Das Spiel 14

Sehr geehrter Herr Dr. PD Hiddleston,

ich möchte Ihnen hiermit mitteilen, wie sie anhand des beiliegenden Wertstückes erkennen können, dass ich unseren Vertrag zu sofortiger Wirkung auflöse. Die Begründung lässt sich nicht einfach erklären, aber ich werde mein Bestes geben.

Punkt eins: Ich bin deutsche Staatsbürgerin, und soweit ich weiß, ist dies ein freies Land und der käufliche Erwerb von Menschen verboten. Ich erlaube mir, anzumerken, dass, wenn ich schon verkauft werde, ein angemessener Betrag zu zahlen wäre. Sie haben mich zu einem Spottpreis erhalten. Ich bin erschüttert, nach welchen Maßstäben Sie ihre Geschäfte machen! Außerdem hätte man Ihnen meine Defloration auch in Rechnung stellen sollen. Denn in dieser Nacht war ich um einiges mehr wert gewesen, als einen Fuffi pro Stunde!

Punkt zwei: Das Vertrauen, dass ich Ihnen entgegen gebracht habe, ist zutiefst erschüttert worden. Sie hatten mehrfach die Gelegenheit gehabt, mich über Ihren Vertrag mit meinem Vater in Kenntnis zu setzen, ich habe Sie sogar direkt danach gefragt. Von meinem Vater habe ich nämlich nichts anderes erwartet. Doch Sie habe ich für einen Mann gehalten, an den ich mich lehnen und dem ich voll vertrauen kann. Unter diesen Umständen kann ich mir nicht vorstellen, dass unsere Geschäftsverbindung eine Zukunft hat.

Außerdem: Mir ist bewußt, dass ich Sie verletzt habe, als ich unsere Beziehung letzten Sonntag so abrupt beendet habe, nachdem Sie mir den Antrag gemacht haben. Doch ich sehe jetzt, dass es eine gute Entscheidung gewesen war.

Bitte sehen Sie von weiteren Kontaktgesuchen ab.

Mit freundlichen Grüßen,

das dümmste Kamel der Welt aka Pebbles

PS.: Fick dich, Hiddleston.


„Oh, ich dachte schon, du brauchst meine Hilfe gar nicht mehr!" lachte Dani und nahm den Brief entgegen. „Einschreiben? Was soll das bedeuten? Und was ist da drinnen?"

Sie saß neben mir auf unserer Mauer und schüttelte den Umschlag an ihrem Ohr, indem sich der Ring und die Kette von Tom befanden.

„Kann ich mich darauf verlassen, dass du ihn Tom übergibst?" brummte ich, anstatt zu antworten.

Dani verzog ihr Gesicht und erwiderte: „Klar. Wie immer, hm?"

„Es ist der Letzte." seufzte ich. „Deshalb muss er ankommen. Kannst du mich vielleicht anrufen, wenn's erledigt ist?"

„Ja, mach ich. Wir wollen heute ins „Lunatic", willst du mitkommen? Dann kommst du mal auf andere Gedanken."

„Ich weiß nicht. Vielleicht." murmelte ich und schaukelte meine Beine.

„Hey, tut mir echt leid mit Samstag. Ich wollte es Chris ausreden, aber sie ließ nicht locker und meinte, Norbert würde zu dir passen. Sie weiß ja nichts von Tom." erklärte meine Freundin.

Ich rollte mit den Augen.

„Muss man denn immer einen Kerl haben?"

„Nein...hey...warum bist du so gestresst?"

„Ich hab mit Tom Schluß gemacht." murmelte ich. „Deshalb ist es der letzte Brief."

„Hm, ich dachte, ihr hättet einen anderen Weg gefunden, euch zu sehen. Aber... ich kapiere das nicht, Pebs. Du liebst ihn doch und...ich weiß, dass er dich auch liebt, sonst wäre er nicht dauernd mit Briefen für dich bei mir aufgekreuzt."

„Liebe reicht eben manchmal nicht." hauchte ich und wischte mir eine Träne weg. „Die Umstände..."

