Shots 3- Hamlet
Ich strich meinen schwarzen Rock glatt und schaute nervös auf meine Applewatch. Die Leute um mich herum redeten und lachten, doch ich hörte sie nicht. Nein, ich hörte „Black Melt" von Massive Attack, um mich zu beruhigen. Gleich würde ich ihn wieder sehen. Wußte nicht, wie nahe er mir sein würde. Und ob ich es aushalten könnte, nach allem, was in San Diego passiert war. Herrgott, Mädchen, dachte ich, komm runter und konzentriere dich! Jemand stieß mich an und deutete auf die geöffnete Eingangstür des Theaters. Ich nickte und lächelte der jungen Frau zu. Blieb aber stehen, weil ich mich nicht ins Gedränge stürzen wollte.
"Love you for god"
Ich schloß die Augen und holte tief Luft. Ein. Aus. Tom Hiddleston ist kein Gott, nur ein Schauspieler und wahnsinnig guter Liebhaber, dachte ich und wartete, bis die letzte Note verklungen war. Ich zog die Kopfhörer aus meinen Ohren und lief auf die Glastür zu. Zeigte brav meine Eintrittskarte vor und suchte meinen Platz. Und bekam nun tatsächlich eine Panikattacke, denn ich saß in der ersten Reihe! Da hatte ich nie hin gewollt, und ich schaute mich um, ob vielleicht jemand tauschen würde, doch da ich als Letzte hinein gegangen war, war es anscheinend zu spät. Ein Ordner bat mich, mich zu setzen. Ich folgte seiner Aufforderung, zog an meinem Rock und überprüfte dann, ob mein iPhone tatsächlich auf lautlos war. Ja, alles okay. Mein Herz raste. Und dann ging das Licht aus. Plötzlich eine Bewegung in meiner Nähe, ich hielt die Luft an. Als Tom zu singen begann, bekam ich eine Gänsehaut. Und er war so nahe, das ich ihn riechen konnte! Ich wagte kaum, zu atmen, und während alle lachten, konnte ich nur lächeln. Ruhig, dachte ich. Vielleicht erkennt er dich nicht. Es war ja nur eine halbe Nacht. Zum Glück hatte der hübsche Schauspieler einen sehr festen Schlaf gehabt, sodass ich, wie ich es geplant hatte, am frühen Morgen getürmt war, ohne, das Tom es mit gekriegt hatte. Ich hatte ihm weder Telefonnummer, noch eine Notiz da gelassen, denn alles war mir im Moment des Aufwachens, so ohne Alkohol im Schädel, furchtbar peinlich gewesen. Doch nun versuchte ich, mich auf das Spiel zu konzentrieren, denn das wollte ich mir trotz allem nicht nehmen lassen.
Bis der große Kerl sich umdrehte und mich ansah. Er stutzte, sprach aber weiter, als wäre nichts gewesen. Doch da es in dem Stück um Schuld und Sühne ging, verpasste er mir immer wieder eine Breitseite nach der anderen. Natürlich gehörte es zum Spiel, das er wütend schaute, aber ich war mir sicher, er meinte mich. Als es lustig wurde, hätte ich heulen können. Warum saß ich hier, genau vor ihm? In einer Szene musste er zurück weichen und hockte sich fast auf meinen Schoß.
„Na, traust du dich hier auch?" hörte ich ihn flüstern und dann war er wieder verschwunden.
Ich seufzte und versuchte, mein Herz durch gezieltes Atmen zu beruhigen. Endlich kam die Pause und ich war fast versucht, das Theater zu verlassen. Ja, Tom's Blicke hatten mir weh getan. Und vielleicht irritierte ich ihn ja auch. Eine ältere Dame, die mit mir an der Bar saß, lächelte mich freundlich an.
„Sie sind doch bestimmt eine Friedhofsgängerin." sagte sie frei heraus und deutete auf mein schwarzes Kleid.
Ich lachte.
„Ja, ich mag Friedhöfe. Aber sonst bin ich nicht wirklich Goth..."
