•33•

„Wir sehen uns hoffentlich auch beim nächsten Treffen!" Meint der Mann, bevor er in seine Limousine steigt und weg fährt.
Es ist mittlerweile schon halb zwei und ich merke wie mich eine starke Müdigkeit überkommt.
Zu meinem Glück, wird im nächsten Moment unser Wagen vorgefahren und wir steigen gemütlich hinein.
Ich schaue mir zum letzten Mal das große Gebäude an, bevor wir ebenfalls los fahren.

„Wie fandest du es?"
Ich drehe meinen Kopf zu Fernando, bevor ich antworte.
„Ich fand's super!" Meine ich lächelnd und lehne mich an seiner starken Schulter an.
Ich spüre wie er mir einen leichten Kuss auf meinen Scheitel gibt.

•••

Am nächsten Morgen, wache ich schon etwas früher auf als Fernando, was ein echtes Wunder ist, denn sonst sitzt er um diese Uhrzeit schon am Schreibtisch.
Ich strecke mich, bevor ich mich langsam vom Bett erhebe.
Mein Blick fällt auf Fernando, der Seelenruhig im Bett liegt und vor sich hin schnarcht.
Ich muss leicht schmunzeln bei diesem Anblick.
Aber dennoch sieht er echt hot beim schlafen aus...

Schnell verbanne ich diese Gedanken aus meinem Hirn und mache mich auf den Weg ins Bad.
Verschlafen stelle ich mich vor den Spiegel und muss feststellen, das ich wahrscheinlich nicht so hübsch beim schlafen aussehe, wie Fernando.

Meine Haare hängen kreuz und quer in meinem Gesicht und Knoten haben sie auch.
Ich habe gestern Abend nicht mehr ganz geschafft mich abzuschminken, das sieht man auch an meiner Mascara, die verschmiert an meinen Augen ist und an meinem Lippenstift, der ebenfalls total verschmiert ist.

Stöhnend mache ich den Wasserhahn an und spritze mit erstmal schönes, kühles Wasser ins Gesicht.
Schnell greife ich nach einer Haarbürste, die sehr wahrscheinlich Fernando gehört und kämme etwas aggressiv meine Haare.

Wo hat er hier bitte Zahnpasta!
Mit zusammen gekniffenen Augen, wühle ich durch die Schubladen und öffne schließlich den Spieglschrank, in dem tatsächlich Zahnpasta steht.
Glücklich nehm ich sie heraus, doch gerade als ich den Schrank wieder zuklappen will, springt mir eine orangene Dose ins Auge.
Verwirrt kräusle ich mein Stirn und nehme sie langsam heraus.

Die kleine Dose ist in einem verwaschenen Orange, so das man nicht gut erkennen kann, was in ihr drinnen ist.
Der Deckel ist weiß, genauso wie die Beschriftung.
Angestrengt versuche ich zu erkennen, was auf der Verpackung drauf steht, doch es ist schon so verwaschen und verschmiert, das man nur noch einzelne Buchstaben erkennen kann.
Und die ergeben kein sinnvolles Wort.

Ich seufze noch einmal nervös, bevor mich die Neugier überkommt und ich die Tube öffne.
Meine Augen weiten sich, als ich verschiedene Pillen drin sehen kann.
Sind das Drogen?
Nein... Nein das kann nicht sein...
Es sieht eher aus wie irgendwelche Pillen oder so.

Mit zitternden Händen nehme ich eine heraus und halte sie gegen das Licht, doch daraus werde ich nicht gerade schlauer.
Seufzend lasse ich sie wieder zurück in die Dose fallen und schraube den Deckel wieder drauf.
Wie soll ich Fernando darauf ansprechen?
Was ist, wenn er eine gefährliche Krankheit hat oder so...

„Brook?"
Vor Schreck erstarre ich in meiner jetzigen Position und traue mich kein Zentimeter zu bewegen.
Ich versuche so leise und ruhig wie möglich zu atmen, das er ja nicht merkt, ich habe, oder verheimlich irgendwas.
„Brook!" Dieses mal klinkt er sauer und nervös zu gleich.
„Was-was hast du da!"
Ich schlucke schwer, bevor ich mich langsam zu ihm umdrehe und die Dose fest in meinen Händen halte.
Sein Kiefer spannt sich gefährlich an, als er die Medikamente in meinen Händen sieht.

„Gib das her" Meint er aufgebracht und will es mir gerade aus der Hand reißen, da ziehe ich sie schnell zurück.
„Was ist das?" Frage ich mit zitternder Stimme und achte auf Fernando, dessen Brust sich ungleichmässig hebt und senkt.
„Brook... das ist nichts. Gib es einfach her.."
„Das sieht nicht nach nichts aus!" Meine ich aufgebracht und fuchtle mit der orangenen Verpackung herum.

