Kapitel 121

Soras Sicht:

Hektisch renne ich die Hauptstraße runter, da meine Bahn eine halbe Stunde Verspätung hatte und ich dadurch schon fünf Minuten zu spät bei der Arbeit bin. Ich arbeite seit einem Jahr in einem kleinen Cafe und würde diesen Job ungerne verlieren, sonst kann ich meine Wohnung nicht mehr bezahlen und müsste sonst wo leben.

Beim Café angekommen, reiße ich die Eingangstür auf und stürme sofort auf meine Chefin zu, die mich verärgert anschaut. Ich stelle mich vor sie und entschuldige mich gefühlt tausend Mal bei ihr, bis sie mich anmeckert, dass ich endlich meine Klappe halten und meine Sachen nach hinten bringen soll. Erleichtert tue ich, was sie mir gesagt hat und schmeiße meine Tasche in meinen Spind. Ich binde mir noch schnell meine Schürze um, bevor ich wieder aus dem Hinterraum komme und mich neben meine Chefin an die Theke stelle.

"Sag das nächste Mal wenigstens Bescheid, wenn du zu spät kommen solltest", flüstert Frau Choi mir zu und widmet sich dann einem jungen Mädchen, welches sie breit angrinst und einen Schokomuffin bestellt.

Ich mustere das Mädchen und kann es nicht verhindern, direkt an Yuna zu denken. Meine Gedanken drehen sich in letzter Zeit nur noch um meine Tochter. Sie fehlt mir einfach so schrecklich sehr und ich fühle mich so einsam in dieser Stadt, weil ich hier niemanden kenne. Ich bin damals von Seoul nach Seongnam gezogen, da ich einen Neuanfang starten wollte. Jedoch bereue ich es, nicht in Seoul geblieben und in einen anderen Stadtteil gezogen zu sein. Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich hier zurechtgefunden habe und einen festen Job bekam.

Ein lautes Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe direkt zur Eingangstür. Zwei gutaussehende Männer kommen in das Cafe und unterhalten sich leise, während sie sich an den nächstbesten freien Tisch setzen. Einer von ihnen hat schon graue Strähnen im dunklen Haar, während der andere noch eine pechschwarze Mähne auf dem Kopf besitzt. Irgendwie kommt mir der Schwarzhaarige ziemlich bekannt vor.. Aber ich kann mich nicht erinnern, woher ich ihn kenne. Naja, das muss mich nicht wirklich interessieren. Mich interessiert es eher, was die beiden bestellen wollen. Mit diesem Gedanken schnappe mir schnell einen kleinen Block und einen Kugelschreiber von der Theke und laufe zu den Männern hin, die mich nach wenigen Sekunden auch schon bemerken, als ich mich vor ihren Tisch stelle.

"Guten Tag, was möchten Sie gerne bestellen?", begrüße ich sie freundlich und setze ein kleines Lächeln auf.

"Zwei Cappuccinos und deine Nummer, Kleines", antwortet der Mann mit den grauen Strähnen und grinst mich süffisant an.

Was ist das für ein Ekelpaket? Angeekelt verziehe ich das Gesicht und schreibe mir seine Bestellung auf. Sein Kumpel neben ihm starrt mich einfach nur still an und ignoriert seine Aussage gekonnt. Macht er das etwa bei jeder Frau? Das ist ja widerlich.

"Entschuldigung, aber irgendwie kenne ich dich. Kannst du mir vielleicht deinen Namen verraten?", fragt mich plötzlich der Schwarzhaarige nachdenklich und durchbohrt mich mit seinen dunklen Augen.

Verblüfft sehe ich ihn an und überlege, ob ich ihm einfach so meinen Namen sagen soll. Ich meine, er kommt mir zwar bekannt vor, aber kennen tue ich ihn trotzdem nicht wirklich. Er könnte vielleicht ein Ex von meinen damaligen besten Freunden sein. Naja, wenn ich jetzt darüber nachdenke, kann ich sie nicht mal mehr beste Freunde nennen. Nachdem sie erfahren haben, dass ich Schwanger bin, brachen die meisten den Kontakt ab und ließen mich einfach in Stich - belassen wir es mal bei dem Thema. Ich widme meine Aufmerksamkeit dem Schwarzhaarigen zu, der mich erwartungsvoll anschaut.

"Ich heiße Kim Sora und du?", sage ich ihm schließlich.

Auf seinem Gesicht bildet sich ein breites Lächeln und er lehnt sich etwas zurück, um mich von oben bis unten zu betrachten. Durch seine Blicke bildet sich ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen und ich will einfach nur zurück zur Theke gehen.

"Du bist die Cousine von Kim Taehyung, stimmt's?", fragt er mich plötzlich und hat immer noch dieses komische Lächeln drauf.

Ich verziehe mein Gesicht etwas, als er Taehyung erwähnt. Nach dem Telefonat vor ein paar Tagen bin ich überhaupt nicht gut auf ihn anzusprechen. Er antwortet nicht mal auf meine Nachrichten. Ich habe dann Jeongguk angerufen und dieser entschuldigte sich wenigstens für das Verhalten seines Mannes. Mit Yuna konnte ich trotzdem nicht reden, weil sie zu dem Zeitpunkt in der Schule war.

"Ja, ich bin die Cousine. Woher kennst du mich eigentlich und wer bist du überhaupt?", bejahe ich und möchte immer noch wissen, wer er ist.