Nun erzählte sie mir von Mirabella, ihrer Enkelin, die wohl Emo war, sie zeigte mir Fotos von dem Mädchen. Sie meinte, früher wäre Mirabella sehr hübsch gewesen und jetzt trüge sie regenbogenfarbenes Haar. Ich lächelte freundlich, versuchte, ihr zu erklären, das es nur eine Phase war, doch sie meinte, bei mir hätte die Phase anscheinend auch nicht aufgehört. Da musste ich ihr recht geben. Es war ein nettes Gespräch und schon war die Pause herum. Und ich hatte Glück. Lydia, die ältere Dame, klagte darüber, das sie auf ihrem Platz ganz hinten nichts verstehen würde und ich bot ihr an, zu tauschen. So setzte sie sich auf Tom's Präsentierteller und ich war hinter ein paar Reihen verschwunden, was sicher auch in seinem Sinne war. Doch kaum ging es weiter, beobachtete ich, wie er fast enttäuscht guckte, als er Lydia entdeckt hatte. Er spielte weiter und es war wohl niemandem wirklich aufgefallen. Vielleicht war es auch nur meine Einbildung gewesen. Etwas später, nachdem Tom immer wieder in die Menge geschaut hatte, war das Licht so, das ich im Lichtkegel saß und wieder hielt er kurz inne, als unsere Blicke sich trafen. Es war gerade eine traurige Szene und ich wischte mir die Tränen weg. Verzog den Mund und als er auf meine Lippen schaute, schloß er für eine Sekunde die Augen. Ja, ich dachte immerzu daran. An das peinliche Erlebnis auf der Comic Con. Unser Intermezzo war drei Wochen her und es war nicht ein Tag vergangen, an dem ich nicht von Tom träumte und an ihn dachte. An unser Dinner, und vor allen Dingen von dem Gefühl, in seinem Arm einzuschlafen. Seinen Atem auf meiner Haut zu spüren, seine Hände, die so...ich erschauderte. Doch ich hatte mich wie eine Hure benommen, nein, was ich getan hatte, war einfach daneben gewesen. Nein, keine anständige Frau würde sich unter einem Tisch verstecken und einem Unbekannten einen blasen! Ich mochte mir gar nicht vorstellen, was Tom über mich dachte! Er sah mich immer noch an und mir wurde heiß.
Doch dann saß ich wieder im Dunkeln und ich atmete auf. Hoffte, das ich den Rest des Stückes auch versteckt bleiben würde. Als es vorbei war und ich mich durch die Menge in Richtung Ausgang wühlte, verspürte ich plötzlich tiefe Traurigkeit. Nein, dieses Gefühl war mir vertraut, es schien nur während des Theaterstückes verschwunden gewesen zu sein, da war meine Scham im Vordergrund gewesen. Lydia hielt mich plötzlich auf und bedankte sich für den Tausch. Sie schwärmte von dem Stück, von den Schauspielern und von Kenneth Branagh, der ihr absoluter Liebling war. Und dann stand er da und begrüßte sie, zu meiner absoluten Überraschung!
„Schön, das du hier bist, liebste Freundin. Hättest du mir was gesagt, hätte ich dafür gesorgt, das du einen Platz in der ersten Reihe bekommst!" lächelte er und umarmte sie.
Oh, je! Ich blickte mich hektisch um, denn wo Kenneth war, würde Tom vielleicht folgen. Lyd erwiderte:
„Ich wollte mich nicht vordrängeln, Ken. Und dank dieser jungen Dame hier konnte ich wenigstens die zweite Hälfte verstehen! Das ist übrigens Greta aus Germany."
Wow, ich schüttelte Kenneth Branagh die Hand! Ich bedankte mich für das spannend umgesetzte Stück.
„Ja, unser Star hier hat es fantastisch gemacht." lachte Kenneth und deutete auf Tom, der nun auch zu uns gestoßen war.
Ich hatte es ja fast befürchtet! Alle Besucher waren mittlerweile draußen und ich sah, das die Sicherheitsleute alles absperrten. Ich wollte auch raus!
„Ähm, ich muss...leider gehen..." murmelte ich.
Lydia schaute mich traurig an.
„Wie schade, ich dachte, wir trinken noch einen Scotch zusammen? Nebenan ist eine nette Bar. Ihr seid auch eingeladen, Jungs." grinste sie.
Tom schaute Lydia lächelnd an.
„Ich..." begann er zögernd, doch Kenneth schoß dazwischen:
„Gute Idee, Lyd. Du schuldest mir noch einen...Und Tom, entspann dich. Du hast dir jetzt einen Drink verdient."
Der Große seufzte. Guckte mich an. Ich sagte entschuldigend:
„Sorry, aber ich fliege heute noch zurück nach Deutschland, habe kein Hotelzimmer gebucht."
Lydia schüttelte den Kopf.
„Das kommt gar nicht in Frage. Bei mir ist genug Platz."
„Lyd, du kannst doch nicht eine Wildfremde bei dir übernachten lassen!" tadelte ich.
Bevor sie etwas erwidern konnte, sagte Tom ruhig:
„Wir beide sind uns nicht fremd. Du kannst bei mir schlafen."
Boom, Tomatenalarm! Nun schauten Lydia und Kenneth überrascht und Tom guckte, wie ein Sieger. Ich war stinkwütend auf ihn! Natürlich war die nächste Frage, woher wir uns kennen würden. Tom antwortete:
„Greta hat in San Diego auf der Comic Con ausgeholfen. Wir hatten...sofort einen Draht zueinander..." blinzelte er und nun ballte ich meine Fäuste.
Tom sah es und seine Augen blitzten angeregt auf. Ich schüttelte den Kopf. Tom grinste.
„Also? Gebongt?" fragte er und guckte in die Runde.
