Kapitel 26
[Levi]
Jeder Muskel in meinen Körper war angespannt. Ich hatte viel zu lange mit Cassandra Geduld bewiesen. Auch wenn ich durch den Bastard nun schon wusste, was zwischen ihm und Cassandra vorgefallen war, so war es doch langsam mal an der Zeit dies alles aus ihrem Mund zuhören! Wie lange wollte sie mich denn noch hinhalten, und für blöd verkaufen? Jedenfalls war meine Geduld am Ende!
»Ich höre, meine Liebe!«, knurrte ich scharf und ließ ihr Kinn los. »Ich habe dir lange genug Bedenkzeit gelassen, findest du nicht auch?«
Cassandra schluckte schwer und wich meinem Blick aus. »M-Müssen wir das wirklich hier besprechen? Können wir nicht erst einmal nach Hause fahren, Levi?«
»Halte dich einfach kurz und erzähl es mir! Dann brauchen wir uns nicht mal Zuhause damit auseinandersetzen!«
»I-Ist das dein Ernst?!«, entgegnete sie entrüstet.
Doch meine Augen wurde immer dunkler. »Soll ich dich etwa dazu bringen, dass du es mir sagst? So wie beim letzten Mal?«, zischte ich mit Unterton.
Cassandras Augen wurden für einen kurzen Moment groß. Unsicher presste sie die Lippen zusammen. Eine gefühlte Ewigkeit schwieg sie einfach. »I-Ich«, begann sie zögerlich, »ich … ich hatte wirklich vor, mit Eren Schluss zu machen, an jenem Tag. Jedoch -«
»Das sagtest du schonmal. Jedoch, was?!«
»J-Jedoch … unterbrach er mich damals und … sagte mir plötzlich, dass er anfangs nur mit mir eine Beziehung eingegangen war, um mich beschatten zu können …«
»Wie soll ich das jetzt verstehen?«, hakte ich gespielt unwissend nach.
Cassandra schüttelte den Kopf, so als wollte sie etwas von sich abwerfen. »I-Ich verstand es ja selbst nicht. Bis er mir den Grund nannte.«
»Was hat er dir erzählt?«
»Er meinte, meine Mutter hätte die Agentur beauftragt, mich ausfindig zu machen, bei der er gearbeitet hatte.«
»Das hast du ihm geglaubt? Cassandra! Deine Mutter ist tot!«
»J-Ja! I-Ich weiß … jedenfalls glaubte ich dies jahrelang … ich habe meinem Vater geglaubt. D-Doch Eren war bereit mir Unterlagen zu zeigen! Und die Agentur hatte auch einen DNA-Test durchgeführt!«
Kaum merklich hob ich eine Braue. Gut. Das mit dem Test war mir neu. Aber immerhin hatte ich jetzt mehr Gewissheit, dass der Bastard zum Schluss wohl doch die Wahrheit gesagt hatte.
»I-Ich … habe die letzten Wochen lange darüber nachgedacht, ob ich den Kontakt zu ihr aufnehmen sollte … aber … ich erreiche Eren nicht. Er schreibt mir nicht zurück. Ich verstehe es nicht. Er war bereit, mir alles zugeben, und nun will er mir nicht einmal die Adresse geben …«
Tja, er wird es auch nicht mehr tun können! Das war alles, was ich hören wollte! Ich wollte es aus ihrem Munde hören! Ich wollte, dass sie ehrlich zu mir war und mir vertraute! Dies hatte sie mir gerade damit bewiesen! Doch länger hätte ich auch nicht auf eine Antwort gewartet!
Sie war doch ein braves Mädchen.
Ich beugte mich zu ihr herunter und küsste ihren Haaransatz. »Gut. Wollen wir dann jetzt nach Hause, oder soll ich dich doch noch ausführen?«
[Cassandra]
Völlig perplex starrte ich Levi an.
