Kapitel 2

* Überarbeitet

Es ist schwer in Worte zu fassen, was Alex' Nähe in mir auslöst.

Ist es Glücklichsein?

Sie macht mich auf eine Art und Weise glücklich, wie es kein anderer könnte.

Doch gleichermaßen bin ich wütend. Wütend auf mich, aber auch auf sie. Und das obwohl sie nichts dafür kann, was in mir vorgeht.

Sie ahnt noch nicht einmal etwas. Wie soll sie dann von meiner innerlich brodelnden Wut wissen?

Vor allem begleitet mich aber auch die Verunsicherung. Immer wieder verfalle ich in dasselbe Schema, stelle mir dieselben Fragen und versuche, mir nichts anmerken zu lassen.

In etwa: Schaue ich sie für eine Sekunde zu lange an? Wie wirkte mein Blick dabei auf sie? Könnten Außenstehende etwas bemerken, wenn sie uns beide sehen?

Es ist schwer, Alex nicht zu verfallen. Sie steht, ob gewollt oder nicht, oft im Mittelpunkt. Egal, wo sie auftaucht, man bemerkt sie. Es ist ihre Ausstrahlung, die jeden dazu verführt, sie anzusehen.

So ist es nicht gerade einfach, mit ihr allein zu sein. Denn sie hat die Aufmerksamkeit, wo wir auch sind. Und damit kann ich nicht allzu gut umgehen, wie ich wohl sollte.

Es ist aufregend, mit ihr unterwegs zu sein. Alex weiß, wie sie ihre Mitmenschen bezirzen muss, um ihren Willen zu bekommen. Bei mir ist es nicht anders. So lange sind wir schon befreundet, und doch kann ich mich ihrer noch nicht entziehen.

"Mia!"

Ich sehe auf und damit direkt in die schönen grünen Augen meiner besten Freundin. Schmunzelnd bleibt sie vor mir stehen, ihre Hände in die Hüften gestemmt.

"Es muss ja ganz interessant gewesen sein, so wie du in Gedanken warst", sagt sie. "Hast du mich denn nicht rufen hören?"

Als ich den Kopf schüttle, hält sie mir augenverdrehend ihre Hand hin. "Na los, lass uns gehen. Deine Schule deprimiert mich."

"Warum das denn?"

"Sie sieht aus wie ein Knast."

Während wir zu ihrem Wagen laufen, schauen andere uns, oder eher Alex, hinterher. Wie gewohnt zieht die Dunkelhaarige die Aufmerksamkeit aller auf sich.

Sie scheint es aber nicht zu bemerken. Oder aber sie ignoriert es gekonnt.

Wir steigen ein, und sie startet den Motor. Dann legt sie sich wie ich den Gurt um. "Also, war es versaut?"

"Wie bitte?"

"Woran hast du so intensiv gedacht?", fragt sie grinsend und schleußt sich in den Berufsverkehr ein.

"Du bist echt unmöglich", lache ich und genieße es, dass wir einen unbeschwerten Moment für uns haben.

Gerade gibt es niemand anderes als uns.

"Also erzähl, was hast du mit mir vor?"

Sie wendet sich mir zu und wackelt anzüglich mit den Augenbrauen, dass ich ihr spielerisch einen Klaps auf den Arm gebe. "So habe ich das nicht gemeint!"

Lachend konzentriert sie sich wieder auf das Fahren. "Du kennst mich doch. Sowas kann ich mir nicht entgehen lassen."

Ich zucke unbemerkt zusammen, als ihre Hand die meine findet. Es ist für mich nichts Neues, dass sie das tut. So finden wir uns eigentlich immer vor, sobald wir allein sind. Aber weniger aufregend ist es deshalb nicht.

Meine Wangen erröten verräterisch, so bin ich froh, dass Alex mich gerade nicht anschaut.

"Wir könnten ins Kino gehen, oder nicht?", schlägt sie vor. "Ursprünglich wollte ich in den Park, aber es sieht danach aus, als würde es bald regnen."

Tatsächlich ziehen sich dunkle, graue Wolken am Himmel langsam zusammen.

"Und was wolltest du im Park?", frage ich hellhörig.

Zwar hat es Alex nicht sonderlich schwer im Umgang mit Menschen, allerdings weiß man, wenn man sie genauer kennt, dass sie sie lieber meidet. Sie mag sie nicht sonderlich, vor allem nicht in größeren Gruppen.

