Kapitel 5
[Cassandra]
Gelangweilt gähnte ich. Die Sonne kitzelte meine Haut und der leichte Wind schob mein Haar zur Seite. Obwohl es so ein schöner Tag war, war ich jetzt schon von seinen verbleibenden Stunden genervt. Ferien waren doch total sinnlos, wenn man nicht wusste, was man mit ihnen anfangen sollte. Der gestrige Abend verlief, zu meiner Verwunderung, ohne irgendeinen bissigen Kommentar von Levi. Er saß nur stumm mit mir und Eren am Essenstisch und kommentierte nicht einmal meine Zubereitung.
Irgendwo war ich froh darüber, dass er sich nicht abfällig äußerte, doch tief in meinen Inneren machte es mich gleichzeitig wütend, dass er überhaupt nichts dazu sagte. Jeglicher Versuch, von Eren Levi in ein Gespräch zu verwickeln, beantwortete er nur mit einem leisen Brummen. Oder mit einem Schulterzucken. Sodass Eren es nachher aufgegeben hatte, Konversation zu betreiben. Nach dem Essen räumte Levi mit mir den Tisch ab und verschwand wieder in seine Wohnung. Seit, dem hatte er sich nicht einmal heute bei mir gemeldet.
Dies war äußerst ungewöhnlich. Eigentlich dachte ich, Levi würde mir wieder mit, einem gesunden Frühstück, auf die Nerven gehen. Dass Eren wieder nach dem Essen verschwinden musste, trug nicht zu meiner Stimmung bei. Aber, er hatte heute ein Vorstellungsgespräch. Ich fand es ja schon süß, dass er extra für ein paar Stunden zu mir gekommen war.
Dennoch war aber irgendetwas anders. Ich konnte nicht mal selber sagen, was es war. Tief seufzend stützte ich meine Arme am Balkongeländer ab. Als meine Fingerspitzen mein Handgelenk berührten. Musste ich unweigerlich daran denken, wie Levi mir gestern beim Schneiden geholfen hatte.
War es seltsam, dass ich empfand, dass irgendeine Spannung in diesem Moment zwischen uns war?
Ach Quatsch! Die ganze Situation war nur peinlich! Nichts weiter!
Ich drehte meinen Kopf leicht zur Seite, als ich hörte, wie Levis Balkontür aufging. Mit einer Tasse in der Hand, einer lockeren Jeans und aufgeknöpftem Hemd, trat er auf den Balkon. Mit dem Rücken lehnte er sich ans Geländer und nahm einen Schluck aus der Tasse. Mein Blick glitt von seiner festen Brust, hinunter zum Sixpack. Im Gegensatz zu Eren, der nur einen leichten Ansatz von einem Sixpack besaß, war Levis Körper durchtrainiert. Ich fragte mich, wie und wann er überhaupt trainierte.
Warum starrte ich denn jetzt den Körper meines Bruders so an?! War ich ein schmachtendes Schulmädchen vor dem Fitnessraum?!
Schnell wandte ich den Blick ab. »G-Guten Morgen«, begrüßte ich Levi.
[Levi]
Ich brummte nur zur Antwort und setzte den Rand der Tasse an meine Lippen. So konnte Cassandra nicht mein, kurzes süffisantes Grinsen sehen, was sich wegen, ihrem Blick auf meinen Körper, auf meinen Zügen abgezeichnet hatte. Dieser Bastard konnte nicht mit mir mithalten. Körperlich war er ein Kind! Ich spürte genau, dass es Cassandra gefiel, was sie sah. Doch sie versuchte angestrengt, in eine andere Richtung zu gucken.
Aber mir bot sich auch kein schlechtes Bild. Sie hatte wieder die Hot-Pen an. Streckte sie absichtlich so ihren Arsch nach hinten, oder war sie sich dieser Pose gar nicht bewusst? Gewollt oder nicht, es brachte meine Gedanken schon am frühen Morgen durcheinander! Ich stellte meine Tasse am Rand ab und zündete mir eine Zigarette an.
»Du solltest damit echt aufhören!«, kam es von Cassandra herüber.
Tcch! Wenn sie wüsste, dass mich dieser Drecks-Glimmstängel gerade ablenkte ...
