Vierundzwanzig - Magnus

Ich sitze in Simons Auto, mein Kopf lehnt an der Scheibe. Das kühle Glas vertreibt den Nebel in meinem Kopf. Die letzten Minuten rasen als Fetzen an mir vorbei. Einzelne Fragmente, Bilder, Emotionen, Gefühle. Alexander hat meinen Kuss erwidert, ich habe ihm gesagt das ich ihn liebe. Aber er hat es nicht. Ich habe nicht damit gerechnet das er es macht. Das er dort in dieser Kirche allen erzählt das er mich liebt. So ist Alexander nicht. Wenn es ihm genau so geht, wenn er meine Gefühle teilt, dann wird er es mir sagen. Im richtigen Moment und wenn er bereit dazu ist.

"Mags?"
"Magnus!"
"Hmm... Hast du was gesagt?" Simon grinst, schüttelt leicht den Kopf. "Ja habe ich. Wo warst du mit deinen Gedanken?"
"Das kannst du dir doch denken oder?"
"Ja das kann ich. Und erspare mir bitte die Details." Wir lachen beide und ich blicke wieder aus dem Fenster.
"Ich wollte dich etwas fragen."
"Frage einfach Si. Wir kennen uns zu lange für Geplänkel."
Er biegt ab in die Strasse wo ich wohne, hält vor meinem Haus und sieht mich dann an.
"Liebst du ihn?"
Ich nicke. "Ja. Schon lange."
"Das dachte ich mir." sagt Simon und steigt aus dem Auto.

In meiner Wohnung macht Simon uns Kaffee und ich gehe ins Bad. Duschen, Zähne putzen, stylen. Gerade wegen meinem Auftritt in der Kirche und weil Alexander mich um den silbernen Eyeliner gebeten hat, lege ich bei meinem Styling noch eine Schüppe oben auf.
Schwarz umrandete Augen, silberner Eyeliner, glänzende Highlights in den Haaren.
Mein Anzug liegt schon bereit. Er hat den gleichen Blauton wie der von Alec, nur mit einigen dezenten hellblauen Elementen.

"Magnus. Der Kaffee ist fertig. Setzt du dich bitte noch zu mir?" ruft Simon und ich frage mich was er möchte. Denn das ihm etwas auf dem Herzen liegt höre ich an seiner Stimme.
Ich rausche in die Küche und hole mir eine Tasse des wohltuenden schwarzen Zaubertranks. Im Wohnzimmer setze ich mich in den Sessel, Simon sieht mich, pfeift und nickt anerkennend.
"Du siehst toll aus. Er wird es lieben." Ich grinse und zwinkere ihm zu.

Der Kaffee riecht himmlisch. Genüsslich nehme ich einen großen Schluck, lasse das kräftige vollmundige Aroma meine Zunge umspielen, um dann heiß und wohltuend in meinen Rachen zu laufen. Simon hat einige versteckte Talente. Und dazu gehört eindeutig Kaffee. Mit der richtigen Maschine zaubert er einen wunderbar aromatisch duftenden Kaffee, schwarz, stark und dunkel.
"Also Simon. Was liegt dir auf der Seele. Worüber möchtest du reden?"

Simon seufzt und knetet seine Hände. Er wirkt nervös.
"Du weißt das ich Lippen lesen kann." Ich nicke. Wir wissen alle das er diese Technik beherrscht.
"Ich habe 'gelesen' was du Alec gesagt hast. Du hast gesagt 'Du warst tot.' Hattest du einen Traum? Einen Albtraum?"
Ich sage nichts, schaue Simon einfach nur starr an.
"Du musst nicht darüber reden wenn du nicht willst. Aber du solltest mit Alec reden."

"Das sollte ich. Aber es ist nicht so einfach. Ich hatte nicht einfach nur einen Albtraum der mit seinem Tod endete." Ich stocke, überlege ob und was ich sage. Diese ganze Situation fühlt sich so unwirklich an. Mein Traum war so real, ich hatte das Gefühl mitten drin zu sein. Die Gefühle und Emotionen zu spüren, seine Küsse und Berührungen zu fühlen, die Tränen und den Schmerz.
Meine Augen geschlossen atme ich tief ein und wieder aus.
"Simon was ich dir jetzt erzähle... bitte verurteile mich nicht."
"Magnus das würde ich nie tun. Du kennst mich. Aber ich für meinen Teil kann nicht länger schweigen."

