Das Bild- Prolog
Man sagt, dass es 7 Menschen auf der Welt gäbe, die haargenau gleich aussehen. Und bei dieser winzigen Zahl ist es quasi unmöglich, jemals auf seinen Zwilling zu treffen. Genauso wenig, wie auf jemanden zu treffen, der einer Person ähnlich sieht, die man anhimmelt, aber niemals haben kann. Wie zum Beispiel Tom Hiddleston. Weit entfernt von meiner Welt, tingelt er in der Weltgeschichte herum, dreht Blockbuster und weiß nicht, dass ich, Sabrina Nass, überhaupt existiere.
Und nun halte ich ein Bild in der Hand, ein Hochzeitsfoto. Mit uns beiden drauf! Es ist uralt, schon völlig vergilbt und mit braunen Flecken besprenkelt. Mein Lieblingsschauspieler ist noch sehr jung, jünger als heute, doch für jemanden wie mich, der sich mit ihm beschäftigt, ist er deutlich zu erkennen. Seine Augenbrauen hat er zusammen gezogen und die Stirn in Falten gelegt, als würde ihm etwas missfallen. Seine schmalen Lippen mit dem verlockenden Zipfelchen an der Oberlippe sind einen Tick nach unten gezogen. Die blonden Locken kurz geschnitten, wie es zu dieser Zeit Mode war. Sein dunkler Anzug passt ihm nicht richtig. Die Hosenbeine sind zu kurz und ausgebeult. Das Sakko ist teilweise geflickt, obwohl es auch Flecken vom Foto sein könnten. Den linken Arm hat er um meine Taille gelegt.
Und ich...ebenfalls eine jüngere Ausgabe von mir, vielleicht Ende Zwanzig oder so, aber ich bin es, eindeutig! Es ist total irre, ich kann kaum glauben, was ich sehe! Ich habe sogar meine kurvige Figur! Das Hochzeitskleid, das wohl mal weiß war, umschmeichelt meine schlanke Taille und fällt locker über die breiten Hüften bis zum Boden. Oben herum ist es züchtig bis zum Hals geknöpft, doch da es eng anliegt, fallen meine üppigen Brüste schon auf. Meine dunklen Augen blicken ebenfalls ernst in die Kamera, und meine linke Hand liegt auf Tom's, die meine Hüfte umfasst. Es sieht fast so aus, als wolle ich seine Hand weg ziehen. Je länger ich das Bild betrachte, desto mehr entsteht der Eindruck, dass es keine Liebesheirat zwischen diesen beiden Menschen gewesen war. Denn mein Alter Ego steht, wenn auch nur ganz leicht, von Tom abgewandt. Und auch Tom sieht so aus, als wolle er am liebsten flüchten.
„Und? Ist das nicht der Hammer?" lacht Fredi, meine beste Freundin und holt mich ins Hier und Jetzt zurück.
„Hm. Wusste nicht, das du dich mit Fotoshop so gut auskennst..." entgegne ich und streiche verträumt über das Bild.
Es ist wirklich gut gelungen! Fredi empört sich:
„Hallo? Erstens bin ich absolut unfähig darin, zweitens kenne ich niemanden, der's beherrscht und drittens guck dir die Rückseite an!"
Ich drehe das Bild um. In altdeutscher Schrift ist zu lesen:
„Karol und Martha, 1912. Königsberg."
Fredi erklärt:
„Das Bild stammt aus dem Nachlass meiner Oma. Aber niemand, der noch lebt, kann sich an die beiden erinnern...komisch, nicht?"
Ich lache.
„Hör auf, du kannst mich nicht veräppeln, Fredi!"
„Das ist wirklich echt!" empört sie sich.
„Fredi, jetzt komm...wie hast du das gemacht?" sage ich ernst.
Meine beste Freundin seufzt.
„Ich schwöre, hoch und heilig, das ich dich nicht veräppele! Frag Mama, ich hab das Foto in ihrem Beisein gefunden."
Sie hält meinem Blick stand.
„Okay, dann glaub ich dir mal." gebe ich lächelnd nach. „Und Martha...passt irgendwie zu mir! Kleine Wuchtbrumme..."
„Ja." kichert Fredi. „So sahst du vor deiner letzten Diät aus... Häng es dir doch an den Kühlschrank!"
„Und gucke mir dauernd an, dass ich mit Tom Hiddleston verheiratet bin? No way! Das reisst ja ständig Löcher in die Wunden!" lache ich.
„Ich finde, Tom sollte es sehen." meint Fredi und schaufelt sich das zweite Stück Torte auf den Teller.
Sie kann es vertragen! Ich entgegne:
„Vergiss es. Er würde denken, dass es gephotoshopped ist, wenn man überhaupt an ihn heran kommen würde. Aber möchte herausfinden, wer diese Zwei sind. Hast du die anderen Foto's durchgesehen?"
Fredi nickt. Sie kaut zu ende und dann antwortet sie:
„Da war nichts mehr. Das ist das Einzige. Ich wäre beinahe vom Stuhl gekippt!"
Ich bin schon am iPhone zugange.
„Hey, Schatz. Ihr seid ja immer noch am Futtern." höre ich hinter mir.
Nico, meine bessere Hälfte, küsst mich flüchtig, deutet auf den Kuchenteller und fragt:
„Wolltest du nicht kürzer treten?"
„Ich habe nur ein Halbes gegessen..." knurre ich.
„Nun lass deine Hübsche doch futtern!" schimpft Fredi. „Und richtige Kerle stehen auf Kurven!"
Nico zieht nur die Augenbrauen hoch, dann entdeckt er das Bild.
„Nee, ne? Ihr benehmt euch ja schlimmer als ein paar Zwölfjährige! Und ich weiß wirklich nicht, was du an diesem häßlichem Kerl findest, Sabsi."
Ich überhöre seine Anmerkung und entgegne:
„Das ist nicht gefotoshopped. Das sind Verwandte von Fredi!"
„Quatsch, verarscht mich nicht. So etwas gibt es nicht. Fredi, komm schon, sag deiner Freundin die Wahrheit!"
Fredi wird rot vor Zorn.
„Ich würde Sabsi nie anlügen! Los, überprüf das Bild!" faucht sie ihn an.
Sie mag ihn nicht. Ich weiß nicht, warum, Fredi und ich kennen uns schon seit Kindergartentagen und bisher hat sie alle Typen, die ich hatte, okay gefunden. Nico schnappt:
„Kein Bedarf. Ich will nichts von eurem albernen Fandom- Quatsch wissen. Sabsi, können wir gehen?"
Ich schüttele den Kopf. Ich habe keine Lust, schon zu gehen, und schon gar nicht mit Nico. Er will heim, auf die Couch und Zocken. Nico seufzt.
„Komm jetzt, wir haben doch unseren Anstandsbesuch erledigt!"
Ich schaue ihn wütend an.
„Fredi's Oma ist gestorben, Nico! Und ich bin ihre beste Freundin. Geh doch, wenn's dir nicht passt. Dann kann ich wenigstens soviel Kuchen essen, wie ich will!"
„Damit du wieder so fett wirst, wie du warst, als wir uns kennen gelernt haben?" entgegnet er genervt.
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