Dani tönte: „Ach, hör auf! Chris hat ständig was mit Kerlen über achtzehn. Und ihr erster Stecher war Neunundvierzig! Solange ihr es schön für euch behaltet, was ihr macht, interessiert es doch keinen."

Ich deutete auf Viv.

„Sie schon."

„Die werden wir schon einnorden, glaub mir. Ihr Divengehabe geht mir echt auf den Keks. Sobald man sich fünf Minuten nicht für sie interessiert, tickt sie voll aus."

„Kommt Viv heute Abend mit?"

„Nö. Nur Chris, Lars, Peter und ich. Tanni hat sich auch ausgeklinkt. Und Viv nimmt Steffi heute zum ersten Mal mit nach Hause. Du, ich glaub, Steffi will was von dir..."

Viv und Steffi hockten etwas entfernt von uns auf einer Holzbank und hielten Händchen, doch Viv schaute irgendwie genervt und Steffi hatte immer Blickkontakt mit mir gesucht. Ich sprang von der Mauer und ging rüber, meine ehemalige beste Freundin funkelte mich zornig an. Ich beugte mich vor und zischte: „Du kannst aufhören, mich anzugiften, dein Dad gehört wieder dir allein!"

Dann ging ich in Richtung Toiletten und hörte, dass mir jemand nach lief. Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, kam kurz darauf Steffi durch geschossen und ich zuckte erschrocken zusammen.

„Pebbles, kann ich mit dir reden?" fragte sie hektisch.

„Sicher." lächelte ich.

„Nicht hier. Kann ich dich nachher gegen vier anrufen? Bist du zuhause?"

Ich seufzte.

„Ja, aber ist besser, wenn ich dich anrufe. Papa mag es nicht, wenn ich das Telefon blockiere, ich gehe einfach in eine Telefonzelle und ruf dich an. Aber ich dachte, du bist heute bei Viv?"

Steffi verzog den Mund und erwiderte: „Hat sich schon rum gesprochen, was? Ich fahre erst gegen sieben zu ihr, muss vorher meiner Oma einkaufen helfen. Oder hast du vielleicht Lust, mit zu kommen?"

Ich nickte. Nun, Steffi und ich wohnten nicht weit voneinander entfernt. Sodass telefonieren wirklich Blödsinn wäre!

„Gerne, ich komme einfach nach der Schule mit zu dir. Soll das unter uns bleiben, oder erzählst du Viv davon?" grinste ich.

Steffi schüttelte ihr kurzes Haar und schaute alarmiert zu einer Mitschülerin, die gerade ihre Hände wusch.

„Lieber nicht. Es hat geklingelt. Und danke."

„Klar." lächelte ich und ging auf Toilette.

Ich rief von Steffi aus bei meinen Eltern an und sagte Bescheid, dass ich bei Steffi wäre. Dani hatte ich auch instruiert, wir wollten uns um neun bei ihr treffen, Peter, der schon achtzehn war, würde fahren. Ich war froh, dass mein Tag ausgefüllt war und ich nicht die ganze Zeit über Tom und den Brief nachdenken musste. Und den Schmerz der Trennung aushalten musste! Noch wurde er von meiner Wut überdeckt, aber ich befürchtete, dass er mich irgendwann wieder einholen würde. Steffis Oma war typisch nordisch- unterkühlt und begrüßte mich, doch dann scheuchte sie uns los zum Einkaufen. Zu Zweit ging es schneller und als wir schließlich zurück in dem kleinen Einfamilienhaus waren, zogen wir uns in Steffis Zimmer zurück, knabberten Chips und hörten Kim Wilde, Steffis Lieblingssängerin. "Hey, Mr Heartache"- das passte gerade, wie die Faust auf's Auge. Nun ja, eher wie ein Messer durch mein Herz!

https://youtu.be/qlQfSlbeNas

Nun war ich gespannt, was Steffi von mir wollte, doch zuerst fragte ich sie über ihre Familie aus. Ihre Mutter wäre Alkoholikerin, so hatte ihre Oma sie aufgezogen. Vater unbekannt. Der Opa wäre seit zehn Jahren verstorben, aber sie hätte nie eine Bindung zu ihm gehabt. So, wie zu ihrer Mutter. Ich erzählte Steffi auch ein wenig von mir und hoffte, dass sie nicht nach Tom fragte. Sie tat es nicht und murmelte statt dessen: „Ich brauche mal wieder deine Hilfe wegen Viv."