Meine Freundin zuckt mit den Achseln. "Wir hätten uns auf eine Bank oder auf die Wiese setzen und quatschen können."

"Währenddessen du Leon dabei zugesehen hättest, wie er Fußball spielt?"

Ertappt beißt sie sich auf die Unterlippe.

Seit etwa einem Jahr haben die beiden regelmäßig Kontakt zueinander und schreiben ständig. Vor wenigen Monaten haben sie auch angefangen, sich manchmal zu treffen. Nur ab und zu, um es nicht auffällig aussehen zu lassen.

Soweit ich weiß, war er in ihrer Schule. Als dieser Leon in der Abschlussklasse war, ging Alex in die zehnte Klasse. Mittlerweile studiert er.

Wie oft musste ich mir irgendwelche Schwärmereien von ihr anhören. Und es verletzte mich jedes Mal mehr.

Wir bleiben an einer roten Ampel stehen. Ich schlucke den aufkommenden Schmerz herunter und schüttle lächelnd den Kopf. "Du bist echt schrecklich."

"Und trotzdem liebst du mich."

*

Als es zu regnen anfängt, haben wir uns gerade in das Haus gerettet. Ich schließe die Wohnungstür auf und trete zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen.

"Läuft überhaupt etwas Gutes im Kino?", erkundige ich mich bei Alex und krame mein Handy vor, um nachzusehen.

Sie verschwindet im Wohnzimmer und einen Moment später höre ich sie seufzend aufs Sofa fallen.

Ich folge ihr. "Was ist los?"

"Warum muss es ausgerechnet jetzt regnen?", beschwert sie sich schmollend.

Ich umrunde das Sofa und schiebe ihre Beine weg, um mich ebenfalls zu setzen. Sobald das geschehen ist, hat sie die Frechheit, ihre Füße auf meine Oberschenkel abzulegen.

"Du hast gar keine Lust, ins Kino zu gehen. Habe ich Recht?" Sie muss nichts sagen, ich kenne die Antwort bereits. "Alex, es regnet. Ich werde da ganz bestimmt nicht in den Park gehen." Sie schiebt ihre Unterlippe weiter vor. Doch ich bleibe standhaft. "Leon wird doch garantiert nicht mehr da sein. Vergiss es also."

"Mia..."

"Ich habe keine Lust, dir beim Sabbern zuzusehen", mache ich ihr deutlich und es spricht nichts anderes als die Wahrheit aus mir.

Es wäre die reine Folter gewesen, die beiden zusammen zu sehen. Ich muss leider zugeben, dass sie eigentlich ein ganz passables Paar wären. Doch deshalb muss ich mir noch lange nicht diese Blöße geben, mir dieses Spektakel anzutun.

"Wir hätten fragen können, ob wir mitspielen dürften", meint sie auf einmal.

"Aber sonst geht es dir gut, oder? Ich hasse Fußball", entgegne ich und wende den Blick ab.

Sie zu lange anzugucken, ist gefährlich.

"Du bist manchmal echt ein Spielverderber."

"Wenn ich das hier richtig deute, wolltest du also eigentlich gar nichts mit mir machen, sondern mit Leon."

Diese Erkenntnis versetzt mir einen Stich.

Es dauert eine Millisekunde, dann schmiegt sich Alex an mich. "Du weißt, dass ich dir Niemanden vorziehen würde!"

Unsere Unterhaltung wird unterbrochen, als die Wohnungstür geöffnet wird. Wir hören jemandem schnaufen und das Rascheln von Tüten.

Mama lächelt uns an, bevor sie am Türrahmen vorbeigeht in Richtung Küche. Wir springen auf, um ihr zu helfen, den Einkauf auszuräumen.

"Gut, dass ich mehr eingekauft habe", sagt sie lächelnd und begrüßt meine Freundin, während ich ihr einen Beutel abnehme.

Wir machen uns daran, die Lebensmittel auszupacken. "Alex kann hier doch schlafen, oder?"

"Bei dem Wetter könnt ihr wohl kaum etwas draußen unternehmen, nicht wahr? Kein Problem, solange ihr rechtzeitig ins Bett geht. Morgen ist Schule." Sie schürzt die Lippen. "Ich bin ehrlich gesagt nicht sonderlich motiviert zu kochen. Sollen wir uns stattdessen etwas bestellen?"

"Klingt gut!", stimme ich begeistert zu und reiche Alex die beiden Packungen Milch.