"Mein Name ist Kan Hyesung und ich war damals mit Jeongguk zusammen. Wir sahen uns mal flüchtig, als du Taehyung besucht hattest", antwortet er mir und starrt mir die ganze Zeit in die Augen, sodass ich irgendwann meinen Blick auf den Boden richten muss, weil es wirklich unangenehm wird.

Jedoch weite ich schlagartig meine Augen und sehe diesen Hyesung wieder an, der mich schief angrinst. Damals hat er Taehyung und Jeongguk krankenhausreif geschlagen und musste wegen mehreren Straftaten ins Gefängnis. Was macht er in diesem Cafe? Angst macht sich in mir breit und ich will schon einen Schritt zurück machen, um abzuhauen, aber bleibe bei seinen nächsten Worten ruckartig stehen.

"Hast du nicht eine Tochter? Wie war ihr Name nochmal? Yon? Yejun? Ah, nein. Es war Yuna. Ich habe gehört, dass sie komischer Weise bei Jeongguk und Taehyung lebt. Kannst du mir erklären, warum das Mädchen nicht bei ihrer Mutter lebt?"

Die Wut packt mich und meine Angst weicht wie auf Knopfdruck aus meinem Körper. Ich knalle meine beiden Hände auf die Tischplatte vor mir, während ich ihn mit meinem besten Todesblick anstarre. Hyesung tauscht mit seinem Freund Blicke aus, bevor sie mich belustigt angrinsen.

"Lass meine Tochter Ruhe oder ich werde dir die Eier abschneiden!", drohe ich ihm.

"Wie eine junge Löwin, die ihre Kinder beschützen will. Aber keine Sorge, ich möchte nichts von deiner Tochter. Ich würde dir lieber helfen, sie zurückzubekommen. Ich weiß, dass Taehyung und Jeongguk dir nicht erlauben, sie sehen zu dürfen", lacht er zuerst, aber schaut mich am Ende ernst und mitleidig an.

"Warum und wie willst du mir helfen, huh? Wenn sie erfahren, dass ich Kontakt zu dir habe, dann darf ich meine Tochter nie wiedersehen", erwidere ich voller Verachtung in meiner Stimme.

"Sie werden nicht erfahren, dass du mit Kan Hyesung Kontakt hast", meint er und holt seine Brieftasche heraus, um mir seinen Ausweis hin zu halten.

Skeptisch nehme ich ihm diesen aus der Hand und sehe ihn mir an. Augenblicklich runzle ich die Stirn, als ich den Namen Yeonjun auf dem Ausweis lese.

"Hast du den Ausweis etwa gefälscht?", frage ich ihn entsetzt.

"Nein, das ist mein originaler Ausweis. Ich habe meine Namen nach der Haft geändert, um einen Neuanfang zu starten", erklärt er mir.

"Du hast mir immer noch nicht gesagt, wieso du mir helfen willst. Ich frage mich auch, wie du das anstellen willst. Ich darf meine Tochter erst sehen, wenn ich mein Leben in den Griff bekommen habe", entgegne ich nur darauf und gebe ihm seinen Ausweis zurück, den er wieder in seine Brieftasche steckt.

"Ich mache dir einen Vorschlag. Mein Freund Jeffrey, neben mir, hat ein gutes Geschäft am Laufen, in dem ich auch mitwirke und wir verdienen damit gut Geld. Wenn du mich heiratest, hast du das ganze Geld auch auf deinem Konto und lebst mit mir zusammen in meiner Wohnung. So kannst du den Richtern beweisen, dass du dein Leben unter Kontrolle hast und kriegst das Sorgerecht für deine Tochter zurück. Was hältst du davon?", sagt er und sieht mich vollkommen ernst an.

Ist er denn völlig auf den Kopf gefallen? Wieso würde er mich heiraten, nur damit ich meine Tochter zurückbekomme? Jedoch ist dieser Vorschlag sehr verlockend. Die Sehnsucht nach meiner Tochter wird mit jedem Tag wird immer schlimmer und unerträglicher. Dadurch würde sich dieser Prozess, sie zurückzubekommen deutlich beschleunigen. Mit dem Gehalt, das ich von meiner Chefin bekomme, kann ich nicht mal wirklich für mich selbst sorgen. Da würde Hyesungs Hilfe gerade gelegen kommen. Ich beiße mir auf die Lippe und bin total unsicher.

"Was springt denn für dich dabei heraus? Warum machst du das? Willst du etwa Sex mit mir?", möchte ich wissen und bin deutlich abgeneigt von dieser Idee, mit ihm schlafen zu müssen.

"Ich stehe ausschließlich auf Männer und will auch nichts von dir. Ich mache das, weil ich Mitleid mit dir habe. Jeongguk und Taehyung haben mir 14 Jahre meines Lebens zerstört und ich will verhindern, dass sie auch deines zerstören", entgegnet er und sieht mich traurig an.

Ich will meine Tochter wiedersehen und ohne seine Hilfe werde ich es nicht schaffen. Habe ich überhaupt eine andere Wahl? Fiebrig zerkaue ich meine Unterlippe und schmecke nach wenigen Sekunden auch schon etwas Blut in meinem Mund, da ich meine alten Wunden wieder aufgerissen habe.

"Hoffentlich werde ich es nicht bereuen, aber ich nehme deinen Vorschlag an", entscheide ich mich schlussendlich für seinen Vorschlag und weiß sofort, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt, als er mich breit angrinst und zu seinem Kollegen schaut.  

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