Worüber?  Ich verstehe seine Worte nicht. Worüber schweigt er?
"Okay lasse mich erst erzählen. In meinem Traum hatten Alexander und ich Sex. In der Nacht der Hochzeit. Danach gestanden wir uns gegenseitig das wir den anderen lieben, verbrachten vier wirklich schöne und vorallem erotische Tage miteinander. Dann flog Alec zurück, ich ging nach Chicago. Und dann passierte der Unfall bei dem Alec starb. Meine Welt brach zusammen, ich weinte und schrie. Es war furchtbar." Eine Träne rollt über mein Gesicht, ich schaue Simon an und sehe Verständnis in seinem Blick.
"Alexander zu verlieren ist meine größte Angst. Größer als die Angst die ich als Kind vor meinem Vater hatte."

"Magnus. Du solltest wissen das es Alec genau so geht. Du bist seine Schwachstelle. Das warst du immer. Er hat ein einziges Foto in seinem Zimmer stehen. Neben seinem Bett. Und das Foto zeigt Alec und dich. An seinem 21. Geburtstag. Erinnerst du dich?"
Ja ich erinnere mich. Wir waren campen. Wir vier Jungs, mit Izzy und Clary. Es war ein sehr schönes Wochenende. Ausgelassen und fröhlich. Genau dieses Foto schaue ich gerade an. Es hängt über dem Sofa in meinem Wohnzimmer. Zusammen mit anderen Bildern. Aber dieses hat einen zentralen Platz. Es zeigt Alexander und mich. Wir sitzen am Ufer des Sees, mein Rücken lehnt gegen seine Brust, Alec hält mich fest. Sein Arm liegt über meiner Brust, die Hand flach auf dem Herzen, die andere streicht sanft durch mein Haar. Meine Augen sind geschlossen, das Licht der aufgehenden Sonne hüllt unsere Körper in ein diffuses Licht. Wir saßen dort weil ich einen Albtraum hatte und nicht mehr schlafen konnte. Clary schoss das Foto von uns. Es ist wunderschön und zeigt die tiefe Bindung zwischen uns.

"Jedes Mal wenn Alec und ich in ein Flugzeug steigen, zu einem Einsatz fliegen, viele Kilometer von euch entfernt sind, bleibt ein Teil unserer Seele und unseres Herzens hier. Und Izzy verwahrt diesen Teil für mich bis ich wieder bei ihr bin."
Ich nicke und verstehe. "Und Alec lässt seinen Teil nicht bei Izzy oder Jace, seinen Eltern oder Sam. Alec lässt diesen Teil immer bei dir. Immer. Von Anfang an. Magnus wenn du das wirklich willst, wenn du Alec willst, dann stelle dich dieser Angst."

"Eigentlich wollte ich dich bitten die Finger von Alec zu lassen. Schaue mich nicht so geschockt an. Wegen dir. Für dich. Du leidest seit Jahren Mags. Ich habe es genau gesehen. Ich wollte dir sagen, dass du dir einen netten Mann suchen und sesshaft werden sollst." Simon lächelt jetzt wieder und ich entspanne mich etwas.
"Aber dann sah ich Alec in deinem Bett. Mehr brauchte ich nicht. Trotzdem und bitte lasse mich ausreden..." Ich seufze und möchte dieses Gespräch nicht mehr führen. Aber Simon ist mein Freund und Simon ist nicht blöd.
"... ihr seid schon lange keine besten Freunde mehr. Alec hat es nur nicht gesehen, nicht wahr haben wollen aus Angst dich zu verlieren. Aber ich weiß das er dich liebt. Ich habe es gestern gesehen. Eure Blicke, eure Berührungen, so zufällig, so brüderlich. Und doch steckte da so viel mehr hinter."

Simon ist schon lange unser Freund. Er ist Izzys Ehemann, Alecs Bruder im Kampfe. Und Simon hat das Talent hinter den Menschen zu blicken.
"Das du heillos in Alec verknallt bist weiß ich schon lange. In der letzten Zeit war er verändert. Ruhiger, zurück gezogener. Mehrfach habe ich gefragt ob er reden will, aber er wollte nicht. Zwei Tage vor unserem Heimflug hat er mir gesagt das er befürchtet sich verliebt zu haben. In dich. Und das er Angst hat. Angst dich zu verlieren."

"Es ist ein Unterschied ob Alec einen Bruder, einen besten Freund oder einen Partner, einen Ehemann hier zurück lässt."
Schweigend trinke ich meinen Kaffee.
"Ich habe mich immer gefragt warum ihr nie etwas miteinander angefangen habt. Ihr seid so ein hübsches Paar. Und ihr ergänzt euch so gut."
Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Die Tasse auf den Tisch stellend schnappe ich mir Simon.
"Wir fahren jetzt zur Party. Und dann tanze ich mit Alexander, rede mit ihm, küsse ihn und habe Spass. Lasse uns diesen Tag feiern und genießen."

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