Teil 19

Teil 19

Zwei Tage waren vergangen, seitdem Barker meinem Vater das Video von mir geschickt hat und seither hatte er sich nicht mehr blicken lassen. Nur seine zwei Marionetten waren aufgetaucht, um uns wie immer einmal Täglich etwas zu essen zu bringen.
Als Ryan meine Verletzungen gesehen hatte, war er überraschenderweise ziemlich ausgerastet. Entgegen seiner sonst so ruhigen Art, schlug er gegen die Tür und rief Barker und seinen Männern Beleidigungen zu und drohte ihnen allerlei Dinge an. Nach kurzer Zeit hatte er es dann jedoch aufgegeben, da es schlicht und einfach keinen Sinn hatte. Er kam zu mir zurück um mich zu verarzten, so gut es mit gefesselten Handgelenken und dem Mangel an so ziemlich allem nun mal ging.
Mein Herz erwärmte sich bei der Tatsache, dass er sich anscheinend wirklich Sorgen um mich machte. Ich hatte das Gefühl, dass seine kalte und unnahbare Fassade langsam zu bröckeln begann. In den letzten beiden Tagen hatte ich mehr Emotionen bei ihm gesehen, als die ganze Zeit seit dem wir uns kannten.
Wir waren nun auch schon über eine Woche in diesem stinkenden Raum gefangen, da war es doch auch irgendwie logisch, dass man sich näher kommt.
Meine Wunden schmerzten mittlerweile schon nicht mehr so sehr. Mein Körper war zwar übersät mit blauen und violetten Flecken, aber ansonsten sah es schlimmer aus, als es tatsächlich war. Brüche und Verstauchungen hatte ich nicht und mit dem Rest wurde eine Flucht nicht all zu erschwert.
Wir besprachen schon seit mindestens einer Stunde unsere Flucht und wir waren uns einig, dass wir durch das Fenster entkommen müssen. Es war der einzige logische Ausweg. Barker und seine Männer schliessen die Tür immer ab und selbst wenn wir mal Glück haben sollten, wussten wir nicht wer oder was uns unten erwartete. Klar eine Flucht übers Dach könnte auch ganz schön in die Hose gehen, aber wir waren uns einig, dass wir es versuchen mussten.
Um an das Dachfenster zu gelangen, würden wir den nicht gerade stabil wirkenden Tisch brauchen und einfach hoffen, dass er unser Gewicht tragen kann. Ausserdem müssen wir das Fenster irgendwie einschlagen, da der Griff, um es zum öffnen, abmontiert wurde.
„Die Fesseln sind eines unserer grössten Probleme." Stellte Ryan gerade fest.
Ich nickte und starrte nachdenklich auf meine Handgelenke.
Mein Onkel Tiago hatte vor einigen Monaten eine, sagen wir mal erlebnisreiche Nacht mit einer Frau und Fesselspielen. Zu seinem Pech hatte er anscheinend ein paar Wochen oder vielleicht auch nur Tage zuvor was mit ihrer Schwester und sie hatte deshalb nicht wirklich das Selbe mit ihm vor, wie er mir ihr.
Ohne allzu viele Details zu nennen, hatte sie ihn gefesselt und geknebelt in einem Hotel, in der Nähe unseres Hauses zurückgelassen. Also hatte er beschlossen zu uns zu kommen. Mein Vater hatte ihm jedoch nicht einfach die Fesseln abgenommen, sondern ihm nur erklärt wie man das macht, sodass er es selbst machen musste.
Lange Rede kurzer Sinn: Ich hätte damals besser aufpassen sollen, dann hätten wir heute ein Problem weniger.
Beim Gedanken an meine Familie und vor allem an meinen Vater zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Ich schüttelte den Kopf und verdrängte diese Gedanken.
Momentan wollte und konnte ich nicht an das denken.
