Kapitel 165
Die letzten Stunden voller guter Laune haben meine ganze Kraft aufgebraucht, sodass ich leblos auf der Couch liege und Ethan umarme, der sich an mich gekuschelt hat und Spiele auf seinem Handy spielt. Mino und Jaemin schlafen eng umschlungen und sehen fertig mit der Welt aus. Keine Ahnung, was die getan haben, aber das muss ziemlich anstrengend gewesen sein. Ich schaue kurz zu Jeongguk und Taehyung rüber, die eine Cornflakes Packung verschlingen und irgendeine Serie schauen, die ich nicht kenne. Sie schaufeln sich die Cornflakes förmlich in den Mund und ihre Augen kleben am Bildschirm.
"Ey, Tae. Hol mir mal eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank", schmatzt Jeongguk und schlägt ihm leicht auf den Oberschenkel, dabei sieht er nicht mal in seine Richtung.
"Beweg deinen fetten Arsch selbst in die Küche, Fettsack", erwidert Taehyung und stopft sich noch mehr Cornflakes in den Mund.
"Ich will die Scheidung", gibt Guk von sich und isst ebenfalls weiter.
"Wieso wollen Sie sich scheiden lassen? MEIN MANN WOLLTE MIR KEINE WASSERFLASCHE AUS DEM KÜHLSCHRANK HOLEN!", kommt es zurück und die Beiden fangen an zu gackern, nachdem Taehyung geschrien hat.
Jaemin und Mino schrecken aus ihrem Schlaf und sehen das noch Ehepaar mit geröteten Augen an, die immer noch lachen und sich gegenseitig auf die Arme schlagen. Belustigt schnaufe ich und kann es nicht verhindern breit zu grinsen. Die sind so verblödet und kindisch, dass es schon wieder richtig knuffig ist. Ethan kichert auch leise vor sich hin, während Jaemino das Leben hinterfragen. Nachdem sie sich beruhigt haben, machen sie immer noch keine Anstalten, etwas zu trinken zu holen, sodass ich dann einfach aufstehe und in die Küche gehe. Dort hole ich zwei Wasserflaschen aus dem Kühlschrank und sechs Gläser, die ich ins Wohnzimmer bringe.
"Hyungjin, du bist ein Goldschatz. Ich liebe dich", macht mir Jeongguk direkt eine Liebeserklärung und schnappt sich sofort eine Wasserflasche.
"Kein Problem", meine ich nur und sehe kurz Ethan an, der wie ein Waschlappen auf der Couch liegt, da ich einfach aufgestanden bin und er seine Position nicht wechseln wollte.
Irgendwie möchte ich wissen, was Yuna und Yeesul in ihrem Zimmer machen. Hier unten ist es ziemlich langweilig geworden und mir macht es Spaß, Yuna zu nerven. Mit dem Gedanken drehe ich mich um und laufe im Flur die Treppen nach oben. Vor Yunas Zimmertür bleibe ich stehen und klopfe erstmal an, da ich nicht verstört werden möchte. Ich kann darauf verzichten, zu sehen, wie sie sich gegenseitig... beglücken.
"Komm rein!", höre ich Yunas Stimme und öffne auch gleich die Tür.
"Was geht?", frage ich sie, während ich das Zimmer betrete und die Tür hinter mir schließe.
Die zwei Mädchen sitzen auf dem Teppich und lackieren sich die Nägel, weil dieser penetrante Geruch sich in meine Nase festsetzt. Sie haben sich umgezogen und tragen nur noch ein Top und eine kurze Shorts. Es ist heute auch heiß und ich bin froh, dass ich ebenfalls kurze Sachen trage. Sie starren mich verwundert an und haben wohl nicht mit mir gerechnet.
"Was willst du hier?", fragt mich Yuna irritiert und etwas skeptisch, da wir uns ja nicht verstehen.
"Ach, ich wollte mal mit euch zwei Hübschen chillen. Die Jungs pennen und gucken irgendwelche Serien, die ich nicht kenne", antworte ich grinsend und setze mich zu ihnen auf den Boden.
Yuna und Yeesul bekommen gleichzeitig rote Wangen und wenden sich schnell ab, indem sie auf ihre Hände schauen und sie weiter lackieren. Mein Grinsen wird noch breiter, da ihre Reaktionen ziemlich süß sind.
