Kapitel 6
Bist du sauer auf mich?
Mia, bitte antworte. Oder geh wenigstens an dein Handy.
Es tut mir leid, was in der Stadt passiert ist. Ich hätte dich nicht alleine lassen sollen.
Bitte, Mia. Ich hasse es, wenn wir uns streiten.
Genervt werfe ich mein Handy auf das Bett und gehe nach unten in die Küche, wo meine Eltern sich gerade unterhalten.
Als ich sie betrete, verstummen die beiden.
"Liebling, wie war es in der Schule?" Ich zucke mit den Achseln. "Ganz okay. Nachsitzen war auch nicht so unglaublich schlimm gewesen."
Als ich vorgestern nach Hause gekommen bin, waren meine Eltern, besonders Mum, richtig wütend gewesen, weil ich die Schule geschwänzt habe und mit Alex in die Stadt gegangen bin.
Jetzt würde ich mich eindeutig für die Schule entscheiden.
Zumindest musste ich zum Schulleiter und mein Vergehen beichten. Das war einfach mega peinlich, aber Mum und Dad waren der Meinung, dass ich das verdient habe, so bloßgestellt zu werden.
Naja, ich muss heute und morgen zwei Stunden nachsitzen und das nachholen, was ich verpasst habe.
Wenigstens kann ich, während ich die Notizen übernehme, Musik hören.
Lustlos hole ich mir aus dem Kühlschrank die Wasserflasche und fülle ein Glas mit Wasser. "Immer noch Funkstille zwischen Alex und dir?", fragt Mum. Ich lehne mich gegen die Arbeitsplatte und nicke. "Sie bombardiert mich mit SMS und Anrufen, aber ich habe gerade echt keine Lust, mit ihr zu sprechen." "Was ist denn eigentlich jetzt passiert?" "Wir haben uns indirekt gestritten." Mein Vater sieht mich verblüfft an. "Indirekt, das heißt?" Seine Verwirrung bringt mich etwas zum Lächeln. "Das verstehst du nicht, ist eine Mädchensache." "Achso, ich sehe schon. Okay, dann hoffe ich trotzdem, dass ihr euch wieder vertragen werdet. Ihr beide seid euch schließlich sehr wichtige Menschen im Leben."
Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er ins Wohnzimmer geht. Einen Moment später höre ich die Nachrichten im Fernsehen laufen.
"Schätzchen, möchtest du vielleicht darüber reden?" Ich lächle meine Mutter liebevoll an. "Danke, aber das ist nicht nötig. Es ist alles in Ordnung. Mir ist nur bewusstgeworden, dass ich Alex nicht so wichtig bin, wie sie es für mich ist.", erkläre ich, küsse sie kurz auf die Wange und verlasse dann ebenfalls die Küche.
"Wenn du nicht mit ihr redest, kannst du das gar nicht wissen, Mia. Ich bin mir sicher, du bist der wichtigste Mensch in ihrem Leben, so wie sie es in deinem ist. Und wer weiß, vielleicht empfindet sie genauso." Sie zwinkert mir zu und verschwindet dann durch die andere Tür zum Wohnzimmer.
Ganz bestimmt nicht, Mum. Aber danke für den Versuch, mich aufzumuntern.
Frustriert gehe ich nach oben in das Badezimmer und schminke mich ab, ziehe dann meine Klamotten aus und stelle mich unter die Dusche. Während das angenehm warme Wasser über meinen Körper prasselt, lasse ich den Tag nochmal in meinem Kopf abspielen.
In der Umkleidekabine...da gab es eine Spannung. Die konnte doch nicht nur ich gespürt haben. Ich meine, wir hätten uns beinahe geküsst.
Es wäre garantiert passiert.
Wenn ich nicht in Panik geraten und geflüchtet wäre.
Wie sich ihre Lippen wohl angefühlt hätten? Sind sie rau oder weich?
Ich habe ja schon Schmetterlinge im Bauch, wenn ich sie auf meiner Wange spüre...
Ich wasche mir die Haare und verteile reichlich von meinem Lieblingsduschgel auf meinem Körper. Es riecht nach Limette. Ich liebe es!