„Wir bräuchten einfach etwas scharfes, um sie durchzuschneiden." Murmelte ich mit meinem Kopf wieder bei der Sache.
„Woher sollen wir das bekommen? Ich denke nicht das Barker mit einem Messer hier rein spaziert und es dann freundlicherweise auch noch hier liegen lässt." Meinte er frustriert und ich zuckte nur mit den Schultern.
Ich hatte doch auch keine Ahnung...
Eine Weile herrschte Stille zwischen uns.
„Heute war noch gar niemand da und es fängt schon an zu dämmern, ob sie uns vergessen haben?" Sprach ich plötzlich meine Gedanken laut aus und durchbrach somit das Schweigen.
„Vielleicht..." gab Ryan lediglich von sich.
Ich betrachtete ihn. Wir sassen ziemlich nahe beieinander auf der kleinen Matratze, sodass sich unsere Arme berührten. Ryan drehte seinen Kopf in meine Richtung, weil er wahrscheinlich mein Starren bemerkte.
Doch entgegen meiner Erwartung sagte er nichts und blickte mir einfach schweigend in die Augen. Langsam lies er seinen Blick über mein Gesicht wandern, als ob er sich jedes Detail einprägen wollte.
Ich bemerkte wie seine Augen kurz an meinen Lippen hängen blieben. Auch meine Augen wanderten zu seinen vollen und so einladend wirkenden Lippen.
Zu gerne würde ich ihn jetzt einfach Küssen...
Wie benebelt wollte ich den Gedanken in die Tat umsetzten. Ich lehnte mich ganz langsam zu ihm rüber und auch er beugte sich leicht zu mir runter, sodass der Anstand zwischen unseren Lippen immer wie kleiner wurde.
Genau in dem Moment hörte ich wie die Türe aufgeschlossen wurde.
Erschrocken fuhren wir auseinander und meine Wangen nahmen eine leicht rötliche Farbe an.
Anscheinend hatten sie uns doch nicht vergessen...
Barker höchstpersönlich beehrte uns mit seiner Anwesenheit. Er hielt ein Tablett in der Hand, auf dem sich eine Flasche Wein und zwei Äpfel befanden.
„Wofür der Wein?" Fragt Ryan misstrauisch, woraufhin Barker anfängt zu Lachen.
„Irgendwie muss man doch einen Geburtstag feiern und so schnell konnte ich leider keinen Kuchen herbeizaubern." Erklärte er und stellte das Tablett auf den wackligen Tisch.
„Normalerweise feiern Entführungsopfer nicht den Geburtstag ihrer Entführer." Meinte Ryan zynisch.
„Oh nein nein, ich habe nicht Geburtstag, sondern unsere liebe Kyra."
Überrascht riss ich die Augen auf und auch Ryan wirkte ebenfalls erstaunt.
Mein Gehirn funktionierte mittlerweile nach diesem beinahe Kuss wieder einigermassen normal und ich konnte mir echt nicht erklären, was vorhin in mich gefahren war. Obwohl mein Herz einen kleinen Sprung machte, wenn ich daran dachte, dass Ryan mich vielleicht auch küssen wollte, musste ich mich jetzt wieder auf das Wesentliche konzentrieren.
Ich hatte meinen Geburtstag, den Barker eben erwähnte, komplett vergessen. Aber das war ja eigentlich logisch, immerhin ist mein Zeitgefühl hier innen ziemlich erbärmlich und ich hatte wesentlich grössere Probleme, als dass ich über meinen Geburtstag nachdenken könnte.
„Was dachtest du etwa, ich hätte es vergessen?" Fragte Barker gespielt entrüstet.
„Wieso solltest du daran denken?" Stellte ich ihm desinteressiert eine Gegenfrage.
„Aber aber, ich bin doch kein Monster." Meinte er schmunzelnd und winkte mich zu sich.
„Komm und schenk dir deinen Geburtstagswein ein. Ihr bekommt beide einen Becher, aber der Rest gehört mir." Sagte er lachend, als hätte er den besten Witz des Millenniums erzählt.
