Kapitel 77
Eigentlich wollten Mino und ich eine Doku über Serienmörder anschauen, aber er ist nach zwanzig Minuten schon eingeschlafen und kuschelt nun mit meinem Arm, während er sein Bein über mich gelegt hat, sodass ich mich nicht mehr bewegen kann. Seufzend streichle ich ihm mit meiner freien Hand durch die Haare und muss es mir verkneifen ihm einen Kuss auf die Stirn zu geben. Ich weiß wirklich nicht, was mit mir los ist. Mein Herz schlägt so stark und schnell in meiner Brust, wenn er mir ein kleines Stück näherkommt und mich mit seinem breiten Lächeln ansieht. Jedoch habe ich fast das gleiche Gefühl, wenn ich bei Yeesul bin. Wenn ich sie sehe, dann fühlt es sich so an, als würde mein Gehirn zu Brei werden.
"Ah, fuck", fluche ich leise vor mich hin und lege meinen Arm über meine Augen.
Mich machen diese Unklarheiten einfach nur fertig. Mino ist mein bester Freund. Ich kann und will nicht so für ihn fühlen. Das würde unsere Freundschaft zerstören, wenn er nicht das selbe für mich empfindet. Ich möchte ihn nicht verlieren. Wir kennen uns seit dem Kindergarten und auch wenn ich ihm oft eine reinhauen würde und ihn hasse, weil er mich so aufregt, könnte ich es mir nicht mehr vorstellen, ohne ihn zu leben. Ohne sein Gejammer und seine nervige Art. Ohne unsere Tanzeinlagen auf Partys und.. Küsse.
Einen Moment.
WAS HABE ICH GERADE GEDACHT? Oh, Gott. Ich bin sowas von erledigt. Wir denken jetzt einfach nicht mehr nach, Jaemin. Okay?! Wie komme ich denn bitte auf Küsse? Mein ganzes Gesicht erhitzt sich und ich schaue kurz nach, ob Mino wach geworden ist, aber er schläft tief und fest neben mir. Ich würde auch gerne schlafen und nicht an verdammte Küsse mit ihm denken. Automatisch wandert mein Blick runter zu seinen Lippen, die leicht geöffnet sind. Ist es normal, ihn küssen zu wollen? Ich glaube ja nicht. Ich bin verrückt geworden. Ganz klar. Ich bin verrückt. Man kann mich in eine Klapse stecken. Mein Leben ist vorbei.
Plötzlich klingelt mein Handy und reißt mich aus meinen merkwürdigen Gedankengängen. Ich drehe meinen Kopf zu meinem Nachttisch und schnappe mir mein Handy, um zu schauen, wer mir geschrieben hat. Als ich den Namen lese, fange ich fast an zu heulen, weil es Yeesul ist. Sie hat sich ja den passenden Moment ausgesucht.
Genervt sperre ich meinen Bildschirm und knalle beinahe mein Handy zurück auf den Nachttisch. Manchmal frage ich mich wirklich, was für Probleme sie hat. Ist es so schwer zu verstehen, dass ich Hausarrest habe und nicht noch mehr Ärger mit meinen Eltern haben möchte? Zähne knirschend schaue ich zu meinem Fernseher, der immer noch diese Doku abspielt, die Mino und ich angefangen haben. Anscheinend spanne ich mich viel zu sehr an, da mich Yeesul eben wirklich aufgeregt hat, sodass Mino wach wird und mich verschlafen mustert.
"Ist alles okay?", fragt er mich nuschelnd und kann kaum seine Augen offen halten.
Schweigend mustere ich ihn und der Drang, ihn einfach zu küssen, wird immer stärker. Als ich nicht antworte, legt er seinen Kopf etwas schräg und sieht mich verwirrt an. Er legt seine Hand auf meine Stirn und bringt mich dazu, ihn ebenfalls verwirrt anzuschauen.
"Hast du Fieber oder so? Deine Wangen sind so rot und du bist den ganzen Tag schon so komisch drauf. Schon im Sportunterricht warst du so.. angespannt und in deinen Gedanken verloren", meint er schließlich und zieht die Augenbrauen zusammen.
"Nein, es ist alles okay. Heute ist einfach nur ein beschissener Tag", winke ich ab und lächle ihn an.
Ich kann ihm ja schlecht sagen, dass ich gerade durchdrehe, weil ich irgendwelche Gefühle für ihn entwickelt habe. Er würde mich doch für verrückt erklären und aus dem Haus rennen. Mino schaut mich skeptisch an und sagt auf einmal, dass er mir nicht glaubt.
"Was? Wieso?", möchte ich wissen und werde augenblicklich total nervös.
Vielleicht hat er irgendwie mitbekommen, dass ich ständig an ihn denken muss. Dann gehe ich mich wirklich vergraben oder wandere aus.
"Wenn du einen schlechten Tag hast, dann meckerst du nur herum und verhältst dich wie ein kleines bockiges Kind. Aber du bist komplett in dich gekehrt und man spürt richtig, dass dich deine Gedanken fertig machen. Ich kenne dich viel zu lange, um sowas nicht zu bemerken, Baby", erklärt er mir und klopft mir grinsend auf die Brust.
"Das stimmt doch gar nicht. Es ist wirklich nichts, Mino", versuche ich ihn zu überzeugen, aber er sieht mich dadurch entgeistert an und setzt sich plötzlich auf meine Oberschenkel.