»Belehrungen deinerseits funktionieren bei mir nicht, meine Liebe«, antwortete ich nur kühl und pustete den Rauch aus. »Hat dich dein Prinz wieder alleine gelassen?«
Cassandra schnaubte kurz auf. »Ja ja, ich weiß, dass dir das wieder in die Karten spielt!«, entgegnete sie gereizt. »Aber ja, er ist nicht mehr da. Er hat ein Vorstellungsgespräch.« Ich verengte die Augen und nahm einen langen Zug meiner Zigarette. Von mir aus konnte er für immer wegbleiben!
Eine seltsame Stille legte sich über uns. Die immer wieder von einem tiefen Seufzer Cassandras unterbrochen wurde. »Lass mich raten«, begann ich und schnippte die Zigarette vom Balkon, »du langweilst dich jetzt, weil dein Prinz keine Zeit für dich hat.« Etwas ertappt, presste sie die Lippen zusammen. »Wie wärs, wenn du die Zeit mal sinnvoll nutzen würdest und deine Bude auf Vordermann bringst?«, fuhr ich mit Unterton fort.
Cassandra lachte bitter auf. »Nicht jeden erfüllt das putzen, so wie dich, Levi!«
Ich brummte nur an den Rand meiner Tasse und leerte sie. »In zwei Stunden wollte ich in die Stadt. Begleite mich, oder lass es bleiben!«, merkte ich beiläufig an, während ich wieder in mein Wohnzimmer ging und die Balkontür schloss.
[Cassandra]
Fassungslos stand ich eine Weile draußen und blinzelte ungläubig. Hatte er mich eingeladen, ihn zu begleiten? Das war ja schon fast ein Kreuz im Kalender wert! Doch wollte ich wirklich mit? Auf seine bissigen Kommentare hatte ich keine Lust. Aber andererseits ...
Ich würde mich zu Tode langweilen. Na ja, wenn er mir blöd kommt, konnte ich ja immer noch gehen!
*
»Hör doch auf, so grimmig zu gucken!«, murmelte ich Levi zu, während wir hinten im Bus saßen. Gott, die Leute hielten ihn bestimmt für einen Schwerverbrecher. Besonders die älteren Fahrgäste schauten argwöhnisch zu uns herüber.
»Wie kann man in zwei Stunden nicht fertig sein?«, knurrte er tief und überschlug ein Bein.
»Ich habe doch gesagt, es tut mir leid! Jetzt sei nicht so! Die Leute gucken schon, weil du so finster dreinschaust!«
»Tcch!«
[Levi]
Meine Wut für ihre Verspätung hatte sich schon längst gelegt, als ich sie in diesem Outfit auf dem Flur gesehen hatte. Für sowas wartete ich mal ausnahmsweise. Doch mir missfiel es gehörig, dass einige Typen sich, wie Tiere nach ihr umdrehten. Selbst im Bus gab es immer irgendeinen Bastard, der sie schon fast mit seinen Augen auszog.
Aber ein tödlicher Blick meinerseits reichte schon, um diese Idioten einzuschüchtern. Dennoch war es anstrengend! Alles wäre soviel einfacher, wenn ich sie in solchen Situationen zu mir ziehen könnte, und diesen Bastarden dann zeigen würde, dass sie zu mir gehört!
»Wo willst du denn überhaupt hin?«, durchbrach Cassandra meine Gedanken.
»Nur zum Buchladen«, brummte ich. Cassandra kicherte leise. Mit hochgezogener Braue drehte ich meinen Kopf zu ihr. »Was ist bitte so lustig?«
»Tut mir leid«, schmunzelte sie. »Aber du bist da echt altmodisch. Heutzutage gibt es doch alles digital.«
»Tcch! Im Gegensatz zu dir verschwende ich nicht meine Zeit mit unnützer Elektronik!«
»Wenn du das sagst«, lächelte sie und schaute aus dem Fenster. Im Augenwinkel betrachtete ich ihr Spiegelbild. Unweigerlich wanderte mein Blick zu ihren Lippen. Plötzlich durchzog ein heftiger Ruck den Bus und die meisten Fahrgäste kippten kurz von ihren Sitzen. Cassandra kam ins Wanken, und ihr Oberkörper wankte auf meine Seite.
Reflexartig klammerte sie sich mit einer Hand an meiner Schulter, während sie sich mit der anderen, über meinen Schoss hinweg, am Sitz abstützte.
»So ein Flachwichser!«, zischte der Fahrer bissig. Jedoch interessierte mich herzlich wenig, was passiert war. Mit angespannten Körper schaute ich Cassandra an, wie sie langsam ihren Kopf hob. Von meinem Blickwinkel aus sah es so, als würde sie mir einen ...
