Kapitel 81
King Jeongguks Sicht:
Taehyung musste mich heute morgen zur Arbeit fahren, weil mein geliebtes Auto geschrottet wurde, und hat die ganze Autofahrt richtig blöd vor sich hin gegrinst. Ich habe ihn auch gefragt, was ihn denn so glücklich macht. Aber er meinte, dass er Videos von Katzen geschaut hat, die zum ersten Mal Welpen gesehen haben, und er die Reaktionen von denen witzig fand. Natürlich glaube ich ihm das nicht, weil er sich den ganzen Morgen keine Videos angeschaut hat. Ich werde es auch noch aus ihm herausquetschen. Er kann nichts vor mir verheimlichen.
"Jeongguk, kannst du mal über das Protokoll drüber schauen?", fragt mich Elisa und reicht mir zwei Blätter.
Manchmal hasse ich es der Chef hier zu sein. Das ist so viel Arbeit, auf die ich keine Lust habe. Ich würde lieber mit den Kinder spielen, aber die sind in der Schule und kommen erst in zwei Stunden. Elisa und Taemin müssen mich sogar manchmal zwingen diesen blöden Papierkram zu erledigen, weil ich es sonst nicht machen würde. Gelangweilt lese schnell über die zwei handgeschrieben Texte und sage zu Elisa, dass sie diese auf dem Computer abtippen kann. Sie bedankt sich bei mir und geht in ihr eigenes Büro. Kurz warte ich ab, bis ich höre wie sie ihre Tür schließt und stehe ruckartig auf, um aus meinem Büro zu flüchten. Leise schleiche ich mich im Flur an ihrer Tür vorbei und gehe in unsere Gemeinschaftsküche, um mir ein Eis aus dem Gefrierschrank zu klauen. Jedoch höre ich plötzlich ein lautes Knallen, dass nur von der Eingangstür kommen kann und muss erstmal auf mein Eis verzichten. Eigentlich sollte niemand um diese Uhrzeit unser Waisenhaus betreten.
Ich gehe zurück in den Flur und werde plötzlich von einer kleineren Person umgerannt, sodass wir beide volle Knalle auf den Boden fallen. Zischend halte ich mir meinen Ellbogen fest, auf den ich ja unbedingt fallen musste, und sehe die Person an, die hier wie blöd herum rennt. Aber als ich in Yeesul verweintet Gesicht sehe, rutscht mir mein Herz in die Hose. Sie schluchzt heftig auf und stützt sich mit ihren Armen auf den Boden ab.
"Was ist denn mit dir passiert, Yeesul?", frage ich sie bestürzt, weil ich sie noch nie so weinen gesehen habe.
Sie versucht mir zu antworten, aber es kommen keine richtigen Worte aus ihrem Mund durch ihr heftiges Schluchzen und ihrer schnellen Atmung. In den ganzen Jahren, in denen ich schon mit ihr arbeite, habe ich sie kein einziges Mal vor mir weinen sehen. Nicht mal als ihre Adoptivfamilien sie wieder zurück gebracht haben, hat sie es gewagt vor mir zu weinen. Mir war klar, dass sie in ihrem Zimmer oft weinte, weil sie mit niemanden über ihre Gefühle reden wollte und nicht zur Last fallen wollte. Darum hat sie auch einige Aggressionsprobleme, da sie alles herunter schluckt und aus dem Grund geraten wir so oft aneinander, weil sie sich nicht öffnen will, obwohl ich ihr helfen möchte.
"Hey, Schätzchen. Tief ein und aus atmen. Du hyperventilierst mir hier gerade", versuche ich sie erstmal zu beruhigen und lege meine Hände auf ihre Schultern.
Zitternd holt sie tief Luft und atmet langsam wieder aus. Anscheinend ist sie den ganzen Weg hier her gerannt, weil ihre Schultern total erhitzt anfühlen. Sie braucht einige Minuten bis sie ihre Atmung wieder reguliert hat, jedoch weint sie immer noch heftig und versteckt dann ihr Gesicht hinter ihren Händen.
"Was ist passiert?", frage ich sie nochmal und nehme ihre Hände behutsam in meine und nehme sie von ihrem Gesicht runter.