Als ich den Schaum abgewaschen habe, steige ich aus der Dusche und wickle mir ein Handtuch um den Körper.
Von unten höre ich nichts mehr, meine Eltern sind also ins Bett gegangen. Schnell schleiche ich mich in mein Zimmer, da mir bereits kalt wird. Mir wird nur leider bewusst, dass ich das Fenster offengelassen habe, weshalb es jetzt einfach mega kalt in meinem Schlafzimmer ist.
Ich gehe zum Fenster, um es zu schließen, schalte aber nicht das Licht an, weil...Ja, keine Ahnung. Ich mache es einfach nicht. Der Mond scheint hell genug, dass ich eigentlich kein Licht brauche. Als ich nach dem Griff greife, löst sich das Handtuch, wodurch ein Teil meines nackten Oberkörpers entblößt wird.
Scheiße, heute ist echt nicht mein Tag!
Schnell fasse ich danach, schließe dann das Fenster und lehne mich dann seufzend gegen die Wand.
"Also von mir aus, hättest du das Handtuch nicht auffangen müssen. Du hast die gleichen Körperteile wie ich." Ich schreie auf, als eine weibliche Stimme durch das Zimmer hallt. Meine Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt, weshalb ich ohne Probleme eine Gestalt auf meinem Bett sitzen sehe. "Alex?"
Das Bett knarrt unter ihr, als sie sich zur Seite beugt und die kleine Lampe auf meinem Nachtschrank anschaltet.
"Scheiße, was willst du hier? Du hast mich fast zu Tode erschreckt!" Sie lächelt mich entschuldigend an und steht auf. "Ich wollte mich für die Sache in der Stadt entschuldigen. Und da du ja nicht an dein Handy gegangen bist, blieb mit nichts anderes übrig, als herzukommen." Ich schaue verstört auf meinen Wecker. "Kurz vor 11?!" Sie nickt.
Ich schüttle fassungslos den Kopf und gehe zu meinem Kleiderschrank. "Was du auch immer zu sagen hast, ich will es nicht hören. Du hast dich für den Deppen Philipp entschieden. Ich hoffe, die Pizza hat wenigstens geschmeckt." Es herrscht kurz Stille. Das einzige, was man hört ist, wie ich die Schubladen und Türen meines Schrankes auf- und zumache. "Er hat versucht, mich zu küssen."
Autsch, und das war mein Herz.
"Schön, dann hast du ja das erreicht, was du wolltest.", brumme ich, während ich mir unter dem Handtuch eine Unterhose anziehe. Dann lasse ich es achtlos auf den Boden fallen und greife nach dem passenden BH. Als ich ihn mir überstreife und zumachen will, kommen mir Alex' Hände dazwischen. Sie greift nach dem Verschluss und macht mir den BH zu. "Ich konnte es nicht, Mia." Ich versuche, zu ignorieren, dass ich ihren heißen Atem auf meiner Haut spüren kann und versuche, mich auf ihre Worte zu konzentrieren.
Das hier erinnert mich jetzt sehr an die Situation in der Kabine...als wir uns fast geküsst hätten.
Ich schlucke. "Und warum nicht?" "Ich musste die ganze Zeit an dich denken." Verblüfft und fassungslos zugleich drehe ich mich zu ihr um. Wir stehen wieder so nah aneinander wie in der Umkleidekabine. Aber es scheint sie nicht zu stören.
"Was?" Sie nickt. "Wie meinst du das, du musstest an mich denken?" Hoffnung steigt in mir auf.
Vielleicht hat Mum ja doch recht und Alex geht es wirklich so wie mir. Dass sie ebenfalls etwas für mich empfindet. Wie wundervoll wäre das denn bitte?!
Wem mache ich hier etwas vor? Mir selbst? Ich bin verdammt nochmal in Alex verliebt und sie hat offenbar auch Gefühle für mich...
Ich kann gar nicht in Worte beschreiben, wie glücklich ich jetzt im Moment bin!
"Naja, ich hatte die ganze Zeit über Schuldgefühle, weil ich dich alleine gelassen habe."
Wie lange habe ich jetzt vor Glück regelrecht gestrahlt? Zwei Sekunden?
Das ist doch alles scheiße.
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