8 | Lyall
„Vielleicht war es für dich die ganze Zeit nur Freundschaft."
Seath Worte, leise gesprochen mit einem kaum wahrnehmbaren traurigen Unterton, schwebten zwischen ihnen und Ruby biss sich auf die Unterlippe, kaute darauf herum.
Natürlich verstand sie, was er meinte und in ihrem Kopf spielten sich ihre gemeinsamen Treffen ab und sie suchte nach Zeichen, die sie bisher übersehen hatte. Ein Stich von schlechtem Gewissen pikste in ihren Eingeweiden, dass sie es nicht früher bemerkt hatte.
„Wie lange hast du..."
„Hey!"
Seath Stimme unterbrach ihre Frage, riss sie aus ihren kreisenden Gedanken. Ein warmes Aufblitzen in den braunen Augen zeigte, dass er ihre Bedenken zur Kenntnis nahm, aber nicht weiter die Tatsache verfolgen wollte, dass er anders empfunden hatte als sie. Er stoppte seine Liebkosungen, streichelte mit der rechten Hand ihre Wange. Eine sanfte, liebevolle Bewegung, die Rubys aufgewühltes Herz zu besänftigten schien.
„Du musst dir keine Sorgen machen", redete er beruhigend auf sie ein.
„Es wird sich nicht viel ändern. Ich bin immer noch dein bester Freund. Ich werde nach wie vor für dich da sein. Nur etwas...", sein Blick wanderte vielsagend ihren Körper entlang, verweilten einen Moment auf ihren vom Küssen feuchten Lippen, "...etwas enger."
Er beugte sich vor, verschloss ihren Mund mit seinem.
Die Lider gesenkt, schien er die Verbindung zu genießen, behandelte jede Sekunde wie ein kostbares Gut.
Ruby spürte seine Wertschätzung mit jeder Faser ihres Körpers, seine Wärme und Sanftheit, die ihren letzten zögerlichen Widerstand zum Schmelzen brachte.
Nicht nur erwiderte sie den Kuss, auch ließ sie sein Handgelenk los, spürte mit einem wohligen Schaudern, wie seine Finger sich vorsichtig tastend den Weg unter den übergroßen Sweater und schließlich unter den Stoff ihres BHs bahnten.
„Ich wusste, dass sie eine Schlampe ist!"
Mit einem wütenden Schnauben schlug Mohegan mit der geballten Faust gegen die Steinsäule des Ganges im zweiten Stock. Über die Balustrade hinweg konnte sie gerade noch Ruby und Seath Körper im hintersten Teil des kleinen Platzes unter ihr erkennen, sah, wie sie sich aneinanderschmiegten.
„Sie tut nur so unschuldig."
In den dunkelblauen Augen loderte die unverhohlene Wut, die sie für die Omega empfand. Schon lange war die kleine Brünette ihr ein Dorn im Auge.
Diese Abneigung basierte nicht auf dem Fakt, dass Ruby keine Verbindung zur Luna besaß. Zwar glaubten viele, dass Mohegans Aktionen von dieser Art der oberflächlichen Vorurteile geleitet wurden, jedoch entsprach es nicht der Wahrheit. Ihre wahren Beweggründe waren ein gut gehütetes Geheimnis, welches Ruby und Alaric enger verband, als den meisten bekannt war.
„Sie hat die Sache vorhin im Flur nicht angefangen. Das war er."
Lyalls Blick folgte dem von Mohegan, während er an die Säule gelehnt auf der Brüstung saß, ein Bein drauf ausgestreckt, das andere locker nach unten hängend.
„Sei still!", zischte die Blonde verärgert.
Sie wusste, dass der Beta Recht hatte. Sie hatte schon gewusst, was passiert war, als sie die beiden im Flur an der Wand gesehen hatte. Aber alles in ihr sträubte sich, das, was hier geschah, zu akzeptieren.
„Ich weiß, du kannst ihn nicht einfach aufgeben."
Ein Seufzen begleitete Lyalls Worte, als er vom Geländer rutschte und sich das Hemd glatt strich. „Aber du machst dich damit nur unglücklich."
„Sei endlich still."
Der Protest erklang halbherzig, wenig überzeugend und stattdessen wirkte Mohegans Stimme belegt, als habe sie mit den Tränen zu kämpfen.
„Komm zu mir, wenn es vorbei ist und du Trost brauchst."
Er streckte seine große Hand nach ihr aus, fasste ihren Hinterkopf, den er zu sich ran zog und drückte seine Lippen hauchzart auf ihre Stirn, bevor er sie sofort wieder losließ.
„Behandle mich nicht wie ein kleines Kind", stieß die Werwölfin zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, aber die Rüge klang zu sanft, als dass Lyall sie ernst nehmen konnte.
Ein Schmunzeln, wie man es selten auf den Lippen des Betas sah, erschien auf seinem Gesicht und er beugte sich zu Mohegan vor, sodass sein Mund ihr Ohr streifte.
„Ich werde dir zeigen, wie ich Frauen behandle, sobald ich der Einzige bei dir bin."
Vor sich hin lächelnd schritt er an ihr vorbei, schlenderte den Gang entlang und hob die Hand, um ihr zum Abschied zu winken.
Die Blonde schaute dem großen, dunkelhaarigen Wolf verwirrt nach, während sie versuchte, tief zu Atmen und ihren wilden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen, den Lyall mit nur wenigen Worten in ein Stakkato versetzt hatte.
„Und? Was tut sie gerade?"
Geistesabwesend kramte Alaric in seinem Schließfach, verstaute die Bücher der letzten Stunde und griff nach dem Sportbeutel.
„Es gibt da eine neue Entwicklung."
Lyall schob die Hände in die Hosentaschen, wirkte gelassen, aber unter dem Hemd spannten sich die Muskeln.
Er wusste, dass das, was er seinem Boss gleich erzählte, einen Sturm losbrechen würde - einen Sturm der Opfer forderte.
●═════════════════════●
Ich freue mich wie immer über Feedback, Kommentare und Votes :)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top