"Von mir aus kannst du hierbleiben, solange du mich nicht beleidigst. Seit wann hast du eigentlich so ein schönes Lächeln?", meint Yuna verlegen und wirft mir einen kurzen Blick zu.
"Das habe ich mich auch schon gefragt, sonst siehst du immer so ernst aus. Ist heute irgendwas Gutes passiert?", sagt Yeesul und wird von meiner guten Laune angsteckt, da sich ebenfalls ein Lächeln auf ihr Gesicht schleicht.
"Eigentlich nicht. Ich bin heute einfach glücklich, aber das ist nicht so wichtig. Die wichtigere Frage ist, wer von euch Beiden meine Nägel auch lackieren möchte", antworte ich und ziehe die Box mit den verschiedenen Farben zu mir, um mir eine Farbe auszusuchen.
"Was? Wir dürfen deine Nägel auch lackieren?", gibt Yuna total aufgeregt von sich und rückt näher ran.
"Klar, wenn ich schon mal hier bin, mache ich auch mit. Welche Farbe passt zu meinen Augen?", nicke ich und schaue mir zwei Grüntöne an, bevor ich sie neben mein Gesicht halte.
Die zwei Süßen sehen sich an und quieken erfreut los. Ich fange an zu lachen und halte den Mädchen die zwei Nagellacke hin, die sie mir aus der Hand nehmen, um direkt zu diskutieren, was am besten passt. Yeesul sagt schließlich, dass der giftgrüne Nagellack besser ist.
"Du hast vollkommen recht. Mir gefällt die andere Farbe auch nicht wirklich", stimmt ihr Yuna zu und gibt ihr einen Kuss auf die Wange.
"Dürfen wir dich auch schminken?", fragt Yeesul mit Kulleraugen.
"Macht mich bloß nicht zum Clown, okay?", warne ich die Beiden und gebe ihnen indirekt die Erlaubnis dafür.
"Du wirst wunderschön aussehen! Ich mach das Make-Up und du die Nägel, okay?", versichert Yeesul mir, holt ihre pinke Schminktasche aus ihrem Rucksack und widmet sich dann Yuna, die schon eine Nagelpfeile in der Hand hält und sich meine Hand schnappt, um loszulegen.
Die schwarzhaarigen Mädchen grinsen sich an und machen sich anschließend an die Arbeit. Interessiert schaue ich Yeesul dabei zu, wie sie eine kleine weiße Flasche aus ihrer Tasche nimmt und sich das Zeug auf die Hand schmiert. Verwirrt runzle ich die Stirn, da die Flüssigkeit weiß ist und nicht irgendwie Hautfarben. Sie kommt mir ein wenig näher und schmiert mir das Zeug punktuell auf das Gesicht, bevor sie es mit beiden Händen in meine Haut einarbeitet. Ich schließe die Augen und lasse sie einfach machen. Es ist komisch, sie dabei die ganze Zeit anzustarren. Als sie von mir ablässt, öffne ich wieder meine Augen und schaue Yuna an, die hochkonzentriert meine Fingernägel in eine runde Form bringt. Yeesul legt ihre Hand unter mein Kinn und gibt wieder punktuell irgendwas auf mein Gesicht, was sie aber mit einem blauen Ei in meinem Gesicht verteilt. Ich runzle die Stirn, als sie das Zeug auch auf meinem Hals und Nacken verteilt.
"Auf Make-Up Ränder können wir verzichten. Guck mal nach oben", sagt sie ernst und bringt ihre Freundin zum Grunzen.
"Okay? WOAH! Steck mir dieses weiche Teil doch gleich ins Auge!", gebe ich verunsichert zurück und erschrecke mich fast zu Tode, als sie das Ei fast in mein Auge presst.
"Beruhig dich! Ich wollte nur deine Augenringe bedecken!", ruft sie mir zu und sieht mich selbst erschrocken an, weil ich so geschrien habe.
"Kannst du das vielleicht mit ein bisschen Gefühl machen? Ich will nicht blind werden", bitte ich sie und bin nicht mehr so entspannt wie vor einigen Sekunden.