Mit einem tiefen Knurren schloss ich die Augen, und schluckte schwer. Cassandra rückte wieder auf ihren Sitz und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Was war das denn?«, keuchte sie überrascht.
*
»Dein wievielter Drink ist das jetzt schon?!«, erkundigte ich mich gereizt und gab dem Barkeeper das Geld. Der Abend war schneller eingetreten als erwartet, und die Stimmung zwischen mir und Cassandra hatte sich erheblich verändert.
Was erwartete sie denn von mir? Ich war schon angepisst genug, dass wir in dem Laden gefühlte sechs Stunden drinnen waren und mein Innerstes war immer noch leicht von der Busfahrt überreizt, da war es nicht hilfreich, dass sie vor mir eine Modenschau im Laden abzog. Vor allem das letzte Outfit, und der Gedanke daran, dass sie nur wenige Meter nur in Unterwäsche, in der Garderobe, vor mir stand, trugen nicht dazu bei, dass sich mein Gemüt beruhigte. Dementsprechend hatte ich sie angefahren, und nun saßen wir in einer Bar und Cassandra schmollte wie ein kleines Kind. Hastig trank sie den letzten Schluck ihres Glases leer.
»Ich .... will nach Hause!«, presste sie angestrengt hervor.
Ich seufzte. »Hatte ich eh vor, also komm!«
Zügig erhob Cassandra sich, und wankte kurz nach hinten, doch schnell sammelte sie sich wieder und wir verließen das Lokal.
»Lass uns ... mit der Straßenbahn fahren. Im ... im Bus wird mir nur schlecht«, merkte Cassandra an, und versuchte das Lallen, in ihrer Stimme, zu unterdrücken. Nach drei solchen Drinks konnte sie ja nicht nüchtern sein und der Umschwung von stickiger Barluft nach draußen, schien ihren Rausch etwas zu verstärken.
»Lass uns gehen!«, brummte ich nur und wir machten uns auf den Weg zur Bahn. Im Augenwinkel erkannte ich immer wieder, wie sie auf ihr Handy schaute, und es doch schnaubend wegsteckte.
Alles klar! Der Prinz hatte sich nicht bei seiner Prinzessin gemeldet.
»Vergiss ihn doch einfach«, murmelte ich.
Cassandra sah mich irritiert an. Sofort erkannte ich, dass sie mich nicht verstanden hatte. »Sag mal, Levi?«
»Hmm?«
»Du würdest mich doch niemals ignorieren, oder? Auch wenn ich dich manchmal nerve?« Was sollte diese Frage denn plötzlich?!
Der Alkohol spielte mit ihrer Intelligenz verstecken!
»Wenn es dich glücklich stimmt, nein, ich würde dich nicht ignorieren!«, brummte ich zur Antwort. Am liebsten hätte ich ihr ein bissiger Kommentar entgegengebracht. Doch, auf die Diskussion hatte ich keinen Bock.
Danach legte sich eine Stille über uns, die selbst während der Bahnfahrt anhielt. Immer wieder konnte ich im Blickwinkel erkennen, wie Cassandra mit ihrer Müdigkeit kämpfte. Was vom Alkohol kam. Mich wunderte es, dass sie mich gar nicht an maulte, denn normalerweise war sie in diesem Zustand etwas streitlustig und provokant. Aber sie war ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack!
Nach zwanzig Minuten kamen wir an unserer Haltestelle an. Kaum hatten wir die Bahn verlassen, begann Cassandra wieder etwas zu wanken. Mit einem trüben Blick, drehte sie sich zu mir um, und umklammerte meinen Arm. Innerlich fuhr ich auf und biss mir auf die Unterlippe.
»Halt die Klappe!«, nahm sie mir gleich das Wort vorweg. »Ich kann nicht mehr richtig laufen, na und?«
»Tja, dann hättest du die Gläser nicht so hastig trinken sollen!«, argumentierte ich und schluckte schwer, als sie sich dichter an mich drückte.
»Ja ja, jetzt lass uns gehen! Ich ... ich will mich hinlegen.«
Langsam setzten wir uns wieder in Bewegung. Zum Glück war es nicht weit bis zu unseren Wohnungen. Noch einmal schaute ich prüfend zu Cassandra herüber. Angestrengt versuchte sie, den Schlüssel, zu ihrer Wohnung ins Schloss zustecken. Ich seufzte tief, ging zu ihr, und öffnete ihre Tür. In diesem Zustand war sie ja zu gar nichts mehr in der Lage! Verwundert sah sie zu mir auf, während ich sie in Wohnung begleitete.