Ich wollte mich gerade weigern, als mir eine Idee kam. Vorsichtig rappelte ich mich auf und ging zu Barker.
Ungeschickt nahm ich die Flasche entgegen.
Es wäre eigentlich kein Problem gewesen die zwei Plastikbecher zu füllen, auch wenn meine Handgelenke fest aneinander gefesselt waren.
Ich stellte mich jedoch mit Absicht tollpatschig an und lies die Flasche auf den Boden fallen.
Mit einem lauten Klirren zerscheperte das Glass auf dem Steinboden.
Ups...
Wütend drehte sich Barker zu mir um und verpasste mir schwungvoll eine Ohrfeige mit seinem Handrücken. Durch die Wucht verlor ich das Gleichgewicht und fiel direkt in den Scherbenhaufen.
Ich schrie schmerzerfüllt auf, als die scharfen Seiten und Spitzen des Glasses die Haut meiner Arme aufschnitten.
„Da will man einmal nett sein und dann ist diese Göre zu dumm eine Flasche zu halten!" Zischte Barker verächtlich.
Er verliess mit wütenden Schritten den Raum und schloss die Tür hinter sich mit einem lauten Knall.
Ich richtete mich langsam auf und sah, wie Ryan aus dem Badezimmer zu mir geeilt kam.
Besorgt hatte er die Augenbrauen zusammengezogenen und musterte meine Wunden.
„Keine Sorge, das ist alles nur halb so schlimm." Beruhigte ich ihn Grinsend, auch wenn der Schmerz immer noch da war.
„Wieso bist du so glücklich darüber, dass er dich geschlagen hat und du dich an den Scherben verletzt hast?" Fragte Ryan verständnislos und begann damit meine Wunden von Glassplittern zu befreien und sie mit einem nassen Tuch zu reinigen, dass er vorhin aus dem Bad geholt hatte.
„Es verlief alles nach Plan." Sagte ich ihm, stolz wegen meines Geniestreichs.
„Dann war der Plan scheisse." Meinte er kopfschüttelnd.
„Du weisst doch gar nicht, was der Plan war!" Empörte ich mich.
Wie konnte er es wagen meinen Masterplan schlecht zu machen?
„Wenn du dich dabei verletzten musstest, dann war der Plan schlecht." Stellte Ryan klar und blickte mir dabei wütend in die Augen.
„Ja, der Teil mit dem Verletzten kam etwas unerwartet, aber wir haben die Scherben und das ist alles was zählt."
Verwirrt sah er mich an. Deshalb erklärte ich ihm meine Überlegungen.
„Er wollte die Flasche wieder mitnehmen, doch sie war unsere einzige Möglichkeit an etwas scharfes zu gelangen, um unsere Fesseln durchzuschneiden. Ich musste also irgendetwas machen, damit wir die Scherben behalten können."
Erkenntnis zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er begriff. Vorsichtig umwickelte er eine der grösseren Scherben mit dem Tuch, welches er vorhin noch für meine Wunden verwendete.
Ich hielt ihm meine Handgelenke entgegen und er begann zu schneiden.
Als ich endlich von den kratzigen und schmerzhaften Seilen befreit war, zerschnitt ich auch Ryans Fesseln mit der Scherbe. Es war eine echte Erleichterung die Arme nach dieser ganzen Zeit wieder frei bewegen zu können.
Nun konnte unsere Flucht endlich beginnen!

Schaffen sie es zu entkommen oder wird ihnen Barker nochmals einen Strich durch die Rechnung machen?
Denkt ihr sie hätten sich wirklich geküsste, wenn Barker nicht gekommen wäre?

Das ist er erste Teil der versprochenen Lesenacht! Wann genau das nächste Kapitel kommt und wie viele es werden, kann ich momentan noch nicht sagen.

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