Was? Er regte sich nicht auf? Er drohte nicht damit, Eren aufzusuchen, um ihn zur Rede zustellen? Hatte er gerade überhaupt zugehört? Ich hatte ihm gerade erzählt, dass Eren die Beziehung nur vorgespielt hatte und dass meine Mutter noch lebte! Wieso stellte Levi keine Fragen? Wieso drohte er nicht damit, Eren zu verprügeln? Und, die Sache, dass ich immer noch nicht Schluss gemacht hatte, stand auch noch im Raum.
Ich verstand gerade gar nichts mehr. Doch, trotz meiner Verwirrung, war mir jetzt irgendwie leichter zumute. Irgendwie war ich froh, dass jetzt alles raus war. Ich hätte es auch nicht geschafft, ihn noch länger anzulügen.
Aber warum, hatte ich dann immer noch so ein ungutes Gefühl in meinem Innern?
Ich war mir sicher, irgendetwas stimmte nicht. Stimmte nicht mit Levis üblichen Verhalten überein. Aber ich kam nicht darauf, was ich eigentlich genau hinterfragte.
Vielleicht lag es daran, dass ich mich zulange, allein mit dieser Thematik beschäftigt hatte und mir allerlei Reaktionen seinerseits vorgestellt hatte. Und nun, wo er gar nicht so reagierte, glaubte ich, etwas stimmte nicht.
Ja, das musste es sein!
Wahrscheinlich wollte er jetzt nicht weiteres hinterfragen. Vielleicht wollte Levi mir erst später dazu seine Meinung sagen. Ihm war bestimmt aufgefallen, wie es mir sichtlich schwergefallen war, ihm das zusagen. Auf seine Art war er rücksichtsvoll.
[Levi]
Ich entfernte mich von Cassandra, nahm ihre Hand und schleifte sie mit mir aus der Gasse. Natürlich schaute uns einige Leute vielsagend an. Cassandra reagierte daraufhin mit einen verlegen Blick zur Seite. Mir jedoch war es scheißegal, was diese Leute dachten. Unsicher streifte sie ihre Hand von mir ab, und ging neben mir weiter.
»Also, meine Liebe, möchtest du noch irgendwo hin?«, fragte ich.
Cassandra legte nachdenklich ihren Zeigefinger an die Unterlippe. »Hmm, ich glaube nicht. Heute war ganz schön viel los auf der Arbeit und ich möchte einfach nur nach Hause«, entgegnete sie und lächelte mich an.
Meine Augen verengten sich, und ehe ich es selbst kontrollieren konnte, hatte ich meinen Arm um ihre Taille gelegt und sie zu mir herangezogen.
Wieso musste sie mich denn auch so anlächeln? Das war ja schon fast provokant!
Fordernd legte ich meine Lippen auf der ihren und zog sie noch dichter zu mir. Ihre Brüste pressten sich an meinen Körper und in mir kam das Verlangen auf, sie einfach hier und jetzt in irgendeiner Ecke hart zunehmen!
Schwer atmend lösten sich unsere Lippen und ich nahm Abstand zu ihr. Nein! Ich wollte sie nicht hier nehmen! Soviel Kontrolle hatte ich dann doch noch!
»Dann lass uns nach Hause«, brummte ich und versuchte die Spannung in meiner Mitte zu ignorieren.
*
Wie gerädert beugte ich meinen Oberkörper nach vorne, und warf die Bettdecke zur Seite. Normalerweise hatte ich nicht das geringste Problem, mit zwei Stunden Schlaf auszukommen, aber heute steckte mir der Schlafmangel irgendwie in den Knochen.
Cassandra war gestern Abend relativ schnell, neben mir auf der Couch, eingeschlafen. Seufzend hatte ich sie ins Bett gebracht und war dann in meine Wohnung verschwunden. Mir entging ihr unsicheres Verhalten, was die Beziehung zwischen uns betraf, natürlich nicht. Doch, da es ja jetzt keinen Bastard mehr gab, der weiter auf sie einreden konnte, würde sie dieses Verhalten schon bald abgelegt haben.