„Ja, natürlich. Wir gehen schon mal rüber." meinte Lyd resolut und zog mich mit.
Kaum waren wir draußen, erklärte sie:
„Ich verstehe nicht, was da zwischen Tom und dir ist. Du hast anscheinend gerne mit mir getauscht, aber wenn du ihn kennst und ihr euren sogenannten Draht habt, wäre es doch sehr dumm, das zu tun?"
„Ich kenne Tom nicht wirklich." murmelte ich.
War ja keine Lüge.
„Und ich würde dann doch lieber bei dir übernachten." fügte ich hinzu.
Lyd schaute mich überrascht an.
„Tom ist kein Kerl, der über Frauen herfallen würde. Und...ich denke, er wird dir viel aufregendere Gesellschaft sein, als ich."
„Ich kann es dir nicht erklären, Lyd, aber es ist schwer für mich, in seiner Nähe zu sein."
„Und warum bist du dann hier?"
„Weil ich ihn trotzdem sehen wollte. Das Stück."
„Das klingt ziemlich ambivalent." murmelte die ältere Frau und deutete auf eine kuschelige Sitzecke in dem urigen Pub.
Ich setzte mich.
„Hast recht. So bin ich." entgegnete ich leise.
Und da war er wieder.
„Wie bist du?" fragte Tom und setzte sich neben mich.
Ich schaute ihn an und zog die Augenbrauen hoch.
„Oh, ist es überhaupt erlaubt?" fragte er dann. „Ich will dir ja nicht zu nahe treten, du bist ja schließlich vor mir geflüchtet, als hätte ich die Pest oder so."
Bevor ich etwas entgegnen konnte, warf Lyd ein:
„Ich glaube, ihr beide solltet euch mal aussprechen. Komm, Ken, wir gehen an die Bar."
Mein Herz schlug nun noch schneller. Tom's Geruch machte mich wahnsinnig, ich wollte ihn berühren. Kaum war Lydia fort, schaute er mich erwartungsvoll an.
„Es war ein Fehler, her zu kommen." murmelte ich. „Läßt du mich durch?"
„Du willst schon wieder weg rennen? War ich so schlecht?" knurrte er nun und bewegte sich nicht.
„Nein, ich war es. Bitte..." hauchte ich.
„Du warst schlecht? Hatte ich dir damals nicht ein gegenteiliges Wort genannt? Im Restaurant, als wir auf den Tisch gewartet hatten?" raunte er.
„Psst." zischte ich.
„Ich habe nichts gesagt, was darauf hindeuten könnte, das wir Sex in einem Restaurant hatten." grinste er nun und tatsächlich drehte sich jemand zu uns um.
„Ich hasse dich." stöhnte ich.
„Hm, das ist es also. Aber warum hast du mich dann befriedigt, wenn du mich gar nicht magst?" fragte er ernst.
Schon wieder wurde mir heiß. Ich schloß die Augen.
„Das hab ich doch nur so daher gesagt, weil du mich provoziert hast. Wenn ich dich nicht mögen würde, hätte ich...jetzt kein Problem."
Er stöhnte und ich guckte ihn wieder an. Tom forderte:
„Erklär mir doch bitte, was das Problem ist."
„Das habe ich schon. Ganz am Anfang, weißt du nicht mehr? Als du mich gefragt hast, ob ich bekifft wäre? Das Ding mit der ungeplanten Storyline?"
„Natürlich weiß ich es noch, und ich hatte das gefragt, weil ich damals schon nicht kapiert habe, was du mir damit sagen willst." knurrte er und drehte an seinem Glas.
Ich schaute zu den anderen beiden, die an der Bar sichtlich Spaß hatten. Und ich hockte hier und sollte dem Mann meiner Träume sagen, das ich mich furchtbar schämte!
„Ich dachte, da wäre was zwischen uns. Ich meine, nicht nur sexuell." murmelte Tom nun in sein Glas.
„Was sollte da gewesen sein, wir haben doch kaum miteinander geredet?" flüsterte ich.
„Es war schön, mit dir einzuschlafen. Viel schöner, als der Orgasmus. Obwohl der...auch wundervoll war." seufzte er. „Aber nachdem du weg warst, hab ich mich ziemlich benutzt gefühlt. Du hättest wenigstens eine kleine Notiz dalassen können."
Ich seufzte.
„Tut mir leid. Aber ich bin wach geworden und...war nüchtern. Ich hatte mich abends schon gefragt, wie du über mich denkst...und konnte mir nicht vorstellen, das du eine gute Meinung von mir hast." sprach ich nun endlich aus, was ich fühlte.
Er lächelte mich an.
„Ich verstehe. Es ist dir immer noch peinlich...aber ich müßte mich schämen, ich habe es doch mit gemacht. Und glaube mir, ich kenne Frauen, die mir schon ganz andere Dinge haben zukommen lassen, und ich halte keine von ihnen für eine Schlampe.""
„Wie, bitte?" hauchte ich irritiert.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top