„Bist du krank?" Frage ich vorsichtig nach und schaue ihm tief in die Augen.
Ich sehe, das er es gerade total scheiße findet, das ich das gefunden habe.
Ich sehe aber auch Verzweiflung und Angst...

„Antworte!" Sage ich mit bebender Stimme, worauf er langsam seine Augen schließt und sie im nächsten Moment wieder öffnet.
„Ich kann nicht..." Mit diesen Worten reißt er mir die Dose, ohne zu zögern aus meiner Hand.
Ich merke wie mir Tränen in die Augen laufen.

Er kann doch jetzt nicht einfach keine Antwort geben!
„FERNANDO!" Schreie ich aufgebracht, als er mir den Rücken zukehrt.
„Bitte Fernando... wenn es etwas ernstes ist, lass es mich bitte wissen!" Sage ich mit weinender Stimme, worauf er kurz stehen bleibt und sich zu mir umdreht.
„Das ist nicht so einfach-" „Das ist mir klar, Okay? Aber bitte erkläre es mir!" Verzweifelt mache ich kleine Schritte auf ihn zu, wodurch er seine Augenbrauen schmerzhaft zusammen zieht.
„Bitte..." Flüstere ich, als ich nun vor ihm stehe und vorsichtig meine Hände auf seine lege, mit denen er die Verpackung fest umklammert.

Ich sehe so etwas wie Dankbarkeit in seinen Augen.
Ich glaube er muss endlich jemanden erzählen was wirklich in ihm vorgeht.
Er hat niemanden mit dem er über so etwas schwieriges reden kann.
Er hat niemanden mit dem er über seine Vergangenheit reden kann.
Niemand hat sich früher richtig um ihn gekümmert, es hat wahrscheinlich auch keiner darum gekämpft heraus zu finden, was seine Probleme, oder Ängste sind.
Er ist dankbar dafür, das ich mich um ihn kümmere und alles versuche um mehr über ihn zu erfahren.
Ich habe das Gefühl, das hat noch keine Person für ihn gemacht...

Seufzend setzt er sich auf die Bettkante, was ich ihm sofort gleich tue.
„Seit dem ich richtig in der Mafia angefangen habe, Leute töten musste, zusehen musste wie Leute gefoltert werden, oder getötet werden und selber welche foltern musste, habe ich viele schlimme Bilder gesehen. Und das auch schon in sehr jungen Jahren. Ich hatte immer leichte Panikattacken und als dad mich immer in diesen Folterraum gesteckt hat, ist es nur noch schlimmer geworden..."

Er macht eine kleine Pause und dreht die orangene Dose in seinen Händen.

„Einmal war die Panikattacke so schlimm, das ich in die Notaufnahme musste... Ich wäre fast gestorben. Die Ärzte meinten ich muss die einmal in der Woche nehmen. Es wurde dann auch besser, nur..."

Er schließt seine Augen, so als ob er dem Ganzen entkommen will.

„Ich hatte, oder eher gesagt habe sehr schlimme Albträume, wenn ich die Pillen nicht nehme. Ich- ich träume immer von mum und wie-"
Er macht wieder eine lange Pause und ich sehe wie seine Unterlippe anfängt zu beben.

„Hey..." Beruhigend lege ich meine Hand auf seine und streiche vorsichtig über sie.
„Ich träume immer davon, wie ich mamá töte, oder in diesem scheiß Wald stehe, oder in dad's Folterraum liege." Beendet er den Satz und schaut zu Boden.

Ich weiß nicht was ich sagen soll...
Soll ich sagen, das alles gut wird?
Oder soll ich sagen, das es nicht schlimm ist?
Oder soll ich doch sagen, das es bessert wird?
Ich weiß es nicht...
Ich glaube ihm reicht schon, das ich hier neben ihm bin und ihm zuhöre, ohne irgendwelche dummen Kommentare zu sagen.

Ich nehme vorsichtig sein Gesicht in meine Hände und drehe es in meine Richtung.
Ich lächle ihn leicht an, bevor ich Fernando in eine feste Umarmung ziehe.
„Danke das du es mir gesagt hast..." Nuschle ich in seinen Oberkörper.
Ich spüre wie er sich langsam, aber sicher entspannt und die Umarmung schließlich erwidert.

