Kapitel 140

Jeongguks Sicht:

Die drei Jugendlichen verlassen das Haus und ich kann endlich den Schmerzensschrei, den ich mir seit fünf Minuten verkneife, rauslassen. Yuna hat wie eine Gestörte auf mich eingeschlagen und mir den kompletten Rücken mit ihren Krallen, die sie anscheinend Fingernägel nennt, wortwörtlich aufgeritzt. Soras Gesicht ist auch komplett verkratzt und sie blutet auch ein wenig an ihrer Wange. Taehyung hat auch einen heftigen Schlag ins Gesicht bekommen, weil er sie zuerst festhalten wollte.

"Es tut mir so leid! Ich hätte nie hierherkommen sollen. Es tut mir so sehr leid. Entschuldigung, dass ihr auch von Yunas Wut verletzt worden seid. Verzeiht mir bitte. Ich werde auch nie wieder hier aufkreuzen, wenn wir bei der Polizei waren. Bitte vergibt mir. Ich wollte wirklich nichts Böses", schluchzt Sora total aufgelöst und lässt sich auf die Knie fallen, um uns um Vergebung zu bitten.

Sprachlos und schockiert können Taehyung und ich uns nicht mehr bewegen oder ansatzweise reagieren. Ich erkenne Sora kaum wieder und das nicht nur, weil ihr Gesicht misshandelt wurde. Früher hätte sie sich niemals so bei jemanden entschuldigt oder wäre vor ihnen auf die Knie gegangen. Was hat Hyesung bloß mit ihr gemacht? Sie ist nicht mehr sie selbst.

"Hey, es ist alles gut. Wir haben schon damit gerechnet, dass Yuna so reagieren wird. Du brauchst dich wirklich nicht zu entschuldigen", versuche ich sie zu beruhigen und gehe vor ihr in die Hocke.

"Genau, hör bitte auf zu weinen. Yuna war bestimmt nur total überfordert mit der Situation und hat sich sonst was ausgemalt", sagt Taehyung und streichelt seiner Cousine über den Rücken, nachdem er sich zu uns gehockt hat.

Ich habe Yuna noch nie so krass ausrasten sehen. Sie wurde ein richtiges Tier und ist ohne zu zögern auf Sora losgegangen, als sie zu uns Wohnzimmer gekommen ist. Vielleicht musste auch diese ganze Trauer, Enttäuschung und Wut, die sie jahrelang mit sich getragen hat, endlich mal raus. Wenn ich ehrlich bin, dachte ich gerade eben, dass ein Dämon vor mir steht. Was ein Kinnhaken sie Taehyung auch noch verpasst hat, nachdem er sie festhalten wollte wurde. Taehyung hat bestimmt kurz Sterne gesehen, weil das auch noch so unerwartet kam. Ich habe sie danach über meine Schulter geschmissen, da sie dann wieder auf Sora loswollte.

"Wie soll ich das bloß wieder gut machen? Yuna wird mich für immer hassen.. Was ich getan habe, ist unverzeihlich. Wieso bin ich nur so dumm gewesen und habe mich auf dieses Arschloch eingelassen? Warum habe ich mich so von ihm verarschen lassen? Er hat mir versprochen, dass ich sie wiedersehen kann, aber doch nicht so!", ruft Sora verzweifelt und kann keine Tränen mehr vergießen.

"Wann hat er den Kontakt zu aufgenommen?", fragt Taehyung sanft.

"Ein paar Wochen nach ihrem 13. Geburtstag. Er kam mit Jeffrey ins Cafe, in dem ich damals gearbeitet habe, und meinte, dass er mich kennen würde. Er hat mir einen Deal angeboten, weil er von der Situation mit Yuna, warum auch immer, wusste, und meinte, dass er mir helfen wollte. Wenn ich ihn heirate, dann würde ich die Hälfte seines Vermögens bekommen und könnte mich nach zwei Jahren von ihm Scheiden, wenn ich die Erlaubnis kriege, Yuna wieder zu sehen, aber er hat mich schamlos angelogen und wollte mich nur für seine Rache benutzen. Ich habe ihm so oft gesagt, dass er es nicht schaffen wird, euch auseinander zu bringen, jedoch wurde ich jedes einzelne Mal dafür geschlagen. Ich kann froh sein, dass er keinerlei Interesse an Frauen hatte, sonst wäre ich wohl auch vergewaltigt worden", sprudelt es aus Sora heraus und redet sich wohl die Seele frei.