Dafür würde ich schon sorgen!
Den restlichen Abend hatte ich damit verbracht, noch irgendetwas Nützliches aus dem Handy des Bastards zu erfahren. Und meine Vorahnung bewahrheitete sich wieder mal. In seinen Nachrichtenverlauf, mit Cassandra, war ein Entwurf gespeichert. In diesen entschuldigte er sich, beteuerte seine, ach so große Liebe zu ihr, und die Adresse ihrer Mutter war angegeben.
Dieser Wichser war ja doch noch nützlich! So brauchte ich nicht zu recherchieren! Das war ja wieder zu einfach!
Danach schaltete ich das Handy aus und zerschnitt seine SIM-Karte. Sicher war sicher. Jedoch überlegte ich, ob ich Cassandra die Adresse geben sollte. Innerlich kotzte es mich an, dass sich ihre Mutter, nach all der Zeit, auf diese Weise bei Cassandra meldete, und versuchte sich in ihr Leben zu schleichen! Aber ich merkte auch, wie sehr sich Cassandra mit diesem Thema quälte. Und das wollte ich nicht! Ich wollte nicht sehen, dass Cassandra irgendetwas belastete! Wenn es nach mir gegangen wäre, konnte diese Frau einfach wegbleiben, oder einfach verschwinden!
Ich entschied mich dazu Cassandra Gemütszustand, diesbezüglich, weiter zu beobachten, danach entschied ich dann, ob ich ihr die Adresse gab, oder nicht. Sie würde mir schon abkaufen, dass ich sie nicht traurig sehen konnte, und selber nach geforscht hatte. Entweder war sie dann sauer, oder dankbar. Mit allem konnte ich um gehen. Ich war der Einzige, der sie verstand, der wusste, was in ihr vorging. Der Einzige, den sie brauchte!
Ich fuhr mir durch die Haare und erhob mich vom Bett. Kurz streckte ich meine Glieder und trat dann aus dem Schlafzimmer, ins Wohnzimmer. Meine Augen weiteten sich für einen kurzen Augenblick.
Cassandra stand vor dem Esstisch und blickte ungläubig das Handy an, was darauf lag.
Verdammt! Ich hatte es gestern nicht weggepackt!
Doch ich rechnete auch nicht damit, dass Cassandra von alleine meine Wohnung betreten würde. Das tat sie sonst nie! Was war überhaupt der Grund ihres Eintretens?
Ich räusperte mich kurz, um sie auf mich aufmerksam zu machen, und ließ mir nichts anmerken. Mit großen Augen wandte Cassandra ihren Kopf zu mir, und sah zugleich verlegen weg, als sie mich nur in Boxer vor ihr stehen sah. »T-Tut mir Leid, ich wollte dich nicht wecken!«, stammelte sie nervös. »I-Ich habe nur meinen Ersatzschlüssel gesucht. Denn ich kann meinen nicht finden.«
Ohne unnatürlich zu wirken, ging ich näher zum Tisch herüber und stellte mich so hin, dass sie nicht weiter auf das Handy blicken konnte. Dafür war ich ihr jetzt ziemlich nahe, und das machte sie sichtlich nervös.
»Du hast mich nicht geweckt! Ich habe ihn in meiner Jack -«
»I-Ich habe ihn schon! Danke!«, presste sie hastig hervor, wandte sich um und verließ fluchtartig meine Wohnung.
Mein Kiefer spannte sich an und meine Augen verengten sich. Diese Vorahnung ... etwas stimmte nicht ... es lag nicht nur an dem Handy ... da war auch etwas anderes! Cassandras Ausdruck mir gegenüber war vollkommen anders auf einmal!
Nein …!
Sie sollte sich nicht von mir entfernen!
Jetzt wo ich sie endlich an meiner Seite hatte … Jetzt wo sie endlich mein war …
Nein …
Nein! Nein!! Das ließ ich nicht zu!
Jeder Muskel in meinen Körper spannte sich an und ich hastete Cassandra hinterher.
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