"Ich werde erst runtergehen, wenn du mir endlich erzählst, was mit dir los ist", grinst er mich scheinheilig an und beugt sich mit seinem Oberkörper etwas zu mir runter.
Automatisch halte ich die Luft an und bete zu irgendeinem der Götter da oben, dass mein Blut weder in mein Gesicht, noch in meine südliche Region fließt. Er saß schon oft in dieser Position auf meinem Schoss und mir hat das früher auch nichts ausgemacht, aber jetzt spielt mein kompletter Körper verrückt. Bleib cool, Jaemin. Es ist nur dein heißer bester Freund, der auf dir sitzt. Warte, was?
"Mino, bitte. E-Es ist nichts", sage ich ihm und kann keinen klaren Gedanken fassen.
"Lüg mich nicht an! Du kannst mir doch alles erzählen, Jae. Wir sind beste Freunde", erwidert er nun etwas wütend und enttäuscht.
Genau das ist Problem! Wir sind beste Freunde. Darum kann ich es ihm nicht erzählen. Fieberhaft suche ich nach irgendeiner Lüge, die ich ihm auftischen kann, aber mir fällt auf die Schnelle nichts ein. Mino schaut mich abwartend an und bringt mein Herz heftig zum Ausrasten.
"Ich kann es dir nicht erzählen", murmle ich ihm schließlich zu.
Seine Gesichtszüge entgleiten nach meinen Worten komplett und er sieht mich erst sprachlos an, bevor er entsetzt auflacht und mich mit einem undefinierbaren Blick ansieht.
"Du kannst es mir nicht erzählen? Wieso, hm? Wegen Yeesul? Geht es etwa um Yeesul? Deiner tollen Yeesul, die dich von uns allen wegnehmen will? Ihr kannst du deine Probleme natürlich erzählen oder? Sie ist ja so atemberaubend und ihr habt so vieles gemeinsam", zischt er mich an und setzt sich auf.
"Was sagst du denn da?!", frage ich ihn perplex.
"Die letzten Tage hast du nur noch mit ihr verbracht und wenn du bei uns gewesen bist, war sie das Thema Nummer eins. Oh, Yeesul ist so wundervoll. Yeesul mag dies, Yeesul mag das. Yeesul, Yeesul, Yeesul. Ich kann froh sein, dass ich wenigstens diesen heutigen Tag mit dir verbringen kann, aber nein. Sie ist schon wieder der Mittelpunkt. Irgendwann kann ich es nicht mehr hören, dass Yeesul, die ich übrigens gar nicht leiden kann, perfekt in deinen Augen ist", regt er sich weiter auf und ignoriert meine Frage gekonnt.
Ist er etwa eifersüchtig auf Yeesul? Ich dachte, er würde irgendwas von ihr wollen, weil er sie immer so komisch angestarrt hat. Mino schnalzt genervt mit der Zunge und wirkt richtig wütend.
"Was mache ich überhaupt noch hier? Mein bester Freund will mir ja nichts erzählen, weil das nur sein kleines Weib erfahren darf. Seit dem sie da ist, sind ja seine Freunde total egal und überflüss-", will er schon abhauen, aber ich packe ihn an seinen Hüften und setze mich auf, sodass unsere Gesichter sich unheimlich nahe kommen.
"Es geht um dich, Mino", unterbreche ich ihn und bringe ihn endlich zum Schweigen.
"Um mich?", kommt es nach einigen Sekunden leise aus ihm.
"Ja, um dich. Jedes Mal wenn ich dich sehe, habe ich den Drang dich an mich zu ziehen und zu küssen. Ich weiß. Ich sollte über sowas nicht nachdenken, weil wir beste Freunde sind, aber ich kann es irgendwie nicht abstellen", seufze ich und blicke verzweifelt in seine grüngrauen Augen.
Die Überraschung steht ihm ins Gesicht geschrieben und er sitzt erstmal still auf meinem Schoss, während er mich einfach nur anstarrt. Ich beiße mir etwas unbeholfen auf meine Unterlippe.
"Dann tue es doch einfach", flüstert er leise und berührt meinen Hals mit seiner kühlen Hand.
"Wie bitte?", gebe ich blöd von mir, weil ich nicht weiß, ob ich das richtig verstanden habe.
"Es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns küssen würden und es ist kein Geheimnis, dass ich wissen will wie es sich anfühlt, dich im bewussten Zustand zu küssen. Ein kleiner Kuss zwischen Freunde macht doch nichts aus oder?", erklärt er mir und leckt über seine rosa Lippen, während seine Augen mich unsicher mustern.
"Ich denke nicht", murmle ich und bin wie hypnotisiert von seinen Augen, die ich schon immer wunderschön gefunden habe.
Mino lächelt mich bei meinen Worten leicht an und zieht mich am Nacken näher zu sich, sodass sich unsere Nasenspitzen berühren. Danach haucht er ein kleines 'Okay' gegen meine Lippen, bevor er seinen Kopf etwas schräg legt und seine Lippen auf meine legt. Stromschläge durchfahren meinen Körper und mein Gehirn schaltet sich komplett aus. Ich lege meine Hände an seine Hüften und ziehe ihn näher an mich, sodass nicht mal ein Blatt Papier zwischen uns passen würde. Mino öffnet leicht seinen Mund für mich und gibt mir die Erlaubnis den Kuss zu vertiefen. Zögerlich stupse ich mit meiner Zunge seine an und spüre gleichzeitig, wie er mit seiner einen Hand in meine Haare gleitet und mit meinen Haaren spielt.
Was haben wir bloß angefangen?
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