Aber als sie sagt, wann Hyesung sie aufgesucht hatte, bleibt mir die Spucke weg und mein Mund wird ganz trocken. Taehyung starrt seine Cousine mit aufgerissenen Augen an und denkt wohl an dasselbe wie ich. Wir sind schuld, dass sie sich auf ihn eingelassen hat. Ich weiß noch ganz genau, als mir Taehyung stinkwütend erzählte, dass sie noch mehr abgenommen hatte und sich nicht um sich selbst kümmern konnte. Wir haben ihr ständig verboten ihre Tochter zu sehen oder überhaupt mit ihr zu reden. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn wir ihr wenigstens erlaubt hätten, mit ihr zu reden und Yuna würde nicht so einen riesigen Hass auf ihre Mutter haben.

"Es tut mir so leid, Sora. W-Wenn ich dich damals mit Yuna sprechen lassen hätte, dann.. dann-", stottert Taehyung bestürzt, doch sie unterbricht ihn sofort.

"Hör auf. Ich will nicht, dass ihr euch bei mir entschuldigt. Ihr hattet doch recht. Ich war damals ein totales Wrack und bin es heute immer noch. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich mich überreden lassen habe. Ich bin schuld an allem", schüttelt sie ihren Kopf und sieht uns so müde an.

Taehyung und ich sehen uns an und würden am liebsten beide einfach losheulen. Wenn ich jemals gesagt habe, dass ich nicht noch ein größeres schlechtes Gewissen kriegen könnte, dann war das eine verdammte Lüge. Mein schlechtes Gewissen ist gerade so groß, dass ich Schmerzen im Bauch bekomme, die bis zu meinem Kopf hochwandern. Die Arme war ihr Leben lang alleine. Sie hatte scheiß Eltern. Der Vater ihres Kindes ist einfach abgehauen. Sie wurde von mehr als die Hälfte ihrer Familie verstoßen und gehasst. Ihr Kind war nicht glücklich bei ihr. Wir haben ihr Kind dann endgültig abgenommen und ihr gesagt, dass sie nie wiederauftauchen soll.

Genau deswegen kriegen Tae und ich gerade alles zurück, weil wir nicht richtig gehandelt haben. Wir haben Soras Hilfeschreie ignoriert und sie als unfähiges Miststück gesehen. Das ist alles Karma.

"Nein, ich muss das wieder gut machen. Vielleicht kann ich meine Eltern fragen, ob du bei ihnen vorübergehend wohnen kannst. Du kannst nicht alleine durch die Stadt spazieren. Wenn Hyesung erfährt, dass du bei uns warst und zur Polizei gegangen bist, dann tut er dir sonst was an", gibt Taehyung stur von sich und steht ruckartig auf.

"Bitte, Taehyung. Du musst das nicht machen! Ich gehe einfach in ein Frauenhaus oder so. Ich will nicht nochmal eine Bürde für euch sein. Yuna will mich doch sowieso nicht sehen", erwidert Sora total ausgelaugt und klammert sich an Taes Bein.

"Wir sind uns beide einig, dass wir dich nicht mehr alleine lassen wollen. Du musstet zu viel durchmachen wegen uns", meine ich und lege ihr meine Hand auf die Schulter.

Sie schnieft auf und senkt den Kopf, bevor sie einfach nur nickt. Ich schaue hoch zu Taehyung und muss unter Tränen schmunzeln, als ich in seine wässrigen Augen sehe. Diese Schuldgefühle haben sich förmlich in unsere Körper gebrannt und ich weiß jetzt schon, dass wir sie nie wieder los werde. 

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