Ich seufzte und schaute sie traurig an.

„Du weißt, wir sind nicht mehr so dicke. Du stehst ihr gerade näher, als ich."

Steffi nickte.

„Schon, aber du kennst sie. Ähm...also...wir haben uns letzte Woche auf der Party zum ersten Mal geküsst. Ich meine, ich hab sie geküsst und sie hat den Kuss erwidert. Wenn ich mit Kuscheln anfange, macht sie voll mit und nimmt mich auch in den Arm, nur von alleine kommt nichts. Deshalb mag ich den nächsten Schritt irgendwie nicht gehen, aber heute wäre die Gelegenheit dazu."

Ich überlegte einen Moment, dann sagte ich: „Ist schon merkwürdig, denn Viv meinte, das sie total verliebt in dich ist. Vielleicht ist sie einfach... unsicher?"

„Hab ich auch gedacht. Aber sie braucht keine Angst zu haben, für mich ist das auch alles neu." seufzte Steffi und fuhr sich durch das Haar.

„Sag ihr das." lächelte ich.

„Das ist nicht so einfach. Sie ist schnell...ähm..."

„Ich weiß." murmelte ich. „Sie hat sich echt verändert. Vielleicht... der ganze Zirkus mit ihrem Dad hat ihr nicht gut getan, jetzt die Scheidung..."

„Ihre Mutter ist doch wieder zuhause, wußtest du das nicht?"

„Seit wann?" hauchte ich erschrocken.

Ich hatte es nicht zurück halten können. Steffi erzählte ruhig weiter und ließ sich nicht anmerken, dass sie vielleicht überrascht über meine Reaktion war.

„Seit Viv aus dem Krankenhaus ist. Anscheinend haben ihre Eltern wohl wieder zusammen gefunden. Und Viv will, dass wir vor ihrer Mutter nicht rummachen." seufzte sie wieder, während ich im absoluten Schock war.

Überlegte, wie ich jetzt an Dani herankommen könnte und betete, dass es noch nicht zu spät war. Ich sprang auf.

„Ich muss weg. Sorry. Ich rufe dich später an." keuchte ich und rannte schon los.

Schnappte meine Jacke und rief der Oma noch ein „Tschüß!" zu. Sie winkte nur. Ich radelte schnell nach Hause und stürzte zum Telefon. Papa zog die Augenbrauen hoch. Zum Glück ging Danis Schwester ran.

„Hamann."

„Hier ist Pebbles. Ist Dani zuhause?" keuchte ich.

Ich hörte, wie sie „DANI!" brüllte und fühlte mich an Manuel erinnert, der genau so war. Dani meldete sich und ich schaute zu Papa, der nun in die Küche ging. Leise raunte ich: „Hey. Ich wollte nur sagen, der Auftrag ist abgeblasen."

Dani zögerte einen Moment, dann entgegnete sie:

„Was? Kommst du heute Abend doch nicht mit?"

„Nein. Ich meine das...was du...für mich tun solltest. Tu's nicht. Ich komme heute Abend zu dir und...nehme den Umschlag wieder mit."

Dani lachte leise.

„Ach, jetzt schnall ich es! Ich war schon drüben, aber habe den roten Golf da stehen sehen. Deshalb habe ich lieber nicht geklingelt. Ich hätte es sonst später noch einmal versucht..."

„Musst du nicht. Ich erkläre es dir nachher, okay?" flüsterte ich dann.

„Okay. Bis später, Pebs. Freu mich, dass du mitkommst."

