.
Außerdem riss es mich zugegebenermaßen etwas vom Hocker, so plötzlich eine Bestätigung meiner Vermutungen zu bekommen, was seine Sexualität anging - auch, wenn es ja eigentlich langsam wirklich keine Überraschung mehr sein sollte, dass Zayn nicht hetero war. Vielleicht hatte es aber auch einfach nur etwas damit zu tun, dass endlich in meinem Kopf ankam, dass das ganze hier tatsächlich ein Date-Date sein konnte, bevor ich infolgedessen aber noch irgendeine peinliche Reaktion zeigen konnte, ergriff Zayn zum Glück schon wieder das Wort.
"Themenwechsel, weil du vorhin deine Grundschulzeit erwähnt hast...", meinte er und sah mich neugierig an, "Du bist kein gebürtiger Engländer, oder?"
Und okay, das war auch eine Möglichkeit, um mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. "Nein, stimmt", gab ich ihm eine Antwort, "Ich bin irisch, in Nordirland geboren und aufgewachsen. Eigentlich hätte ich aber schwören können, dass Harry das mittlerweile jedem in seinem Freundeskreis erzählt hat." Ich sah Zayn mit einer hochgezogenen Augenbraue scherzhaft skeptisch an.
"Oh, doch doch", sagte mein Gegenüber schnell, als sei es ihm gerade eben erst wieder eingefallen, und schien bei der Erinnerung daran kurz lächeln zu müssen. "Er erzählt ungefähr jedem, der nicht danach gefragt hat, dass ein Kumpel von ihm Ire ist. Habt ihr da irgendeine Wette am Laufen oder...?"
Zayn sah so ehrlich verwirrt aus, dass ich kichern musste und mir schnell eine Hand vor den Mund hielt, um das Geräusch zu ersticken. "Nein, haben wir eigentlich nicht", sagte ich dann, noch immer grinsend. "Aber er glaubt irgendwie seit Jahren, dass ich so stolz auf meine Nationalität bin, dass er sie niemandem verschweigen darf, der mich auch nur potenziell mal kennenlernen könnte."
"Oh Gott." Zayn lachte auf. "Und in Wahrheit ist dir deine Herkunft gar nicht so wichtig, wie Harry meint, oder was?"
Mir entwich ein Geräusch, von dem ich mir selbst nicht so ganz sicher war, ob es nun sarkastischer Belustigung oder doch schon Verbitterung entstammte. "Es hält sich in Grenzen", meinte ich dann und hoffte, dass Zayn nicht weiter nachbohren würde.
Dieser sah mich mehrere Sekunden lang einfach nur schweigend an und ich rechnete schon damit, dass doch noch irgendeine Frage kommen würde, dann aber lächelte er bloß, nickte einmal und sagte: "Gut, du bist dran. Was willst du wissen? Ganz egal, was."
Mein Kopf hing etwas hinterher, weshalb ich ihn nur mit großen Augen ansah. "Was?", fragte ich nach, "Womit bin ich dran?"
"Eine Frage zu stellen", sagte Zayn, ob meiner Verwirrung schmunzelnd, "Nachdem ich dich hier die ganze Zeit schon belagere, darfst du gerne auch was über mich wissen. Irgendwas, was dir gerade so einfällt."
"Oh", machte ich und musste kurz überfordert lachen, "Oh Gott, okay, warte. Lass mich kurz nachdenken."
Tbc :)
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