7 | Mehr als Freundschaft

Mit klopfendem Herzen beobachtete Ruby im Schutz der Säule die Gruppe Mädchen nur wenige Meter vor ihr. Hinter sich spürte sie Seath Präsenz, was ihr eine beruhigende Sicherheit vermittelte.

Mohegan sprach auf den Lehrer ein, gestikulierte und sah aus wie die Selbstsicherheit in Person, als sei sie die Musterschülerin, stets um das Wohl aller besorgt.

Als ranghöchster weiblicher Werwolf ihrer Generation fiel ihr im Grunde diese Position zu.
Es wurde erwartet, dass sie den Frieden und die soziale Ordnung im Rudel bewahrte, so wie Alaric für Sicherheit und Struktur zuständig war.

Am liebsten hätte Ruby laut aufgelacht. Nach außen hin erfüllte die Blonde zwar diese Position, aber schien sie nicht selten zu vergessen, dass die Omega ebenfalls Teil des Rudels war.

Ruby schaute dem Treiben noch einen Moment zu, sah, wie der Lehrer sich abwandte, offenbar überzeugt von Mohegans Worten.

Seufzend drehte sie sich um.
Heute würde sich keiner für seine Taten verantworten müssen, wie immer. Egal, was sie mit ihr machten, die anderen ließen es sehenden Auges geschehen oder beteiligten sich sogar daran, wie eine morbide Freizeitbeschäftigung.

„Dir ist bestimmt kalt, oder?"
Seath warme Stimme holte sie aus den melancholischen Gedanken.
"Es geht schon", wehrte die Omega ab, obwohl sich Gänsehaut auf ihren Armen unter dem dünnen, durchnässten Stoff der Bluse bildete.
Sie mochte es nicht, Schwäche zu zeigen oder bemitleidet zu werden.

Ihre Abwehr hielt Seath jedoch nicht davon ab, sich kurzerhand seinen Sweater über den Kopf zu ziehen.
„Du solltest den hier trotzdem anziehen."
Er hielt ihr den anthrazitgrauen Stoff hin und in seinen Augen schimmerte neben Besorgnis noch etwas anderes, etwas, das sie so noch nie bei ihm gesehen hatte und sie an ihre Begegnung mit Alaric am Vormittag erinnerte.

„Ich sagte doch, es ist okay. Mir ist nicht wirklich kalt."
Verstimmt schüttelte sie den Kopf, versuchte Festigkeit in ihre Stimme zu legen und Strenge in ihre Mine. Seath sollte sie nicht wie ein Baby behandeln. Sie konnte gut auf sich selbst aufpassen, das hatte sie die letzten Jahre ein ums andere Mal bewiesen.

„Nicht nur deswegen. So solltest du vielleicht nicht in der Schule rumlaufen."
Ruby warf ihm einen fragenden Blick zu, bevor sie bemerkte, wie er vielsagend ihre Brust fixierte.
Sie schaute an sich herab und zog scharf die Luft ein: Die Bluse klebte hauteng an ihrem Busen und durch den feinen, von der Nässe durchsichtig gewordenen Stoff zeichnete sich deutlich ihr schwarzer BH ab.
Sogar die feinen Stickereien, die ihn verzierten und die zarten Wölbungen betonten, waren zu erkennen.

„W...was guckst du so?", fragte sie und verschränkte schnell die Arme vor dem Oberkörper, um die Aussicht, die Seath durchaus zu gefallen schien, zu verstecken.
Obwohl ihre Worte und ihr Tonfall schroff klangen, zog sich ein leichter Rosaton über ihren Nasenrücken.

„Sorry. Aber..."
Er brach ab, reichte ihr stattdessen wortlos seinen Pullover, den Ruby sich in Windeseile überstreifte, während Seath seinen Blick nicht von ihr lösen konnte.