Mit Schwung warf sie ihre Schuhe in die Ecke, und ging zur Garderobe herüber. »Hilf ... hilf mir mal!«, lallte sie. Aha, in der Öffentlichkeit versuchte sie, sich zu benehmen und Zuhause ...
Ich rollte mit den Augen und half ihr aus der Jacke. Während ich diese anhing, kam Cassandra wieder ins Schwanken und stolperte prompt in meine Arme. Mein Körper spannte sich an.
Ich sollte verschwinden! Sie machte es mir echt nicht leicht! Und das änderte sich nicht, als sie begann, den Reißverschluss meiner Jacke zu öffnen.
»Was ... wird das bitte?!«, presste ich hervor und versuchte, das leichte Kribbeln in meinem Körper zu ignorieren.
»Du musst auch die Jacke ... ausziehen ...«, stammelte sie und begann zu grinsen.
»Das schaff' ich schon alleine!«, antwortete ich und schob sie von mir. Was war das hier gerade?! Ich versuchte, meine Gefühle zu beruhigen, während ich meine Lederjacke anhing.
Cassandra war in dieser Zeit ins Wohnzimmer getorkelt. Mit einem langen Seufzer legte sie sich auf die Couch.
»Du sollst dich ins Bett legen!«, ermahnte ich sie, als ich ins Zimmer trat.
»Schaff' ich eh nicht ... lass mich ...«, murmelte sie und begann ihre Leggings auszuziehen. Für eine Millisekunde weiteten sich meine Augen und mein Puls beschleunigte sich.
»Geh ins Bett, verdammt! Und zieh dich im Schlafzimmer um!«, versuchte ich sie, in die Realität zurückzuholen. Zunächst starrte sie mich nur an, doch dann warf sie die Leggings mit einem Grinsen von sich.
Da war sie! Die provokante Art! Nur kam das überhaupt nicht gut! Angestrengt versuchte ich nicht, auf ihre nackten Beine zu starren.
»Ich will aber nicht ...«, lachte sie und legte sich wieder zurück auf die Couch. Ob ich wollte oder nicht, so wie sie da lag, konnte ich nicht anders als ihre Schenkel anzuschauen. Dieser rote Slip schien mich förmlich zu provozieren!
Wieder schluckte ich schwer, und mein Atem wurde unruhig. Wie von selbst bewegten sich meine Beine zu ihr herüber.
Ich wusste, ich sollte gehen ... sie im Wohnzimmer liegen lassen ...
Ich wusste dies!
Doch ich wollte nicht gehen!
Nicht jetzt, wo sich ihr Körper mir so präsentierte!
Mit einem tiefen Brummen beugte ich mich zu ihr herunter. Sofort schlang sie freudig ihre Arme um meine Schultern.
»Jaah ... trag mich!«, kicherte sie wie ein kleines Mädchen. Ich hatte vor, sie ins Schlafzimmer zutragen. Ohne Anstrengung umfasste ich ihren Körper und hob sie auf meinen Armen hoch.
Verdammt! Dieses Gefühl ihrer nackten Haut ...
Nein ... ich bringe sie nur ins Schlafzimmer und das war es dann!
Absichtlich ließ ich Cassandra aufs Bett fallen. Erschrocken quiekte sie kurz auf. »Hey!!«, grummelte sie verärgert und ergriff zügig meinen Arm. »Sei doch nicht so ... grob zu mir ...«
Jeder Muskel in meinen Körper spannte sich an. Mein Puls wurde immer schneller. Angestrengt schluckte ich schwer, und sah sie an. Mit großen, unschuldigen Augen sah sie zu mir herauf. Wie in Zeitlupe bewegte sich mein Körper näher zu ihr. Sie lehnte sich etwas zurück, als ich mich aufs Bett stützte und mich leicht über sie beugte. Sanft strich ihre Hand meinen Arm herunter.
»Du ... solltest gehen ...«, hauchte sie.
Ich streckte meine Hand hervor und berührte ihre Wange. Mein Daumen strich sanft über ihre Unterlippe, und mein Gesicht kam ihren langsam näher. »Ja ... ich sollte gehen ...«, flüsterte ich und meine Worte vibrieren an ihren Lippen. Eine gefühlte Ewigkeit sahen wir uns atemlos an. Die gesamte Atmosphäre war unverkennbar angespannt.
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