"Warum liebt mich keiner, Jeongguk? Warum haben mich meine leiblichen Eltern zur Adoption freigegeben? Warum behält mich keine Adoptivfamilie? Bin ich etwa wirklich so schlimm, dass ich keine Liebe verdiene? Jedes Mal wenn ich denke, dass mich jemand mag, dann verlässt mich diese Person! Ich versuche alles um sie bei mir zu behalten, aber es nützt alles nichts. Sie verlassen mich alle", fragt sie mich hysterisch und bohrt unkontrolliert ihre Fingernägel in meine Handrücken.
Ihr laufen haufenweise Tränen aus den Augen und sie sieht so verzweifelt und gebrochen aus, sodass mir mein eigenes Herz so sehr weh tut und sich meine Augen mit Tränen füllen. Es ist schlimm, einfach nur schlimm, ein 16 jähriges Mädchen so verzweifelt und voller Trauer in ihrem Herzen vor sich sehen zu müssen und man kann rein gar nichts dagegen tun.
"Das stimmt doch gar nicht, Yeesul. Die ganzen Kinder im Waisenhaus lieben dich und wir Betreuer lieben dich mit deinen ganzen Macken. Wir geraten zwar oft aneinander, aber ich habe dich wie alle anderen Kinder lieb. Ich will, dass es dir gut geht und ich verspreche dir, dass du irgendwann eine Familie haben wirst, die dich nicht verlässt und von ihrem ganzen Herzen liebt. Wenn du mich nur lässt, kann ich dir bei deinen Problemen helfen. Du bist uns allen wichtig", rede ich auf sie ein und halte ihre Hände fest in meiner, obwohl sie mir mit ihren Nägeln sehr weh tut.
Durch meine Worte fängt sie noch stärker an zu weinen und senkt ihren Kopf. Das ist meine einzige Chance an sie ran zu kommen, wenn ich das jetzt vermassel, dann wird sie niemals wieder meine Hilfe annehmen wollen, die sie unbedingt braucht.
"Wie kann ich dir da glauben, wenn nicht mal dein eigener Bruder mich liebt und mir so brutal mein Herz gebrochen hat?", kommt es so verletzlich und müde aus ihr.
Wie bitte? Mein kleiner Bruder hat sie in diesen Zustand gebracht? Was hat dieses dumme Kind schon wieder angestellt? Darum wollte ich nicht, dass die beiden sich treffen, weil ich ganz genau wusste, dass es so enden würde. Aber niemand hört auf mich.
"Ich bin nicht mein Bruder, Yeesul. Ich bin Jeongguk und wenn ich dir sage, dass du von uns allen in diesem Waisenhaus geliebt wirst, dann meine ich das auch. Ich würde dich niemals anlügen. Niemals. Nicht bei so einem Thema. Wir lieben dich", beteuere ich ihr und ziehe sie dann in eine feste Umarmung.
Immer wieder sage ich die Worte 'Wir lieben dich' und halte sie fest, während sie wieder in einen Heulkrampf verfällt und sich an mich festkrallt. Ihr ganzer Körper verkrampft sich so sehr, dass sie richtige Schmerzen haben muss. Elisa kommt bei ihrem herzzerreißenden Schluchzen aus ihrem Büro gestürmt und will sich schon auf sie stürzen, aber ich schüttle einfach nur meinen Kopf, damit sie nicht herkommt. Zögerlich geht sie wieder in ihr Büro und lässt uns alleine, während ich Yeesul und mich hin und her wiege.
"I-Ich ha-habe euch auch lieb. Bit-Bitte, Bitte, ver-verlasst mich nicht au-auch noch", stottert sie zitternd.
Nun kann ich mich auch nicht mehr zurückhalten und fange erstmal an zu heulen. Mich erinnert das viel zu sehr an meine kleine Yuna, die von ihrer Mutter verlassen wurde und sich Monate lang fragte, warum ihre Mama sie nicht liebte und sie alleine gelassen hat. Yuna hätte auch so enden können, wenn Taehyung Sora nicht nach Seoul gebracht hätte.
"Du bleibst bei uns, Yeesul", flüstere ich ihr zu und streichle über ihren Kopf.
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