•••

Es ist mittlerweile schon 15:00 Uhr.
Fernando meinte, ich soll mal wieder ins Boxstudio und ein wenig an meinen Techniken üben.
Das komische ist, er selber kann nicht mit, da er sagt, er muss etwas wichtiges erledigen.
Er hat die ganze Zeit so dämlich dabei gegrinst, was mich echt aufgeregt hat.

Seufzend steige ich aus der Limousine aus und laufe auf das große Boxstudio zu.
Ich schultere noch schnell meine Tasche, bevor ich die schwere Tür öffne, doch sofort in meiner Bewegung erstarre.
Mit geweiteten Augen sehe ich mich um und stelle fest, das hier sehr, sehr viele Menschen drin stehen, oder sitzen.
Der Boxring in der Mitte wird mit einem hellen weisen Licht bestrahlt und die ganzen Fremden Gesichter sitzen drum zu.

Die meisten reden gespannt miteinander, oder fangen schon an zu jubeln.
„Cosa fare-" [was zum-] Doch weiter komme ich, nicht da mich ein junger Herr unterbricht.
„Sie müssen Brooklyn sein!" Meint er freundlich und nimmt mir meine schwere Tasche ab.
„Die werden sie nicht brauchen"
Er gibt sie einen andern Mann, der sie sofort in einem Schrank verstaut.

Gerade will ich fragen was zum Teufel hier los ist, da führt der Mann mich zu einem schicken Stuhl.
Naja, Stuhl kann man das nicht mehr nennen, es sieht eher aus wie ein feiner Sessel.
„Der ist für sie. Ihr Getränk wird ihnen auch gleich gebracht."
Verwirrt kräusle ich meine Stirn und als mir dann tatsächlich eine andere Person eine kühle Cola in die Hand drückt, bin ich noch verwirrter.

„Fernando dice que no deberíamos hablarle de la pelea..." [Fernando sagt, wir sollen ihr nichts von dem Kampf sagen]
Höre ich einen der Männer zum anderen sagen, während sie sich ein paar Schritte von mir entfernen.
„Bleiben sie einfach dort sitzen" Sagt ein Mann noch, bevor sie verschwinden und mich alleine mit meiner Cola lassen.

Bockig nehme ich ein paar Schlücke und sehe mich nich einmal genauere um.
Mein "Sessel" wurde direkt vor einer der vier Ecken, des Boxrings platziert.
Sofort fällt mir auf, das ich die einzigste bin, die auf so einem Stuhl sitzt.
Die anderen sitzen wie normale Menschen auf Holzstühlen, oder Bänken.
Ich fühle mich ein wenig unwohl dabei...

Mein Blick richtet sich wieder auf den Boxring, auf dem immer noch getrocknetes Blut von einem der Kämpfe der letzten Tage ist.
Der Raum füllt und füllt sich mit immer mehr Leuten.
Warum wollte Fernando, das ich hier her komme?

Doch bevor ich weiter nachdenken kann, ertönt eine dunkle Stimme, durch die fetten Lautsprecher, die in den Ecken des Raumes stehen.
„Meine Damen und Herren, herzlich willkommen bei diesem Boxkampf!"

Damit hat sich meine Vermutung bestätigt.
Es ist ein Kampf.
Der Mann brabbelt noch irgendwas übers den Kampf und wie schön es ist, die ganzen Gesichter hier zu sehen, doch als er einen Namen ausspricht, höre ich wieder gut zu.

„Louis Gapatsche!" Lautes Jubeln und bölken dringt in mein Ohr und schon im nächsten Moment kommt ein sehr muskulöser junger Mann aus einer anderen Ecke gelaufen.
Er trägt noch einen Umhang  — wenn man das so nennen kann —
Und schlägt energisch mit ein paar Leuten aus dem Publikum ein.
Nach ein paar Sekunden steht er auch schon Oberkörper frei im Boxring.

Er ist ein blondhaariger Junge, mit sehr vielen starken Muskeln.
Narben hat er ebenfalls sehr viele.
Sein Blick besteht einzig und alleine aus Hass und Aggressionen.
Man sieht im an, das er ein Boxer ist.
Aufgeregt schlägt er seine Boxhandschuhe immer wieder gegen einander und starrt gespannt hinter mich in die Ecke.

Plötzlich huscht sein Blick zu mir.
Ich schlucke schwer.
Er sieht noch viel gefährlicher aus, wenn er einem direkt in die Augen starrt.
Doch das einzige was er macht ist, mit einem Auge zu zwinkern und dann wieder den Blick von mir abzuwenden.

Ich ziehe meine Augenbrauen nur noch weiter zusammen und nehme noch ein paar Schlücke von meiner Cola.

„Der andere Boxer ist ..."

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