"Krieg dich ein, Hyungjin. Du wirst schon nicht blind werden, wenn der Beautyblender dein Augapfel trifft", erwidert sie und macht gnadenlos weiter.
"Das Ding heißt auch noch Blender. Ich werde ohne Augenlicht aus diesem Zimmer kommen. Kann ich meine Augen zu machen? Ich bekomme Angst!", dramatisiere ich die Situation und schließe einfach die Augen.
"Mein Gott und du bist ein Riese, aber hast Angst vor einen kleinem Stoffei", schnalzt sie mit der Zunge und geht jetzt auch noch mit dem Ding über mein Augenlid.
"Ihr seid so dumm", lacht Yuna und ist sichtlich amüsiert von unserer Diskussion.
Yeesul und ich fangen ebenfalls an zu lachen und hören auf zu diskutieren, da sie endlich von meinen Augen ablässt und mit meiner Stirn weitermacht. Da hält sie mit einer Hand meine Haare aus meinem Gesicht und hämmert die Farbe wie ein Presslufthammer in meine Haut. Also wenn sie ihr eigenes Gesicht so misshandelt, dann muss sie neben ihren Pickeln auch blaue Flecke abdecken. Irgendwann hat der Spuk auch sein Ende und sie legt dieses Mörder Ei weg, um sich einen Pinsel und einen weißen Puder zu schnappen. Sie tupft mit dem Pinsel in das Puder und klopft den am Rand der Schachtel ab, um es dann in meinem Gesicht zu verteilen. Das wiederholt sie ein paar Mal, bevor sie sich einen braunen Puder nimmt. Also die Pinsel fühlen sich besser an als dieses dumme Ei. In der Zwischenzeit kümmert sich Yuna um meine andere Hand und hat wohl einen riesigen Spaß daran.
"Okay, jetzt musst du nochmal deine Augen schließen. Ich will dir noch einen schönen Lidschatten verpassen", ordert mich Yeesul an und hält eine Lidschattenpalette vor meine Nase.
"Uh~. Welche Farben willst du benutzen?", fragt Yuna neugierig und sieht ihre Freundin an.
"Braun und Grün. Ich will ihn ja nicht zum Flamingo machen, auch wenn das ziemlich witzig wäre", antwortet sie und kichert vor sich hin.
"Falls es ein nächstes Mal gibt, darfst du das bestimmt machen", entgegnet Yuna und schaut mich mit einem Welpenblick an.
Yeesul steigt sofort mit ein und sieht mich schon wieder mit ihren Kulleraugen an. Mein eisiges Herz schmilzt dahin und ich stimme seufzend zu. Augenblicklich lächeln sie mich wieder an und machen mit ihren Kunstwerken weiter. Ich schließe wie befohlen meine Augen und Yeesul bringt vorsichtig die Farbe auf meine Augenlider. Es ist befremdlich, wenn jemand mit einem Pinsel über die dünne Haut fährt und sie hin und her schiebt. Nach wenigen Sekunden steigt mir auch schließlich der Gestank des Nagellacks in die Nase und ich rümpfe angeekelt die Nase.
"Boah, das stinkt noch mehr, wenn man die Augen geschlossen hält", beschwere ich mich.
"Wer schön sein will, muss leiden", kriege ich von beiden als Antwort.
Daraufhin sage ich nichts mehr und leide die letzten Minuten in Stille. Yuna ist als erstes fertig und hilft Yeesul mit meinen Augenbrauen, die sie gleich bewundern, da ich von Natur aus eine schöne Form habe. Auf einmal sprüht mir einer der beiden irgendein nasses Zeug ins Gesicht, sodass ich meine Lippen und Augen vor Ekel zusammenpresse. Die hätten mich auf vorwarnen können. Als sie mit mir fertig sind, darf ich meine Augen wieder öffnen und kriege einen halben Herzinfarkt, weil ihre Gesichter genau vor meinem sind.
"Wir haben gute Arbeit geleistet. Kommt, wir gehen nach unten und zeigen den anderen unser Kunstwerk", grinst Yeesul und springt auf die Beine.
Yuna steht auch auf und die Beiden zerren mich an den Unterarmen auf die Beine, bevor sie mich aus dem Zimmer und die Treppe runter zerren. Ich fühle mich geschmeichelt, dass sie mich ein Kunstwerk nennen. Im Wohnzimmer angekommen, sehe uns die Jungs verwirrt an, da sie bestimmt dachten, dass ich mich in Jaemins Bett gelegt habe.
