Barracuda Teil 7
„Hast du Hunger?" fragt Elliot plötzlich.
Ich schrecke hoch und schaue ihn an..
„Hey, Valerie. Wo warst du?" lächelt er.
„Kann ich nachher mal deinen Rechner benutzen? Ich würde mich gerne nach guten mechanischen Prothesen umschauen."
„Wir stellen auch Teile dafür her...ich kenne jemanden in Sidney, der sie verarbeitet. Ich habe morgen noch einen Job zu erledigen, danach können wir fliegen."
Ich erschrecke.
„Ist das nicht zu gefährlich? Was, wenn man mich erkennt?"
„Ich besorge dir einen neuen Pass, ich kenne da Leute. Ich habe denen mal geholfen, so einen Scheiß nicht mehr zu machen, komisch, nicht? So kann es gehen... Wenn du willst, besorge ich dir auch eine Stylistin."
Ich nicke.
„Ja, danke. Würde mich wohler fühlen, obwohl...naja, guck mich doch an. Wahrscheinlich erkennt mich so schnell nicht mal mein eigener Vater wieder."
„Julius wirkte ziemlich abgeklärt." murmelt Elliot.
Ich seufze.
„So ist er. Er zeigt nie, was er fühlt. Aber unser Verhältnis war sowieso nicht mehr so gut, als er gemerkt hat, das meine Vorstellungen von Marketing nicht mit seinen übereinstimmen. Vor allen Dingen, das ich mir nichts sagen lasse, hat ihn genervt. Er wird bestimmt seinen Liebling Leon auf meinen Posten gesetzt haben."
„Leon Alvarez? Ja, dein Vater hat es mir erzählt. Ich war wütend auf ihn, das er, als ich ihm mein Beileid ausgesprochen hatte, erklärte, das er schnell „den Verlust ersetzen" wollte."
„So ist Papa. Er denkt kaufmännisch. Und er denkt, alle anderen tun das auch."
„Aber ein bisschen Herz gehört doch auch dazu."
„Herz. Er weiß nicht mal, wie man das schreibt. Hat immer gesagt, ich wäre zu empfindlich für die Führungsebene. Sorry, ich hör schon auf, über ihn her zu ziehen, das ist nicht okay. Und ich denke, das er tief im Inneren schon ein wenig traurig ist."
Elliot nickt und sagt:
„Du hast meine Frage nicht beantwortet...hier ist ein gutes Restaurant, soll ich anhalten?"
„Hm, können wir vielleicht...was besorgen? Ich stehe nicht so drauf, dauernd so angestarrt zu werden."
Wir stehen an einer roten Ampel und Elliot schaut mich an. Er überlegt einen Moment, dann sagt er.
„Sorry, du hast recht. Verdammt, das ich das nicht geschnallt habe. Deshalb bist du so schlecht drauf, nicht?"
„Yup. Unter anderem. Aber...ist schon gut. Ich denke, du siehst mich einfach als normal an, deshalb ist dir nicht bewußt geworden, das ich es nicht mehr bin. Du bist ein toller Mensch, Elliot, und ich danke dir."
„Ich mach das gerne für dich. Denn wir beide haben irgendwie...vergiss es. Hm, wie wäre es mit Thai food?"
Ich lächle und nicke. Er steigt aus und ich denke darüber nach, was wir haben. Im Moment, eine Abhängigkeit. Ohne seine Beine wäre ich aufgeschmissen...Und das macht mich irre. Wieder einmal. Wir fahren in sein Appartement und essen schweigend, dann gehe ich zu Bett. Elliot besitzt eine illustre Auswahl an Büchern und ich schnappe mir irgendeines. Es ist zufällig der „Wolkenatlas", den ich immer zu Ende lesen wollte, aber nie geschafft habe. Ich hatte ein geschäftiges Leben, hetzte von Konferenz zu Konferenz, arbeitete mit Ethan nächtelang an Strategieplänen. Und wieder, Ethan. Ich war schon mit ihm auf der Uni gewesen... Nach zwei Seiten und mehreren geistigen Abweichungen zu meinem vorherigen Leben gebe ich auf und kuschele mich hin. Erst jetzt merke ich, wie gut es ist, nicht mehr auf dem Boden zu schlafen. Obwohl ich schon fast daran gewöhnt war. Die Nudeln liegen mir schwer im Magen, nach einem Monat Nahrungskarenz. Irgendwann bin ich doch eingeschlafen.