Nun, ich hatte noch nicht gefragt, ob ich überhaupt durfte. Aber ich hatte sowieso vor, heimlich zu verschwinden. Das war das Gute daran, im Hinterhaus zu wohnen. Ich döste noch ein wenig, da ich in der Nacht vor lauter Wut kaum geschlafen hatte, dann zog ich mir ein hübsches Kleid an und machte meine Haare. Es regnete immer noch und so nahm ich einen Schirm mit. Endlich bei Dani angekommen, scheuchte sie Peter nach unten, damit wir reden konnten.

„Sylvia ist wieder eingezogen." erklärte ich.

Dani riss ihre grünen Augen auf.

„Scheiße. Meinst du, dass der Doc..."

„Ich will nicht darüber nachdenken. Gib mir einfach den Umschlag."

„Äh...ist verrückt, aber der Doc war vorhin hier. Papa sammelt ja wieder für Afrika und der Doc will, glaube ich, spenden. Ich habe ihm den Brief gegeben. Ich dachte, ich solle nur nicht rüber gehen..."

„Scheiße! Dani!" heulte ich.

„Wieso? Was stand drin?"

„Das wäre zu kompliziert, es zu erklären. Weißt du, ich..."

Wir hörten Schritte auf der Treppe. Es klopfte. Dani verdrehte die Augen.

„Was ist?" knurrte sie, wohl in der Annahme, das Peter vor der Tür stand.

Die Tür wurde langsam geöffnet und ich erstarrte. Es war Tom! Er guckte genauso irritiert, wie ich, hielt einen Umschlag in der Hand.

„Himmel! Zum Glück sind meine Eltern weg gefahren." stöhnte Dani. „Na, dann lass ich euch mal alleine."

„Nein, ich kann nicht lange weg bleiben." murrte Tom.

„Ach ja, dein Frauchen wartet." lächelte ich.

„Fick dich auch, Pebbles." knurrte er und warf mir den Umschlag vor die Füße.

Ich starrte darauf. Hörte, wie die Tür hinter ihm zufiel und sprang auf. Lief in den Flur und prallte auf Tom, der stehen geblieben war und die Fäuste ballte.

„Lass uns...wenigstens anständig Goodbye sagen." hauchte ich.

„Das kommt von dir? Ehrlich, so knallhart wurde ich noch nie abserviert. Du bist echt eine Königin im Schluß machen!"

Ich blickte zu Boden, weil mich sein Blick durchbohrte, was mich immer noch ganz kribbelig machte. Natürlich! Ich erwiderte leise „Ich geb ja zu, der Brief war...krass. Aber..."

Peter kam die Treppe hoch und schaute uns verwundert an.

Tom lief an ihm vorbei, nach unten und ich folgte ihm. Ich hörte, dass im Wohnzimmer laut „Tom und Jerry" lief und sah Kerstin und ein anderes Mädchen vor dem Fernseher sitzen. Sie lachten und ich wünschte mir, ich wäre eine von ihnen. Jung, unschuldig, frei. Als ich Tom durch die Haustür gefolgt war, drehte er sich um.

„Was willst du noch, verdammt?" zischte er.

„Einen Abschiedskuss." hauchte ich.

Er schüttelte genervt den Kopf.

„Was soll das jetzt? Ich dachte, ich bin dir zuwider?"

„Ich bin stinkwütend. Aber ich vermisse es, dich zu küssen."

„Mach's gut, Pebbles." brummte er und verschwand, ohne, dass er auf meine Bitte eingegangen war.

Ich weinte leise. Doch langsam wurde es mir zu kalt und ich klingelte. Kerstin öffnete.

„Ist echt, wie im Taubenstall heute." seufzte sie und lief ins Wohnzimmer zurück.

Ich ging nach oben und nahm den Brief. Dani und Peter waren in die Küche gegangen, um sich noch einen Snack zu machen, so konnte ich in den Umschlag schauen. Es war mein eigener Brief. Doch Tom hatte einen Storch darüber gemalt, der mir den Stinkefinger zeigte. Ich zerriß ihn und warf ihn in den Hygieneeimer im Bad, da würde ihn wohl niemand rausfischen, hoffte ich.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top