"Guckt mal, wie hübsch unser Hyungjin aussieht. Wir durften ihn schminken und seine Fingernägel lackieren", präsentiert Yuna mich und schiebt mich vor die beiden Zwerge, damit die Jungs mich betrachten können.
"Sehe ich nicht toll aus?", frage ich sie und halte eine Hand unter mein Gesicht, um meine schönen grünen Fingernägel zu zeigen.
Für mehrere Sekunden starren mich die fünf Jungs sprachlos an und ihnen ist die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Ich wäre auch verwirrt, wenn ich sie wäre. Immerhin kann ich Yuna eigentlich nicht leiden und nun verbringe ich freiwillig Zeit mit ihr.
"Du siehst wirklich toll aus", bringt Ethan mit geröteten Wangen raus und lächelt mich so knuffig an.
"Wer bist du und was zur Hölle hast du mit Hyungjin gemacht? Du benimmst dich heute richtig komisch. Übrigens sieht das gut aus", fragt Mino schockiert und macht mir trotzdem noch ein Kompliment.
"Mino hat recht. Gestern hast du noch mit Mülltonnen rumgeworfen und jetzt strahlst du über das ganze Gesicht", sagt Jaemin extrem irritiert, da er meinen Wutanfall mitbekommen hat.
Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, weiß ich, wieso ich so glücklich bin. Nachdem ich gestern diesen krassen Wutanfall hatte, fühlte ich mich in die Vergangenheit zurück katapultiert, in der ich mich so verdammt einsam gefühlt hatte. Sogar als ich in der Schule bei meinen Freunden und unter Leute war, ließ mich diese tiefe Einsamkeit, die sich in mir verankert hat, nicht los und zerrte an meinen Kräften. Ich habe meine ganze Kindheit mit Menschen gelebt, die sowas wie Liebe nicht kannten oder mir nicht zeigen wollten. Meistens kam ich von der Grundschule nach Hause und keiner war da, der auf mich wartete. Als meinen Eltern das Sorgerecht entzogen wurde, lebte ich für eine kurze Zeit im Wohnheim, aber auch dort fühlte ich mich zwischen den ganzen fremden Menschen nicht wohl. Dort hatte jedes Kind irgendein Problem und mussten wie ich zur Therapie. Ich fand es zu dieser Zeit einfach nur demütigend, weil ich nicht als verkorkstes Kind gesehen werden wollte. Danach zog ich in meine Wohnung und habe sie gehasst. Diese Stille und Leere in diesen vier Wänden haben mich erdrückt und die bösartigen Gedanken, die mein ganzes Leben lang in meinem Kopf schwirren, wurden mit jeder Stunde immer schlimmer, sodass ich Jaemin in der Nacht anrufen musste, damit er bei mir schläft.
Nachdem ich gestern Abend Jaemins Haus allein betreten habe, war mein erster Gedanke, dass Nuri und Jongdae genervt seien, weil ich ohne ihren Sohn nach Hause gekommen bin und sie nichts mit mir anfangen können. Jedenfalls war das bei meinen Eltern der Fall... Wenn eine andere Person sich im selben Raum befand, waren sie nett zu mir, aber wenn ich mit ihnen allein war, kann man sich ja denken, wie sie mich behandelt haben.
Es ist scheiße von mir, mein Trauma auf Jaemins Eltern zu projizieren, aber ich mache das automatisch. Naja, als mich Nuri und Jongdae mit offenen Armen empfangen haben und sich wirklich gefreut haben, MICH zu sehen, verpufften meine Angst und meine bösen Gedanken. Sie waren nicht mal böse auf mich, obwohl ich ihren Sohn angeschrien habe. Ich habe mich gestern zum ersten Mal in einem Haus wohl gefühlt und hatte keine Hintergedanken, die mich heimsuchten. Ich bin Jaemins Familie ziemlich dankbar, dass sie mich aufnehmen und auch akzeptieren. Jedoch traue ich mich nicht, ihnen das zu sagen, weil ich mich zu Grund und Boden schämen würde.
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