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Es war ein sonniger Herbsttag als wieder mal Susannes Handy läutete und ihre Tante dran war. Als sie nach ihrem Telefonat wieder zu mir ins Zimmer kam weinte sie beinahe und in ihren Augen stand die pure Sorge und Angst geschrieben. Sie lief hektisch durch die Wohnung und packte die nötigsten Sachen ein um möglichst bald zu ihr aufbrechen zu können - es schien sehr dringend zu sein dass sie zu ihr kam. Heiße Tränen standen in ihren Augen und tropften hin und wieder zu Boden. Sie sah mich nicht an sondern starrte benommen und in sich gekehrt auf die Gegenstände in ihren Händen. Ihre Bewegungen waren schlampig und fahrig, aus ihnen sprach so viel Hektik und stille Wut. Ihr Gesicht war gerötet und sie wirkte so zerschlagen wie schon lang nicht mehr. Als sie mich in einem fast schon flehenden Ton bat sie mit meinem Auto zu ihrer Tante zu fahren wusste ich dass sie mit mir nie freiwillig über dieses Thema reden würde - egal was alles noch passieren würde. Sie starrte in die leere und ihre Augen brannten von der salzigen Flüssigkeit in ihnen. Dort angekommen verabschiedete sie sich nur kurz von mir und dann ließ sie mich auch schon mit meinen Gedanken und sorgen allein. Ich sah ihr verständnisvoll aber zugleich auch ein Bisserl gekränkt hinter her wie sie so in das Wohnhaus hinein stürmte. Nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war tat sich eine Zeit lang gar nichts bis plötzlich ein Rettungswagen in die Gasse einbog und sich neben meinem Auto einparkte.
Evelyn lag schlaff und mit schon deutlich benebelten Bewusstsein vor mir - die vielen antidepressiva die sie geschluckt hatte waren schon dabei voll ihre Wirkung zu entfalten. Ich konnte nur hoffen dass die Rettung die ich mittlerweile angerufen hatte rechtzeitig kam. Evelyn hatte in ihren unkontrollierten und wahnhaften Phasen keine Kontrolle mehr über ihren medikamentenkonsum. Ihre Augen wirkten schläfrig und trüb. Sie wirkte dennoch froh mich zu sehen auch wenn ihre gesichtsmimik schon so weit außer Kraft gesetzt war dass es für ein Lächeln nicht mehr reichte. Mein Onkel hatte sie von Anfang an ihrer Ehe missbraucht, geschlagen und sexuell genötigt - das war der Beginn ihrer Sucht nach den Tabletten gewesen. Dieser Moment wo sie jetzt so schläfrig und vielleicht halb sterbend vor mir lag war Teil etlicher meiner Albträume gewesen und doch hatte ich immer gehofft dass er nie wahr wird. Ein klein wenig Hoffnung leuchtete in meinem Gesicht auf als die Sanitäter mir sagten dass sie sie schon durchbringen werden können, es war ein Tropfen auf dem heissen Stein in einem unendlich mühevollen und endlosen Kampf. Im Krankenhaus riss Evelyn sich wieder zusammen und tat es als einmaliges Versehen ab - sie konnte das gut, sie schaute dass sie schnell wieder auf die Beine kam und schien vor Vitalität und Lebensenergie nur so zu strotzen. Doch ich wusste ganz genau dass man sie unter keinen Umständen ihr ganzes weiteres Leben lang beobachten und kontrollieren wird können und damit war ihrem missbrauchenden verhalten Tür und Tor geöffnet.
Was sagt ihr dazu?
Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen
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