„Was, aber?", hakte sie nach, um von ihrer Scham abzulenken.
Seine honigfarbenen Augen ruhten einen langen Moment auf ihr, bevor er seine Hand hob und sich mit den Fingern durch sein dichtes, kastanienbraunes Haar fuhr. Dem folgte ein Seufzen und er trat einen Schritt auf sie zu, nahm ihr Kinn sanft zwischen Daumen und Zeigefinger, so wie er es zuvor am Brunnen getan hatte.

„Aber ich bin auch nur ein Mann", vollendete er den Satz, die Stimme so dunkel und heiser, dass es Ruby einen Schauer über den Rücken jagte.

Er beugte sich vor und diesmal war Ruby nicht überrascht, ließ es willig geschehen und schloss die Augen, um sich ganz auf den Kuss zu konzentrieren.
Seine Lippen auf ihren fühlten sich warm und fest an, sanft und doch fordernd. Wieder breitete sich die angenehme Wärme in ihrem Inneren aus und auf sein Drängen hin, öffnete sie den Mund, ließ es zu, dass seine Zunge hineinglitt. Er stieß die ihre an, forderte sie auf, es ihm gleich zu tun.

Diese Erfahrung war neu für Ruby, auch wenn es nicht ihr erster Kuss war.
Dieser war ein Erlebnis gewesen, das sie lieber vergessen wollte, der dumme Kindheitsstreich eines Jungen.
Der Kuss jetzt war ganz anders, sinnlich und intensiv. Er löste ein Kribbeln aus, das von ihrer Zungenspitze, die die seine berührte, bis in ihren Bauch wanderte.

Instinktiv griff sie mit beiden Händen nach seinen Oberarmen, hielt sich an ihm fest wie eine Ertrinkende im Meer der Empfindungen. Unter ihren Handflächen fühlte sie seine warme Haut, die kräftigen Muskeln.

Obwohl Seath zu den Kleineren unter den männlichen Wölfen zählte, nur einen halben Kopf größer als sie, war er sportlich und trainiert, wie sie alle.
Das Lauftier in ihnen, schnell und ausdauernd, zeigte sich auch in der Menschenform und bestimmte die Freizeit, die zum großen Teil aus sportlichen Spielen bestand.

Durch Rubys Nachgiebigkeit ermutigt, verlagerte Seath sein Gewicht nach vorne, presste sie gegen die Säule, deren kalter, harter Stein gegen ihren Rücken drückte.

Es gab ihr Halt, welchen sie dringend benötigte, da sein immer wilder werdendes Zugenspiel ihre Knie in Butter zu verwandeln schien. Seine rechte Hand, die zuvor ihr Kinn festgehalten hatte, war in ihren Nacken gewandert, die linke lag auf ihrer Hüfte.

Ruby spürte den Druck seiner Hand, doch als diese anfing, sich unter den Pullover zu schieben und sie die vorsichtig tastenden Fingerspitzen auf der weichen Haut ihres unteren Bauchs spürte, hielt sie erschrocken inne. Sie zog ihren Mund zurück und fasste nach Seath Handgelenk, stoppte ihn dabei, sich weiter nach oben zu arbeiten.

„Wir...wir waren so lange Freunde."
In ihren Worten schwang alles mit, was ihre groß gewordenen, grünen Augen ausdrückten: Sie bewegten sich beide auf neuem Terrain, veränderten die Art der Beziehung, die bisher zwischen ihnen existierte.

Aber wollten sie das wirklich? Wollten sie ihre langjährige Freundschaft, die von tiefem Vertrauen geprägt war, eintauschen gegen etwas so Unvorhersehbares wie eine Liebesbeziehung?

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Sorry wegen der kleinen Schreibpause. Bei mir gab es Familienzuwachs (einen Hund ^^) und die Eingewöhnung erforderte alle Zeit, Aufmerksamkeit und Konzentration.

Dafür habe ich mir bei diesem Kapitel besonders Mühe gegeben ein wenig Herzklopfen-Feeling zu erzeugen ;)

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