Elliot rüttelt an mir und ich schrecke hoch. Eben noch wurde ich bei lebendigem Leib zerfetzt und ich zittere am ganzen Körper. Stumm legt er sich neben mich und ich kuschele mich in seine Arme. Wir beide wissen, was mich plagt und ich denke, er hatte nach Danny's Attacke bestimmt auch Albträume und kennt das nur zu gut.
Irgendwann wird mein Atem ruhiger. Ich traue mich kaum, mich der weichen Wolke hinzugeben, weil ich Angst vor dem Monster habe. Dieser Traum eben war so real gewesen. Weil ich es erlebt habe. Eigentlich bräuchte ich eine Traumatherapie!
Am nächsten Morgen weckt mich Elliot sanft.
„Ich muss los. Mit dem Rollstuhl solltest du erstmal zurecht kommen, hm? Bin in zwei Stunden wieder da."
Ich nicke schläfrig. Ich habe wunderbar geschlafen! Elliot's ruhiger Herzschlag an meinem Ohr hatte schließlich dafür gesorgt, das ich friedlich hinweg gesegelt war. Der hübsche Engländer erklärt:
„Der Flug geht um sechs von Kuala Lumpur aus. Und die Stylistin kommt gegen Mittag, dann bin ich aber wieder hier, keine Angst."
„Warum sollte ich Angst haben?" schmunzele ich.
„Stimmt." grinst er. „Du hast ja viel Schlimmeres erlebt als den Besuch einer thailändischen Kosmetikerin."
„So ist es. Das bisschen Peeling werde ich überleben, ohne deine Hand halten zu müssen." kichere ich.
„Oh, du vergisst das Waxing."
„Uh. Daran habe ich nicht gedacht, das ist natürlich viel schmerzhafter, als bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden!"
Elliot zuckt zusammen, dann zieht er mich wortlos in seine Arme und raunt:
„Ihn umzubringen, wäre eigentlich noch zu freundlich."
„Ich würde ihm am liebsten zeigen, was ich durchgemacht habe." hauche ich.
„Wir finden einen Weg, versprochen."
Ich seufze leise. Elliot ist mir viel zu nahe...Ich frage leise:
„Musst du nicht los?"
Er löst sich und schaut mich ernst an. Will etwas sagen, doch dann entscheidet er sich anscheinend anders und nickt. Küsst meine Stirn und steht auf. Nachdem er gegangen ist, inspiziere ich seine Wohnung. Doch ich finde nichts, was mir irgendwie verdächtig vorkommt. Wenn er mit Daniel kooperiert, dann werde ich es nur auf andere Weise heraus finden. Mist, ich kann noch nicht mal Ethan anrufen, er hätte bestimmt Ideen, wie! Ich sehe, das Elliot mir einen Notizzettel mit seinem Passwort für den Mac hingelegt hat und ich durchstöbere seinen Computer. Elliot's Adressbuch ist voll von Namen. Er hat Millionen emails, Nachrichten usw. und ich würde Tage brauchen, alles genau zu lesen. Die meisten sind von der Organisation und völlig uninteressant. Eine Frau ist dabei, die ihm öfter schreibt. Ich überfliege nur die ersten drei Sätze, dann werde ich rot und höre auf. Ja, sie beschreibt genau, was Frauen empfinden, wenn sie auf die Macon- Brüder treffen. Und es klang fast so, als wenn sie mehr getan hätten, als nur aufeinander zu treffen. Nein, ich werde Elliot's Antwort nicht lesen. Ich scrolle lustlos runter, bin dabei, seine Mails zu schließen, als ich bei dem Betreff von einer email, die anderthalb Jahre alt ist, stutzig werde.
„Estrella Maria Dominguez- Drechsler"
Meine Mutter.
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