"Hattet ihr eigentlich etwas Besonderes vor, bevor es zu regnen begann?"

Das ist Alex' Stichwort. "Ich wollte eigentlich in den Park gehen, aber deine Tochter hat sich geweigert."

Als ich den verblüfften Blick meiner Mutter auf mir spüre, schüttle ich entscheidend den Kopf. "Wenn du es schon ansprichst, dann lass aber auch nichts aus, Fräulein."

Sie verzieht ihr Gesicht zu einer Grimasse.

Alex hasst es, wenn man sie so nennt. Was mich als gute Freundin allerdings nicht davon abhält, sie ab und zu damit zu ärgern.

"Sie wollte nämlich nur irgendeinem Typen dabei zusehen, wie ihm der Schweiß beim Fußballspielen übers Gesicht fließt", sage ich absichtlich provokant, woraufhin die Dunkelhaarige mit den Augen rollt.

Mama schüttelt schmunzelnd den Kopf. "Ihr beide könntet wirklich nicht unterschiedlicher sein. Aber vielleicht hält eure Freundschaft deshalb so gut", bemerkt sie und scheucht uns dann aus der Küche. "Überlegt euch, was ihr nachher essen wollt. Solange könnt ihr in dein Zimmer gehen."

Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Unsere Füße verselbständigen sich, und binnen einer Minute werfen wir uns auf mein Bett.

Lachend versucht Alex mich in die Matratze zu pressen und lehnt sich dazu über mich. Geschlagen gebe ich mich aber noch lange nicht, und strecke ihr stattdessen die Zunge entgegen. Mit hochgezogener Augenbraue wartet Alex, ob ich es mich traue, sie zu berühren. Doch als meine Zungenspitze über ihrer Wange ruht, weicht sie angeekelt aus. "Du bist ekelhaft."

"Ich habe nichts getan."

"Das hättest du aber!"

Grinsend richte ich mich auf. "So süß bist du nicht, dass ich in Versuchung gerate, an dir lecken zu wollen", erwidere ich und suche mein Bett nach der Fernbedienung ab.

"Ach nicht? Dann hast du mich schon so leicht in dein Bett gekriegt, und willst dann aber nichts von mir?", zieht sie mich spielerisch auf. Ich bekomme tatsächlich eine Gänsehaut, als ihre Fingerspitzen über meinen Arm wandern. "Bist du eher der Typ 'Lernen-wir-uns-doch-erstmal-kennen'?"

"Du bist so dumm", fahre ich sie lachend an, nachdem ich meine Hormone in den Griff bekommen habe, und schubse sie von mir. Kichernd lässt sie sich nach hinten fallen.

"Hast du einen bestimmten Film, den du gern gucken würdest?", frage ich sie dann und konzentriere mich auf den Fernseher. "Eher etwas Lustiges oder Kitschiges? Oder doch...Ey!"

Alex hat mir die Fernbedienung aus der Hand gerissen und übernimmt nun selbst die Führung.

Noch dazu legen sich von hinten zwei Arme um mich, und ihr weicher Körper presst sich an meinen. "So kuschelbedürftig auf einmal?", scherze ich, obwohl mein Herz bis zum Anschlag klopft.

Anstatt etwas darauf zu erwidern, platziert sie ihren Kopf auf meine Schulter und seufzt. Sie scheint ganz fokussiert auf die Suche nach einem passenden Film zu sein. Währenddessen spüre ich, wie aus jeder Pore Wärme von ihr ausgestrahlt wird, und diese mich vollkommen einnimmt.

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass es mir nicht gefällt.

"Wir könnten uns den anschauen", sagt sie. Ihr Atem trifft meinen Hals. Ich atme hörbar aus, hoffe aber innständig, dass sie nicht darauf achtet. Sie wählt einen Horrorfilm, Dead Silence, aus. "Wenn es gruselig wird, kannst du dich an mich heran kuscheln."

"Witzig."

"Denkst du, Sarah hat ein paar Snacks eingekauft?", fragt sie dann und befreit uns aus der innigen Umarmung. Ich sehe ihr nach, wie sie vom Bett robbt und zur Tür geht. "Ich werde mal nachschauen. Solange kannst du es uns schon mal ein wenig gemütlich machen." Sie zwinkert mir zu, bevor sie mein Zimmer verlässt.

Verdammt, worauf habe ich mich bloß eingelassen?

Mia hat es wohl nicht so einfach mit Alex. Sie ist ein wenig speziell 🙈

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